Ganz wichtig sind dabei bestimmte Grundannahmen, die auch Personalkürzungskonzepten zugrunde lagen, zum Beispiel die Demografieproblematik. Laut Statistischem Landesamt sollten wir jetzt bei circa 3,6 Millionen Einwohnern liegen, aber wir sind immer noch über vier Millionen Einwohner in diesem schönen Freistaat. Genauso haben wir zum Glück eine langfristige finanzielle Planbarkeit nach der Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen. Diesbezüglich haben wir auch nicht die Probleme, die sonst auf uns zugekommen wären.
Deshalb können wir uns, nachdem diese negativen Grundannahmen sich relativiert haben oder weggefallen sind, den langfristigen Entwicklungen widmen. Wir können jetzt dieses Personalentwicklungskonzept auf den Weg bringen. Ich habe es vorhin schon gesagt: Das Personal muss der Aufgabe folgen. Dem werden wir uns widmen – ich sage es noch einmal – mit der gebotenen Schnelligkeit, aber auch mit Gründlichkeit; denn übers Knie brechen werden wir dieses Thema nicht.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Haushalts- und Finanzausschuss empfiehlt also dem Landtag, den Abschlussbericht der Kommission zustimmend zur Kenntnis zu nehmen. Der Bericht gibt einen Überblick über den Personalkörper der Landesverwaltung und zeigt teilweise erheblichen Handlungsbedarf in einigen Teilbereichen.
Um es Ihnen gleich vorwegzunehmen: Wir werden dieser Beschlussempfehlung nicht folgen, denn wir wollen das Recht auf Kritik dem Grunde nach behalten. Aber die Untersuchung der Ausgangslage ist ein sinnvoller und notwendiger erster Schritt auf dem Weg, sich einem Problem zu stellen und eine Problemlösung zu erarbeiten. Es besteht jedoch kein Grund, sich dafür auf die Schulter zu klopfen; denn seit der hohen Einstellungswelle der Fachleute in den Neunzigerjahren war das Auftreten dieser Problemstellung vorhersehbar. Hinzu kommt die demografische Entwicklung, die die Problemlage noch verschärfte.
Die Auswirkungen der demografischen Entwicklung auf den öffentlichen Dienst sind uns ebenfalls seit längerer Zeit bekannt. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen bereits seit 2015 in Rente; das heißt, der Prozess verstärkter Altersabgänge hat schon längst begonnen. Dies war vor langer Zeit sichtbar für jeden, der einigermaßen rechnen kann. Einer Kommission und deren Berichts hätte es eigentlich nicht bedurft.
Das Gegensteuern der Staatsregierung erinnert mich persönlich an den Brandstifter, der in der Feuerwehr tätig ist, Feuer legt und sich dann für dessen Löschung auch noch feiern lässt. Denn mit dem Stellenabbauwahn bei der
Polizei und den Lehrern hat uns die Staatsregierung das Desaster in den Bereichen innere Sicherheit und Bildung beschert, das wir heute haben. Dafür zeige ich keinerlei Verständnis.
Die Regelstudienzeit für ein Lehramtsstudium beträgt je nach Schulart zwischen vier und fünf Jahren. Kinder werden regelmäßig mit sechs Jahren eingeschult.
Wer den Lehrerbedarf da nicht im Vorfeld genau planen kann, der sollte vielleicht kein Ministerium leiten, sondern besser dafür sorgen, dass die Beamten immer frischen Kaffee haben. Dort ist man vielleicht dann besser aufgehoben und kann nicht ganz so viel Schaden anrichten, wenn einiges schiefläuft.
Erst im Frühjahr 2016 hat die Staatsregierung reagiert und den Stellenabbau gestoppt – viel zu spät, wie wir jetzt sehen. Das Fahren auf Sicht, wie die Staatsregierung dies bisher praktiziert, ist nicht die richtige Vorgehensweise.
