Drittens. Veränderungen der Stundentafel sind aktuell nicht vorgesehen. Ich weiß nicht, woher Sie Ihre Weisheit haben. Das werden wir sicher zu einem späteren Zeitpunkt zu diskutieren haben. Dabei werden wir hauptsächlich über die Entlastung der Schüler sprechen müssen. Bezüglich der Belastung nimmt Sachsen einen Spitzenplatz ein. Viertens. Die Kapazitäten für die berufsbegleitende wissenschaftliche Qualifizierung von Seiteneinsteigern an den Universitäten werden gerade auf- und ausgebaut. Mit den Universitäten sind Zielvereinbarungen bis zum Jahr 2023 geschlossen worden. Auch das ist ein Prozess, der sich nicht mit hektischem Aktionismus bewältigen lässt.
Fünftens. Das Verfahren „schulscharfer“ Ausschreibung ist in Vorbereitung und wird zeitnah in der nächsten Bewerbungsrunde greifen. Ich kann Ihnen sagen, das wird wahrscheinlich schon in der kommenden Woche passieren. Trotzdem werden wir auch in den nächsten Jahren junge Menschen davon überzeugen müssen, dass man neben der Schulart Gymnasium auch an Oberschulen, beruflichen Schulen oder an Förderschulen ein gutes Arbeiten haben kann. Grundschulen habe ich bewusst nicht genannt, weil es in dieser Schulart aktuell ausreichend Bewerber gibt. Wir müssen weiter für die sogenannten MINT-Fächer werben. Gerade in diesen Fachkombinationen bleibt der Bedarf hoch.
Letztendlich gibt es in Sachsen auch Schulen, die außerhalb der Ballungsräume liegen, an denen man sehr gut arbeiten kann, tolle Lehrerkollegien vorfindet, die Schüler oft einfacher zu bilden sind und die ländlichen Regionen auch sehr lebenswert sind und viel Abwechslung bieten, wenn man es wünscht. Auch dort ist die Lebensqualität hoch. Das sollten wir kommunizieren. Das sind Aufgaben, an denen wir gemeinsam arbeiten müssen. Sicher gibt es noch Reserven in der Arbeitsweise der SBAs.
Aber bei aller Kritik muss man bedenken, dass die Mitarbeiter bei der Fülle von zu bearbeitenden Vorgängen an ihre Grenzen kommen. Dadurch können bedauerliche Fehler auftreten, die nicht auftreten sollten. Wir werden uns auch weiter diesem schwierigen Prozess widmen und ihn begleiten. Ihres Antrages bedarf es dazu nicht. Aber das sagte ich bereits.
Nach Herrn Kollegen Bienst, CDU-Fraktion, spricht jetzt Frau Kollegin Friedel für die Fraktion der SPD.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der Linksfraktion, Frau Kollegin Falken hat schon relativ viel über Beispiele gesprochen. Diese Beispiele kennen wir auch. Glauben Sie nicht, dass wir uns Illusionen machen. Die Lage ist tatsächlich an vielen Punkten sehr schwierig. Worüber Sie nicht sehr viel gesprochen haben, ist Ihr Antrag. Deshalb will ich das kurz nachholen.
Sie fordern in Ihrem Antrag die Staatsregierung auf, den Unterrichtsausfall durch ein ausreichendes Arbeitsvolumen zu minimieren. Hallo?! Das versuchen wir seit drei Jahren.
All das, was wir tun, dient genau diesem Ziel; denn was heißt das denn? Ein ausreichendes Arbeitsvolumen heißt, genug Lehrer zu haben, damit weniger ausfällt. Es ist nicht so, dass nichts passiert ist. Wir haben in den letzten drei Jahren den Stellenabbau gestoppt. Wir haben die befristete Beschäftigung gestoppt. Wir haben dafür gesorgt, dass jede frei werdende Stelle wieder besetzt wird. Wir haben die Anzahl der Lehrerstellen insgesamt erhöht. Wenn man sich die Planungen der Vorgängerregierung anschaut, waren für das kommende Schuljahr 26 400 Lehrerstellen geplant. Wir haben jetzt 29 700. Das sind 3 300 mehr, und weil das Stellen und keine Leute sind, hört es noch nicht auf.
