Protokoll der Sitzung vom 12.04.2017

– ist natürlich der Tatsache geschuldet, dass die Belastung der Lehrer extrem hoch ist. Das heißt, wir werden auch in den nächsten Jahren damit rechnen müssen, dass es noch mehr sind.

Frau Falken, bitte zum Ende kommen.

Ja, danke. – Die Forderung steht. Wir bitten Sie zu handeln.

(Beifall bei den LINKEN)

Eine Kurzintervention – Herr Mann.

Danke, Frau Präsidentin. – Um jetzt noch einmal auf das Feedback von Frau Falken zu antworten: Ich glaube, wir sind uns einig. Wir werden diese 2 000 respektive 2 375 Lehramtsstudienplätze brauchen, um diesen Einstellungsbedarf – dafür sollten wir aber auch die konkrete erwartbare Zahl nennen von 1 720; natürlich immer plus/minus – zu decken.

Meine Kritik war aber darauf bezogen, dass Sie im Haushaltsverfahren hier 4 000 Studienplätze eingefordert haben. Das entspricht einer Vervierfachung der Kapazitäten an sächsischen Universitäten. Diese 4 000 Studienplätze würden nicht im Wintersemester zur Verfügung gestellt werden können, sondern so etwas würde dauern. Das heißt, wir hätten 4 000 Lehramtsabsolventen im Jahr 2025 ff. Ich habe die Fragen, woher wir – erstens – die Nachfrage dafür generieren wollen und wo sie – zweitens – im sächsischen Schulsystem unterkommen sollen; denn nach Adam Ries würde man mit solchen Kapazitäten den gesamten Lehrerbedarf in Sachsen binnen zwölf Jahren decken. Und dann?

Frau Falken möchte gern antworten.

Also wo nehmen wir die Studierenden her? – Ich glaube, diese Frage muss ich nicht beantworten, weil wir aus der Anhörung wissen, dass es zahlreiche junge Leute gibt, die Lehramt studieren wollen

(Holger Mann, SPD: Berufsschullehrer! – Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange: Eben nicht!)

Moment, ganz ruhig! –, die Lehramt studieren wollen. Das steht schon einmal fest. Die Frage ist auch: Wo nehmen wir sie für die Berufsschulen her? Darin gebe ich Ihnen recht. Wir haben inzwischen Berufsschulen, an denen fast nur noch Seiteneinsteiger unterrichten. Das fällt ja immer hinten herunter. Insofern ist der Bedarf ganz klar da.

Ich erinnere mich – ich bin lange genug im Parlament –, dass wir vor Jahren darüber diskutiert haben, wo wir die Lehramtsstudierenden hernehmen, weil es in den ersten Jahren keine oder relativ wenige gab.

Das Kultusministerium hat eine Kampagne losgetreten: Studiert Lehramt, werdet Lehrer aus Überzeugung! Darüber haben ganz viele Leute geschmunzelt. Es hat allerdings dazu geführt – es gab aber auch noch andere Faktoren –, dass sich viele junge Leute gefunden haben, die gesagt haben: Ich will Lehramt studieren.

Frau Maicher hat es vorhin dargestellt. Natürlich müssen wir uns in der Politik darüber Gedanken machen, wie wir junge Leute finden, die Berufsschullehrer werden wollen. Das ist natürlich ein anderes Studium als das Lehramtsstudium für die anderen Schularten – das ist doch gar keine Frage. Wir müssen aber etwas dafür tun; denn sie kommen nicht von allein gelaufen – genau wie bei den Grundschulen.

Wenn wir in Leipzig und Dresden sehr viele ausbilden, die wird dort auch brauchen, aber in Chemnitz nicht, dann haben wir ein Problem. Dann muss man natürlich ernsthaft darüber nachdenken – ich gehe jetzt ganz weit –, ob man nicht weitere Standorte im Freistaat Sachsen aufmachen muss, um diese jungen Leute nach der Ausbildung in den Regionen zu haben, in denen wir sie brauchen.

Bitte zum Ende kommen.

Es gab Zeiten, in denen es mehr als 30 Standorte in Ostdeutschland gegeben hat und in Sachsen mehr als zehn Standorte, an denen nur Grundschullehrer ausgebildet worden sind.

