In diesem Fall besorge ich Ihnen ja mehr Redezeit. Würden Sie mir in diesem Fall auch recht geben, dass wir doch bitte die Ursachenforschung dann tatsächlich der Wissenschaft überlassen wollen und uns dem nicht hier im Landtag durch Handauflegen nähern wollen?
Gleichwohl ist es das Recht und Privileg der Wissenschaft, genau diese Vorarbeiten zu machen. Ich denke, dass wir alle gemeinsam sowohl in diesem Hohen Haus als auch aufseiten der Staatsregierung noch viel mehr als in der Vergangenheit auf Expertise bei der Beurteilung von Zusammenhängen zurückgreifen werden. Wir alle werden dadurch nicht dümmer.
Herr Hartmann, gehe ich dann recht in der Annahme, dass wir in Bälde die Geburt einer tatsächlichen Fachkommission erleben werden, die die Arbeit der sächsischen Polizei bis in ihre kleinsten Verästelungen mit der entsprechenden Aufgabenanalyse durchführen wird?
Sie gehen recht in der Annahme, dass wir auf der Grundlage des vorliegenden Evaluationsberichts der sächsischen Polizei weiterhin sehr intensiv daran arbeiten werden, diese Aufgaben zu analysieren. Im Übrigen haben wir mit dem Haushalt auch notwendige Mittel eingestellt, um eine wissenschaftliche Begleitung vorzunehmen – sowohl im Sächsischen Staatsministerium des Innern als auch an der Hochschule der Sächsischen Polizei –, um einfach auf die eigenen Forschungskapazitäten zurückzugreifen. Ich glaube,
insoweit werden wir, ohne Ihre rhetorischen Fragen hier abschließend zum Anlass zu nehmen, doch durchaus erkennen können – auch Sie –, dass wir dieses Thema jetzt auch breiter aufstellen und intensiv diskutieren.
Noch einmal zum Thema Strukturkrise zurück, Herr Stange. Ja, es haben sich Dinge verändert. Die Welt ist kleiner geworden, ein Ergebnis der Globalisierung. Sie ist offener geworden. Sie ist mit Cybercrime einfach auch in einem neuen Phänomenbereich kriminalistisch interessant geworden.
Schengen und offener Raum, Herr Wippel, auch an Sie als Adressat: Sie müssen sich entscheiden. Sie können nicht das eine wollen und das andere nicht mögen. Es gibt immer ein Sowohl-als-auch. Wenn Sie in einer globalisierten Welt als ein Land aktiv sein wollen, das Exportvizeweltmeister ist, ein Land, das sehr stark vom Export, vom Austausch lebt, gehört es auch dazu, dass Sie diesen Austausch in der Lebenswirklichkeit erleben. Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Es heißt aber gleichwohl, mit dieser Herausforderung umzugehen. Der Umgang mit dieser Herausforderung kann nicht dadurch erfolgen, dass ich die Schiebetüren schließe und sage: Das ist eine schöne, heile Welt. Ich muss vielmehr mit dieser offenen Welt umgehen und auf diese Kriminalitätsherausforderungen verstärkt reagieren, zum einen in der Tat durch Präsenz, durch Aufklärung, durch internationale Kooperation und das Durchsetzen von Regeln und vor allen Dingen in einer offenen, sachlichen Diskussion und Analyse von Ursache und Wirkung.
Gerade für den Bereich der schweren Straftaten, der Gewaltstraftaten, die Sie angesprochen haben, wiederhole ich noch einmal: 1,1 % derer, die zu uns gekommen sind, sind für 38 % der Delikte verantwortlich. Deswegen muss der Fokus genau wie in unserer Gesellschaft auf denen liegen, die sich nicht an Regeln und Normative halten. Da muss man durchgreifen. Da hilft keine Pauschalverurteilung. Im Übrigen möchte ich mit einer Breitseite sagen: Sippenhaft ist in Deutschland seit vielen Jahren abgeschafft.