Nach dem Stellenabbau der letzten Jahre, der ausschließlich aus dem Blickwinkel der Personalausgabenbegrenzung betrieben wurde, muss sich nunmehr eine Stellenplanung aus aufgaben- und bedarfsorientierter Sicht anschließen. Der Abschlussbericht der Kommission zeigt Wege und Handlungsoptionen auf, wie man künftigen Herausforderungen begegnen kann. Eine Staatsregierung, die dafür eine Kommission braucht, hat ihren Gestaltungsauftrag klar verfehlt. Typisch Tillich könnte man sagen: verwalten, verwalten, aber bloß nichts gestalten.
Nun will die Staatsregierung mittels einer Stabsstelle in der Staatskanzlei den Strukturanpassungsprozess und die Aufgabenkritik in der Landesverwaltung steuern und beschleunigen. Dieses Vorgehen begrüßt meine Fraktion. Allein, es reicht nach unserer Auffassung nicht aus. Ein Konzept zur Bewältigung der im Bericht aufgezeigten Herausforderungen einschließlich einer bedarfsgerechten Stellen- und Personalplanung sollte aus Sicht meiner Fraktion der nächste Schritt sein. Der Haushaltsplan wird doch auch mit einer mittelfristigen Finanzplanung fortgeschrieben. Da jedoch Verpflichtungen im Personalbereich über mehrere Jahrzehnte erfolgen, muss eine Stellen- und Personalplanung naturgemäß langfristiger Art sein. Der Stellenentwicklungsbericht sollte dafür fortgeschrieben und um die Komponente Personalplanung ergänzt werden.
Es schließt sich daher die Frage an, ob die Staatsregierung diesen Schritt mitgehen will. In einer Stellungnahme zu einem Antrag der GRÜNEN lässt die Staatsregierung erkennen, mit welchen Maßnahmen sie den Herausforderungen begegnen will: erstens mit der Einrichtung eines Personalpools mit 150 zusätzlichen Stellen, zweitens mit Aufgaben- und Bedarfsanalysen, drittens mit einer Ausbildungsoffensive und viertens mit der Entwicklung einer einheitlichen Arbeitgebermarke.
Die von der Staatsregierung eingeleiteten Maßnahmen gehen zweifelsohne in die richtige Richtung. Ein substan
zielles Konzept ist dies jedoch nicht, meine Damen und Herren. Wenn ein Zehnklässler dieses so seinem Lehrer verkaufen wollte, dann käme dasselbe Zeugnis heraus, das wir der Staatsregierung ausstellen müssen: nämlich ungenügend.
Das ist ein ernstes Thema, das ist so traurig, Herr Gebhardt, so traurig, darüber kann man nicht klatschen.
Wir fordern ein umfassendes Konzept der Staatsregierung, das diesen Namen auch wirklich verdient. In diesem sollen Sie, liebe Staatsregierung, aufzeigen, wie Sie den im Abschlussbericht aufgezeigten Herausforderungen begegnen wollen. Dieses Konzept sollte auch dem Landtag vorgelegt werden. Zusätzlich sollte die Staatsregierung dem Landtag in regelmäßigen Abständen über die Umsetzung dieses Konzeptes berichten.
In dieser für die Landesverwaltung so enorm wichtigen Frage ist es auch unabdingbar, dass der Landtag diesen Prozess intensiv begleiten muss. Hier können wir der Staatsregierung also keinen Blankoscheck nach dem Motto ausstellen: Macht mal und wir nehmen dann später zur Kenntnis, was dabei herausgekommen ist.
Die im Abschlussbericht ausgesprochene Empfehlung einer ständigen Aufgabenkritik erscheint auch meiner Fraktion besonders wichtig. In der Anhörung zum Abschlussbericht ist deutlich geworden, dass bis 2030 eine erhebliche Lücke zwischen Altersabgängen und Neueinstellung verbleiben wird. Diese Lücke wird sich nicht zwingend aufgrund von haushaltsbedingtem Stellenabbau ergeben, sondern einfach, weil keine ausreichende Anzahl qualifizierter Bewerber in dieser gewünschten Zahl zur Verfügung stehen wird.
