Bei einer Diskussion um Alleinerziehende dürfen wir an dieser Stelle natürlich nicht aus dem Auge verlieren, dass – wo immer möglich – Eltern möglichst zusammenbleiben sollten. Am heutigen Tag hat das Statistische Landesamt des Freistaates Sachsen die Zahl der Scheidungen für unseren Freistaat für das Jahr 2016 herausgegeben. Diese Zahlen sind in Sachsen rückläufig. Das ist gut, aber noch nicht gut genug.
Lassen Sie uns daher die kostenlose Eheberatung in Sachsen ausbauen, damit soziale Kompetenzen im Umgang mit Konflikten gestärkt und auf den besonderen Stellenwert und die Tragweite intakter Familien hingewiesen werden kann. Lassen Sie uns also in erster Linie die Ursachen bekämpfen.
Die Förderung einer intakten Familienstruktur liegt übrigens auch im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention nach Artikel 7. Das sollte uns Ansporn sein!
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde in der Aussprache zur Großen Anfrage. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? Frau Staatsministerin Klepsch, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Wir sind uns alle einig: Alleinerziehende stehen vor besonderen Herausforderungen, um den Lebensunterhalt ihrer Klein
familie abzusichern, den Familienalltag zu managen und letztlich den Familienalltag auch mit der beruflichen Situation in Einklang zu bringen. Alleinerziehende benötigen dafür insbesondere persönliche Netzwerke und Stabilität in ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Situation.
Laut den Ergebnissen des Mikrozensus – Herr Abg. Zschocke hatte schon darauf hingewiesen – lebten im Jahr 2015 insgesamt 93 400 alleinerziehende Eltern in Sachsen. Das sind 24 % aller Lebensformen mit Kindern. Alleinerziehenden steht, wie allen anderen Familienformen auch, ein umfangreiches und ausdifferenziertes Netz an familienunterstützenden Leistungen und Maßnahmen zur Verfügung. Dieses Netz beinhaltet auch Komponenten zur Berücksichtigung ihrer besonderen Situation. Ich denke hier insbesondere an das Landeserziehungsgeld, an Regelungen für Alleinerziehende beim Landesfamilienpass und an die Bezuschussung von Familienbildungs- und Erholungsmaßnahmen.
Das Sozialministerium, also mein Haus, fördert seit vielen Jahren den Verband der Selbsthilfegruppen Alleinerziehender e. V. im Rahmen einer Projektförderung mit jährlich 60 000 bis 80 000 Euro. An dieser Stelle möchte ich dem Verband ganz ausdrücklich Danke sagen, denn er ist ein wichtiger Partner für Politik, Verwaltung und die Fachöffentlichkeit.
Unser Ziel ist es, die vom Haushaltsgesetzgeber bereitgestellten Mittel – vor allem den Ausbau der Angebote an Ehe-, Familien- und Lebensberatung – weiter voranzutreiben, um Familien bei der Lösung von Paar- und Beziehungsproblemen oder bei Trennung und Scheidung besser unterstützen zu können.
Auch wenn die Lebenslage „alleinerziehend“ ein Viertel aller Lebensformen mit Kindern darstellt, so sollten wir dies nicht nur als gesellschaftlich akzeptierte Realität hinnehmen, sondern vielmehr die Ursachen betrachten und präventive Ansätze mit entwickeln. Hier ist beispielsweise die Familienbildung noch stärker als bisher gefragt. Denn, meine Damen und Herren, ein Kind benötigt grundsätzlich beide Elternteile. Diese Sicht setzt sich glücklicherweise auch bei Trennungsfamilien immer mehr durch. Immer mehr Eltern entscheiden sich dafür, ihre Kinder im sogenannten Wechselmodell oder im Rahmen eines sogenannten erhöhten Umgangs gemeinsam zu betreuen. Diese positive Entwicklung spiegelt sich jedoch noch nicht bei der Übernahme der finanziellen Verantwortung durch den getrennt lebenden Elternteil wider.
Um die Situation von Alleinerziehenden zu verbessern, haben sich Bund und Länder darauf verständigt, den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss zu erweitern; auch das wurde bereits angesprochen. Insgesamt stellen Bund, Länder und Kommunen dafür 350 Millionen Euro pro Jahr mehr zur Verfügung. Für den Freistaat Sachsen sind es insgesamt 87 Millionen Euro, davon 25 Millionen Euro mehr als bisher.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vom Rückgang der Arbeitslosigkeit in Sachsen konnten auch Alleinerziehende profitieren. Die Zahl erwerbsfähiger Alleinerziehender im SGB-II-Bezug ist im Zeitraum von 2008 bis 2015 erfreulicherweise auf 37 858 gesunken, aber diese Zahl kann uns natürlich noch nicht zufriedenstellen. Hier sehe ich vor allem die Wirtschaft in der Pflicht, Bedingungen zu schaffen, die Alleinerziehenden die stärkere Teilnahme am Erwerbsleben mit ermöglichen.
