Eine Landeszentralstelle verhindert solche unnötigen Kosten und die Beauftragung externer Fachberater, die sich in Sachsen überhaupt nicht auskennen, und kann
somit dazu beitragen, dass die Versorgungsqualität der psychosozialen Notfallversorgung verbessert wird.
Aus der Sicht der regionalen ehrenamtlichen Notfallseelsorger und Kriseninterventionsteams fehlen in Sachsen ein zentraler fachlicher und administrativer Ansprechpartner auf Landesebene, die Vernetzung für konzentriertes Vorgehen im Großschadensfall sowie zwischen Land, Kommunen und PSNV-Akteuren abgestimmte Alarmierungs- und Einsatzpläne.
Es wurde weiterhin festgestellt, dass es in Sachsen keine geplante und abgestimmte Überleitung Betroffener gibt und eine Ausbildung von PSNV-Führungskräften hier überhaupt nicht vorhanden ist.
Die entsprechenden Forderungen sind auch Teil der Empfehlung der von der sächsischen SPD eingesetzten Expertenkommission. Die Einrichtung einer Landeszentralstelle schließe – ich zitiere – „eine Lücke zwischen den Sicherheits- und Katastrophenschutzbehörden und den ehrenamtlichen Kriseninterventionsteams bei der psychosozialen Notfallversorgung für Betroffene, Angehörige, Hinterbliebene, Zeugen und Einsatzkräfte.“ Aktuell ist nicht davon auszugehen, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Entstehens von Großschadenslagen verringert, auch wenn wir uns das sicherlich alle wünschen.
Daher sollten wir zeitnah beginnen, eine Landeszentralstelle für psychosoziale Notfallversorgung aufzubauen und zu entwickeln. Stärken wir also denen den Rücken, die für uns stark sind! Sorgen wir dafür, dass die psychosoziale Versorgung in Sachsen zukünftig koordiniert wird! Davon profitieren nicht nur die Betroffenen und die Einsatzkräfte, sondern auch das SMI, das eine fachlich fundierte Beratungsinstitution für die psychosoziale Notfallversorgung gewinnt.
Ich werbe daher bereits an dieser Stelle um Ihre Zustimmung zum Gesetzentwurf im weiteren Verlauf der parlamentarischen Befassung. Dieser ist – federführend – an den Innenausschuss und – mitberatend -- an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Wie auch von der Fraktion gewünscht, schlägt das Präsidium Ihnen vor, den Entwurf Gesetz über die psychosoziale Notfallversorgung im Freistaat Sachsen federführend an den Innenausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration zu überweisen. Wer diesem Vorschlag seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Diese kann ich nicht feststellen. Meine Damen und Herren, damit ist die Überweisung beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Zunächst spricht die einbringende Fraktion, die Fraktion GRÜNE, Frau Abg. Meier, danach die CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Zunächst erteile ich das Wort an Frau Abg. Meier. Bitte sehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst gestern haben wir hier gemeinsam den Landesentwicklungsbericht Sachsen 2015 im Plenum besprochen, und dort sind folgende Sätze zum Thema Fußverkehr und Nahmobilität zu lesen, die ich wirklich sehr gern zitieren möchte: „Fahrrad- und Fußgängerverkehr sind wichtige Bestandteile einer nachhaltigen Mobilität. Die Bedeutung der Nahmobilität zu Fuß oder mit dem Fahrrad nimmt insbesondere im urbanen Raum zu. Fußgänger beleben Innenstädte und Stadtteilzentren. Einzelhandel, Dienstleister und Gastronomie gewinnen dadurch größere Nähe zu ihren Kunden. Fahrrad- und Fußgängerverkehr werden zu wichtigen Bestandenteilen eines integrierten Verkehrssystems.
Voraussetzung dafür sind eine bedarfsgerechte und sichere Infrastruktur sowie der barrierefreie Zugang.“ Ich hätte es kaum schöner formulieren können.
Mit Blick in den Koalitionsvertrag von CDU und SPD reduzieren sich die Sätze zum Fußverkehr dann nur noch auf zwei, aber auch diese möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Dort heißt es: „Ein umfassendes urbanes Mobilitätskonzept ist sinnvollerweise Grundlage städtischer Verkehrspolitik. Wir fördern durch Kommunikationsmaßnahmen und Modellprojekte deren Umsetzung, insbesondere für den Fußgänger- und Radverkehr.“ Aber das war dann schon so ziemlich alles, was man an Verlautbarungen im Bereich Fußverkehr und Nahmobilität hören kann.
