Protokoll der Sitzung vom 28.01.2015

Ich will jetzt nicht einem Antrag von uns vorgreifen, in dem wir das erneut thematisieren werden. Wir wollen das Thema weiter ansprechen, wir werden dranbleiben. Allerdings werden wir dafür ein vernünftiges Verfahren finden. Für uns zählt am Ende mehr die Qualität als die Quantität. Zu diesem Thema möglichst der Erste im Landtag zu sein, aber nichts dazuzuschreiben – das ist kein vernünftiger Ansatz.

Eines ist uns auch noch wichtig: Wenn wir einen solchen Gesetzentwurf vorlegen, wollen wir auch mit den Initiativen und Vereinen, die sich außerhalb des Parlaments schon über viele Jahre hinweg für mehr direkte Demokratie einsetzen, im Gespräch bleiben. Auch deshalb ist es wichtig, einen solchen Antrag ordentlich zu formulieren. Der Antrag der AfD-Fraktion bleibt die Antworten auf viele Fragen schuldig. Deswegen ist er für uns nicht zustimmungsfähig.

Und doch: Wir sind für Volksbegehren und Volksentscheide. Was diesen Punkt betrifft, sind wir vom Koalitionsvertrag enttäuscht. Ich will noch einmal zitieren; denn von den Rednern der Koalition wurde es so dargestellt, als ob er dazu sehr umfangreich Aussagen treffe. Man liest dort jedoch nur:

„Wir werden prüfen, ob wir mehr Möglichkeiten der direkten Demokratie schaffen können, um die Partizipation der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen.“ Das ist für uns ziemlich dünn. Wir hätten uns mehr gewünscht; das wäre wichtig gewesen für Sachsen. Es ist wichtig, in Sachsen mehr demokratische Rechte und die Mitsprachemöglichkeiten auszubauen. Demokratie lebt von Beteiligung, von Debatte, von Engagement, und genau das ist für uns in Sachsen eine Großbaustelle. Demokratie ist übrigens auch wertvoll für die Kultur in diesem Land. Deswegen ist es gut, dass wir uns in den nächsten Jahren damit auseinandersetzen. Was ist eigentlich so schlimm daran, dass wichtige Entscheidungen von Menschen wieder mitdiskutiert werden, dass sie nicht nur für Parlamentsmehrheiten herhalten müssen, sondern dass wir am Ende das Argument, das hier im Raum steht, auch da draußen verteidigen müssen, weil ein gutes Argument auch außerhalb des Parlaments bestehen kann.

Sachsen gilt bezogen auf Demokratie in der öffentlichen Debatte im Kontext der Bundesrepublik als Negativbeispiel. Die Stichworte sind vorhin schon in der Debatte gefallen. Ich sage nur „Handygate“ oder wie es im Zusammenhang mit dem 13. Februar zum Wort „sächsische Demokratie“ gekommen ist. Wir haben hier eine Baustelle, die wir in den nächsten Jahren angehen wollen. Wir brauchen in Sachsen meiner Ansicht nach eine richtige Demokratieoffensive. Dafür sind wir bereit. Die Demokratie muss in Sachsen in die Offensive kommen. Wir haben dieses Jahr das 70. Jahr der Befreiung vom Nationalsozialismus. Kommen Sie mit uns zusammen und lassen Sie uns 70 Jahre nach der Befreiung das Jahr 2015 zum Jahr der Demokratieoffensive machen. Ich freue mich auf die Debatten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich rufe die SPD-Fraktion auf. Herr BaumannHasske, bitte. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD! Wir haben jetzt schon vieles dazu gehört, warum das in der Bundeskompetenz liegt. Ich glaube, dass wir ohne den Bund solche Regelungen nicht anstreben können. Deswegen sollte man sich anschauen, was dazu schon auf dem Tisch liegt. Wir haben auf Bundesebene einen Diskurs über mehr direkte Demokratie seit zwölf bis 15 Jahren. Es gibt dazu eine Reihe von Anträgen unterschiedlicher Fraktionen im Bundestag. Die rot-grüne Mehrheit hat dazu vor acht Jahren einen Antrag eingebracht und damals keine Zweidrittelmehrheit gefunden. Die SPD-Fraktion hat vor zwei Jahren dazu einen Antrag eingebracht, der dann allerdings nicht mehr behandelt werden konnte. Wir haben eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle auf dem Tisch liegen.

