Zweitens. Geburt und Kinderstube von Schweinen. Etwa eine Woche vor dem voraussichtlichen Abferkeltermin wird die Muttersau in die Abferkelbucht gebracht. Ein Wurf umfasst im Schnitt zwölf Ferkel. Ferkelschutzkörbe sollen verhindern, dass die Muttersau ihre Nachkommen versehentlich unter sich erdrückt. Drei bis vier Wochen säugt die Sau ihre Ferkel, danach kehrt sie ins Deckzentrum zurück.
Drittens. Aufzucht bis zur zwölften Lebenswoche, danach Mast. Ab einem Alter von drei bis vier Wochen wachsen die Ferkel in Gruppen in einem speziellen Ferkelstall heran. Zum Ende der Aufzucht kommen die Schweine in den Maststall. Dort werden sie in Gruppen von zwölf bis 45 Tieren in abgeteilten Buchten gehalten. Gefüttert wird Getreide und eiweißreiches Futter. Im Alter von sechs Monaten ist das Schlachtgewicht von circa 120 Kilogramm Lebendgewicht erreicht.
So weit der Zyklus rund um das Schwein. Jetzt kommen wir – und damit haben Sie ein Grundverständnis für die Situation – zum Kastenstand. Dieser hat den Zweck, die
Sau eine Zeit lang dem Stress und den Gefahren einer Gruppentierhaltung zu entziehen. Zum Stress habe ich schon etwas gesagt. Das hat mit der Fruchtbarkeit zu tun. Bei den Gefahren geht es um die Muttersau wie auch um die Ferkel, die sich in dem Moment gegenseitig verletzen können.
Mit dem, was ich jetzt beschrieben habe, gerade auch mit den 28 Tagen im Kastenstand, bewegen wir uns voll im EU-Recht. Die überwiegende Zahl der Mitgliedsstaaten wendet dieses EU-Recht genauso an. Nur in Österreich und in den Niederlanden gibt es Verschärfungen mit Übergangsregelungen, um die Standzeit im Kastenstand zu reduzieren und die Zeit der Gruppenhaltung noch weiter zu verlängern, mit den entsprechenden Risiken und Gefahren für Sau und Ferkel sowie den Umbaukosten, die in den Niederlanden wie auch in Dänemark zu massiven Betriebsaufgaben – 40 % – geführt haben.
Ein Beispiel. Ich war Lehrling in einem Betrieb. Das war ein Bauernhof. Die Mutter meines Mitlehrlings bewirtschaftete 40 Muttersauen. Das war ihr Arbeitsplatz nebenher auf dem Hof und der Vater ging einer anderen Arbeit nach. So ist vor allem die Situation im Westen. Diese Kleinbetriebe kommen mit dem, was wir hier diskutieren, komplett unter Druck. Wir haben in Sachsen größere Betriebseinheiten und somit eine andere Struktur. Ich will darauf bewusst hinweisen.
Jetzt gab es ein Urteil, das in Sachsen-Anhalt gegen die Straathof-Gruppe ergangen ist und welches das Bundesverwaltungsgericht bestätigt hat. Dabei stellten die Richter fest, dass die Mindestbedingungen der TierschutzNutztierhaltungsverordnung mit den Kastenständen nicht eingehalten werden. Der Herr Straathof hatte Betriebe mit Verhältnissen, die überhaupt nicht gingen. Das kam vor Gericht. Dort wurden auch diese Verhältnisse intensiv beschrieben. Da hat jemand als schwarzes Schaf alles nicht eingehalten, was man an sich in Deutschland so einhalten muss, deswegen bekam er ein Gerichtsurteil. Das wurde noch einmal hinterfragt und vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Das Bundesverwaltungsgericht hat versucht, die Dinge neu zu regeln, und noch weiter ausgeweitet.
Die Sau darf nicht mehr ihre Läufe durch das Gitter zur Nachbarin schieben, was bisher für den Platzbedarf wichtig war, sondern muss selbst in ihrem Kastenstand den vollen Platz erhalten. Des Weiteren bereite die zeitliche Fixierung überhaupt Schmerzen und es würde artgemäßes Verhalten unterdrückt, weil sie eine Zeit lang aus der Gruppe raus ist, was aber auch seine Gründe hat. Was sind aber die Folgen dieses Urteils?