Eine künftige Aufgabenreduzierung wird daher auch unumgänglich sein. Dies setzt aber eine politische Entscheidung voraus, welche Aufgaben schwerpunktmäßig und welche im geringeren Maße oder gar nicht mehr wahrgenommen werden sollten. Diese Entscheidung haben wir in den letzten Jahren bei der Staatsregierung oder den jeweiligen Regierungskoalitionen schmerzlich vermisst. Sie hingegen haben versucht, alle Aufgaben gleichrangig wahrzunehmen oder beispielhaft auch auf die kommunale Ebene ohne langfristigen Kostenausgleich abzuwälzen. Zudem haben Sie bei gleichbleibend oder gar noch steigenden Aufgaben in allen Bereichen Stellen abgebaut.
Das ist nicht nur ein Fahren auf Sicht, das ist sogar ein Fahren auf Verschleiß, und zwar Verschleiß der Mitarbeiter. Das Ergebnis sehen wir jetzt bei der Polizei, dem Justizvollzug oder auch den Lehrern: Hohe Überstunden- und Krankenstände führen zu noch mehr unerledigter Arbeit und noch mehr überarbeiteten Mitarbeitern. Es ist ein Teufelskreis entstanden, den wir nur mit viel Aufwand wieder unterbrechen müssen.
Gleichzeitig konnten wir aber auch in den letzten Haushaltsverhandlungen einen Trend in die falsche Richtung
erkennen. So hat sich die Staatsministerin für Gleichstellung und Integration so viele neue Aufgaben gesucht, dass sie gleich 40 % mehr Stellen bekam.
Darüber hinaus wurden 400 000 Euro, Herr Gebhardt, in den Haushalt für entwicklungspolitische Maßnahmen eingestellt – und dies, obwohl es sich nach dem Grundgesetz eindeutig um eine Aufgabe des Bundes handelte.
Weitere Beispiele aus den vorhergehenden Doppelhaushalten – Herr Gebhardt, die kennen Sie auch – sind Standortkampagne oder Sachsen-Monitor.
Wenn sich die Staatsregierung schneller Aufgaben an Land zieht, als sie Aufgaben abbaut, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob eine Aufgabenkritik im gewünschten Ergebnis vorliegen wird.
Meine Damen und Herren, nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Lippmann; bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Bericht der Personalkommission ist ein papiergewordenes Zeugnis des Versagens. Des Versagens in zwei Dimensionen: Der Bericht zeigt die Folgen jahrelanger CDU-geführter Personalpolitik im Freistaat Sachsen auf und stellt dieser ein astreines Versagenszeugnis diesbezüglich aus. Er ist aber auch Ausdruck des Versagens dieser Koalition, mit den Ergebnissen dieses Berichts rechtzeitig und sachgerecht umzugehen und die notwendigen Schlüsse zu ziehen.
Bei der Abrechnung des Berichts mit der CDUPersonalpolitik der letzten 27 Jahre wird deutlich, wie ernst die Lage mittlerweile ist. Das, was sich an Versäumnissen bei den Lehrerinnen und Lehrern bereits jetzt auswirkt, wird in den kommenden 13 Jahren in allen Bereichen der staatlichen Verwaltung auf uns zukommen. Der Personalbedarf wird enorm sein; denn es gehen insgesamt 43 000 Bedienstete, also mehr als die Hälfte, in den Ruhestand. So gehen etwa in der Landesdirektion 25 % und im Statistischen Landesamt 20 % aller Bediensteten bereits in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand. Im Landesamt für Denkmalpflege gibt es keinen Bediensteten mehr unter 40 Jahren. Bei den Richterinnen und Richtern und in den Staatsanwaltschaften sind gerade einmal 8 % der Bediensteten unter 40 Jahre, 69 % sind über 48 Jahre. Im Bereich des Kultusministeriums gehen allein 4 500 Bedienstete in den nächsten fünf Jahren in den Ruhestand. Im Landesamt für Umwelt, Landwirt
Alle diese Zahlen machen deutlich: Die CDU, sei es in alleiniger Verantwortung oder zusammen mit SPD oder FDP, hat es in den letzten 27 Jahren nicht vermocht, den Personalbestand der Landesverwaltung so auszugestalten, dass eine gesunde Altersstruktur entsteht. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass seit 1994 der Personalbestand der Landesverwaltung von 117 000 auf heute circa 85 000 Stellen gekürzt wurde, dann weiß man auch, warum. Nahezu jeder Ruhestand wurde dazu genutzt, die frei werdende Stelle zu streichen. Neu eingestellt wurde nur, wenn es gar nicht anders ging. Nie wurde mit Blick auf eine ausgewogene Altersstruktur um Personal geworben.