Wer Unterstützung benötigt, meine Damen und Herren, sollte natürlich nicht alleingelassen werden. Es bedarf immer gemeinsamer Bemühungen und individueller Unterstützungsangebote. Darum bemühen sich Kommunen, freie Träger, private Netzwerke und ganz besonders natürlich auch der Freistaat Sachsen.
Meine Damen und Herren! Ihnen liegt die Drucksache 6/9291 vor. Es handelt sich um einen Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den wir jetzt beraten und beschließen werden. Soll dieser noch eingebracht werden? – Herr Abg. Zschocke, Sie haben jetzt dazu Gelegenheit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit nutzen, noch einige Worte zum Entschließungsantrag zu sagen. Mit dem Punkt I unseres Entschließungsantrags haben wir die zentralen Schlussfolgerungen aus den Antworten der Staatsregierung zusammengefasst. Aber vor allem unter II finden Sie dann eine ganze Reihe von konkreten Handlungsvorschlägen, die wir aus den Antworten des Ministeriums ableiten, und, Herr Krauß, das sind Handlungsvorschläge überwiegend in einem Bereich, wo es noch nicht so ist, dass dies bereits umgesetzt wird, wie Sie das vorhin behauptet haben.
Wir wollen – das zeigen all diese Vorschläge, die wir machen – Alleinerziehende mit all den Herausforderungen, denen sie sich im Alltag stellen müssen, nicht alleinlassen. Unsere Vorschläge reichen vom Ausbau der Beratung für Unternehmen zu familiengerechten Arbeitszeitmodellen über die Verbesserung der Möglichkeiten für Berufsausbildung und Studium in Teilzeit, für die Entwicklung von Angeboten flexibler Kindertagesbetreuung sowie Hol- und Bringediensten, aber auch die Anpassung der Maßnahmen in den Jobcentern an die Lebenssituation Alleinerziehender, die Unterstützung von getrennt lebenden Eltern bei der gemeinsame Erziehung bis hin – das hat Frau Klepsch ausgeführt – zur Stärkung der landespolitischen Interessenvertretung für Alleinerziehende, vor allem auch mit einer mehrjährigen Finanzierungsperspektive.
Außerdem wollen wir die Gruppen von Alleinerziehenden, zu deren Lebenssituation bisher zu wenig bekannt ist – Frau Pfau hat darauf hingewiesen – in den Blick neh
men. Das sind Minderjährige, Zugewanderte, Geflüchtete, Studierende, aber auch Alleinerziehende mit Behinderung. Auch die gesundheitlichen Belastungen und die daraus resultierenden präventiven Maßnahmen müssen, so glauben wir, noch einmal genauer analysiert werden, als das hier geschehen ist.
Meine Damen und Herren, es ist klar, viele Verbesserungen für Alleinerziehende können nur auf der Bundesebene erreicht werden. Die Einführung einer gleichen staatlichen Förderung für jedes Kind, unabhängig von Einkommen und Steuerstatus der Eltern, gehört auf jeden Fall dazu. Auf Landesebene können wir allerdings dafür sorgen, dass Alleinerziehende gar nicht erst in einen wirtschaftlichen Teufelskreis geraten, sondern hier in Sachsen eine gute Ausbildung machen können, gute Arbeit finden, auch bei Teilzeitbeschäftigung Aufstiegschancen im Beruf haben. Wir können dafür sorgen, dass auch Alleinerziehende noch Zeit für Regeneration und eigene Gesundheitsvorsorge haben.
Von besseren Rahmenbedingungen für das Zusammenleben mit Kindern profitieren am Ende alle. Lassen Sie uns Rahmenbedingungen entwickeln, in denen allein zu erziehen kein Makel, kein Schicksalsschlag ist, Herr Krauß, sondern ein akzeptiertes und auch im Alltag funktionierendes Lebensmodell. Deswegen bitte ich Sie um Unterstützung für unseren Antrag.