Es ist interessant, dass die Gerichte plötzlich die Standards setzen und nicht mehr der Gesetzgeber. Das ist eine Sache, über die man auch mal reden kann. Wenn sich das jetzt durchsetzen muss, bedeutet das enorme Umbaukosten in den Betrieben. Die Deckzentren sind zu klein, die Bereiche für Gruppenhaltung mit den kleinen Ferkeln sind zu klein. Das bedeutet weniger Stallplätze, wenn man das dann reduziert, und damit weniger Rentabilität der
gesamten Ferkelerzeugung. Es droht eine Schließungswelle und eine Abwanderung in andere EU-Länder, die diese Standards nicht haben.
Insofern ist es richtig, dass die Agrarministerkonferenz dieses Thema diskutiert und, Herr Günther, es ist unverantwortlich, dass der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen sächsischen Alleingang fordert und anschieben möchte. Wir haben sowieso das Problem, dass durch jeden Alleingang die Schweinehaltung in Deutschland sofort gefährdet ist, da andere EU-Länder nur die 1 : 1-Regel umsetzen. Das ist der aktuelle Standard auch bei uns und Betriebe haben in den letzten Jahren genau dafür neue Gestelle gebaut und umgebaut. Es gibt Kastenstände, wo ein Fahrstuhl die Sau, wenn sie frisst, 20 Zentimeter hochhebt, damit die Ferkel unter ihr weg sind und nicht unter sie kommen. Dann legt sie sich wieder hin und der Fahrstuhl fährt wieder herunter. Das ist moderne Technik, um Verluste zu vermeiden.
Da haben Leute aufgrund unserer Regeln investiert und sehen jetzt – hoppla –, dass das gefährdet ist. Was ist mit der Rechtssicherheit? Hier brauchen wir Verlässlichkeit für die Betriebe und Sicherheit für die Investitionen. Es muss sehr genau geprüft werden, welche Veränderungen man den Landwirten zumuten kann. Die enorme Anzahl der Betriebsaufgaben in Dänemark und den Niederlanden zeigt deutlich, was solche Alleingänge in sich haben; und es sterben immer zuerst die kleinen Betriebe.
Die CDU-Fraktion setzt sich für eine bundeseinheitliche Lösung ein und unterstützt die Staatsregierung, insbesondere Staatsminister Thomas Schmidt, bei seinen Verhandlungen mit den vor allem GRÜNEN-Agrarministerkollegen. Die haben inzwischen auch erkannt, dass Druck in diesem Bereich zu einem Sterben vor allem der kleinen Betriebe führt. Daher ist Augenmaß gefragt, insbesondere mit langen Übergangsfristen.
Der Antrag der GRÜNEN ist das Gegenteil. Er atmet Aktionismus und überfordert die sächsischen Landwirte. Wir lehnen daher diesen Antrag mit Unverständnis über die Art und Weise ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Spätestens seit dem Jahr 2006 ist mit dem Tierhaltungsbewertungsrahmen des Kuratoriums für Technik und Bauwesen – kurz KTBL – klar, dass bei der Kastenstandhaltung von Sauen ein Normalverhalten der Tiere nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt gewährleistet werden kann. Das betrifft sämtliche Verhaltensindikatoren, angefangen vom Sozialverhalten über Fortbewegung, Ruhen bis zur Betreuung der Jungtiere oder der Körperpflege.
Diese klare Bewertung hätte eigentlich Anlass sein können, in Sachsen zu schauen, wie es in den Schweineställen aussieht – aber noch im Jahr 2011 wusste die Staatsregierung in der Beantwortung einer Großen Anfrage meiner Fraktion zu Strukturen der Tierhaltung und zum Stand des Tierschutzes in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Sachsen nicht einmal, welche Tiere in Sachsen überhaupt in welchen Haltungsverfahren gehalten werden.
