Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

Nach dem Magdeburger Urteil muss die Sauenhaltung in der Schweinezucht quasi neu definiert werden. Die bundesweite Diskussion auf Länderebene geht nach dem Magdeburger Urteil weiter und, ich denke, recht bald in

die entscheidende Phase. Es geht aber nicht mehr um eine Eins-zu-eins-Umsetzung des Magdeburger Urteils,

(Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

wie Sie es mit Ihrer Forderung nach dem Erlass tun. Es geht um eine Erweiterung der Haltungsformen. Das heißt konkret: Es geht um die Verkürzung der Fixierdauer wie gefordert und um die Erweiterung der Gruppenhaltung. Ein Erlass würde diese bundesweite Zielstellung konterkarieren. Ich glaube, das wissen Sie auch; denn schließlich ist ein Minister Ihrer Partei, der niedersächsische Landwirtschaftsminister Christian Meyer, gerade der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz.

Nach dem Magdeburger Urteil sind alle heute üblichen Kastenstände für Sauen in der Schweinezucht zu klein. Wir haben das gehört. Sie entsprechen nicht mehr den Mindestbedingungen der Tierschutz-Nutztierhaltungs

verordnung. Zudem wird durch die Fixierung der Sauen ein artgemäßes Halten unmöglich gemacht. Für die überwiegende Mehrzahl der Tierhaltungsbetriebe bestand damit von einem Tag auf den anderen Rechtsunsicherheit.

In der Antwort der Staatsregierung wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass die Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter aktiv geworden sind. Die Betriebe werden jetzt aufgeklärt und sind aufgefordert, in einer sogenannten Übergangsphase eine möglichst artgerechte Bewegung der Sauen sicherzustellen und Konzepte zu entwickeln. Die Meinung vieler Tierärzte und viele wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die Form der Kastenhaltung und die Fixierung nicht tiergerecht sind. Die mehrheitliche Auffassung ist, dass auf Kastenhaltung und Fixierung ganz verzichtet werden sollte bzw. diese nur für einen begrenzten Zeitraum betrieben werden darf. Wenn man dieser Auffassung folgte, dann wäre eine alleinige Vergrößerung der Kastenstände der völlig falsche Weg.

Da sind wir wiederum bei dem Punkt, warum der von den GRÜNEN geforderte Erlass zurzeit nicht zu den gewünschten Zielen führt. Es muss in Zukunft darum gehen, die Gruppenhaltung als Standard gesetzlich festzuschreiben und die Fixierung zeitlich zu begrenzen, zum Beispiel für den Zeitraum der Besamung. Das aber erfordert eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Wenn ich die Diskussion auf Länderebene und im Bund richtig verfolgt habe, dann besteht darüber im Großen und Ganzen Einigkeit.

Damit sind wir bei den nächsten Fragen, die auch betrachtet werden müssen: Machen wir das von einem Tag auf den anderen oder stufenweise? Geben wir den Tierhaltungsbetrieben Planungssicherheit, oder sind uns betriebliche und wirtschaftliche Belange egal? Geben wir den Tierhaltungsbetrieben durch ein geordnetes Verfahren die Möglichkeit, ihren Betrieb auf tierschutzgerechtere Haltungsformen umzustellen und, wenn ja, auf welche konkret?

Planungssicherheit bedeutet, den Tierhaltungsbetrieben zu sagen, wohin die Reise gehen soll. Wir können hier auf

die Erfahrungen in den Niederlanden oder Dänemark zurückgreifen; aber ich denke, hier in Deutschland mit praktikablen Übergangsphasen und -fristen bis zur Zielstellungserreichung, wenn wir nicht wollen, dass genau wie in diesen Ländern ein Strukturbruch entsteht, sollten wir die Erfahrungen der alternativen Betriebe einbeziehen, die uns zeigen, dass Sauenhaltung auch ohne Fixierung und in Gruppe möglich ist.

Gruppenhaltung braucht aber Platz. Das heißt, dann muss entweder der Tierbestand abgebaut oder es müssen größere Ställe gebaut werden. Wir wissen alle, dieser Umbau kostet Geld, sogar viel Geld. Es geht aber nicht nur um Finanzierungsfragen bei Investitionen, es müssen Fragen der baurechtlichen, emissionsschutzrechtlichen Genehmigung geklärt werden. Diese drei Aspekte – Planungssicherheit, Investition und rechtliche Fragen – sprechen für einen stufenweisen Umstieg. Wir brauchen Übergangsphasen, die für die bestehenden Haltungen praktikabel sind. Aber auch hierfür muss die rechtliche Grundlage geschaffen werden – die Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.

