Protokoll der Sitzung vom 30.08.2017

Meine Damen und Herren! Das Wort hatte der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Martin Dulig. Wir beginnen nun mit unserer Rederunde. Als Antragsteller haben natürlich zuerst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Das Wort ergreift jetzt für die CDU-Fraktion Herr Kollege Nowak.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich mich auf diese Debatte vorbereitet habe, dachte ich mir, es reicht. Es reicht, dass die ganze Debatte um die deutsche Automobilindustrie fast ausschließlich ideologisch geführt wird.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Fakten spielen dabei eine untergeordnete Rolle. Der Dieselmotor ist angeblich der Grund allen Übels. Rudolf Diesel würde sich im Grabe umdrehen, wenn er denn eins hätte. Zunächst, die Autoindustrie hat getrickst. Das ist nicht zu entschuldigen, das ist nicht zu rechtfertigen und sie zahlt einen hohen Preis dafür; Herr Staatsminister hat schon darauf hingewiesen. Was aber im Windschatten dieser ganzen Geschichte passiert, geht auf keine Kuhhaut. Vor allem ist die Deutsche Umwelthilfe hier in einer besonders komischen Rolle. Was hier auf dem Rücken der Verbraucher gemacht wird, kann ich nicht verstehen. Deswegen ist es an der Zeit, die Dinge geradezurücken.

Deutsche Dieselmotoren gehören zur Weltspitze. Sie sind im Verhältnis zu denen aus anderen Ländern technologisch weit vorn. Sie sind aber auch nicht schlechter oder dreckiger als andere, im Gegenteil, die anderen Werte sind ungünstiger. Trotzdem sind unsere Diesel in der öffentlichen Wahrnehmung die Schmutzfinken im Umweltbereich par excellence. Das liegt in meinen Augen an der Bewertung durch die Deutsche Umwelthilfe. Momentan dreht sich die Debatte vor allem um die Stickoxide, und vor Jahren war es noch der Feinstaub, um den es da ging. Beide Werte haben direkt miteinander zu tun. Das hat letztens erst der Dresdner Professor Matthias Klingner veröffentlicht. Deswegen sind für mich Umweltzonen der größte Aktionismus, den wir in diesem Bereich in den letzten Jahren gestartet haben. Sie galten als Allheilmittel gegen den Feinstaub. Heute wissen wir, dass das Quatsch ist. 90 % der Feinstaubwerte werden durch wetterbedingte Phänomene ausgelöst und die restlichen 10 % teilen sich Autos, Fahrräder, Baustellen, Kamine usw.

Trotzdem hat sich das ganze Land auf die Autos eingeschossen. Alle Diesel wurden darauf optimiert, weniger Feinstaub auszustoßen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Nowak?

Ja, natürlich.

Bitte, Herr Böhme.

Herr Nowak, ist Ihnen bewusst, dass trotz der Umweltzone in Leipzig, die mit grüner Umweltplakette eingeführt wurde, die Feinstaubwerte in den letzten drei bis vier Jahren zurückgegangen sind und auch das Umweltamt dadurch nachweisen konnte, dass die Umweltzone genau dafür verantwortlich war, aber nicht bei den Stickoxiden, weil dort der Betrug, so wie wir ihn erlebt haben, gewirkt hat?

Erstens. Die Werte bei der Leipziger Umweltzone sind nicht wegen, sondern trotz der Umweltzone runtergegangen, denn die ersten Werte von vor zehn Jahren waren sehr stark baustellenbedingt durch den City-Tunnel. Dadurch gab es in der Innenstadt erhebliche Emissionen. Und, zweitens, zum Thema Stickoxide wollte ich gerade kommen. Deswegen sage ich jetzt dazu gleich etwas.

Die deutschen und europäischen Dieselmotoren sind darauf optimiert, weniger Feinstaub auszustoßen. Das bedeutet, der Kraftstoff verbrennt bei höheren Temperaturen. Das bedingt aber, dass mehr Stickoxide ausgestoßen werden. Wenn man nur an den Feinstaubwerten etwas drehen würde, könnten die Dieselmotoren wieder mit niedrigeren Temperaturen arbeiten. Dadurch könnte man weniger Stickoxide ausstoßen. Das hat die Studie des Dresdner Professors gezeigt. Wenn die Deutsche Umwelthilfe die blaue Plakette fordert, und auf der einen Seite der Feinstaub und auf der anderen Seite die Stickoxide reduziert werden sollen, so muss man sagen, dass das technisch überhaupt nicht möglich ist. Diese Leute betreiben Volksverdummung. Entschuldigung!

