Protokoll der Sitzung vom 27.09.2017

Wir begrüßen die ungewöhnliche Allianz der Ministerpräsidenten aus Sachsen und Thüringen, sich im Bundesrat für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden stark zu machen. Aus diesem gemeinsamen Vorstoß einer linken und einer CDU-geführten Landesregierung können Sie deutlich sehen, dass für diese wichtigen Anliegen

sogar Parteigrenzen hintenanstehen. Herr Tillich, wir können Sie nur auf diesem Weg bestärken.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Gerade Sachsen wurde in der Vergangenheit mehrfach von Hochwasser und schweren Gewittern heimgesucht. Damit wäre eine Bundesratsinitiative mehr als angemessen.

Laut Aussage des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft betrugen allein die Entschädigungsleistungen für Versicherte aufgrund der Unwetterserie zwischen Juni und Anfang Juli 2017 600 Millionen Euro. Nach Angaben der Versicherer haben sachsenweit 45 % der Hausbesitzer ihre Gebäude gegen Starkregen, Überschwemmung und Hochwasser versichert. Trotz massiver Informationskampagnen sind die Zahlen sogar rückläufig. Nach wie vor sind viele Eigentümerinnen und Eigentümer noch dem Irrglauben verfallen, dass sie nicht von Naturkatastrophen betroffen werden können oder dass sie mit ihrer abgeschlossenen Gebäudeversicherung umfassend abgesichert seien. Diese Zahl zeigt den dringenden Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Damit wird die Tatsache belegt, dass das Problem allein auf Basis von Freiwilligkeit zum Abschluss der entsprechenden Versicherungen keine Lösung erfährt. Appelle an die Eigenverantwortung können in der Zukunft keinen wirksamen Schutz für die Allgemeinheit darstellen. Steuerzahler dürfen nicht durch veränderte Klimabedingungen und Extremwetterlagen zusätzlich belastet werden.

Breit angelegte Image- und Informationskampagnen sind ins Leere gelaufen. Der erwünschte Effekt ist nicht eingetreten. Zusätzlich besteht heute schon das Problem, dass Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer in Sachsen in bestimmten betroffenen Gebieten eine Elementarschadenversicherung nur zu unbezahlbar hohen Versicherungsbeiträgen bekommen oder für sie gar keine Möglichkeit mehr besteht, eine solche Versicherung abzuschließen.

In der letzten Legislatur wurde von meiner Fraktion schon ein ähnlicher Antrag in den Landtag eingebracht. Meine Kollegin Frau Dr. Pinka wird darauf in der zweiten Runde noch einmal eingehen. Es kann aber jetzt schon festgestellt werden, dass in Sachsen außer der Erstellung einer Website zur Aufklärung über die Vorsorgemaßnahmen und der Erstellung eines Faltblattes nicht wirklich viel passiert ist.

Die Verbraucherzentrale Sachsen macht sich schon seit mehreren Jahren für die Einführung einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden stark. Sie hat eine bundesweite repräsentative Umfrage in Auftrag gegeben, welche ergab, dass in Sachsen 69,2 % der befragten Personen eine Einführung einer gesetzlichen Versicherungspflicht gegen Elementarschäden befürworten. Dieses Ergebnis sollte ein richtungsweisender Beleg für die Politik sein, dass Bürgerinnen und Bürger bereit sind, im Interesse des Gemeinwohls einen Eingriff in ihre Privatautonomie zu akzeptieren. Im Rahmen einer Onlinebefragung, die Anfang März 2017 vom Institut für Finanzdienstleistun

gen Hamburg in Kooperation mit dem Marktforschungsinstitut Ipsos Hamburg durchgeführt wurde, wurde nach den Kosten für eine solche Versicherung gefragt. Rund 30 % aller Befragten halten Kosten in Höhe ihrer KfzVollkaskoversicherung für angemessen.

