Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Frau Schubert, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Geschichte Sachsens ist untrennbar mit dem Sorbischen verbunden. Dies zeigt sich nicht nur in der Siedlungsgeschichte und anhand Hunderter Ortsnamen von der Neiße bis weit hinter Leipzig und Dresden, hin zur Saale, deren wirkliche Bedeutung man erst mithilfe der sorbischen Sprache verstehen kann.

Die Pflege, Förderung und Weiterentwicklung der sorbischen Sprache und Kultur ist also nicht nur eine Angelegenheit der Sorben selbst, sondern liegt im ureigenen Interesse des Freistaates. Die Sorben sind eben kein touristisches Folkloremaskottchen, das man zu Ostern einfach mal aus der Kiste springen lässt und danach wieder einmotten kann. Sie sind, wie auch die anderen Minderheiten in Deutschland, ein lebendiges Volk in der Mitte Europas, das für Vielfalt steht, und im Umgang mit Minderheiten zeigt sich auch immer die Reife der Mehrheit.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der vorliegende Antrag besteht aus zwei Punkten. Davon gibt Punkt 1 die geltende Rechtslage wieder, und Punkt 2 ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, da Deutschland schon zu den Unterzeichnern der Europäischen Charta für Regional- und Minderheitensprachen gehört. Der Antrag der Koalition enthält somit fast – fast! – keine echten Forderungen oder Konkretisierungen, die über den Status quo hinausgehen. Ich sage „fast“, denn einzig die Annahme des Grundsatzpapiers Charta-Sprachen des Minderhei

tenrates ist durchaus eine inhaltliche Neuerung. Allerdings haben CDU und SPD seit der Verabschiedung drei Jahre des Papiers gebraucht, um dies in einen Antrag zu fassen.

Gestatten Sie mir noch einen Geschäftsordnungshinweis. In der Geschäftsordnung sind unter § 36 a die Mitwirkungsrechte des Rates für sorbische Angelegenheiten geregelt, und ich weiß, dass er bei diesem Antrag eben nicht proaktiv einbezogen wurde und lediglich in Form der täglichen Drucksacheninformationsmail informiert. Auch wenn dieser Antrag kein Gesetzentwurf ist, wäre es doch eine Geste der Wertschätzung gewesen, den Rat zumindest bei diesen sorbischen Belangen zu beteiligen.

An der Umsetzung des im Antrag angesprochenen Maßnahmenplanes zur Ermutigung und Belebung des Gebrauchs der sorbischen Sprache hapert es. Zentrale Themen, wie zum Beispiel die beschämende Unterversorgung mit sorbischsprachigen Medienangeboten, vor allem im Fernsehen, werden im Antrag leider nicht angeschnitten. So ist eine monatliche Sendezeit von gerade einmal 30 Minuten im internationalen Vergleich lächerlich. Eine angemessene Berücksichtigung der sorbischen Sprache in den Medien, wie sie das Sorbengesetz fordert, sieht anders aus.

Ich frage mich in diesem Zusammenhang auch, was aus der Erklärung zum Schutz des sorbischen Volkes geworden ist. Diese hatten die beiden CDU-Fraktionen aus Sachsen und Brandenburg 2016 medienwirksam präsentiert. Unter anderem wollten sie sich darin für wöchentlich 5 Stunden mehr Sendezeit einsetzen. All das fällt heute sichtlich unter den Teppich. Im Antrag wäre unserer Auffassung nach Platz dafür gewesen.

Wir können nicht darüber hinwegsehen, dass selbst 20 Jahre nach der Verabschiedung des Sächsischen Sorbengesetzes einige grundlegende Bestimmungen

weiterhin nicht eingehalten werden. So ist eine konsequente zweisprachige Beschilderung im Siedlungsgebiet bis heute nicht existent, und die Praxis an sächsischen Ortstafeln und Wegweisern, an Amtstüren und in Veröffentlichungen zeigt Tag für Tag sowohl Sorben als auch Deutschen, welchen Stellenwert das Sorbische hat. Sorbische Aufschriften werden, wenn überhaupt, regelmäßig deutlich kleiner angebracht als die deutschen Entsprechungen, und erst kürzlich verlautete aus dem Verkehrsministerium, dies geschehe aus Sachzwängen.