Wir haben die Zulagen für Neueinstellungen organisiert, Zulagen für ältere Lehrkräfte, damit sie im Schuldienst bleiben. Wir haben die Lehrkräfte entlastet. Wir haben zusätzliche Anrechnungsstunden für die älteren Kollegen gegeben. Wir haben die Oberschullehrer in die E13 geholt, die Referendarsbezüge erhöht und gestern die bessere Bezahlung der Überstunden beschlossen. Dann stellen Sie sich hier hin und glauben, mit Ihrem Satz „Der Unterrichtsausfall soll durch ein ausreichendes Arbeitsvolumen minimiert werden“ hätten Sie irgendetwas geleistet? Dann sagen Sie doch bitte, was!
So, wie Ihr Antrag formuliert ist, können Sie auch die Staatsregierung bei sengender Hitze auffordern, durch ein ausreichendes Regenvolumen für eine Minimierung der Trockenheit zu sorgen! Da ist trotzdem noch nichts passiert.
Ich bin konkret geworden. Werden Sie doch auch einmal konkret! Wir sind das. Ich mag diesen, wie ich finde, klugen Satz von Lenin: „Die Wahrheit ist immer konkret.“ Ich habe den verinnerlicht.
Dort, wo Sie im Antrag konkret werden, sagen Sie, was nicht gemacht werden soll: keine Klassenzusammenlegung, insbesondere nicht die 1. und 2. sowie 3. und 4. Klasse. Nein, auch wir wollen keine Klassenzusammenlegungen, zumindest nicht aus Ressourcengründen. Aber wenn Klassenzusammenlegung aus pädagogischen
Gründen sinnvoll ist, dann ist es gerade die Grundschule. Das ist doch die Erfahrung, die wir in den letzten Jahren gemacht haben, dass wir jahrgangsübergreifenden Unterricht in den Grundschulen in Sachsen praktizieren, in zahlreichen in freier Trägerschaft, mittlerweile in zehn in öffentlicher Trägerschaft, und zwar nicht aus Personalnot, sondern weil es ein kluges pädagogisches Konzept ist.
Oder Sie sagen, keine Streichungen in der Stundentafel. Doch! Doch, sage ich. Das brauchen wir ganz toll, nicht aus Personalnot, sondern aus pädagogischen Gründen. Unsere Sechstklässler, Elf- und Zwölfjährige, haben in der Woche 34 Unterrichtsstunden. Dann kommen noch ein bis zwei Stunden Hausaufgaben pro Tag hinzu, vielleicht noch ein Schulweg von einer Stunde. Die sind locker bei einer über 40-Stunden-Woche, die selbst manchem Erwachsenen zu viel ist, dass es schlimm ist.
Da ist kein Platz mehr für Freizeit, für Freunde, fürs Weltentdecken und Erfahrungen machen. Deswegen sage ich: Wir brauchen dringend eine Kürzung der Stundentafel. Dem muss natürlich eine Entschlackung der Lehrpläne vorausgehen. Deshalb drängen wir seit Regierungsantritt darauf, dass die Lehrplankommissionen einberufen und die Lehrpläne überarbeitet werden.
Ich war jetzt bei Punkt 3 Ihres Antrages, das ist ungefähr die Hälfte. Ich glaube, es ist deutlich geworden, warum wir dem Antrag nicht zustimmen können. Deswegen will ich noch zwei oder drei weitere Dinge neben dem Antrag sagen. Ich fange noch einmal kurz an: Ihr Antrag trägt die Überschrift „Die Staatsregierung soll einen reibungslosen Ablauf garantieren.“
Wir werden keinen reibungslosen Ablauf zu Schuljahresbeginn 2017/18 haben. Wir hatten auch keinen reibungslosen Ablauf zum Schuljahresbeginn 2016/17. Der Ablauf
Sachsen hatte natürlich einen gravierenden Lehrermangel. Da kann man sich wünschen, dass alles reibungslos funktionieren soll, aber das ist weitab von der Realität. Wir haben an vielen Stellen Unterrichtsausfall – und Unterrichtsausfall ist nicht unser einziges Problem. Wir haben viele Seiteneinsteiger, die Gott sei Dank da sind und uns helfen, die sich neben der Arbeit berufsbegleitend qualifizieren – großer Respekt dafür! – und die dafür an zwei Tagen pro Woche an der Schule fehlen.