Beispiele zeigen, dass eine solche Absicherung in Form einer Pflichtversicherung durchaus möglich ist. In der Schweiz funktioniert die Elementarpflichtversicherung bereits seit mehr als 80 Jahren. Das wurde eindrucksvoll im April dieses Jahres auf dem „Naturgefahrenkolloquium 2017“, einer Veranstaltung der Verbraucherzentrale Sachsen, dargelegt. Hierbei zahlen alle Eigentümer von Gebäuden sowie Privatpersonen, Gewerbetreibende und kommunale Eigentümer in die Pflichtversicherung ein und leisten damit ihren Anteil am Solidarprinzip. Es besteht dort nicht die Gefahr, dass Eigentümer mit einem Gebäude in einer erhöhten Gefahrenzone keine bezahlbare Versicherung erhalten. Gleichzeitig erfolgt die Unterstützung bei der Durchführung wirksamer Präventionsmaßnahmen sowohl bei der Planung und Konstruktion als auch bei der Sanierung und Bauanpassung. Das führt letztendlich zu einer erfolgreichen Entlastung der Solidargemeinschaft.

Aus diesem Grund fordern wir in unserem Antrag, dass die Staatsregierung im Bundesrat eine Gesetzesinitiative für eine unverzügliche Einführung eines für alle Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer bezahlbaren flächendeckenden Versicherungsschutzes gegen Schäden durch Naturgewalten und Extremwetterereignisse im Rahmen einer Gebäudepflichtversicherung auf den Weg bringt. Weiter fordern wir, die Gebäudeeigentümerinnen und –eigentümer, Privathaushalte und Kommunen bei der Prävention von Schäden durch Naturgewalten und Extremwetterereignisse zu unterstützen und diesen durch eine gezielte Förderung bei der Planung und Bauanpassung behilflich zu sein sowie das Datensystem ZÜRS public auf Fehleranfälligkeit zu prüfen und dahin gehend zu verbessern, dass eine Einstufung in Risikoklassen adressgenau erfolgen kann.

Es ist Zeit für die Einführung eines für die Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer bezahlbaren

flächendeckenden Versicherungsschutzes gegen Schäden aufgrund von Naturgewalten im Rahmen der Gebäudepflichtversicherung, also eine Elementarschadenpflichtversicherung.

Appelle an die Eigenverantwortung können in Zukunft keinen wirksamen Schutz für die Allgemeinheit darstellen. Steuerzahler dürfen nicht durch veränderte Klimabedingungen und Extremwetterlagen zusätzlich belastet werden. Wie bereits erwähnt, sind breit angelegte Informationskampagnen ins Leere gelaufen. Der erwünschte Effekt ist nicht erfolgt.

Zusätzlich muss erwähnt werden, dass die Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Beseitigung von Schäden an Wohngebäuden durch Starkregen am 31. Dezember 2017 ihre Gültigkeit verliert. Im Übrigen ist hier bis heute nicht eindeutig geklärt worden,

wann ein Hauseigentümer nun tatsächlich mit Geldern vom Freistaat rechnen kann.

Die Richtlinie bietet keine Sicherheit und kann somit eine Elementarschadenpflichtversicherung nicht ersetzen.

Auch die verfassungsrechtlichen Bedenken zu einer Pflichtversicherung sind nicht zutreffend, da es sich hierbei um eine Bündelung verschiedener Extremwetterereignisse handelt.

Da wir davon ausgehen müssen, dass es auch in Sachsen immer wieder zu Unwettern und Extremwetterereignissen in Zukunft kommen wird, fordern wir die Staatsregierung auf, durch gezieltes Handeln ihrer unmittelbaren politischen Verantwortung gerecht zu werden und die Einführung einer Elementarschadenpflichtversicherung auf den Weg zu bringen.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Fischer. Herr Fischer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich, dass außer mir noch jemand bei dem Naturgefahrenkolloquium war. Der Großteil der Damen und Herren Abgeordneten, die eingeladen waren, hielten es nicht für nötig. Deswegen vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie es noch einmal erwähnt haben. Auch Danke an Herrn Ministerpräsidenten Tillich, der übrigens mit seiner Anwesenheit den ganzen Vormittag gezeigt hat, wie hoch dieses Thema bei der Staatsregierung angesiedelt ist.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Zum Thema. Meine Damen und Herren Abgeordneten! Stellen Sie sich einen sonnigen, schwülen Tag im August vor. Dann stellen Sie sich vor, ein Einfamilienhaus im Wohngebiet in Nünchritz an der Elbe – das ist in der Nähe von Riesa gelegen –, ein Schlammgeruch liegt über den Häusern. Die Straßen sind voll von Müll, von Plastiktüten, von Styropor, Pumpen- und Trocknungsanlagen wummern.