Was Sie hier verlangen, ist etwas anderes. Dazu ist eben schon viel Kritisches gesagt worden. Der einfache Satz, wir sollen anstreben, umfassend direkte Demokratie auf Bundesebene einzuführen, klingt ein bisschen danach – mit Verlaub –, als wolle man tatsächlich das eine durch das andere ersetzen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Nein. Falsch verstanden!)

Es steht aber so da. Das sollte wirklich nicht die Zielrichtung sein. Dafür ist die Sache zu wesentlich und zu wichtig. Lassen Sie uns bitte nach Möglichkeit dies nicht parolenhaft vor uns hertragen. Wir haben im Moment keinen Wahlkampf. Ich halte das Thema für wirklich bedeutend, aber wir müssen es dort diskutieren, wo es hingehört. Das ist auf der Bundesebene. Dort wären direktdemokratische Elemente einzuführen, die ich auch für sinnvoll halte. Sie wollen – auch hier im Landtag – irgendetwas einführen, was Sie schon einmal auf dem Wahlplakat hatten, was man jetzt montags oder sonntags an der Straßenecke hören kann, weil die Leute meinen, sie müssen es doch lieber selber entscheiden und das Parlament solle nicht – oder irgend so etwas.

Meine Damen und Herren, das geht so nicht. Die SPDFraktion wird – dafür werden Sie Verständnis haben – diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Ich rufe nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Abg. Jähnigen, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! So kurz der Antrag ist, so deutlich zeigt er, die AfD ist im sächsischen Parlament noch nicht angekommen.

(Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Denn wenn Sie hier angekommen wären und wenn es Ihnen um die direkte Demokratie in Sachsen ginge, dann würden Sie doch zuallererst die Quorenfrage in unserer Landesverfassung angehen, dann hätten Sie bemerkt, dass unser Quorum in der Sächsischen Verfassung durch den Bevölkerungsverlust faktisch steigt und wir, Kollege Modschiedler, den achten Platz im Ranking der Bundesländer Schritt für Schritt verlieren und nach hinten treten werden.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Sie sind leider schlecht informiert!)

Wenn Sie das interessiert, hätten Sie das hier thematisiert. Das muss man auch thematisieren, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat doch gleich zu Anfang die CDU-Fraktion durch ihren Fraktionsvorsitzenden das Gespräch zu diesem Thema erst einmal abgelehnt und auch in meiner Anfrage zur letzten Sitzung des Ausschusses für Verfassung und Recht hat der neue Justizminister Herr Gemkow gesagt, dass auch er keinen Änderungsbedarf bezüglich der Volksgesetzgebung in der Sächsischen Verfassung

sehe. Schade, denn das wäre dringend nötig und würde unsere Demokratie attraktiv machen.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Aber in Ihrem Antrag steht, das brauchen wir alles nicht. Länder machen bloß Bildung und Polizei, da haben Sie eine Masse vergessen. Sie haben das Kommunalrecht, das Umweltrecht, das Kulturrecht und den Denkmalschutz ganz vergessen sowie die Ausführungsgesetze, zum Beispiel zum Sozialrecht. All das kann man mit Volksentscheiden beeinflussen, wenn man sie machbar macht. In Sachsen sind die Hürden, wie gesagt, sehr groß, aber das interessiert ja die AfD-Fraktion nicht. Die AfD-Fraktion will eine abstrakte Diskussion über die Bundesebene. Ich ahne schon, an welche Gesetze Sie wollen und welches völkische Bewusstsein

(Widerspruch bei der AfD)

dann diskutiert werden soll. Nur – so werden Sie die Wahlbeteiligung in Sachsen eben nicht steigern. Deshalb bietet Ihr Antrag nur ein hohles Versprechen.

