Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

Den Vogel abgeschossen haben Sie dann aber mit dem zuletzt beschlossenen Doppelhaushalt. Zu jenem Zeitpunkt lag der Kommissionsbericht – wir haben es heute mehrmals gehört – schon vor. Doch anstatt nun endlich etwas im Haushalt zu tun, hat diese Koalition die Dreistigkeit besessen, die Anhörung zu diesem Bericht in die Zeit nach dem Haushaltsbeschluss zu schieben und sich damit nicht zu befassen. Man hätte ja sonst zu dem Schluss kommen können, dass man handeln muss. Sie haben sich mit diesem Verhalten in Bezug auf Ihre Versprechungen aus dem Jahr 2015 selbst Lügen gestraft.

Wir GRÜNEN haben uns nicht nur die Anhörung zu diesem Bericht gewünscht und haben diese Anhörung gefordert. Wir haben Ihnen – weil wir in den Haushaltsverhandlungen Schlussfolgerungen ziehen wollten – auch unsere Vorschläge für eine Personaloffensive unterbreitet und mit Änderungsanträgen zum Haushaltsentwurf knapp 1 400 unbefristete und befristete Stellen zur Bewältigung der Altersabgänge, zur Verbesserung der Altersstruktur und zur Sicherung des Wissenstransfers beantragt. Sämtliche Anträge wurden abgelehnt – mit der Begründung, für so etwas brauche man ein langfristiges Konzept.

Als ob das nicht schon genug wäre, torpediert der Finanzminister, den Dolch gegen eine vernünftige Personalpolitik, die ihm offensichtlich ein Graus zu sein scheint, stets im Gewande führend, alle Bestrebungen, in Sachsen für einen attraktiven öffentlichen Dienst zu sorgen. Bereits kurz nach Einsetzung der Kommission und dann wieder vor ein paar Monaten proklamierte er die Schreckenszahl des hemmungslosen Stellenabbaus von 70 000 Landesbediensteten.

Ich vermute da mittlerweile eine Arbeitsteilung in der Koalition. Denn, werte Kolleginnen und Kollegen, der Finanzminister ist kein Säulenheiliger, vor dem Sie in der Koalition in Ehrfurcht erstarren müssten. Eine solch personifizierte Gefahr für die Leistungsfähigkeit unseres Staatswesens kann man entweder vor die Tür setzen oder – als Gesetzgeber – überstimmen, anstatt sich permanent von dessen Sparwut in Geiselhaft nehmen zu lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Bleibt noch das letzte Kapitel des Versagens dieser Koalition: die Behandlung des Berichts im Ausschuss. Nach Monaten der Vertagung – unter Berufung auf koalitionsinternen Beratungsbedarf – dachte man ja an sonst was für großartige Ideen, die man in der Staatsregierung und der Koalition vorantreibt. Das Ergebnis: beredtes Schweigen der Koalition in den Ausschüssen und eine Protokollnotiz mit den salbungsvollen Worten – ich zitiere, Herr Präsident –: „Der Bericht ist eine wichtige Darstellung von Daten für die Bewertung der Personalsituation im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen. Ebenso stellt er eine geeignete Analysemethode dar. Allerdings ist der Bericht nur ein Zwischenschritt. Kon

krete Konsequenzen, insbesondere für Behördenaufbau und Struktur der Landesverwaltung, sind noch festzulegen.“

(Beifall bei der SPD – Albrecht Pallas, SPD: Zutreffend!)

In diesem Moment fragt man sich, ob man nicht doch Teil einer Satire-Veranstaltung ist. Die Botschaft dieser Protokollerklärung ist doch eindeutig: Sie machen weiter wie bisher, bis der Letzte gemerkt hat, dass diese Koalition der Sargnagel für einen attraktiven öffentlichen Dienst im Freistaat Sachsen ist und andere die Scherben aufkehren dürfen.

(Christian Hartmann, CDU: Na, na, na!)

Hinzu kommt noch die bigotte Reaktion der Koalition auf unseren flankierenden Antrag, der ein Personalkonzept bis 2030 fordert. Dazu führte man im HFA lapidar aus, dass das zu langfristige Planungszeiträume seien. Sie erinnern sich: Es sind dieselben Koalitionsvertreter, die im letzten Jahr kurzfristige Maßnahmen als zu kurzfristig abgelehnt haben und die nun meinen, langfristige Maßnahmen seien zu langfristig.