Frau Falken, zum Ende kommen, bitte.

Vielleicht müssen wir darüber einmal ernsthaft nachdenken.

(Beifall bei den LINKEN)

So. Die CDU hat noch Redezeit. Wird das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann sind die Redezeiten abgearbeitet, und ich bitte jetzt die Staatsregierung um das Wort; Frau Staatsministerin Dr. Stange.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte hat gezeigt, dass es zum einen ein dringendes Problem zu lösen gilt, zum anderen aber auch viele Probleme miteinander vermischt werden, die es sich lohnen würde, in einer längeren und ausführlicheren Debatte zu entflechten.

Die Lehramtsausbildung – das schicke ich vorweg – dauert, wenn wir sie heute beginnen würden, mit dem Referendariat unterschiedlich lange. Für die Grundschullehrer sind es in der Regel sechs Jahre, für die anderen Schularten sieben Jahre Regelstudienzeit einschließlich Referendariat. Das heißt: Wenn wir heute sofort im Wintersemester mit einem Studium beginnen, dann werden wir die ersten Absolventinnen und Absolventen, wenn sie zügig studieren und auch ihr Referendariat erfolgreich bestreiten, in sieben Jahren haben. Das heißt, wir reden über das Jahr 2025. In der heutigen Debatte reden wir über das Jahr 2025. Das ist das Erste, was ich entflechten möchte, damit wir wissen, dass wir Probleme, die wir heute haben, nicht damit lösen, dass wir heute eine Lehramtsausbildung an irgendeinem Standort in Sachsen etablieren. Ich will mich noch gar nicht auf Chemnitz kaprizieren.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Frau Falken, bitte.

Danke schön, Frau Dr. Stange. Frau Dr. Stange, können Sie sich daran erinnern, dass wir hier im Parlament fast die gleichen Sätze, die Sie jetzt gesagt haben, allerdings mit einer kleinwenig anderen Ausrichtung, von den Kultusministern – von Herrn Prof. Wöller, von Herrn Flath und was weiß ich, wer es noch alles war – auch gehört haben? Wir haben immer die Argumentation gehört: Im Moment brauchen wir nicht, im Moment brauchen wir schon, künftig werden wir einmal sehen. Das ist eine Argumentation, die ich hier nicht mehr hören möchte, auch nicht von Ihnen.

Liebe Frau Falken, was Sie hier hören möchten oder nicht, das müssen Sie entscheiden. Ich habe etwas zu meiner jetzigen Rolle, zu der heutigen Debatte gesagt, die wir führen, und ich habe auch noch gar nichts abgelehnt, sondern einfach etwas festgestellt. Nur damit wir darüber Klarheit haben.

(Beifall bei der SPD)

Ja, eine Universität ist per se eine Einrichtung – darum geht es ja in der Aktuellen Debatte –, die zur regionalen Wirtschaftsförderung beiträgt, weil sie zum einen den akademischen Fachkräftenachwuchs sichern und gewährleisten kann und zum anderen Innovationen in die Region bringt, sowohl über Köpfe als auch über technologische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Insofern ist es richtig – und das finde ich auch gut so –, dass sich regionale Vertreter wie die Wirtschaft oder auch Landräte, Bürgermeister dafür interessieren, was ihre Universität für ihre Region tut. Deshalb ist es folgerichtig, dass ich mich mit den Initiatoren des Positionspapiers – es war nach meiner Kenntnis kein Offener Brief, sondern ein Positionspapier zur Sicherung der schulischen Bildung in der Region Chemnitz mittels Lehramtsausbildung an der TU Chemnitz – erneut an einen Tisch setze; denn wir haben fast genau vor einem Jahr zum gleichen Papier mit einem Teil der Vertreter, die heute unterschrieben haben, schon einmal zusammengesessen – zu einem Zeitpunkt, als wir mitten in der Hochschulentwicklungsdebatte waren und all die Vertreter in diese Hochschulentwicklungsdebatte einbezogen waren.