Vielen Dank, Herr Zschocke. Der Antrag ist eingebracht. Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Frau Pfeil-Zabel bitte, dann Herr Abg. Wendt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns in der Analyse bei vielen Dingen einig. Gerade die ersten vier Punkte im Antrag sind, glaube ich, von allen zu unterschreiben, wie Herr Krauß auch gesagt hat. Hier kommen wir uns entschieden näher.
Aber ich möchte noch einige Punkte nennen, die wir auch ablehnen. Gerade für die neue wissenschaftliche Studie – Frau Pfau und Herr Zschocke haben es gesagt – ist im Moment nicht der richtige Zeitpunkt. Wir stehen jetzt vor der Sozialberichterstattung. Sie selbst haben ein Mitglied im Beirat für die Sozialberichterstattung, wo man deutlich machen kann, dass die Frage Alleinerziehender in irgendeiner Art und Weise dabei mit abgedeckt werden muss. Viel besser wäre es unseres Erachtens, erst die Sozialberichterstattung abzuwarten und dann noch einmal ganz dezidiert zu schauen, welche Lebenslagen wir untersuchen und auf welcher Datengrundlage wir das machen können. An dieser Stelle halten wir eine separate Untersuchung nicht für notwendig.
Was die Maßnahmen in den Jobcentern betrifft, bin ich auch etwas skeptisch. Um ehrlich zu sein, ich kenne gerade niemanden, der mir sagen kann, wie viele Maß
nahmen und wie viele verschiedene Programme an den Jobcentern überhaupt laufen. Diese gibt es für alle Lebensbereiche, für die individuellsten Fragen. Der Kernpunkt ist doch vielmehr: Wir brauchen für jeden einzelnen Fall eine individuelle Beratung.
Am Montag war ein junger Mann aus Afghanistan bei mir, der im Mai bei mir zu arbeiten anfangen möchte. Er ist alleinerziehend mit einer dreijährigen Tochter. Außerdem hat er das Problem, dass er die deutsche Sprache noch nicht wirklich spricht und noch keinen Abschluss gemacht hat. Er hat also ganz vielfältige Problemlagen, und für ihn müssen auch ganz vielfältige Lösungen gefunden werden. So geht es auch vielen Alleinerziehenden, sodass man ganz individuell darauf schauen muss: Welche Voraussetzungen sind gegeben? Wo können sie hin? Welches familiäre Umfeld ist noch vorhanden? Ich glaube, ein Blaupausenprogramm hilft uns an dieser Stelle nicht weiter.
Das gilt auch für die Frage einer Beratungsstelle für Unternehmen. Es ist vielleicht eine schöne Idee, eine solche Beratungsstelle einzurichten. Aber an dieser Stelle müssen wir uns so ehrlich machen, zu erkennen: Die Unternehmen müssen sich an das halten, was die Beratungsstelle ihnen empfiehlt, wir können sie aber auch nicht dazu zwingen. In jedem Unternehmen ist die Situation unterschiedlich. An dieser Stelle brauchen wir einen Wandel im Nachdenken darüber, wie die Unternehmen mit Pflege- und Familienarbeitszeit umgehen. Dabei hilft keine Beratungsstelle. Das ist ein Stück weit auch ein gesellschaftlicher Wandel, vor dem wir stehen und den wir gemeinsam mit den Unternehmen vollziehen müssen.
Ein letzter Punkt betrifft die langfristige und zuverlässige Finanzierung. Ich habe mich sehr über das gefreut, was Frau Klepsch dazu gesagt hat. Es ist für uns alle ein großes Anliegen, dass die Familienverbände endlich schnell, zuverlässig und planbar an ihre Mittel kommen und an dieser Stelle auch zuverlässig mit dem Ministerium arbeiten können. Ich weiß, das funktioniert noch nicht hundertprozentig. Wir arbeiten gemeinsam daran, und wenn die Frau Ministerin dabei mit uns an einem Strang zieht, werden wir das hoffentlich auch umsetzen können.
Wir werden den Entschließungsantrag ablehnen, nicht etwa, weil wir der Meinung wären, dass Alleinerziehende nicht unterstützt werden müssen, sondern einfach, weil in keiner Weise darauf eingegangen wird, wie vermieden werden kann, dass Familien getrennt werden, dass sich Frau und Mann trennen.
Zum anderen sind in dem Entschließungsantrag sehr viele Punkte aufgeführt, die sich in vier Stunden nicht fundiert bearbeiten lassen, schon gar nicht an einem Plenartag.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer der Drucksache 6/9291 seine Zustimmung geben möchte, zeigt das jetzt bitte an. – Danke. Gegenstimmen? –
Danke. Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür ist der Entschließungsantrag dennoch nicht beschlossen.