Protokoll der Sitzung vom 22.06.2017

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Das ist mein Vorschlag!)

Es macht keinen Sinn, die Lehrer wegzuschicken. Den Schulen im ländlichen Raum nützt es absolut nichts, wenn es den Schulen in den Großstädten wie Leipzig nicht auch besser gehen darf. Das ist so unsinnig und so kleingeistig! Dann haben wir eben in den Großstädten ein pädagogisches Plus. Dieses können wir nutzen für die Aufgaben der Integration und der Inklusion. Das können wir nutzen, um Teamteaching voranzubringen oder um Ganztagsschulen zu entwickeln. Das sind alles auch Chancen, und damit bin ich bei meinem dritten Punkt.

(Zuruf von der CDU – Uwe Wurlitzer, AfD: Erst beim dritten Punkt?)

Die Not ist groß, aber was wir versuchen sollten, ist, aus dieser Not an manchen Stellen eine Tugend zu machen. Ich finde, ein gängiges Beispiel ist immer wieder der

jahrgangsübergreifende Unterricht. Hier ist es uns gelungen, aus der Not eine Tugend zu machen. Es ging darum, die Grundschulen im ländlichen Raum vor einer Schließung zu retten. Das, was mittlerweile aus dieser Notmaßnahme geworden ist, sieht man, wenn man einmal in diese zehn öffentlichen Grundschulen geht, die jahrgangsübergreifend unterrichten, und wenn man sich dort einmal mit den Lehrkräften unterhält.

Die einen sagen: Das war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben. Bei uns ist das Klima anders, der Unterricht macht mehr Spaß, die soziale Kompetenz ist höher. Eine Kollegin sagte, sie hatte dabei leuchtende Augen: Frau Friedel, wir bekommen heute viel mehr von den Kindern zurück als früher. Das ist es doch, worum es eigentlich in unserem Beruf geht. Das fand ich toll, das fand ich unglaublich beeindruckend.

(Beifall bei der SPD)

Diese Freude, diesen Stolz und diese Anerkennung wahrzunehmen, sie selbst zu vermitteln und durch Begleitung und Unterstützung weiterzuverbreiten in Sachsen, statt nur bürokratische Hürden aufrechtzuerhalten und solche Stöckchen immer wieder hinzulegen, das ist doch unsere Aufgabe. Das ist die Aufgabe des Kultusministeriums, das ist die Aufgabe der Regierungsfraktionen, das ist Aufgabe der Politik im Ganzen.

Hätten Sie einen solchen Antrag geschrieben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, dann hätte ich auch ein Leuchten in den Augen bekommen und zugestimmt. Das ist nicht der Fall. Deswegen werden wir den Antrag leider ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Nach Frau Friedel spricht jetzt Herr Wurlitzer für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Man könnte anfangen mit „Täglich grüßt das Murmeltier“ oder „jährlich die Frau Falken“, wenn es um den Schuljahresbeginn geht. Man muss an dieser Stelle klar und deutlich sagen: Frau Falken hat recht, jedes Jahr haben wir das gleiche Problem. Das muss sich die Koalition einfach auch ein Stück weit zurechnen lassen.

Ich muss ganz ehrlich eines sagen, liebe Frau Friedel: Die Politik ist schuld, ja, aber nicht alle, die hier drin sitzen. Denn DIE LINKEN haben über Jahre auf das Problem hingewiesen und sind ignoriert worden. Sie sind auch in der Koalition schon vor zehn Jahren einmal dabei gewesen und haben das Problem ignoriert. 2012 hat der Rechnungshof ganz klar und deutlich gesagt, was auf uns zukommt, und alle haben es ignoriert. Jetzt stehen wir wie jedes Jahr vor dem Problem, diesmal natürlich noch ein bisschen mehr, wofür wir nichts können, aber jedes Jahr vor dem gleichen Problem, dass es eben keinen ordentlichen Übergang gibt. Nur zu sagen, weil es jedes Jahr so

ist, ist es nicht so schlimm, dass es dieses Jahr auch so ist, das ist, meine ich, die falsche Ausrichtung.

Den LINKEN möchte ich an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Es stehen einige Dinge in Ihrem Antrag, die wir auch schon gefordert haben, die wir auch in Anträgen eingebracht haben, die Sie natürlich abgelehnt haben – aus ideologischen Gründen und nicht, weil es inhaltlich ein Problem gewesen wäre. Ich glaube, es wäre schön, wenn wir irgendwann darauf zurückkämen, einmal wirklich Sachpolitik zu machen und dies nicht nur an ideologischen Dingen festzumachen. Ich meine, das würde dem gesamten Plenum ganz gut zu Gesicht stehen, und zwar nicht nur den LINKEN.