Damals habe ich genau das Gleiche erläutert, was ich heute noch einmal erläutere. An der Technischen Universität Chemnitz haben wir im Jahr 1997 die Lehramtsausbildung im Freistaat eingestellt. Im Jahr 2012 wurde die Grundschullehramtsausbildung wieder aufgebaut. Dafür benötigen wir derzeit fünf berufene Professuren einschließlich 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um diese Lehramtsausbildung für aktuell 100 Lehramtssanfängerstudenten, also insgesamt knapp 500 Studierende, und ab dem Wintersemester 2017/2018 für 120 Grundschullehramtsimmatrikulationen umzusetzen. Das ist derzeit umgesetzt. Die TU Chemnitz hat die Aufgabe angenommen, bis zum Jahr 2024/2025 diese Lehramtsausbildung mit hoher Qualität durchzuführen. Bis zum Jahr 2020 muss dann eine Entscheidung getroffen werden, wie es nach dem Jahr 2025 weitergeht.

Ein zweiter Punkt: Wir haben eine langfristige Hochschulentwicklungsplanung mit der TU Chemnitz und Zustimmung der Vertretern der Hochschulräte abgeschlossen. Ich will einen Vertreter der Unterzeichner nennen, der gleichzeitig Mitglied des Hochschulrates an der TU Chemnitz ist, nämlich Prof. Naumann. Der Hochschulrat der TU Chemnitz hat der Zielvereinbarung und der Zuschussvereinbarung zugestimmt, die im Dezember des vergangenen Jahres unterzeichnet wurde. In dieser Zielvereinbarung, in dieser Zuschussvereinbarung ist festgehalten, dass die TU Chemnitz Grundschullehrer ausbildet und kein anderes Lehramt.

Die Hochschulentwicklungsplanung bis 2025, sehr geehrte Kollegin Dr. Maicher, ist genau das Instrument, um zu verhindern, das wir „rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln“ gehen, sondern dass wir eine kontinuierliche Entwicklung, wie es für Hochschulen notwendig ist, eine langfristige Planung vornehmen können. Deshalb haben wir mit der Hochschulentwicklungsplanung und

der Zuschussvereinbarung entsprechend dem Bedarf, den das Kultusministerium angemeldet hat, die Lehramtsausbildung zunächst auf 2 000 Lehramtsimmatrikulationen an den drei Standorten und jetzt auf 2 375 nachgebessert festgelegt. Damit kommen wir dem Bedarf, der vom Kultusministerium für das Land Sachsen angemeldet wurde, nach, und zwar in der Perspektive, in der wir uns befinden.

Was bedeutet es, eine Lehramtsausbildung für das Berufsschullehramt an der Technischen Universität Chemnitz zu etablieren? Die Technische Universität Chemnitz hat derzeit genau für zwei Fachrichtungen, und zwar zwei berufliche Fachrichtungen, eine begrenzte Infrastruktur. Das sind der Bereich der Elektrotechnik und der Bereich der Metall- und Maschinentechnik. Das sind zwei Fachrichtungen von insgesamt 14, die wir in der beruflichen Ausbildung haben. Die TU Chemnitz hat genau für zwei Fächer des gymnasialen Bereichs, denn das zweite Fach eines Berufsschullehrers ist ein gymnasiales Fach, die Infrastruktur. Das sind die Mathematik und die Physik.

Das heißt, die Studierenden hätten an der TU Chemnitz die Wahl zwischen diesen beiden Fachrichtungen und zwei gymnasialen Fächern. Damit dürfte ein Standort wie die TU Chemnitz für eine Berufsschullehrerausbildung noch weniger attraktiv sein als der Standort Dresden, der derzeit in diesen beiden Fachrichtungen nicht einmal 50 % der Bewerberinnen und Bewerber anziehen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können sicher sein, dass in den vergangenen Jahren zahlreiche Maßnahmen, nicht nur an der TU Dresden, sondern bundesweit unternommen wurden, um junge Menschen dafür zu gewinnen, im Berufsschullehramt genau in diesen beiden Fachrichtungen zu studieren. Diese beiden Fachrichtungen bieten zahlreiche Chancen in der Wirtschaft. Sie können damit Ingenieur werden. Sie können damit ein ausgezeichneter Facharbeiter im Bereich der Mechatronik werden, ein Bereich, der derzeit in der Wirtschaft sehr gesucht wird. Sie können damit wesentlich mehr Geld verdienen als ein Lehrer – nur, um das auch einmal deutlich zu machen. Aber Sie müssen pädagogische Kompetenzen mitbringen, um in diesen Bereichen tatsächlich wirksam zu werden. Das ist der Grund, warum die TU Dresden heute bereits ein Modellprojekt laufen hat, nämlich aus den anderen Fachbereichen junge Menschen zu gewinnen, im Quereinstieg in die Berufsschullehrerausbildung zu kommen.

