Im § 25 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, das infolge Transformation auch im Freistaat Sachsen gilt, ist ausdrücklich geregelt – ich zitiere –: „Die Behörde soll die Stellung von Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben sind.“ Deutlicher kann man eigentlich nicht sagen, was die Pflichten der Behörden nach Auffassung des Gesetzgebers sind.
Der Antrag – so könnte man dann meinen – wäre also vielleicht sogar überflüssig. Ich glaube das nicht wegen des bereits erwähnten und von mir diagnostizierten
Vollzugsdefizits. Deswegen erlaube ich mir zwei Anregungen, zum einen in Richtung Staatsregierung: Das SMI könnte die nachgeordneten Behörden noch einmal in geeigneter Form über die Gesetzesänderung informieren und dazu anhalten, in entsprechend gelagerten Einzelfällen auf die Möglichkeiten der Antragstellung nach § 25 a und b Aufenthaltsgesetz hinzuweisen.
Die zweite Anregung: Der aus meiner Sicht jedenfalls jetzt noch zu pauschale Antrag der Fraktion GRÜNE ist es nach meiner Auffassung wert, im Ausschuss des Landtags weiter diskutiert zu werden. Kollege Pallas hat genauso wie Kollege Kiesewetter dafür Ansatzpunkte genannt. Es könnte sich anbieten, Frau Kollegin Zais, den Antrag zu diesem Zweck an den Ausschuss zurückzuverweisen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Debatte hat gerade gezeigt: Es geht um menschliche Schicksale und um die Frage, wie staatliche Stellen sowohl unter rechtlichen als auch unter humanitären Gesichtspunkten mit dem Status „geduldet“ umgehen sollen. Deshalb ist es natürlich verständlich und berechtigt, dass Emotionen in einer solchen Debatte eine Rolle spielen. Als Innenminister bin ich allerdings immer wieder gehalten, Fakten und Rechtsgrundlagen in den Mittelpunkt zu rücken.
Deshalb gilt es zunächst festzustellen: Ja, es gibt natürlich verschiedene Ausnahmeregelungen, damit Geduldete unter bestimmten Voraussetzungen zu einem Aufenthaltstitel kommen können. Kollege Kiesewetter ist schon gelobt worden, und ich will auf dessen Ausführungen, was die einzelnen Vorschriften betrifft, unter denen man Aufenthaltstitel bekommen kann, verweisen.
Für den Freistaat Sachsen gilt, Stichtag 31. Mai, dass auf der Grundlage des § 25 a 74 und auf der Grundlage des § 25 b Aufenthaltsgesetz 34 Menschen einen entsprechenden Aufenthaltstitel bekommen haben. Also, über 100 Menschen haben auf den beiden letztgenannten Wegen, die auch im Antrag thematisiert worden sind, bereits durch die sächsischen Ausländerbehörden solche Titel bekommen.
Das heißt, meine sehr verehrten Damen und Herren, Kinder und Jugendliche, die aufgrund ihres Alters gar nicht für ein Arbeitsvisum infrage kämen, sowie gut integrierte Erwachsene, bei denen eine Ausreise auf lange Frist nicht möglich war und die diese Zeit für eine gelungene Integration genutzt haben, können sich bei unseren Behörden informieren und beraten lassen, können den entsprechenden Willen zeigen und so unter den vorgenannten Umständen zu einem Aufenthaltstitel kommen.
Unsere Behörden beraten auf Antrag selbstverständlich im Einzelfall, zugegebenermaßen in unterschiedlicher Qualität, und sie sollen die Betroffenen auch über die möglichen Änderungen bei deren Duldungsgründen informieren. Deshalb, weil es von mehreren angesprochen wurde, von Herrn Pallas und zuletzt auch von Herrn Mackenroth, werden wir bei der nächsten der regelmäßigen Beratungen, die wir mit den Ausländerreferenten haben, die unteren Ausländerbehörden auf diese Verpflichtung hinweisen und dafür sorgen, dass es eine möglichst einheitliche Anwendung und Auslegung dieser Vorschriften im Freistaat Sachsen gibt.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wer als Geduldeter den Willen, sich aktiv zu bemühen, nicht zeigt, der kommt für die genannten Ausnahmeregelungen nach meinem Verständnis auch völlig zu Recht nicht in Betracht.
Sie wissen alle, für eine Duldung gibt es ganz unterschiedliche Gründe. Ich lasse jetzt einmal die Aufzählung weg. Fakt ist aber in jedem Falle, dass, wenn diese Gründe wegfallen, einer Ausreise nichts mehr im Wege steht. Dann hat die Ausreise – im besten Falle natürlich freiwillig und mit Unterstützung von uns – zu erfolgen. Denn – auch das möchte ich klar und deutlich sagen – die Duldung ist kein Bleiberecht, sondern nur die Aussetzung der Ausreisepflicht. Es handelt sich um eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, an die sowohl die Staatsregierung, der Landtag, aber eben auch die handelnden Behörden und die Rechtsprechung gebunden sind.
