Wir wollen Politik für die Menschen machen, aber nicht für Posten und Mandate. Lassen Sie uns daher endlich zusammen einen Plan für den ländlichen Raum entwickeln, der die verschiedenen und vielschichtigen Proble
me des ländlichen Raumes offenlegt. Lassen Sie uns gemeinsam an der Problemlösung arbeiten und passgenaue Lösungen erarbeiten, mit den Menschen vor Ort und Vertretern aus der Wirtschaft und Wissenschaft, aus Vereinen und Verbänden.
Das parteipolitische Gegeneinander und das Regieren von oben herab sind offensichtlich gescheitert. Die Zeit für Ausflüchte und Rechtfertigungen ist ebenso vorbei. Bitte verschonen Sie unsere Bürger und uns wenigstens heute mit derartigen parteipolitischen Manövern. Erzählen Sie uns bitte nicht, man müsse den Enquete-Antrag der AfD ablehnen, weil die Zeit für dessen Umsetzung zu kurz sei oder weil sich die AfD nicht mit den anderen Fraktionen zuvor darüber beraten hat. Beide Argumente sind fehl am Platz. Sie schließen sich sogar gegenseitig aus.
Unsere Geschäftsordnung sieht vor: Sofern ein abschließender Bericht nicht erstattet werden kann, weil die Zeit nicht ausreicht, ist ein Zwischenbericht vorzulegen, auf dessen Grundlage der Landtag entscheiden kann, ob die Enquete-Kommission ihre Arbeit fortsetzen kann oder einstellen soll. Zeit für die Arbeit der Kommission wäre also in jedem Fall ausreichend vorhanden. Wenn Sie aber grundsätzlich bereit sind, in einer Enquete-Kommission mitzuwirken, weil es – erstens – zeitlich möglich und – zweitens – sinnvoll ist, dann hat sich das Argument, es fehle an einer vorherigen Absprache, denklogisch erübrigt. Die Enquete-Kommission ist die Absprache.
Stimmen Sie unserem Antrag also zu, wenn Sie willens sind, parteiübergreifend, objektiv und effektiv Lösungen für die Probleme der Menschen in den ländlichen Regionen zu finden.
Die einbringende Fraktion AfD hat die Rednerreihe begonnen; es sprach Kollege Urban. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Kollege Tiefensee.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist der ländliche Raum? Der ländliche Raum ist aus meiner Sicht eine der Stärken unseres Freistaates. Er hat sich in den letzten 27 Jahren gut entwickelt – entgegen den Aussagen, die gerade getroffen worden sind –, in manchen Positionen besser und zielstrebiger als die Ballungszentren.
Das, was dabei entstanden ist, kann sich sehen lassen. Viele unserer Dörfer sind deutschlandweit konkurrenzfähig. Das zeigte zum Beispiel im Jahr 2013 Rammenau, welches eine Goldmedaille im Bundeswettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ gewinnen konnte.
Hervorzuheben ist außerdem die besondere Heimatverbundenheit der hier lebenden Menschen, deren ehrenamtliches Engagement und ihr Gemeinschaftssinn. Es geht nicht darum, aus dem Dorf ein ansehnliches Museum zu machen, sondern einen lebendigen Ort, in dem man gern
Die Menschen im ländlichen Raum wurden in einer Umfrage im Auftrag des LfULG offen und ohne jede Vorgabe danach gefragt, wie sie den ländlichen Raum in Sachsen beschreiben würden und welche drei Begriffe ihnen spontan dazu einfallen. Danach ist das Bild des ländlichen Raumes in Sachsen deutlich von positiven Assoziationen geprägt.
Der ländliche Raum wird von den Sachsen in erster Linie über seine Landschaft und als lebenswerte Heimatregion wahrgenommen. In diesen beiden Bereichen dominieren Aussagen wie schöne Natur, Landschaften, Ruhe und Freundlichkeit. Der ländliche Raum in Sachsen besitzt dadurch eine unverwechselbare Identität. Auf das WirGefühl in Sachsen ist Verlass. Geschichte, Tradition, Kultur und die Landschaft prägen die Menschen im ländlichen Raum. Sie schaffen Identität und Selbstbewusstsein, und sie bedeuten Lebensqualität. So verbinden sich die Verwurzelungen in der Heimat und der Stolz auf die bisherigen Leistungen mit dem Willen, Sachsen weiter zu einer führenden Region in der Mitte Europas zu entwickeln. Dafür gilt den Menschen im ländlichen Raum unser Dank.
Sehr geehrte Damen und Herren, so viel zu unserem Grundverständnis, was ländlicher Raum ist und was ihn ausmacht. Allerdings will ich an dieser Stelle betonen: So verschieden, wie die Menschen sind, so verschieden ist auch der ländliche Raum. Es gibt nicht den ländlichen Raum. Jede Region hat ihre Besonderheiten, und daher kann es auch nicht die eine Lösung für die anstehenden Herausforderungen geben.
Sehr geehrte Damen und Herren, nun zum vorliegenden Antrag, der, um es vorwegzunehmen, von uns abgelehnt wird. Warum?