Es stellt sich die Frage, warum die gleiche Schriftgröße für beide Sprachen in Brandenburg seit 2014 umgesetzt werden kann, in den 1990er-Jahren auf sächsischer Seite schon einmal existierte, und vor allem, wie diese Ungleichbehandlung mit der Sächsischen Verfassung, nach der die Sorben ein gleichberechtigter Teil des Staatsvolkes sind, in Einklang zu bringen ist. In einer wirklich zweisprachigen Region wie der Lausitz müssen beide Sprachen gleichberechtigt verwendet werden können, und dies muss sich auch im öffentlichen Raum niederschlagen.

Ich freue mich über die Ankündigung, dass auch der Landtag – genau wie in Potsdam – demnächst ein zwei

sprachiges Türschild haben wird; denn er ist natürlich auch die politische Institution für die Sorben. Ausdrücklich unterstützen möchten wir den Vorschlag einer obersorbischen Schule für Sprache und Kultur, wie es sie für das Niedersorbische bereits gibt. Dies würde auch der Forderung der Domowina, des Bundes Lausitzer Sorben, entsprechen. Die Schließung des Oberlausitzer Pendants in den 1990er-Jahren war ein schwerwiegender Fehler, den man schnell rückgängig machen sollte. Für den Schulbereich legen wir heute auch noch einen Änderungsantrag vor.

Der vorliegende Antrag greift uns in der jetzigen Form zu kurz, und ich möchte meine Rede mit einem Sprichwort von Jan Radyserb-Wjela beenden, das in eine ähnliche Richtung wie das vom Kollegen Kosel geht: Dźak chzedźawjetši, hač je jich dar. – Der Dank, den Sie wollen, ist größer als Ihr Geschenk.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Schiemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Wažena knjeni prezidentka, česćeni knjenje a knježa, dźakuju so Wam čłonam Statneho knježerstwa Swobodneho Stata Sakska za podpěru Serbskeho luda we zašłych lětach. Naležne Was prošu, zo bychće serbske naležnosće dale jako naše zhromadne sakske nadawki podpěrali! Dźakuju so tež sakskemu ludej a přeju sebi dobre zhromadne dźěło za naš stat tež w přichodźe.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke den Mitgliedern des Sächsischen Landtags auf das Herzlichste und auch den Mitgliedern der Staatsregierung des Freistaates Sachsen für die Unterstützung des sorbischen Volkes in den zurückliegenden Jahren. Herzlich bitte ich Sie, auch weiterhin die sorbischen Anliegen als Anliegen des Freistaates Sachsen und damit als Teil Ihrer Anliegen zu unterstützen. Ich danke dem sächsischen Volk und wünsche mir auch in diesem Sinne eine gute Zusammenarbeit im Interesse des Freistaates für die Zukunft.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für jedes Volk gilt Folgendes: Kinder und die eigene Sprache sind das Kostbarste, was jedes Volk besitzt. Beides sichert gleichsam die Zukunft.

Für das sorbische Volk sind Kinder und der Erhalt sowie die Weiterentwicklung der Muttersprache die Juwelen des Volkes, die nur von den Vorfahren gepachtet und an die nächste Generation weiterzugeben sind. So wie unsere Vorfahren tragen die kommenden Generationen Sprache in Kultur, in Kunst, in Literatur, in Tradition, in der Arbeitswelt, in der Religion und im täglichen Erleben in die Zukunft. Sprache ist Heimat, sie ist Seele des Menschen und die Verbindung zwischen den Menschen, die unterschiedliche Sprachen sprechen. Durch Sprache leben wir die Werte, die uns zu Menschen machen. Für ein kleines Volk gibt es also mehr, als es große Völker emp

finden, zum Erhalt von Sprache und Kultur und Überlieferung zu tun.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, neue Herausforderungen durch Globalisierung, durch die großen Veränderungen in der Arbeitswelt und durch die Nutzung von unterschiedlichen Arbeitsorten, auch außerhalb des angestammten Siedlungsgebietes der Sorben, zwingen zu Veränderungen und neuen Herausforderungen, denen sich die Sorben selbst, aber auch die Unterstützer des Sorbischen stellen müssen.