(Beifall bei der AfD)

Nun sind alle diese Punkte mittlerweile schon mehrfach durchgekaut und vorgetragen worden. Ich bitte an dieser Stelle um punktweise Abstimmung, weil wir doch dem einen oder anderen Punkt zustimmen möchten.

Der Punkt, den ich auf alle Fälle herausgreifen möchte, ist der Punkt Nr. 3. In diesem Punkt geht es darum, dass die Staatsregierung aufgefordert werden soll, keine Streichungen in der Stundentafel vorzunehmen. Hier liegen die LINKEN genau auf unserem Kurs. Wir haben vor Kurzem diesbezüglich eine Kleine Anfrage gestellt. Die Staatsregierung hat gesagt: Es gibt keine Kürzungen in der Stundentafel. – Deshalb bin ich jetzt etwas überrascht gewesen, dass Sie, Frau Friedel, gesagt haben, dass es diese doch gibt und dass das gar kein Problem sein soll.

(Zurufe von der CDU)

Die Presse hat im Artikel der „SZ“ am 23. März und am 29. März davon gesprochen. Am 29. Mai wird überall berichtet, dass die Stundentafeln wegen langzeiterkrankter Lehrer, fehlender Unterrichtsräume und Lehrermangels gekürzt werden müssen. Auf unsere Kleine Anfrage hat man uns gesagt, dass es diese Kürzungen nicht gebe. Ich bin mal gespannt, wie Sie sich nachher herausreden wollen.

Alles andere ist schon gesagt worden. Deshalb bitte ich um punktweise Abstimmung, weil wir einigen Punkten gern zustimmen würden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Auf Herrn Wurlitzer von der AfD-Fraktion folgt jetzt für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Zais.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe lange überlegt, wie wir als GRÜNE uns zur Zielrichtung dieses Antrags verhalten. Klar ist: Die Situation an Sachsens Schulen ist – das haben Kollegin Falken und Kollegin Friedel sehr gut beschrieben – außerordentlich schwierig. Ein reibungsloser Start in das neue Schuljahr wird auch mit den von den LINKEN vorgeschlagenen Maßnahmen

nicht möglich sein. Eine Garantie dafür, so wie es im Antrag formuliert ist, gibt es schon gar nicht. Einige Maßnahmen tragen nach meiner Überzeugung eher dazu bei, die Situation noch zu verschärfen, zum Beispiel der im Punkt 3 genannte Verzicht auf Streichungen in der Stundentafel.

Aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag hat ja auch wirklich einen anderen Zweck. Das ist, glaube ich, uns allen klar. Das ist auch legitim, und dazu will ich mich überhaupt nicht äußern. Das wird aber letztlich auch dazu führen, dass sich unsere Fraktion bei diesem Antrag enthalten wird.

Bereits im letzten Jahr – dies noch einmal zu unserer Position – habe ich mir angesichts der dramatischen Situation bei der Lehrergewinnung und Einstellung von Seiteneinsteigern – davon bin ich, da ich aus Chemnitz komme, schon besonders betroffen gewesen, insbesondere was den Oberschulbereich anbelangt – gedacht: Schlimmer geht’s nimmer. Heute weiß ich: Schlimmer geht immer. Denn Versäumnisse der Bildungspolitik der Koalitionen der letzten Jahre haben sich in ihrer Konsequenz zu einer Welle aufgetürmt, die nach meiner Überzeugung das Manövrieren immer schwieriger macht.

Meine Analyse – das sage ich aus voller Überzeugung – ist folgende: Wir haben es hier mit einer Führungsschwäche auf höchster Ebene zu tun. Der Ministerpräsident – das kann ich Ihnen nicht ersparen, Herr Tillich – lässt seine Kultusministerin, so zumindest mein Eindruck, seit mehreren Jahren am langen Arm des Finanzministers verhungern und hat zudem bis heute erfolgreich verdrängt, dass die Beseitigung des dramatischen

Lehrermangels – da bin ich anderer Auffassung, Sabine, als du – nicht nur eine Sache des Kulturministeriums und der die Koalition tragenden Fraktionen, sondern eine Aufgabe des gesamten sächsischen Kabinetts ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Das ist meine Analyse. Lehrervertretungen, Gewerkschaften und Verbände werden zudem nicht ausreichend wertgeschätzt – auch das ist eine Erfahrung – und deren Vorschläge nicht ernsthaft genug diskutiert und einbezogen. Diese Haltung hat nach meiner Einschätzung dazu geführt, dass das Lehrermaßnahmenpaket viel zu spät verabschiedet wurde, dass wertvolle Zeit – auch darauf haben Vorrednerinnen schon hingewiesen – bei den Einstellungsverfahren ins Land gegangen ist, Zeit, die andere Bundesländer erfolgreich genutzt haben.