Herr Hartmann, geben Sie mir recht, dass Deutschland auch vor dem SchengenAbkommen und vor der Öffnung des Schengen-Raums nach Osten Handel betrieben hat? Geben Sie mir auch dahin gehend recht, dass Deutschland damals mehr
Sie verkennen den zweiten Teil der Entwicklung. Seit 2007 hat sich dieser Planet weitergedreht. Wir reden über ganz andere wirtschaftliche Strukturen und Vernetzungen. Das Internet – kennen Sie? –
ist beispielsweise etwas, das die gesamte Marktsituation nachhaltig verändert hat. Das betrifft ebenso die Wettbewerbsfähigkeit in der Europäischen Union und die Frage der Fachkräfteentwicklung. Das hat ausdrücklich nichts mit Asyl und Flüchtlingen zu tun.
Die Welt hat sich seit 2007 signifikant in ihren wirtschaftlichen Zusammenhängen und Strukturen verändert. Auch die globale Sicherheitsstruktur und die globalen Marktstrategien haben sich seit 2007 signifikant verändert. Dem muss ein Land doch Rechnung tragen.
Nein, bis 2007 und im Übrigen auch in den letzten Jahren waren der Austausch, die Reise- und Flüchtlingsbewegungen geringer als das, was wir jetzt erleben. Insoweit verändert sich in dieser Welt einiges, vielleicht zu Ihrer Überraschung.
Die Grenzen sind offen, und es kommen viele Menschen hierher, viele illegale Einwanderer. Sie sind also der Meinung, dass man, wenn so viele kommen, nicht zu kontrollieren braucht, weil es so viele sind. Deswegen muss man die Zustände nicht verändern und nicht daran arbeiten, das zu verändern?
Herr Wippel, ich muss zugeben, dass ich die Frage nicht verstanden habe, weil ich von dem, was Sie vorgetragen haben, gar nichts gesagt habe. Insofern ist das Sender-Empfänger
Verhältnis an dieser Stelle gestört. Ich entschuldige mich dafür. Aber ich versuche, es Ihnen noch einmal klarzumachen.
Nein, gerade auf der Grundlage dieser aktuellen Entwicklung und der Herausforderungen ist es erforderlich, im Schengen-Raum, in der Europäischen Union die Kontrollmechanismen zu verstärken. Es wurde heute mehrfach erwähnt und im Übrigen haben auch Sie gesagt, dass die Fluchtgründe und Probleme zu klären sind, die Ursache des Ganzen sind. Deshalb müssen wir uns dieser Herausforderung stellen.
Ja, es bleibt eine Teilmenge, die eine Herausforderung ist. Sie können es schlicht machen oder Sie stellen sich der Herausforderung, Menschen in christlicher, sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung zu helfen, und definieren das Maß und die Möglichkeiten, in denen Sie bereit sind zu helfen. Sie definieren Regeln und Kontrollmechanismen. Sie müssen auch die Endlichkeit definieren. Das ist auch unsere Position.
Aber sich einfach hinzustellen und zu sagen: „Schwarz oder weiß, ich male mir die Welt, wie sie mir gefällt, nur mit einem schwarzen Stift“, kann so nicht funktionieren. Es ist ein Sowohl-als-auch – und das ist die Verantwortung, die wir letzten Endes in der Mitte der Gesellschaft tragen – von Maß und Mittel. Es gehören Kontrolltätigkeit und Grenzsetzung dazu. Man darf aber nicht pauschal die Scheunentore verschließen und sich dann wundern, dass die Ernte nicht mehr eingefahren wird.
Insoweit, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen sie uns mit Blick auf die Zukunft die Schwerpunkte weiter herausarbeiten und insbesondere – den Punkt wollte ich eigentlich noch vortragen, will es hier nur nennen, weil sich an anderer Stelle dafür Gelegenheit finden wird – den Cybercrime mehr in den Fokus zu nehmen. Das Internet ist eine wesentliche Herausforderung der Kriminalitätsbekämpfung der Zukunft.
Ich lade Sie ein, in den nächsten Monaten auf Impuls dieser Debatte in diesem Hohen Hause weiter das Thema Innere Sicherheit zu diskutieren und voranzubringen.