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Natürlich.

Bitte, Herr Kollege Hütter.

Herr Kollege Nowak, ist Ihnen bekannt, dass europäische Hersteller von Dieselfahrzeugen im Bereich des Exports vor allen Dingen in die sogenannte Dritte Welt Motoren mit geminderten Schadstoffreinigungsanlagen ausliefern?

Was hat das jetzt mit der Debatte in Deutschland zu tun?

Na gut, die Luftblase bleibt ja nicht allein in Deutschland hängen.

Bitte keinen Dialog – Frage stellen und antworten.

Zu der Frage werde ich nichts sagen.

Der Freistaat Sachsen ist Autoland. In keinem Bundesland gibt es eine vergleichbare Dichte an Autofabriken. Alle arbeiten auf hohem Niveau. Deshalb gilt für uns: Finger weg vom Diesel. Er ist eine moderne und effiziente Antriebsform.

(Beifall bei der CDU)

Aber das wird nicht immer so bleiben. Deshalb gilt es, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. Wir leben im Jahr 2017 und die Entwicklung bleibt nicht stehen, auch wenn man vielleicht mit Blick auf das eine oder andere Autowerk zu dieser Erkenntnis kommen mag. In wenigen Jahren werden alternative Antriebe und heute noch neue Technologien Alltagswirklichkeit sein. Die Entwicklungen klaffen hier sehr weit auseinander. Das sieht man am ehesten, wenn man die Innovationen aus dem Silicon Valley mit denen in Europa vergleicht. Mein Kollege Frank Heidan wird darauf noch eingehen.

Fest steht aber eines: Der Elektroantrieb wird eines der Zukunftsthemen der nächsten Jahre. Elektrisches Fahren ist längst ein globaler Trend. Wir müssen in Deutschland und auch in Sachsen aufpassen, dass wir da nicht zum Flyover Country zwischen Kalifornien und China werden, denn dort spielt heute die automobile Zukunft in diesem Bereich. Nun hat aber nicht jedes Land die gleichen Rahmenbedingungen. In Norwegen zum Beispiel gibt es sehr viel Wasserkraft. Dadurch ist dort erheblich mehr Elektroenergie verfügbar. Die Elektromobilität dort ist nicht nur deswegen so erfolgreich, weil die Regierung am Stromregler dreht, sondern auch, weil der Strom entsprechend verfügbar ist.

Wir müssen unsere Netze ertüchtigen und die nötige Infrastruktur ausbauen. Dabei geht es nicht immer um neue dicke Kabel, manchmal reichen schon intelligente Netze, sogenannte smart grids. Wir als Politiker müssen die Dinge zusammenbringen. Die neuen Technologien bieten ungeahnte Möglichkeiten für Verbraucher, Industrie, ÖPNV, Landesentwicklung und Wohlstand. Wir müssen sie entschlossen nutzen. Wir dürfen aber den guten und modernen Diesel auf dem Weg dahin nicht aus ideologischen Gründen abschießen. Wir versündigen uns sonst am Wohlstand und an der Entwicklung unseres Landes. Wir müssen bei der Mobilität einen Dreiklang beachten. Es muss ökologisch, ökonomisch und sozial ausgewogen sein. Innovationen sind hier gefragt und nicht ideologische Mottenkisten.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Nowak von der einbringenden CDU-Fraktion. Von der ebenfalls einbringenden SPD-Fraktion wird nun von Herrn Kollegen Baum das Wort ergriffen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In unserer heutigen

Debatte geht es darum, den bevorstehenden Wandel in der Automobilindustrie zu erörtern, um unsere sächsischen Firmen in dieser Branche auf dem Weg in eine gute Zukunft zu begleiten.

Mein Kollege Vieweg wird dann in der zweiten Runde den Blick in die Zukunft wagen. Mir geht es aber um eine sachliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Problemen rund um den Dieselmotor, was meine Vorredner schon angesprochen haben, ergänzend zu den deutlichen Worten von Minister Dulig.

Dazu ist eine klare Unterscheidung zwischen dem betrügerischen Einsatz der sogenannten Schummelsoftware und den Emissionen a) auf dem Prüfstand und b) in der Realität notwendig.