Die Gelegenheit, mehr Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir genutzt, indem wir eine Große Anfrage eingereicht haben. Allerdings war die Auskunftsfreudigkeit der Regierung auf unsere Fragen eher begrenzt. Aber dass Sie so wenig Ambitionen und Interesse am Thema zeigen, hat sogar mich überrascht. Die Staatsregierung unterschätzt meines Erachtens das Potenzial des Fußverkehrs systematisch und entgegen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Offenbar ist sich die Regierung dieser Diskrepanz auch selbst bewusst, bemüht sie sich doch noch nicht einmal um eine ordentliche Analyse der Situation.
Bei der Erhebung des Modal Split und bei den Prognosen zur Verkehrsmittelwahl für 2025 wird der Anteil des Rad- und Fußverkehrs im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern nicht einmal in sächsischen Städten einzeln aufgeschlüsselt. Das ist wirklich ein sächsisches Novum.
Gerade für politische Entscheidungen werden vielfach harte Zahlen gefordert. Wenn konkrete Zahlen fehlen, führt das zu einer systematischen Unterschätzung des Rad- und Fußverkehrs in seiner quantitativen und ökonomischen Bedeutung sowohl als eigenständige Mobilität als auch als Bindeglied zwischen den Verkehrsmitteln. Da der Anteil des Fußverkehrs an der Gesamtwegezahl in Sachsen nicht gesondert erhoben wird, ist es auch nicht erstaunlich, dass die Staatsregierung hier kein besonderes Ausbauziel für den Modal Split gegeben hat. Das allgemeine Ziel, den Modal Split zugunsten des umweltfreundlichen Verkehrs zu beeinflussen, wird nicht näher beschrieben. Ich finde, konkrete Ziele sehen anders aus.
Die Förderung unterschiedlicher Verkehrsarten bedarf auch unterschiedlicher Strategien und unterschiedlicher Planungen, aber das scheint offensichtlich bei CDU und SPD irrelevant zu sein. Minister Dulig, der leider erkrankt ist, zieht sich in seinen Antworten auf die Große Anfrage immer wieder darauf zurück, dass die Kommunen zuständig sind und dass es nicht die Angelegenheit des Landes ist. Gezielte und strategische Unterstützung durch das Land finden die Kommunen beim Thema Fußverkehr und Nahmobilität nicht. Mit der Planung von Gehwegabschnitten an Staats- und Bundesstraßen werden die Kommunen allein und unkontrolliert gelassen, denn eine Netzkonzeption für die Förderung ist nicht erforderlich.
Sachsen hat aber eine Verwaltungsvorschrift zur Schulwegsicherung und Beförderung von Schülerinnen und Schülern erlassen und muss gerade bei Staats- und Bundesstraßen Verantwortung übernehmen.
Wie das ganz praktisch aussieht, habe ich am vergangenen Freitag bei einer Radtour mit mehr als hundert Einwohnerinnen und Einwohnern in Mügeln erlebt, lieber Herr Winkler. Dort liegen mehrere Grundschulen an der S 31, die autobahnähnlich ausgebaut ist; aber Fuß- und Radwege sind dort Fehlanzeige, weil das LASuV meinte, das wäre nicht notwendig, weil zu wenig Verkehr auf der Straße sei. Sie haben dort als Mutter oder Vater keine Chance, ihre Kinder zu Fuß zu schicken. Sie müssen das Kind mit dem Auto zur Schule bringen oder es muss mit dem Schulbus fahren. Alles andere wäre wirklich lebensgefährlich. Ich bin dort gewesen. Wenn ein Lkw an einem vorbeifährt, schickt man kein Kind mit dem Rad los. Der Besuch der Grundschüler im zwei Kilometer entfernten Freibad ist, wie gesagt, mehr als lebensfährlich, wenn sie dieses zu Fuß erreichen wollten.