Als zuständiger Wahlkreisabgeordneter bin ich an diesem Tag dort unterwegs und treffe auf Menschen, die übermüdet sind, die frustriert sind, die Existenzangst haben bzw. von Existenzangst geplagt sind und die sehr erschöpft sind. Das schmutzige Wasser war in Wände eingedrungen, der Schmutz stieg 20 cm hoch, auf dem gesamten Grundstück ebenfalls. Es stinkt grauenhaft. Seit Tagen laufen die Aufräumarbeiten. Die Familien sind am Ende ihrer Kraft.

Versicherungen dafür waren teilweise nicht zu bekommen, weil sich kein Anbieter fand oder weil Fantasiepreise verlangt worden sind. Alle Schäden blieben bei den Bürgern hängen. Es waren zumeist junge Familien, die über relativ wenig Eigenkapital verfügen und jetzt alles selbst tragen müssen.

Das ist nicht immer so, und das ist nicht überall so, aber es gibt diese Fälle, und diese Fälle sind himmelschreiende Ungerechtigkeit. Und was passierte dann, meine Damen und Herren Abgeordneten? Solange die Presse da war, solange berichtet worden ist, da kamen sie, die Vertreter von AfD, den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD.

(Lachen bei der AfD – Carsten Hütter, AfD: In welchem Jahr war das?)

Sie kamen nach Nünchritz und schauten sich das an. Nette Bildchen wurden auf Facebook geteilt. Große halb- und dreiviertelseitige Artikel erschienen in der „Sächsischen Zeitung“. Und dann, meine Damen und Herren Abgeordneten? Was war dann? – Dann war Schluss.

(Zurufe von den LINKEN)

Dann waren die betreffenden Abgeordneten und Parteienvertreter weder per E-Mail noch per Fax, noch per Telefon, noch persönlich zu sprechen.

Man ließ sich am Telefon verleugnen, E-Mails wurden nicht beantwortet, Facebook-Anfragen wurden ignoriert. Genau das, meine Damen und Herren, ist das Problem bei diesem Thema. Unter dem Motto: „Aus den Augen, aus dem Sinn“ werden wir hierbei keinen Schritt weiterkommen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Hier ist klar zu sagen – meine Vorrednerin hat das dankenswerterweise angesprochen, Herr Ministerpräsident Tillich hat das auch gesagt –: „Wir setzen uns bei der Versicherungswirtschaft und dem Bund dafür ein, dass jeder Bürger auch in Hochrisikogebieten eine bezahlbare Elementarschadensversicherung erhalten kann.“

(Kerstin Lauterbach, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Fischer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber sehr gern, natürlich.

Frau Lauterbach.

Herr Fischer, ist Ihnen bekannt, dass ich in unserem gemeinsamen Landkreis Meißen sehr oft an der Elbe war und mit den Bürgerinitiativen sehr eng zusammengearbeitet habe? Ist Ihnen bekannt, dass ich in Nünchritz war und Sie nicht?

(Beifall bei den LINKEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Ich glaube, wir haben diesbezüglich zwei unterschiedliche Wahrnehmungen. Ich kann Sie nur beglückwünschen, wenn Sie ankündigen, dort in Zukunft aktiver zu sein. Darüber würde ich mich freuen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Herr Staatsminister Jaeckel hat sich dankenswerterweise – das möchte ich hier nicht unerwähnt lassen – immer

wieder auch um die Detailfragen gekümmert. Diese dürfen bei der ganzen Sache nicht vergessen werden. Er war immer ansprechbar. Das alles bringt mich zu dem Fazit, dass die Staatsregierung an dem Thema sehr stark dran ist.

(André Wendt, AfD, steht am Mikrofon.)

Herr Fischer, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Herr Wendt, bitte.

Herr Fischer, können Sie mir die Frage beantworten, von welchem Hochwasser Sie sprechen bzw. von welchem Jahr?

Ich spreche vom Jahr 2013.