Meine Damen und Herren, ich darf zusammenfassen: Nach dem Magdeburger Urteil sind sich die Bundesländer einig, dass es nicht nur um eine Vergrößerung der Kastenstände gehen darf, sondern um eine Erweiterung der Haltungsformen. Zur Klärung, welche zukünftigen tierwohlgerechten Haltungsformen geeignet und wie die rechtlichen Fragen zu beantworten sind, gibt es auf Länderebene eine Arbeitsgruppe. Wir haben das schon gehört. Wir brauchen Übergangsfristen, um den Tierhaltungsbetrieben Planungssicherheit zu geben und die Umstellung zu ermöglichen. Sowohl für die Zieldefinition als auch für die Übergangsfristen muss die TierschutzNutztierhaltungsverordnung geändert werden. Auch

darüber besteht Einigkeit in Land und Bund. Ein Erlass wäre diesbezüglich kontraproduktiv. Wir werden deshalb den Antrag ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Wild. Herr Wild, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr von Breitenbuch, wir sind oftmals fachlich in der Differenz. Heute möchte ich Ihnen zu dem fachlich ausgezeichneten Vortrag gratulieren. Sie haben das wirklich genau auf den Punkt gebracht.

(Beifall bei der CDU – Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Aus der Nummer kommen Sie nicht mehr raus!)

Eigentlich könnte ich sagen, ich stimme dem z,u und mich wieder hinsetzen. Aber so leicht mache ich es den GRÜNEN natürlich nicht.

(Beifall bei der AfD)

„Breite und Beschaffenheit von Kastenständen für Sauen in der Schweinezucht – geltendes Recht durchsetzen – Kastenstanderlass für Sachsen beschließen“.

(Kathrin Kagelmann, DIE LINKE: Lesen können wir noch!)

Das ist heute der letzte Antrag, aber das bekannte Sprichwort „Das Beste kommt zum Schluss“ trifft hier leider nicht zu. Im Gegenteil. Auch wenn ich mich wiederhole: Das ist wieder einer der typisch grünen Anträge, vorgaukeln, etwas Gutes bewirken zu wollen, und Konsequenzen für Hersteller und Verbraucher komplett ausblenden. Das ist grüne Politik in Sachsen.

Die Umsetzung Ihres Antrags bewirkt vor allem erstens die Schwächung der heimischen Landwirtschaft und zweitens den Import aus dem europäischen Wirtschaftsraum. Sie haben offensichtlich keine Ahnung von unseren landwirtschaftlichen Strukturen. Sie verlangen in Ihrem Antrag eine unverzügliche Umsetzung. Ohne jegliche Unterstützung wäre das aber das Aus für die allermeisten kleinen und mittelständischen Schweinebauern. Einzig die Großbetriebe würden das verkraften und dann auch noch gestärkt aus der Krise hervorgehen.

Sie, die GRÜNEN, fördern damit Monopolisten zulasten der seit Generationen bestehenden Familienbetriebe. Sie können das ja wollen, dann sollten Sie aber auch den betroffenen Menschen und vor allem dem kleinen Rest Ihrer Wähler draußen in Sachsen sagen, dass Sie den Untergang der familienbetriebenen Landwirtschaft wollen. Das machen Sie aber nicht. Sie machen mit diesem Antrag Lobbyarbeit für einige wenige Großbetriebe im Wissen, dass es den vielen kleinen Familienunternehmen die Existenz kosten könnte.

Auch den Schweinen geht es mit Ihrem Antrag nicht besser.

(Heiterkeit bei der AfD – Zurufe von den GRÜNEN und den LINKEN)

Denn dann kommen die eben aus Bulgarien oder aus Rumänien. Das nennt man EU-Binnenmarkt.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Man muss die Entwicklung nicht gutheißen, aber man muss mit ihr umgehen können. Ihr Antrag beweist eindrucksvoll, dass Sie das nicht können. Sie bedienen nur Ihr Wählerpotenzial in der Stadt, das das Schwein oft nur auf der Metzgertheke, aus der Tiefkühltruhe und von Fotos der Tierschutzorganisationen im Fernsehen und Internet kennt.

(Beifall bei der AfD)

Sterbende Bauernhöfe bedeuten auch sterbenden ländlichen Raum. Dem muss man sich entgegenstellen. Für uns bedeutet das, dass man die Bauern unterstützen muss. Man muss sie unterstützen, ihren Betrieb tierwohlgerechter zu gestalten. Das ist etwas, das in Ihrem Antrag nicht vorkommt. Das wird völlig ausgeblendet. Investitionsförderungen, Umstellungszeiträume, Beratungsangebote,

wissenschaftliche Begleitung – denn es ist bekannt, dass die Sterblichkeitsrate der Sauen und Ferkel in Betrieben, die bereits umgestellt haben, deutlich höher ist –, nichts davon, aber auch gar nichts ist in Ihrem Antrag zu finden.