Das ist meines Erachtens rein autozentrierte Verkehrspolitik in diesem Land, die, so glaube ich, einzigartig im Bundesgebiet ist. Ja, viele Stellschrauben zur Förderung
des Fußverkehrs liegen auf der kommunalen Ebene, aber Sachsen hat doch hier Handlungsspielräume. Die werden meines Erachtens überhaupt nicht genutzt. Es gibt in Sachsen im zuständigen Verkehrs- und Wirtschaftsministerium keine einzige Person, die sich systematisch mit dem Fußverkehr beschäftigt. Es gibt keine Fußverkehrsstrategie, keine Zielvorstellungen, keine kommunale Beratung. Es gibt nichts.
Generell genießt Fußverkehrspolitik in anderen Bundesländern einen deutlich höheren Stellenwert. Einige Länder betreiben seit Jahren eine aktive und engagierte Fußverkehrsförderung und haben sich konkrete Ziele gesetzt. Ich nenne da Hessen, Nordrhein-Westfalen und BadenWürttemberg. Dazu gehört in den Bundesländern eine landesweite Koordinierungsstelle für den Fußverkehr in Baden-Württemberg, die Einrichtung einer Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität in Hessen oder die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundliche Städte und Kreise in Nordrhein-Westfalen. Sowohl das Ministerium in Baden-Württemberg als auch das Hessische Verkehrsministerium unterstützen die Kommunen aktiv in der Durchführung von sogenannten Fußverkehrs- bzw. Nahmobilitätschecks. Was ist das? Bei einem partizipativen Verfahren werden von der Verwaltung und der Politik mit den Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam die Situation des Fußverkehrs erörtert und Vorschläge zur Verbesserung gemacht. All das ist in Sachsen leider Zukunftsmusik. Aber dabei muss es ja nicht bleiben.
Ich ermutige Sie wirklich, mal über den sächsischen Tellerrand hinauszuschauen. Einige Beispiele aus anderen Bundesländern habe ich Ihnen genannt, aber es lohnt sich auch ein Blick über die nationalen Grenzen. Österreich, die Schweiz, Finnland, Norwegen, Schottland, Wales, Kalifornien und noch einige Länder und Regionen mehr haben Fußverkehrs- bzw. Nahmobilitätsstrategien entwickelt. All diese Länder haben das Potenzial des Fußverkehrs und der Nahmobilität erkannt und sie fördern das auch aktiv. Ich kann Sie wirklich nur ermuntern, Nahmobilitätsförderung ist ein politisches Gewinnerthema.
Im Vergleich zu anderen Infrastrukturmaßnahmen, das wird den Finanzminister freuen, können beim Rad- und Fußverkehr mit vergleichsweise geringem finanziellem und zeitlichem Aufwand messbare Erfolge nicht nur bei der Gestaltung und Entwicklung von Städten und Dörfern erzielt werden, sondern auch drängende Probleme wie Lärm und Schadstoffbelastungen erheblich gemindert werden.
Wir machen dann in der Vorstellung unseres Entschließungsantrages konkrete Vorschläge, wie wir hier nach vorn kommen können. So weit erst einmal.
Vielen Dank. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die heutige Tagesordnung geliefert wurde, habe ich kurz gefragt, was wir mit diesem Tagesordnungspunkt wohl anfangen wollen. Ich habe mich das gefragt, weil ich dieses Thema singulär zu betrachten nicht für wirklich sinnvoll erachte.
Jeder von uns ist Fußgänger, und in den Begriff schließe ich gehbehinderte Menschen mit Rollstuhl oder Rollator ausdrücklich ein; aber so gut wie niemand ist ausschließlich Fußgänger. Es mag überzeugte Autofahrer oder Radler oder ausschließliche ÖPNV-Nutzer geben, aber kaum einer legt alle seine Wege zu Fuß zurück. Darin zeigt sich in meinen Augen schon eine der Schwächen der Großen Anfrage. Sie fokussiert sehr einseitig auf die Fußgänger, zumindest dem Titel nach. Innerhalb der Anfrage wird es dann etwas breiter, aber ich hätte es sinnvoll gefunden, wenn man sich intermodal mit den Dingen beschäftigt hätte, aber sei es drum.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Nowak, haben Sie in meiner Rede zur Kenntnis genommen, dass ich ganz stark die Nahmobilität, was sowohl Fuß- als auch Radverkehr meint, angesprochen habe? Ich frage Sie, ob Sie auch zur Kenntnis genommen haben, dass ich sehr viele Kleine Anfragen zum Radverkehr stelle und mich in dieser Großen Anfrage auf den Fußverkehr fokussiert habe? Sie haben hoffentlich in meiner Rede zur Kenntnis genommen, dass ich das als integriertes System dargestellt habe.