Eines will ich noch sagen: Direkte Demokratie ist gut. Wir GRÜNE werden auf Bundesebene weiter für eine Verbesserung kämpfen, aber das ist noch keine Bürgerbeteiligung. Bürgerbeteiligung ist mehr, nicht nur Beteiligung an der Gesetzgebung, sondern im konkreten Verfahren. Da ist das übersehene Kommunalrecht übrigens sehr wichtig. Bürgerbeteiligung heißt staatliche Transparenz, ein starkes Parlament, Informationsfreiheit, und das müssen wir diskutieren. Ihren wirklich zu billigen Antrag können wir heute nur ablehnen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde? – Für die Fraktion AfD Herr Abg. Barth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Modschiedler, Herr Richter, Herr BaumannHasske! Wir möchten mit diesem Antrag erreichen, dass die Staatsregierung alle in ihrer Macht stehenden Möglichkeiten mit Nachdruck nutzt, um eine Gesetzgebungsinitiative auf Bundesebene anzustoßen. Meine Damen und Herren, das Ziel soll die Einführung der Möglichkeit von Volksabstimmungen auf Bundesebene sein. Sofern hier vielfältig über das Quorum in Sachsen in der sächsischen Landesverfassung gesprochen wird, ist das ein völlig anderes Thema.

Es ist sehr zu begrüßen, wenn die Fraktion DIE LINKE das im Jahr 2015 zum Hauptthema ihrer Parlamentsarbeit machen möchte. Wir als Alternative für Deutschland werden Sie, sofern fachlich fundierte Vorschläge hierzu kommen, selbstverständlich unterstützen. Da stehen wir Ihnen nicht im Wege.

(Beifall bei der AfD)

Ihre teilweise ablehnenden Argumente, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, der SPD und den LINKEN, können wir deshalb in dieser Debatte nicht ganz nachvollziehen, fordern Sie doch in Ihren Wahlprogrammen exakt das, was wir in diesem Antrag wollen.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE – Dr. Frauke Petry, AfD: Hören Sie mit dem Wahlprogramm auf, das haben Sie doch gar nicht gelesen! – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das glauben Sie!)

Herr Gebhardt, darf ich weitermachen?

Herr Barth, ich bitte Sie, mit Ihrem Redebeitrag fortzufahren.

Zu betonen ist, dass auch dann, wenn direktdemokratische Mittel in Deutschland einsetzbar sind – und jetzt kommt es, meine Damen und Herren –, nicht jede Kleinigkeit zu einer Volksabstimmung führen muss.

(Valentin Lippmann, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Jetzt frage ich Sie: Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Im Moment nicht.

Sie geben mir dann ein Zeichen, wenn Sie gestatten wollen?

Ja, das würde ich machen. – Das verhindern bereits sehr effektiv und sinnvoll zu wählende Quoren. Alle Anträge, die aber die Mindestquoren übertreffen, sind dann selbstverständlich der Sache nach so wichtig, dass darüber eine öffentliche Debatte geführt werden sollte.

Neben all den Argumenten, die für die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene sprechen, möchte ich an dieser Stelle auf zwei ganz besonders eingehen, meine Damen und Herren.

Erstens. Nach Umfragen befürworten circa 75 % der Deutschen die direkte Demokratie, quer durch die Parteienlandschaft von rechts nach links, von Anhängern der AfD, der CDU, der SPD, der GRÜNEN und auch der LINKEN. Warum, meine Damen und Herren? Weil ein Volksentscheid eben keine politische Farbe hat; er ist überparteilich. Das heißt, Volksentscheide können sowohl zu einer stärkeren Identifikation mit den getroffenen Entscheidungen führen als auch zu einer Stärkung des überparteilichen Konsens. In der Konsequenz führt dies zu einer massiven Stärkung des Bezuges zu unserem demokratischen System insgesamt, meine Damen und Herren.

Zweitens. Dieses Argument möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten. Die Möglichkeit für Hinterzimmerpolitik, für Mauscheleien, stilles Durchwinken von Entscheidungen, beispielhaft während einer Fußballweltmeisterschaft, wird hierdurch stark erschwert. Das Gegenteil wird

gerade erreicht. Direkte demokratische Elemente entfalten eine antizipierende Wirkung. Das bedeutet, dass allein deren Existenz bewirkt, dass Parlament und Regierung bei ihren Entscheidungen versuchen werden, die Wünsche der Bürger einfließen zu lassen, um die Gefahr einer nachträglichen Aufhebung zu verringern.

Meine Damen und Herren! Eine Reihe weiterer Argumente wird mein Fraktionskollege Urban anlässlich einer weiteren Rederunde ansprechen.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Zunächst die Frage an die anderen Fraktionen, ob es noch Redebedarf gibt. – Das stelle ich nicht fest. Herr Urban, Sie wären damit an der Reihe. Bitte sehr.