Wir haben Schulen, da wechselt in jeder Klasse der Fachlehrer. Das heißt, man hat in der 5. Klasse im Fach Mathematik Herrn X, in der 6. Frau Y und in der 7. Herrn Z. Wir haben etliche Grundschulklassen, wo in der 3. Klasse eine neue Klassenlehrerin kommt, weil die bisherige die neue 1. Klasse übernehmen muss. Für Schüler ist ein solcher Lehrerwechsel eine riesige Belastung, weil man sich immer wieder umstellen muss. Wenn es einen Punkt gibt, wo der Satz „Schule braucht Kontinuität“ stimmt, dann ist es genau dort! Denn Bildungsarbeit ist auch Beziehungsarbeit, und es braucht eine kontinuierliche Lehrer-Schüler-Beziehung, die wir jedoch momentan überhaupt nicht sicherstellen können. Das ist ein Riesenproblem.
Das alles passiert, weil aufgrund des Lehrermangels immer wieder neu geplant werden muss. Nicht nur von Schuljahr zu Schuljahr, sondern auch innerhalb des Jahres sind Schulleitungen damit beschäftigt, immer wieder neue Stundenpläne aufzustellen und wieder zu balancieren. Ein großer Dank gilt hier den Schulleitungen, die mit geschickten Manövern helfen, die schlimmsten Probleme mit abzufangen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Situation, in der wir heute sind, ist keine Naturkatastrophe, sondern das ist eine menschengemachte Situation. Sie wurde fahrlässig herbeigeführt, durch Fehler verursacht. Ja, wir kennen die Geschichte: In den Neunzigerjahren, als sich die Schülerzahlen fast halbiert haben, wurden trotzdem alle Lehrkräfte behalten und es wurde niemandem gekündigt. Das war eine richtige Entscheidung. Folge davon war, dass keine neuen Lehrkräfte eingestellt worden sind, dass wir die Absolventen in alle anderen Bundesländer verloren haben und dass zudem junge Menschen gar nicht mehr das Interesse hatten, sich für den Lehrerberuf zu entscheiden.
Wo liegt der Fehler? Man hätte früher umsteuern und vorausschauender Politik betreiben müssen. Seit 2012 sind die Schülerzahlen wieder gestiegen. Die Kinder, die 2013 und 2014 in die Schule gekommen sind, waren ja schon Jahre vorher da. Spätestens 2010 hätte man also umsteuern und neue Lehrkräfte einstellen müssen; wir haben in diesem Haus auf Antrag verschiedener Fraktionen viel darüber diskutiert. Der Zeitpunkt ist verpasst worden – ich glaube, dass das mittlerweile auch viele in
diesem Saal bereuen. Das Kind ist jetzt in den Brunnen gefallen. Den Schülern, den Eltern und Lehrern ist es einfach herzlich egal, wer daran nun schuld ist. Das interessiert sie nicht; das ist für sie nicht greifbar. Es ist nicht eine einzelne Partei, sondern es ist „die Politik“.
Die Politik hat versagt – das ist ein Problem, das wir alle gemeinsam miteinander haben. Wir müssen jetzt den Fehler der Politik ausbaden, und das tut weh. Ich kann natürlich nicht im Namen „der Politik“ sprechen, aber im Namen der SPD-Fraktion sage ich: Es tut uns sehr leid und wir möchten uns für diese Situation entschuldigen – wir wünschten, dass es anders gekommen wäre. Wir strengen uns an, um Verbesserungen zu erreichen. Wir strengen uns an, um das Kind Meter für Meter wieder aus dem Brunnen zu holen, und wir empfinden es als große Pflicht, dafür zu sorgen, dass dies nicht wieder passiert.