Angesichts dieser offenbarten Ahnungslosigkeit erschien uns damals die Feststellung der Staatsregierung besonders zynisch, dass – Zitat – „die Tiergerechtheit des Haltungsverfahrens gegeben ist, wenn die rechtlichen Anforderungen nach dem Tierschutzgesetz und der TierschutzNutztierhaltungsverordnung eingehalten sind“. Die Zeit ist aber seitdem weitergelaufen.
Es gab danach mehrere Verbotsstufen. Ab dem Jahr 2013 wurde die Dauer, in der Zuchtsauen in Kastenständen eingesperrt werden dürfen, aufgrund von EU-Vorgaben und einer weiteren Anpassung der Nutztierhaltungsverordnung auf ungefähr die Hälfte beschränkt.
Nun das Urteil des Oberverwaltungsgerichts SachsenAnhalt aus dem Jahr 2015, bestätigt vom Bundesverwaltungsgericht im November 2016, mit der entscheidenden Aussage – Zitat –: „Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen und darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.“
Das Gericht konkretisiert damit eigentlich nur die bekannten Formulierungen aus der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aus dem Jahr 2009, die bis dahin offenkundig deutlich anders interpretiert wurde und deshalb in der Praxis wenig Wirkung entfalten konnte.
Zwischen der damaligen Antwort der Staatsregierung auf unsere Große Anfrage und dem aktuellen Urteil zu den Kastenständen hat sich der Wortlaut der Verordnung an der entscheidenden Stelle nicht verändert. Geändert hat sich allerdings durch eine breite gesellschaftliche Debatte die Auffassung, was Tieren ethisch zumutbar ist und was nicht. Diese gesellschaftliche Debatte hat das Gericht mit seinem Urteil nachvollzogen und mit seiner Interpretation endlich den Widerspruch zum Tierschutzgesetz aufgehoben.
Das Gerichtsurteil hat damit auf allen staatlichen Ebenen heftige Betriebsamkeit ausgelöst, die erfahrungsgemäß immer mit der Bildung von verschiedenen Arbeitsgruppen kontrolliert ausgebremst wird. Inzwischen, so teilt uns das Sozialministerium in der Stellungnahme zum Antrag mit, wurden nun auch die Veterinärämter aufgefordert, den Sachstand zur Sauenhaltung in Sachsen zu ermitteln. Und sie bewegt sich doch!
Vor wenigen Tagen wurde auch auf der Agrarministerkonferenz der Ausstieg aus der Kastenstandhaltung beschlos
sen. Der Beschluss sieht vor, dass eine Arbeitsgruppe zügig Vorschläge für einen Zeitplan zur Reduzierung der Kassenstandhaltung sowohl für den Deckbereich als auch für den Abferkelbereich vorschlägt, um Planungssicherheit bei Neu- und Umbauten für die Betriebe herzustellen, wobei „zügig“ nicht zwingend wörtlich zu verstehen ist angesichts von avisierten Umsetzungszeiträumen von zehn bis 20 Jahren.
Die Agrarminister der Länder bitten den Bund, dafür eine Änderung der Nutztierhaltungsverordnung unter Berücksichtigung wirtschaftlich tragfähiger und tiergerechter Lösungen für die Sauenhaltung in der Übergangsphase unverzüglich auf den Weg zu bringen.
Für die Umbauten sind erhebliche Geldsummen erforderlich, gegebenenfalls auch für erst vor wenigen Jahren umgebaute Ställe.
Es hat damit mehr als zehn Jahre gedauert, um ein Tierhaltungsverfahren abzuschaffen, das erwiesenermaßen nicht tiergerecht ist. Das ist eigentlich unglaublich. Andere Länder in Europa waren deutlich schneller.
Nun soll es auch noch einen weichen Ausstieg aus der Kastenstandhaltung mit Übergangsfristen von bis zu zwei Jahrzehnten geben. Insofern ist die Toleranzschwelle nicht nur aus Sicht von Tierschützern, sondern auch einer breiten Öffentlichkeit lange überschritten.
Die Staatsregierung muss sich bewegen. Sie hätte es bereits vor Jahren tun können, und zwar über die Neuordnung der Förderung von Landwirtschaftsinvestitionen.