Ich halte aus diesen Gründen weder etwas von einer Anhebung des Alters für die besprochenen Ausnahmen noch von einer sogenannten proaktiven Verfahrensberatung, die über die angesprochenen Möglichkeiten hinausgehen. Über die Risiken hat der Ausländerbeauftragte, Kollege Mackenroth, gerade gesprochen. Wie gesagt, jeder wird natürlich von unseren Behörden beraten. Es ist aber Voraussetzung, dass er es von sich aus will.
Im Freistaat Sachsen haben wir derzeit 1 278 Geduldete, und wiederum fast 400 von ihnen sind das aufgrund fehlender Pässe.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Freilich wissen wir in der Staatsregierung, dass es auch Härtefälle unter diesen Fällen gibt. Sie müssen bei Wegfall des Abschiebungshindernisses jederzeit mit der Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen rechnen. Für einige von ihnen können die Ausnahmeregelungen eine Option sein, für andere steht in speziellen Fällen auch immer noch die Härtefallkommission bereit.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, komme ich zu dem Schluss: Wir werden, wie ich gesagt habe, die unteren Ausländerbehörden zu einer entsprechenden nicht nur Rechtsauslegung, sondern -anwendung anhalten und darauf hinwirken, dass im Freistaat Sachsen eine einheitliche Auslegung und Anwendung von den unteren Ausländerbehörden vorgenommen wird. Aus diesem Grunde empfehlen wir zumindest, so wie der Antrag derzeit gestellt ist, diesen abzulehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich für die bis auf eine Ausnahme sehr sachliche Debatte zu unserem Antrag ganz ausdrücklich bedanken. Trotzdem möchte ich noch zwei oder drei Bemerkungen machen.
Ich glaube, wer den Antrag genau liest, wird sehen, dass es uns nicht darum geht, dass die unteren Ausländerbehörden eine Verfahrensberatung oder gar eine Rechtsberatung machen. Ich glaube, das ist missverständlich gewesen.
Kollege Mackenroth, danke für Ihr Wort und für Ihre Anregungen. Sie haben angeregt, dass man eine Datengrundlage bräuchte. Das hat die Bundestagsfraktion der GRÜNEN mit der Großen Anfrage versucht. Sie wissen aus eigenem Erleben und dem Tätigsein als Ausländerbeauftragter des Freistaates Sachsen, dass für die Durchsetzung der Regelungen im Aufenthaltsgesetz die Länder zuständig sind. Auf einen großen Teil der Fragen im Rahmen der Großen Anfrage der Bundestagsfraktion gab es keine Antwort. Die Bundesregierung hat geantwortet, sie verfüge nicht über die Datenbasis und hätte keine entsprechenden Auskünfte von den Ländern bekommen. Insofern wäre es aus unserer Perspektive tatsächlich sehr gut, wenn man noch einmal über die Datenbasis spricht.
Aufgrund der ablaufenden Redezeit bin ich vorhin nicht mehr zum zweiten Teil unseres Antrages gekommen. Dabei geht es um die Ausweitung der Altersgrenze. Der tatsächliche Hintergrund – Kollege Richter hat das an einem Beispiel gezeigt – ist der Umstand, dass junge Geflüchtete häufig im Alter von 16 oder 17 Jahren nach Deutschland kommen und – zumindest nach jetzigem Ablauf – in der Regel nicht auf eine vierjährige Schulzeit. Da wollen wir eine Harmonisierung mit dem Jugendhilferecht, weil wir sagen, dass es Entwicklungen gibt, die einfach länger brauchen.
Ich möchte aber die Anregung des Sächsischen Ausländerbeauftragten aufgreifen, der gesagt hat, dass es gut wäre, den Antrag an einen Ausschuss zu verweisen und weiter über diese Fragen zu diskutieren. Ich möchte hiermit jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Antrag stellen, unseren Antrag an den Innenausschuss zur weiteren Beratung zu verweisen.
Meine Damen und Herren! Wir haben es vernommen: Es wird um Rücküberweisung in den Innenausschuss gebeten. Ich lasse jetzt darüber abstimmen. Wer wird der Rücküberweisung zustimmen? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist das an den Innenausschuss überwiesen.
Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort zu nehmen? – Das kann ich nicht erkennen.
Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab. Wer die Zustimmung gibt, den bitte ich
um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist der Beschlussempfehlung zugestimmt und der Tagesordnungspunkt beendet.
Hier ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort zu nehmen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimment
haltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Damit ist das so beschlossen und auch dieser Tagesordnungspunkt beendet.