Nun ja, wir sind bei dieser Koalition in ihrer Verrenkung bei der Ablehnung von Initiativen der Opposition ja viel gewohnt. Nur, wissen Sie was? Ich glaube hier nicht mehr an Taktik. Ich glaube, Sie haben einfach keine Ahnung und keinen Plan, wie eine vernünftige Personalpolitik im Freistaat Sachsen aussehen kann. Sie haben sich mit einer Kommission abfrühstücken lassen. Das Herumgewurschtel dieser Koalition sind nicht nur fünf verlorene Jahre für die Personalpolitik im Freistaat Sachsen. Es sind fünf Jahre, in denen Sie den leistungsfähigen Staat weiter an die Wand gefahren haben werden. Ahnungslosigkeit, Anmaßung und Aussitzen scheinen – leider – die Kernkompetenzen dieser Koalition bei einer der wichtigsten Zukunftsfragen zu sein. Ich sage sehr deutlich: Das Schauspiel der Verantwortungslosigkeit dieser Koalition und dieser Staatsregierung muss endlich ein Ende haben, werte Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Liebe CDU, liebe SPD, bis 2030 gehen 51 % der Landesbediensteten in den Ruhestand. Jährlich müssen 2 700 neue Fachkräfte gewonnen und eingestellt werden, um diese Altersabgänge zu kompensieren. Wann wollen Sie eigentlich damit anfangen? Wann schaffen Sie endlich Neueinstellungskorridore, die erforderlich sind, um die Aufgaben sicherzustellen, die dieser Staat zu erfüllen hat? Wie wollen Sie eigentlich in der momentanen Situation noch einen Wissenstransfer sicherstellen?

Mit dem, was Sie bisher unternommen haben, gelingt das jedenfalls nicht. Der heute schon vielfach angesprochene „Demografiepool“ ist ein Tropfen auf den heißen Stein. 150 Stellen, um ein massives Personalproblem zu lösen – das kann nicht funktionieren. Sie merken doch, dass dieses Instrument vollkommen ins Leere läuft, wenn

Behörden mit massiven Personalproblemen, beispielsweise das Landesamt für Denkmalpflege, aus diesem Pool nichts beantragen, weil sie offensichtlich lieber planmäßige Stellen haben wollen als derartige Hilfskonstrukte.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Seit mehr als sechs Jahren fordern wir GRÜNEN, dass sich des Problems der überalterten Staatsverwaltung in Sachsen endlich angenommen wird. Jetzt haben wir eine unabhängige Personalkommission, die Ihnen ebenfalls empfiehlt, sich bei der Personalbedarfsberechnung an der Altersstruktur des Personals zu orientieren. Das heißt, alle Ressorts müssen sich bereits jetzt um Fachkräfte bemühen, um die Aufgaben der älteren Beschäftigten zu übernehmen.

Wenn Sie diese Aufgabe nicht sofort angehen, werden Sie im Wettbewerb um die klügsten Köpfe gegen andere Bundesländer, die freie Wirtschaft und den Bund nicht bestehen können. Wir wollen nennenswerte Einstellungskorridore und ein Personalkonzept für den Freistaat Sachsen, das diesen Namen verdient. Wir müssen jetzt anpacken, damit es nicht zu spät ist für eine vernünftige Personalpolitik im Freistaat Sachsen. Wir werden Sie weiterhin mit unseren Vorschlägen für eine zeitgemäße Personalpolitik nerven – so lange, bis sich endlich etwas tut in diesem Freistaat.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Fraktionen haben Stellung genommen. Jetzt frage ich die Staatsregierung. Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Dr. Jaeckel, bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Hohen Hauses, des Sächsischen Landtags! Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Freistaates Sachsen arbeiten mit Leidenschaft, Fleiß und Kreativität dort, wo sie eingesetzt werden. Sie sind Grundlage für unseren Erfolg und deshalb stelle ich auch an den Anfang meiner Ausführungen einen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Freistaat Sachsen, die seit zweieinhalb Jahrzehnten für dieses Land arbeiten und an ihrer jeweiligen Stelle zu diesem Erfolg beitragen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Die Personalkommission war beauftragt, die Aufgaben sowie die Personal- und Sachausstattung der staatlichen Verwaltung zu evaluieren. Ich konnte diesen Redebeitrag von mir nicht zu Protokoll geben, weil ich nun doch mit einigen Anmerkungen der Opposition aufräumen und dieser Legendenbildung entgegentreten möchte. Ich glaube nämlich immer noch an die Rationalität des Arguments.