Der Personalkommission sei gedankt für diese sehr hilfreiche Evaluation des Personalbestandes. Die Aufgaben- und Sachausstattung wurde zwar nicht evaluiert; gleichwohl ist der Bericht von hohem Nutzen.
An der Historie, werte Kolleginnen und Kollegen, kann man leider nichts mehr ändern. Damit kommen wir zum politischen Versagen im Hier und Jetzt.
Es ist vielleicht – das sage ich insbesondere Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen der SPD – nicht Ihre Schuld, dass es so gekommen ist. Aber es ist Ihre Schuld, dass es so bleibt, weil die Koalition dieses Problem weiter aussitzt.
Allein, die Leistungsfähigkeit eines Staates kann man nicht durch Aussitzen, sondern nur durch engagiertes Handeln gewährleisten. Doch Sie haben das Gegenteil getan. Sie haben, obwohl allen klar war, dass wir massive Probleme haben, sich mit einer Personalkommission abspeisen lassen, und das, obwohl die SPD im Jahr 2014, noch kurz vor der Wahl, die damalige schwarz-gelbe Staatsregierung aufgefordert hatte, ein umfassendes Personalplanungs- und -entwicklungskonzept vorzulegen, das auch die Planung von Neueinstellungen in allen Ressorts und nachgeordneten Behörden mitsamt konkreter Festlegung von Neueinstellungskorridoren bis zum Jahr 2025 vorsah – wie es die GRÜNEN übrigens schon seit Jahren forderten.
Heute verschließen Sie, werte Koalition, die Augen vor der Realität und schieben die Verantwortung in Kommissionen, deren alarmierende Ergebnisse Sie aber nicht ernst nehmen. Schon 2015 hätte man selbst bei der Einsetzung einer Personalkommission umfassende Sofortmaßnahmen treffen müssen, um der verfehlten Personalpolitik im Freistaat gegenzusteuern. Stattdessen waren die Maßnahmen im Haushalt bestenfalls Makulatur.
All unsere Vorschläge zur Stellenaufstockung und zur Streichung von kw-Vermerken haben Sie unverfroren mit Verweis auf die Kommission abgelehnt. Der Haushalt für die Jahre 2015 und 2016 wurde verabschiedet. Mit der SPD wurde der Abbau von weiteren 790 Stellen besiegelt.
Den Vogel abgeschossen haben Sie dann aber mit dem zuletzt beschlossenen Doppelhaushalt. Zu jenem Zeitpunkt lag der Kommissionsbericht – wir haben es heute mehrmals gehört – schon vor. Doch anstatt nun endlich etwas im Haushalt zu tun, hat diese Koalition die Dreistigkeit besessen, die Anhörung zu diesem Bericht in die Zeit nach dem Haushaltsbeschluss zu schieben und sich damit nicht zu befassen. Man hätte ja sonst zu dem Schluss kommen können, dass man handeln muss. Sie haben sich mit diesem Verhalten in Bezug auf Ihre Versprechungen aus dem Jahr 2015 selbst Lügen gestraft.