Es ist gut, dass auch Staatsminister Schmidt auf der Agrarministerkonferenz der Abschaffung der Kastenstände zugestimmt hat. Besser wäre es gewesen, wie von uns seit Jahren gefordert, landwirtschaftliche Investitionen in Stallneubauten nur zu fördern, wenn diese deutlich höhere Anforderungen an das Tierwohl erfüllen.
Eine solche vorausschauende Politik hätte vielleicht etwas mehr Rückgrat erfordert in der Diskussion mit dem Berufsstand, aber es hätte in der Gegenwart wirtschaftliche Belastungen der Schweinehalter reduziert und vor allem hätte es zum Imagegewinn der Branche beigetragen.
Um dieses Image oder vielmehr um ein neues, positives Image kämpfen die Bauern immer stärker. Das ist gut und notwendig. Man muss öffentliche Reaktionen aber auch richtig zu werten wissen und darf nicht beständig in eine beleidigte Attitüde des Unverstandenen zurückfallen.
Als in Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein ein Bauer im Jahr 2013 über eine Webcam in seinem Schweinestall mit Kastenständen Bilder live über die Webseite des Bauernverbandes sendete, folgte dieser Öffentlichkeitsofferte ein regelrechter Shitstorm.
Das Bauernblatt formulierte als Fazit aus den Erfahrungen mit der Webcam – Zitat –: „Die konventionelle Landwirt
schaft hat seit Jahren keine eigenen Bilder mehr gezeigt. Werden sie mit der modernen Sauenhaltung konfrontiert, dann verursacht das auch bei wohlgesinnten Mitbürgern zunächst einmal Unbehagen.“
Auch auf dem Schweinetag 2016 in Sachsen wurde ein ähnliches Fazit gezogen – Zitat –: „Die Landwirtschaft hat es zu lange versäumt, die Gesellschaft auf dem Weg des technischen Fortschritts mitzunehmen, und ist deshalb anfällig für eine negative mediengetragene Kommunikation.“
Meine Damen und Herren! Ich kann nicht verstehen, was negative mediengetragene Kommunikation sein soll und auf welchem Weg des technischen Fortschritts die Bevölkerung mitgenommen werden soll, wenn doch seit zehn Jahren faktisch klar ist, dass die Kastenstandhaltung weder modern noch tiergerecht ist. Punkt. Das kann auch keine noch so intelligente PR-Kampagne schönmalen und das hat auch nichts mit einem unterstellten naiven Großstädterglauben an eine heile Bauernwelt zu tun, dem man mit genügend Aufklärung beikommen könnte.
Immer mehr Menschen wollen – und wir fordern das hier –, dass Steuergelder in Form von Fördermitteln nicht für Stallanlagen und Haltungsbedingungen ausgegeben
werden, die knapp an den gesetzlichen Anforderungen vorbeischrammen, sondern für solche, die einen tatsächlichen Mehrwert in Bezug auf Tierwohlbelange bringen.
Die EU gibt für die gemeinsame Agrarpolitik erhebliche Summen aus Steuergeldern aus. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können als Gegenleistung auch im Supermarkt und eben nicht nur beim Biobauern Fleisch von Tieren erwarten, die so gehalten wurden, dass wenigstens arteigenes Verhalten ausgeübt werden kann, und das standardmäßig.
Meine Damen und Herren! Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Abg. Winkler. – Bitte sehr, Herr Winkler, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein sehr ernst zu nehmendes Thema. Wir haben das schon gehört. Ob es von der Dramatik her so ist, wie es meine Vorrednerin angenommen hat, das möchte ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Dennoch bin ich etwas irritiert und möchte meinem hochgeschätzten Kollegen Günther die Frage stellen, ob er diesen Antrag in dieser Runde auch gestellt hätte, wenn die Wahrscheinlichkeit bestanden hätte, dass er angenommen werden würde. Ich denke nicht. Ich denke, Ihre Absicht war es, über dieses brisante Thema hier im Hohen Haus zu reden.
Nach dem Magdeburger Urteil muss die Sauenhaltung in der Schweinezucht quasi neu definiert werden. Die bundesweite Diskussion auf Länderebene geht nach dem Magdeburger Urteil weiter und, ich denke, recht bald in