In dieser Kommission war zum Beispiel ausgenommen, die Themen Lehrer, Hochschulen und Polizei zu behandeln. Insofern hätte es sich fast verboten, dass ich noch einmal etwas zu diesen drei Themenkreisen sage. Ich will es aber trotzdem tun. Wer sich jemals damit beschäftigt hat, wie komplex die Darstellung von Lehrerarbeitsvermögen ist – und viele hier im Raum haben ihre Erfahrung damit gemacht –, der weiß, dass man das nicht evaluieren kann in Form der Personalkommission, wie wir es getan haben. Zu den Hochschulen haben wir im Koalitionsvertrag Vereinbarungen getroffen und deswegen werden sie ebenfalls nicht in dem Bericht erwähnt, und zur Polizei – das haben Vorredner der Koalition beschrieben – hat die Regierung gemeinsam mit der Mehrheit hier im Sächsischen Landtag nachgesteuert.

Ich finde es völlig unangemessen, unangebracht, hier von einem Schauspiel der Verantwortungslosigkeit zu sprechen, Herr Lippmann. Ich bin zutiefst betroffen davon, wie hier einige im Hohen Haus die Arbeitsleistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschätzen, die diesen dicken Bericht erarbeitet haben.

(Beifall bei der CDU)

Dahinter steckt wochenlange Arbeit und ich lasse es nicht zu, dass die Abteilungsleiter und die Mitarbeiter der Staatsverwaltung in dieser Form diskreditiert werden. Nicht umsonst sind andere Bundesländer darauf aufmerksam geworden, was wir hier geleistet haben, und machen das jetzt nach.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern.

Herr Lippmann, bitte.

Sehr geehrter Herr Staatsminister! Haben Sie mir zugehört?

Selbstverständlich.

Haben Sie mir zugehört, als ich festgestellt habe, dass es beim Versagen um den Umgang der Koalition mit dem Bericht geht und nicht um diesen Bericht selbst, den ich ausdrücklich mehrfach als sehr qualitativ eingeschätzt habe und bei dem ich tatsächlich allen dankbar bin, die ihn gelobt haben?

Herr Lippmann, ich habe Ihnen sehr wohl zugehört, ich sehe mich nur als Teil der Koalition, und als Chef der Staatskanzlei versuche ich das, was hier von der Koalition erbeten wird, in der Politikgestaltung umzusetzen. Des

halb bitte ich Sie um Verständnis, dass ich mich in diesem Umfang vor meine Mitarbeiter stelle.

Um konkret zu werden: Sie haben von einem Papier gewordenen Zeugnis des Versagens gesprochen und zugleich von dem hohen Nutzen – nur noch einmal als Beweis, dass ich Ihnen sehr genau zugehört habe. Aber dieser Alarmismus, der hier von einigen vorgetragen wurde, ist doch kein Berater für anstehende Maßnahmen der Staatsverwaltung. Jede Organisation in Deutschland hat in 15 Jahren das Problem, dass sie 36 % ihrer Mitarbeiter verliert – ich habe das in den Ausschüssen dargestellt –, und zwar durch Fluktuation oder entsprechenden Personalwechsel durch Renteneintritt. Wir haben festgestellt – ich will das nicht wiederholen –, dass 51 % des Personals bis 2030 ersetzt werden müssen. Wir haben ein Problem in der Größenordnung von 15 % und wir arbeiten daran.

Jetzt noch zu einigen Inhalten, weil vieles schon von den Vorrednern gesagt worden ist. Erstens. Die Personalkommission hat sich aus den Zentralabteilungsleitern der Ressorts zusammengesetzt. Wir sind nicht nur aus der Innensicht der Verwaltung darauf zugegangen, sondern haben auch externen Sachverstand einbezogen. Deshalb möchte ich im Plenum ausdrücklich Herrn Prof. Ragnitz vom Ifo-Institut danken sowie den beiden Vertretern der Bediensteten, Herrn Spieker und Herrn Pöschmann.

Zweitens. Es wurde hier teilweise vorgetragen, dass wir uns mit der Struktur der jeweiligen Aufgaben nicht beschäftigt hätten. Wir haben das sehr wohl getan. Wir haben versucht, absehbare künftige Entwicklungen im Aufgabenbestand zu analysieren. Zudem haben wir uns von den Staatsministerien viele Optimierungspotenziale aufzeigen lassen.