Es bleibt weiter festzuhalten, dass der Fußverkehr vor allem ein städtisches Thema ist, nicht ausschließlich, aber überwiegend. Es ist ein Thema, das sich ganz stark auf die kommunale Ebene bezieht und auf der kommunalen Ebene abspielt. Das bringt schon die Natur der Dinge mit sich. Außerhalb von Ortschaften geht man zu Fuß doch eher zu Erholungszwecken wandern.
Überhaupt ist es interessant, sich einmal ein paar Zahlen anzusehen. Im Jahr 2014 lag das Verkehrsaufkommen bei 3,4 Wegen pro Person und Tag. Die mittlere Weglänge lag bei 12,3 Kilometer. Schon daraus ergibt sich, dass niemand ausschließlich zu Fuß unterwegs sein wird; denn das wären 42 Kilometer. Das wäre ganz schön sportlich.
Reichlich 16 % der Wege werden wegen der Arbeit und Ausbildung gemacht. Jeder fünfte Weg geht zum Einkaufen. In der Freizeit entstehen 17 % der Wege und nach Hause, auf Rundwege bzw. sonstige Wege machen wir uns zu 45 % auf.
Interessant ist für mich der Modal Split, also die Verteilung der Wege auf die einzelnen Verkehrsarten. Zu 13 % fahren wir mit dem Rad. Zu 11 % sind wir im ÖPNV. 54 % entfallen auf den Individualverkehr, also Auto, Motorrad usw. Zu 0,3 % nutzen wir Schiffe und Flugzeuge. Für die Wege zu Fuß bleiben dann 21 % übrig. Also jeder fünfte Weg ist auch von dieser Großen Anfrage betroffen. Diese Werte sind übrigens seit einigen Jahren stabil bis leicht steigend. Das liegt unter anderem daran, dass es mehr mobile Senioren gibt als früher.
Die Fußwege haben zwischen 2005 und 2014 um 2 % abgenommen. Das ist in etwa der Anteil, um den der Fahrradverkehr zugenommen hat. Insgesamt lässt sich sagen, dass multimodale Verkehrsweisen zunehmen, also dass zusehends mehrere Verkehrsträger miteinander verknüpft und für eine Wegstrecke genutzt werden. Schon deshalb ist eine Fokussierung rein auf den Fußverkehr in meinen Augen eine ungünstige Verkürzung des Themas.
Wir sollten uns vielmehr mit den Reiseketten beschäftigen. Wir sollten uns fragen, ob für diese Verknüpfung schon genug getan wird. Wir müssen aber auch realistisch sein. Die Verantwortung gerade für die Infrastruktur beim Fußverkehr tragen zuallererst die Kommunen. Auf Staatsstraßen sind naturgemäß weniger Fußgänger unterwegs als Leute, die im ÖPNV, im Individualverkehr oder auf dem Fahrrad unterwegs sind.
Der Freistaat Sachsen kann vor allem beim Bau und bei der Erhaltung der Infrastruktur sowie bei der Verknüpfung der Verkehrsträger unterstützen. Exemplarisch sei nur die Richtlinie kommunaler Straßenbau genannt, über die Möglichkeiten bestehen. Mit diesen Fördermitteln können auch Gehwege und gehwegnahe Einrichtungen finanziert werden.
Für den ländlichen Raum steht darüber hinaus mit dem Fördermittelprogramm LEADER ein Instrument zur Verfügung. Es gibt Mittel für vitale Dorfkerne und Ortszentren im ländlichen Raum. Dass also seitens der Staatsregierung nichts getan würde, kann so nicht stehen bleiben. Es muss aber eben integriert geschehen.
Die einseitige Fokussierung auf den Fußverkehr lehnen wir ab und die Zahlen beim Modal Split geben das auch nicht her. Wir sind der Meinung, dass man einen Verkehrsträger nicht zulasten eines anderen Verkehrsträgers behandeln sollte. Dazu werden wir uns nachher auch noch äußern.