Ich habe vorhin aufgezählt, was wir momentan alles tun, um die Situation kurzfristig zu verbessern. Wir brauchen darüber hinaus auch die langfristigen Maßnahmen. Wir brauchen – wie angesprochen – die Entschlackung der Lehrpläne, die Veränderung der Stundentafel. Wir brauchen eine neue Lehramtsausbildung, die nach Stufen strukturiert ist und nicht nach Schularten. Wir brauchen eine verbindliche Stellenplanung, die genügend Reserven für Vertretungen vorsieht. Was wir vor allem und für all diese Dinge brauchen, ist die Einsicht, dass ein „Weiter so wie bisher!“ nicht mehr funktioniert. Zu vieles von dem, was wir bisher in Sachsen tun, um den Lehrermangel zu lindern, tun wir auf ausgetretenen Pfaden. Das wird nicht reichen. Hier haben sich in den vergangenen 25 Jahren Verfahren und Vorgehensweisen gebildet, die uns heute nicht mehr weiterhelfen. Hier müssen wir endlich umdenken!
Manchmal sind es die ganz kleinen Dinge. Ich möchte dazu eine Geschichte erzählen: Mit Kollegen war ich letzte Woche bei einem Treffen von Schulleitungen und Elternrat, um Probleme vor Ort zu besprechen. Wir haben den Schulleiter gefragt, wie es mit der Vorbereitung des neuen Schuljahres aussieht. Er sagte: Wir sind eigentlich ganz froh, denn die SBA hat uns sehr geholfen. Wir bekommen drei neue Lehrkräfte – der eine wird von einer anderen Schule versetzt, und dann haben wir noch zwei fertig ausgebildete Referendare, die jetzt neu eingestellt werden. Ich hoffe, sie springen jetzt nicht ab; das passiert ja bei diesen öfter einmal.
Daraufhin haben wir gesagt: Rufen Sie diese doch einmal an, laden Sie sie zum Kaffee in Ihrer Schule ein. Sie haben eine tolle Schule, und Sie haben ganz engagierte Eltern, Sie sind selbst ein engagierter Chef – vielleicht gelingt es, die moralische Latte ein wenig höher zu legen, damit sie nicht so leicht absagen, sondern schon einmal ein Bild haben.
Dann überlegte er eine kleine Weile und sagte, das sei eigentlich keine schlechte Idee. Anschließend hat er noch einmal kurz überlegt und sagte: Das funktioniert aber gar nicht, denn ich habe ja deren Kontaktdaten gar nicht – die bekomme ich nicht von der SBA.
Das Problem ist: Keinem dieser Menschen – weder dem Schulleiter noch der SBA – kann man hier einen konkreten Vorwurf machen, sondern es machen einfach alle so, wie man es immer schon gemacht hat.
Das hat auch lange gut funktioniert, aber es funktioniert heute eben nicht mehr. Das ist das, was wir schaffen müssen. Wir müssen es schaffen, neue Wege zu gehen. Das Thema Schultafelausschreibungen haben wir seit vielen Jahren gefordert – das ist ein solcher neuer Weg. Unsere Schulen haben so viel zu bieten, das sollen sie den Bewerbern auch zeigen können, und zwar den konkreten Personen, die sich für diese Schule interessieren.
Es darf nicht mehr passieren, dass Referendare, die ein Jahr lang an der Schule eingesetzt waren und dort guten Unterricht geleistet haben – wo die Schüler sagen, er ist klasse, wo der Schulleiter sagt, dass er ihn behalten will, und wo die Stundentafel sagt, dass wir diese Fachrichtung brauchen –, diese nicht an der Schule bleiben, sondern wieder in die allgemeine Bewerbermühle zurückkommen und dann irgendwo anders landen. Das sind unnötige Schwierigkeiten, die hier immer noch gemacht werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir vorankommen wollen, dann brauchen wir, so glaube ich, einen anderen Umgang mit unseren Problemen.
Wir dürfen erstens nichts mehr schönreden: Die Lage ist schlecht und es wird dauern, sie zu verbessern, aber Schritt für Schritt werden wir das hinbekommen.
Wir müssen zweitens auch wirklich sagen: Es darf kein „Weiter so!“ geben. Besondere Situationen fordern eben besondere Maßnahmen – ich mag diesen Spruch, weil er so stimmt. Wenn wir in den Großstädten mehr Bewerber für das gymnasiale Lehramt haben, als wir eigentlich brauchen, sollten wir diese nicht einfach wegschicken, sondern über Bedarf einstellen; dann sind sie erst einmal im System.