Wie werden wir jetzt weiter vorgehen? Ich glaube, das ist für Sie doch interessant. Und insofern nutze ich die Gelegenheit, protokollfest einige Pflöcke einzuschlagen. Jeder Renten- bzw. Ruhestandseintritt bedeutet, sich mit der Notwendigkeit einer Nachbesetzung auseinanderzusetzen. Zudem ist bereits jetzt absehbar, dass auf dem Arbeitsmarkt die Konkurrenz um die guten Köpfe weiter verstärkt wird. Wenn ich darf, möchte ich meinen Kollegen Prof. Unland zitieren. Wir beide sind uns in einer Einschätzung einig, dass wir auf dem Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren Engpässe zu erwarten haben.

Wir hatten vor fünf Jahren auf eine Ausschreibung zehn Stellenbewerbungen. Wir haben jetzt, Herr Prof. Unland, ungefähr fünf bis sechs, je nachdem, was uns geboten wird. Wir merken, dass wir einen Druck auf dem Markt haben, dem wir uns natürlich stellen müssen. Die Herausforderung wird darin bestehen, dass wir nicht bei den typischen Verwaltungsberufen Nachbesetzung betreiben müssen, sondern dass es sich bei 88 % der Abgänge um weit überwiegendes Fachpersonal handelt. Ich muss das nicht ausführen, wir wissen alle, dass Fachpersonal im SMUL, in der Wirtschaftsverwaltung, im SMWA, im SMI, im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung usw. eine

große Rolle spielt. Diesen Nachbesetzungsbedarf werden wir weiter bearbeiten.

Den ersten Schritt hat der Haushaltsgesetzgeber mit dem Doppelhaushalt gesetzt, auch mit dem Personalpool Demografie hat der Haushaltsgesetzgeber ein Instrument eingerichtet, das funktioniert. Ich möchte das im Einzelnen nicht wiederholen, weil ich bzw. der Leiter der Stabsstelle, Herr Popp, das in den Ausschüssen dieses Hohen Hauses dargestellt hat. Die Stabsstelle, eingerichtet seit 01.01.2017, hat sich drei Handlungsfelder vorgenommen. Sie wurden von Herrn Barth schon erwähnt, ich kann sie noch einmal wiederholen und halte sie auch für notwendig.

Zuerst nenne ich eine aufgabenorientierte Personalbemessung. Es kommt also darauf an, welche Aufgaben die Staatsverwaltung in Zukunft langfristig erfüllen soll. Dabei ist es uns wichtig zu sagen, dass wir auch beim Personal Maß halten müssen, um das Land Sachsen langfristig zukunftsfähig zu gestalten. Wir werden uns weiterhin mit dem Thema Fachkräftemangel auseinandersetzen müssen. Wir haben deshalb vor, eine Arbeitgebermarke Sachsen zu etablieren, mit der wir auf unsere guten Bedingungen im öffentlichen Dienst hinweisen. Im Handlungsfeld Aufgaben- und Strukturanpassungsprozesse wird die Prämisse sein, dass Aufgabenmehrungen nicht stets zu einem immer weiter expandierenden Personalkörper führen. Stabilität der Personalausgaben soll auch ein Ziel unserer Arbeit in der Staatskanzlei sein. Das ist nicht neu, wir optimieren, wir unternehmen besondere Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung und bei weiteren Maßnahmen in den Ressorts, um unsere Strukturen leistungsfähiger zu machen. Ich weiß auch nicht, was daran kritikwürdig ist.

Meine Damen und Herren, ich glaube, dass der eingeschlagene Weg der richtige ist. Wir haben erste Schritte eingeleitet, mit Maßnahmen zu einer zukunftsorientierten und insbesondere leistungsfähigen Verwaltung. Wir werden diesen Weg mit der Stabsstelle fortsetzen, sofern der Haushaltsgesetzgeber uns dazu die Möglichkeit gibt. Ich kann diesen Weg, meine Damen und Herren, aber nicht allein gehen. Ich bedarf der Unterstützung aller: der Ressorts, der Staatsregierung, aber auch aus Ihren Reihen im Hohen Haus.

Ich bitte Sie daher, der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses zuzustimmen.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Bevor wir zur Abstimmung kommen, frage ich die Berichterstatterin des Ausschusses, Frau Meiwald, ob sie noch das Wort wünscht.

(Uta-Verena Meiwald, DIE LINKE: Nein, Herr Präsident. Danke.)

Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Meiwald.