Wir werden mit den Fachhochschulen schauen, ob es Möglichkeiten gibt, mit ihnen gemeinsam einen Weg zu suchen. Wir haben uns verabredet, dass man an den beruflichen Gymnasien noch mehr für diesen Beruf werben wollte, um überhaupt diese Fachrichtung zu decken. Das ist es, worüber wir reden. Wir reden nicht darüber, allgemein die Lehramtsausbildung an der TU Chemnitz zu etablieren, sondern wir reden über diese Fachbereiche. Das steht in dem Positionspapier.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Ich habe mir einmal – um das nur kurz zu erwähnen – die Antwort des Kultusministeriums auf die Anfrage zur

Personal- und Unterrichtssituation im Jahr 2016/2017, die DIE LINKE immer zu Beginn des Jahres stellt, angeschaut. Darin steht, dass es in Chemnitz im Berufsschullehramt in diesem Jahr 13 Seiteneinsteiger gab. In Bautzen waren es elf, in Leipzig sogar 21. Nicht besetzte Stellen in Chemnitz im Berufsschulbereich gibt es fünf. In Dresden sind es zehn. Das heißt, der überwiegende Teil ist in diesem Jahr besetzt worden. Ich könnte das weiter ausführen, lasse es aber an dieser Stelle.

Ich will nur darauf aufmerksam machen: Wir sollten aufpassen, dass wir nicht in Populismus abgleiten, sondern dass wir das Problem, das wir haben, beim Namen nennen. Das Problem, das wir haben, ist: Wir brauchen junge Menschen, die bereit sind, im Berufsschullehramt in den von mir genannten Fachbereichen zu studieren und dann für diejenigen, die dieses Positionspapier unterschrieben haben, nämlich im Bereich des Handels, der IHK, zukünftig entsprechenden Fachkräftenachwuchs auszubilden. Das ist das, worüber wir reden.

Deshalb bitte ich darum, diese Diskussion sachlich zu führen und nicht alles miteinander zu vermengen, weil wir sonst mit einer langfristigen Hochschulentwicklungsplanung, wie wir sie uns vorgenommen haben und wie ich sie für sinnvoll halte, in den nächsten Jahren ständig wieder eine Debatte haben, die uns nicht in ein ruhiges Fahrwasser und eine verlässliche Politik führt, sondern in ein – wie Frau Dr. Maicher zu Recht sagte – „rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln“. Das geht bei einer Lehramtsausbildung, bei einem Studium, das sechs Jahre dauert, nicht von heute auf morgen, wie Sie sich das manchmal vorstellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Damit sind die Aktuellen Debatten abgeschlossen.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Ich hatte das Gefühl, die Ministerin hat ihre Zeit überzogen!)

Es waren 10 Sekunden. Wenn Sie jetzt den Antrag stellen, muss ich Ihnen das natürlich gestatten. Dann können Sie bitte fünf Minuten hier reden.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Eine Kurzintervention!)

Eine Kurzintervention können Sie hier natürlich auch machen.

Danke schön. Frau Staatsministerin, Sie haben jetzt noch einmal Ausführungen gemacht, die sehr klar und konkret waren. Dafür bedanke ich mich erst einmal ganz herzlich. Aber die Ausführung, die mir in Ihren Aussagen jetzt total gefehlt hat, war die zur Oberschule. Wir haben intensiv über die Grundschulen diskutiert. Dazu haben wir offensichtlich unterschiedliche Auffassungen. Sei es, wie es sei. Wir haben über die Berufsschulen diskutiert. Aber Sie haben sich in Ihren Ausführungen überhaupt nicht auf die Oberschulen konzentriert. Ich habe extra in meinem Redebeitrag dargestellt, dass in der Region Chemnitz 75 % Seiteneinsteiger in den Oberschulen eingestellt wurden und das eine sehr hohe Zahl ist. Wäre das nicht auch eine Option für Chemnitz?