Wir sind angewiesen auf die Unterstützung durch die Mehrheitsbevölkerung, und den Dank hatte ich eingangs angesprochen. Ohne Respekt, Toleranz, aber auch Akzeptanz durch die Mehrheitsbevölkerung der Sachsen werden es die Sorben schwer haben, ihre Sprache in die Zukunft zu bringen.

Deshalb brauchen wir hier neue Impulse, und ich bin sehr dankbar, dass auch das Thema angesprochen worden ist, was Sprache und Bildung verbindet. Jedes Volk gibt seine Sprache in der Familie durch Mutter und Vater, vielleicht durch die Großeltern und Verwandten weiter. Aber eine Bildung findet auch im Kindergarten statt, und besonders geprägt und sprachlich entwickelt wird man in der Ausbildung, in der Schule.

Wir brauchen die große Unterstützung der Sorben bei der Findung von Lehrern. Die Tschechische Republik hat uns Hilfe angeboten, in einer Notsituation etwas zu tun. Ich bin sehr froh, dass die Staatsregierung, Frau Staatsministerin Kurth, trotz des engen Zeitdruckes jetzt Wege findet, dass wir hier sehr schnell versuchen, Menschen, die nicht unsere Muttersprache sprechen, sprachlich auszubilden und ihnen dann eine Möglichkeit der Arbeit in der Lausitz zu unterbreiten und damit uns zu helfen, das Problem der fehlenden Lehrer, das sich in den nächsten Jahren verschärfen wird, zu lösen.

Wir brauchen aber auch neue Impuls beim Vitaj-Konzept. Dieses Vitaj-Sprachkonzept ist eine einmalige Situation, die vom Freistaat Sachsen geschaffen worden ist. Ich möchte Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, nochmals ganz herzlich danken, dass Sie in den letzten Jahren dieses Vitaj-Konzept immer sehr, sehr forciert unterstützt haben. Herzlichen Dank für diese Unterstützung!

(Beifall bei der CDU und der SPD und des Abg. Heiko Kosel, DIE LINKE)

Dieses Vitaj-Konzept muss neue Impulse bekommen. Wir müssen dabei auf veränderte Situationen neu reagieren und mehr Energie in diese Entwicklung stellen, weil es die einzige Chance ist, auch für die Zukunft Sprache zu sichern.

Die Sorben haben natürlich auch in der Entwicklung im IT-Bereich einen riesigen Nachholbedarf. Wer wird sich für dieses kleine Volk bereit erklären, das zu garantieren, was für eine große Sprachfamilie wie der Deutschen mit über 100 Millionen aktiven Sprechern zu leisten ist? Das heißt, für jede Computersprache muss für eine ganz kleine

Gruppe genau das geleistet werden, was für über 100 Millionen in der sozialen Marktwirtschaft überhaupt kein Problem und selbstverständlich ist. Das ist eine Frage, vor der wir stehen und die wir lösen müssen. Dabei sind wir auch auf die Mehrheitsbevölkerung angewiesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen uns den Fragen stellen, wie man die Sprache eines kleinen Volkes auch unter veränderten Rahmenbedingungen weiterführen kann. Viele junge Familien wohnen in der Landeshauptstadt Dresden oder in Leipzig. Wir müssen aber den Kindern eine Chance geben, ihre Muttersprache oder die angestammte Sprache ihrer Vorfahren zu erlernen, oder vielleicht auch Menschen, die bereit sind, die Sprache zu erlernen, obwohl die Eltern nur der deutschen Sprache mächtig sind.