Ein vollständiger Verzicht auf Kastenstände wurde daher in den Ländern, die das Thema bereits angegangen sind, nicht umgesetzt; denn das Verletzungsrisiko der Sauen und Ferkel ist deutlich höher. Nur sagen Sie das dem Verbraucher wie so oft nicht! Was wir wirklich brauchen und wofür wir uns dringend einsetzen müssen, sind vernünftige Rahmenbedingungen, damit Bauern wieder von ihrem Beruf leben können. Dann ist auch mehr Tierwohl möglich. Dies setzt aber das Bewusstsein voraus, dass es nicht nur um den Preis gehen kann, sondern dass es auch um die Qualität gehen muss – Bewusstsein dafür, dass man gern etwas mehr für regionales Essen ausgibt. Dies setzt auch voraus, dass wir unsere Landwirtschaft vor Billigimporten schützen. Wir wissen, dass dies eine schwierige Diskussion ist, aber wir müssen sie angehen.

Ich möchte das Ganze an einem Beispiel verdeutlichen: Herr Hans-Georg Meyer, Sauenhalter in Stresow im Jerichower Land, sagte: „Wir haben die Kastenstände herausgeschmissen aufgrund des Urteils. Wir haben riesige Probleme. Das führt in meinem Betrieb dazu, dass die biologischen Leistungen abgesunken sind. Das heißt, wir haben erhöhte Sauenverluste. Ich denke deshalb, wir brauchen auf jeden Fall Übergangsfristen. Wir müssen jetzt erst einmal Erfahrungen sammeln und mit diesen Erfahrungen später in die breite Praxis gehen. Wir sind im Grunde Pioniere, die jetzt ein Stück weit diese Zeche mit bezahlen.“

Lassen Sie unsere Landwirte nicht weiter die Zeche für Pionierarbeit bezahlen! Lassen Sie uns die Landwirte dabei unterstützen, mit dieser Aufgabe fertig zu werden! Wir alle hier sollten gemeinsam daran arbeiten, dass unsere Landwirte möglichst bald Rechtssicherheit haben. Aber wir sollten möglichst auf eine bundesweit einheitliche Regelung hinwirken und keinen Sonderweg für Sachsen beschreiten.

(Zurufe von der CDU)

Den Antrag der GRÜNEN braucht es hierzu nicht; mehr dazu in der zweiten Runde.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Sie haben gehört, dass es noch eine zweite Runde geben wird. Zunächst spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abg. Günther, bitte. – Sie haben noch zwei Minuten und 40 Sekunden.

Ich zähle mit, Herr Günther.

(Lachen bei der CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Vielleicht einmal ganz kurz, Herr Kollege Wild: Sie sollten den Antrag lesen! Es geht um das Einhalten von bestehenden Gesetzen und nicht um irgendwelche anderen Sachen. Zu argumentieren, die Wirtschaft bräche zusammen, wenn sie sich an die Gesetze hält, und die Gesellschaft bräche zusammen, dann glaube ich, dass das Gegenteil der Fall ist. Also atmen Sie einmal tief durch!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Lieber Herr Kollege von Breitenbuch, ich habe Ihre Argumente einmal ein wenig sortiert: Der Anfang hat etwas vom Thema abgelenkt, denn es geht hier einzig und allein um die Aussage des Bundesverwaltungsgerichts, das bestätigt hat, dass Kastenstände so zu gestalten sind, dass jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie in den Kopf- und Seitenlagen die Gliedmaßen ausstrecken kann – und das jederzeit. Nur das ist das Thema, alles andere nicht.

Es ist nicht nur Stratow betroffen – das ist im Prinzip eine Engführung, die so nicht hinhaut; man kann es nachlesen in der Stellungnahme der Staatsregierung in Sachsen –, weil diese Kastenstände nämlich Standard sind. Hier geht es also gerade nicht um einzelne schwarze Schafe, zu denen man sagen muss: „Es ist schlimm, dass sie den Ruf der Branche versauen.“ Nein, das Phänomen der Kastenstände ist ein wesentlich breiteres. Das muss man auch anders einsortieren.

Nun zu Ihrer Aussage, dass jetzt auf einmal die Gerichte hier die Regeln machen und nicht mehr der Gesetzgeber: Dem muss man widersprechen. Auch hier muss man aufpassen, Herr Kollege Wild, denn es geht um die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, die es schon seit 2001 gibt. In § 24 Abs. 4 steht: „Kastenstände müssen so beschaffen sein, dass sich erstens die Schweine nicht verletzen können und zweitens jedes Schwein ungehindert aufstehen, sich hinlegen sowie in Kopf- und Seitenlage die Gliedmaßen ausstrecken kann.“ Das ist soweit nichts Neues.

Wenn sich einige Schweinehalter nicht daran gehalten haben, ist das natürlich ein Problem, aber ein Durchsetzungsproblem geltenden Rechts; das Gericht hat also nichts Neues erfunden. Wenn man daraufhin investiert hat und Schweine so gehalten wurden, weil man gedacht hat, Schweine dürften so gehalten werden, dann ist das ein betriebswirtschaftliches Risiko, das man eingegangen ist. Hier muss man sagen, dass auch die Verbände ihren Mitgliedern einen Bärendienst erwiesen haben, indem sie gesagt haben: „Dann macht das mal – das ist so schon in Ordnung.“