Die vor allem bei den neuen Euro-6-Fahrzeugen von VW eingesetzte Schummelsoftware erkennt den Prüfstandzyklus und stellt die Abgasreinigung so ein, dass die Grenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten werden. Demgegenüber wird die Abgasreinigung im realen Fahrbetrieb stark reduziert oder ganz abgeschaltet.

VW hat selbst benannt, dass davon weltweit etwa 11 Millionen Fahrzeuge betroffen sind, die meisten in den USA, aber immerhin auch 2,5 Millionen Fahrzeuge in Deutschland. Mit Milliarden-Dollar-Zahlungen hat sich VW in den USA mehr oder weniger freigekauft.

Bereits im Jahr 2007 gab es erste Hinweise darauf, dass Hersteller ihre Fahrzeuge für die Messungen nach dem bis dato geltenden Testverfahren optimierten. Schon im Jahr 2013 wurde in einer Studie festgestellt, dass die Autohersteller die Flexibilität der geltenden Richtlinie stark ausnutzen.

Der Euro-6-Grenzwert von 80 Milligramm an Stickoxid pro gefahrenem Kilometer wird im Prüfzyklus erreicht, im Realbetrieb liegen die Werte bei einigen Herstellern teils deutlich darüber.

Ab September 2017, also quasi in wenigen Tagen, soll die Abgasmessung aber um einen Realfahrtest ergänzt werden, um wirklichkeitsnähere Messergebnisse zu erreichen und dieses Dilemma damit quasi aufzulösen.

Die Messungen zur Luftqualität sind demgegenüber – wohlgemerkt – quasi immer real, das heißt, es werden die faktisch vorhandenen Stickoxidanteile in der Luft durch die Messstationen festgestellt.

Sie wissen es alle: Das Amtsgericht Stuttgart hat kürzlich infolge der Klage der Deutschen Umwelthilfe festgestellt, dass ganzjährig Dieselfahrverbote ab dem 1. Januar 2018 in der Stuttgarter Umweltzone rechtlich zulässig seien. Daher drohen den Nutzern älterer Dieselfahrzeuge nach Euro-4- oder Euro-5-Norm massive Nutzungs- und Wertverluste in einigen Städten und, wie diese Umwelthilfe angedroht hat, möglicherweise auch in Dresden. Dies betrifft vor allem die vielen Tausend Pendler, Handwerker und Lieferanten.

Nun, ich fahre selbst seit exakt acht Monaten einen neuen Diesel nach Euro-6-Norm. Ich kann sagen, waren es

anfangs circa 5 000 Kilometer, nach denen ich etwa fünf Liter AdBlue auftanken musste, so tanke ich derzeit etwa alle 3 000 Kilometer die gleiche Menge dieses Harnstoffes nach. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt das gute Gefühl, ein wirklich sauberes Dieselauto zu fahren, das mich quasi per Anzeige bei mir am Fahrzeug zwingt, AdBlue entsprechend nachzutanken – häufiger als in der Vergangenheit noch.

Moderne und saubere Dieselfahrzeuge werden ganz sicher noch einige Zeit gebraucht; denn der Umstieg auf EMobilität ist keine kurzfristige Entwicklung.

Das alles ist aber nicht nur eine Frage des Umweltschutzes, sondern auch der Wirtschaftlichkeit und der sozialen Gerechtigkeit. Fahrverbote sind in diesem Dreiklang keine Lösung.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, fordern wir eine verbindliche Zusage der Hersteller, ab Januar 2018 nur noch Dieselneuwagen zu liefern, die den Euro-6Grenzwert von 80 Milligramm Stickoxid pro gefahrenem Kilometer auf der Straße einhalten, und die Nachrüstung mit der AdBlue-Technologie für alle –

Die Redezeit!

– Euro-5-und Euro-6-Fahrzeuge zulasten der Hersteller.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und des Staatsministers Martin Dulig)

Die Redezeit war zu Ende. Das war eine Punktlandung vom Herrn Kollegen Baum, der für die SPD-Fraktion gesprochen hat.

Die weitere Rednerreihe: DIE LINKE, AfD, GRÜNE und Staatsregierung, wenn gewünscht. Es spricht jetzt Herr Böhme für die Fraktion DIE LINKE.