Ich erwarte, dass die Sprache im öffentlichen Leben in der Selbstverständlichkeit gelebt wird. Ich bin es langsam leid, dass sich die Sorben selbst darum kümmern müssen, ob die Schilder zweisprachig beschriftet sind. Oder wenn die Schilder zwei Größen haben, eine große in deutscher Sprache und eine Minivariante in sorbischer Sprache, dann ist das gesetzeswidrig. Das muss abgestellt werden in diesem Land.

(Beifall der Abg. Heiko Kosel, DIE LINKE, und Franziska Schubert, GRÜNE)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sorben sind alle zweisprachig. Die Sachsen haben mit den sprachlichen Besonderheiten ihrer Entstehung auch Zugang zur Zweisprachigkeit. Ich bewundere meine sächsischen Landsleute im Erzgebirge, im Vogtland, das Sächsisch in der Landeshauptstadt und das wieder andere Sächsisch in Leipzig und im Umfeld oder in der Sächsischen Schweiz und in der Oberlausitz, das Ostlausitzische und das Südlausitzische im Oberland.

Bewahren und achten wir die Besonderheiten dieser 23 Dialekte, die es im Freistaat Sachsen gibt! Es ist ein Reichtum, wenn man Dialekte besitzt.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das ist Herkunft, das ist Heimat und das ist auch die Grundlage für die Zukunft, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich bitte Sie ganz herzlich, auch die kleine Sprache der Sorben weiter zu unterstützen; denn wir haben in Sachsen etwas Besonderes: Wir sind von Geburt aus alle zweisprachig, und das soll für die Zukunft so bleiben. Deshalb lade ich Sie ein, den Antrag zu unterstützen.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD sowie der Abg. Horst Wehner und Heiko Kosel, DIE LINKE)

Wer möchte jetzt nach Marko Schiemann noch reden?

(Allgemeine Heiterkeit)

Es scheint aus den Fraktionen keinen Bedarf zu geben. Dann bitte ich jetzt die Ministerin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade mit dem Ministerpräsidenten gescherzt, ob er jetzt in Sorbisch beginnt, da ich leider kein Sorbisch kann, und ich führe dann fort.

Lieber Kollege Schiemann, leider sind nicht alle zweisprachig geboren, auch wenn Sie sich das wünschen. Vielleicht wäre es dann einfacher und wir bräuchten diesen Antrag nicht. Aber vielen Dank für Ihren engagierten Beitrag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin auch sehr dankbar für diesen Beitrag, haben doch die Diskussionsbeiträge jetzt gerade aus dem Landtag gezeigt, wie vielfältig die Wünsche sind, wie vielfältig die Aufforderung auch ist, sich tatsächlich dem Verfassungsauftrag zu widmen, sich den Sorben, egal, wie viele es sind, Frau Muster, zu widmen. Das ist eben nicht nur ein schmückendes Beiwerk, und es ist schon gar nicht geeignet, um, egal, ob Wenden oder Sorben, mit Adresse AfD auf einem eindeutig ausländerfeindlichen Plakat verwendet zu werden.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt der CDU – Carsten Hütter, AfD: Sie erzählen aber jetzt dummes Zeug, Sie trauen sich was! – Weitere Zurufe von der AfD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Antrag zeigt, dass es wieder an der Zeit ist, das Thema in den Landtag zu bringen und auch in den nächsten Monaten mit dem entsprechenden Bericht zu untersetzen; denn sorbische Sprache und Kultur sind nicht nur für die Sorben wichtig. Sie haben vollkommen recht, Herr Schiemann: Es kann nicht sein, dass immer die Sorben selbst darauf aufmerksam machen müssen, wenn Lücken entstanden sind. Es gibt in den nächsten Jahren sicherlich noch vieles zu beraten und es ist bedeutsam für uns in Sachsen, in Deutschland und in Europa; denn es gibt die Sorben eben nur einmal. Die sorbische Sprache und die Kultur sind Bestandteil unserer Geschichte, unserer Gegenwart und auch unserer Zukunft.