Auch die Umsetzung der dann endlich im Oktober 2016 beschlossenen Maßnahmen zur Lehrergewinnung passierte nicht im nötigen Tempo und führt im Übrigen bis heute zu großer Unruhe unter der Lehrerschaft. Das hat auch etwas mit dem Thema Ungerechtigkeit zu tun.

Dass der Finanzminister ein gespaltenes Verhältnis zur Lehrerschaft hat, zeigte sich auch an seinen Äußerungen, Stellen zu streichen und dafür den Klassenteiler zu erhöhen. Ich schätze es – und das meine ich wirklich ehrlich –,

dass die Kultusministerin öffentlich Fehler eingesteht, die sie nicht zu verantworten hat. Dazu gehört, dass die Studienplatzkapazitäten zu spät erhöht wurden. Was ich nicht schätze, ist die fehlende Schlussfolgerung. Denn ein Blick in die Lehrerbedarfsprognose und der Vergleich mit der Entwicklung der sächsischen Studienplätze aus dem Bildungspaket „Sachsen 2020“ zeigt, dass die vereinbarte Zahl bei Weitem nicht ausreichen wird. Hier sind nicht gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen SPD und CDU nötig, sondern unverzügliches Reagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Eine Journalistin hat mich gefragt: Was würden Sie tun, Frau Zais, wenn Sie Kultusministerin werden? Ich glaube, diese Frage müssten wir uns in der Opposition alle stellen. Darüber habe ich lange nachgedacht. Sie müssen keine Angst haben, ich will das wirklich nicht werden. Aber klar ist: Es reicht nicht, Risse zu kitten, wenn das Fundament nicht stimmt. Deshalb braucht es nach meiner tiefsten Überzeugung eine grundlegend andere Herangehensweise. Bildung darf nicht mehr als Einzelressort unter vielen gelten. Sie muss als Aufgabe des gesamten Kabinetts wahrgenommen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und jede und jeder, der die heiße Kartoffel Kultusministerium inne hat oder übernimmt, der ist gut beraten, vorher die nötige Beinfreiheit einzufordern.

Zur Überwindung der Krise brauchen wir einen sächsischen Pakt für Bildung,

(Beifall der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

in dem die konkreten Vorschläge der Gewerkschaften, Kammern und demokratischen Interessenverbände diskutiert, wertgeschätzt und ernst genommen werden. Wir brauchen einen Fahrplan, mit welchen schnell und langfristig wirkenden Maßnahmen dem Lehrermangel tatsächlich wirksam begegnet werden kann.

Den ernsthaften Willen, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen – das habe ich bei vielen Gesprächen gespürt –, gibt es dazu tatsächlich. Zum Beispiel hat der Sächsische Schulleitungsverband im Dezember 2016 ein wirklich gutes Vorschlagspapier vorgelegt. Nicht eine der dort vorgeschlagenen Maßnahmen habe ich bisher im bildungspolitischen Diskurs der Koalitionsfraktionen wiedergefunden. Schade!

Wir brauchen eine Qualitätsoffensive der Lehramtsausbildung, und wir brauchen die Ausweitung. Es ist ein Muss, dass an der Technischen Universität Chemnitz eine Lehramtsausbildung auch im Bereich der Oberschule stattfindet. Da müssen sich alle bewegen. Das erwarten wir als Fraktion.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht so viel Zeit wie meine Vorrednerinnen und Vorredner, deshalb kann ich hier an dieser Stelle nur sagen: Unsere

Fraktion ist tatsächlich bereit, an so einem Bildungspakt aktiv mitzuarbeiten. Verstehen Sie das als Angebot.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Falk Neubert, DIE LINKE)

Frau Kollegin Zais beschloss diese Rederunde. Frau Falken, ich habe Sie so verstanden, dass Ihre Fraktion eine zweite Rederunde eröffnen will.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)