Im § 27 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung heißt es, dass zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte sowie zur eigenständigen Informationsgewinnung in komplexen Themenfeldern der Landtag eine Enquete-Kommission einsetzen kann. Die Betonung liegt auf „umfangreiche und bedeutsame Sachverhalte“ sowie auf „in komplexen Themenfeldern“. Sind die Antragsteller tatsächlich der Meinung, dass wir das in 15 Monaten schaffen? Eine über die Legislaturperiode hinausgehende Enquete-Kommission hatten wir bisher nicht und halte ich auch nicht für sehr klug, denn wer weiß, in welcher Konstellation wir in der nächsten Legislaturperiode regieren dürfen. Aus meiner Sicht ist also dieser Antrag ziemlich naiv und populistisch.
Anderseits macht es sich die AfD ziemlich einfach, wenn sie in der Begründung schreibt, dass eine verfehlte Förderpolitik – Leuchtturmpolitik – die Ballungszentren bevorteilt und den ländlichen Raum vernachlässigt hat. Diese Förderpolitik habe dann zur Abwanderung, dem Geburtenrückgang und zu einer Überalterung unserer
Gesellschaft geführt. Als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde im ländlichen Raum behaupte ich, dass diese Entwicklung definitiv nicht an der Förderung gelegen hat; denn Menschen im ländlichen Raum steht diese im ausreichenden Maße und vor allem sehr flexibel zur Verfügung. Die Rahmenbedingungen für eine Förderung sind in Sachsen definitiv besser als in allen anderen Bundesländern. Ich denke dabei an das flächendeckende LEADER-Programm in Sachsen.
Wenn ich Ihnen in einem Punkt recht gebe, dann darin, dass die von Ihnen benannten Probleme tatsächlich hier bei uns existieren. In der bereits erwähnten Umfrage von 2014 wurde auch nach negativen Assoziationen gefragt, die sich als aktuelle Herausforderungen zusammenfassen lassen. Hier nannte man vor allem fehlende Arbeitsplätze, die ärztliche Versorgung und den Wegzug aus der Region.
Aber dies ist kein speziell sächsisches Problem, sondern faktisch in allen Bundesländern vorhanden. Zudem muss man auch noch genau hinschauen, ob man sich im Umkreis der großen Städte befindet – wie dies für meine Gemeinde gilt – oder vielleicht doch weiter davon entfernt. In jedem Fall sind es sehr komplexe Probleme, die die Politik tatsächlich vor richtig große Herausforderungen stellen.
Deshalb beschäftigen wir uns als CDU-Fraktion, aber auch die Staatsregierung sehr intensiv mit der Überwindung der Probleme auf dem Land. Neben zahlreichen umfassenden Analysen gibt es mittlerweile auch sehr erfolgreiche Gegenmaßnahmen, die die Attraktivität des ländlichen Raums wieder beleben sollen. Wir wollen, dass junge Familien wieder aufs Land ziehen und dort das Dorfleben bereichern. Dazu stehen im LEADERProgramm flächendeckend ausreichend Mittel zur Verfügung.
Wir möchten, dass die Bewohner des ländlichen Raums flexibel und schnell die benachbarten Mittel- und Oberzentren erreichen können, auch ohne Auto. Wir möchten, dass die Menschen im ländlichen Raum vor Ort auch eine Grundversorgung mit Lebensmitteln haben.
Damit all diese Ziele erreicht werden können, wurden von der Staatsregierung bereits 2012 die Leitlinien zur Entwicklung des ländlichen Raums im Freistaat Sachsen beschlossen, die in Kooperation mit den zehn Landkreisen sowie den 35 LEADER- und ILE-Regionen erarbeitet wurden. Diese sollen dazu beitragen, die Beschäftigungs- und Einkommenssituation sowie die Lebensqualität für die Menschen zu unterstützen, Chancengleichheit, medizinische Versorgung und Bildungsqualität zu sichern, wirtschaftliche Potenziale zu stärken, eine Grundversorgung mit Waren und Dienstleistungen zu gewähren, Mobilität zu ermöglichen sowie eine moderne und leistungsfähige Verwaltung aufrechtzuerhalten.
Im Rahmen von zehn Ideenbörsen diskutierte die Staatsregierung mit vielen Bürgern unseres Landes und im Ergebnis wurden diese Leitlinien mit unterschiedlichen Themenfeldern untersetzt. Auf diesen Ideenbörsen setzten Experten weitere fachliche Impulse. Insgesamt 26 Träger
von erfolgreichen Projekten stellten anschließend gute Beispiele aus den jeweiligen Regionen zum Thema vor. Diese Ideen sollen Vorbild für Nachahmer sein. Sie sollen weiterentwickelt, verändert und an die jeweilige Region angepasst werden. Neue Ideen werden weiterhin unterstützt.
Alles in allem ist es noch ein weiter Weg, der hier gegangen werden muss, damit es im ländlichen Raum vielleicht doch eine Trendwende gibt.
Sehr geehrter Herr Kollege, Sie haben jetzt mehrfach gesagt, wir möchten, wir möchten, wir möchten … – Sind Sie nicht auch meiner Meinung, dass wir, wenn wir alle politischen Kräfte in einer Kommission bündeln, die ganze Sache fundierter darstellen und zu einem Erfolg führen könnten? Letztendlich geben Sie uns die ganze Zeit recht und sprechen dann wieder dagegen – das passt doch irgendwie nicht zusammen?!
Ich sehe die Notwendigkeit einer extra eingerichteten Kommission nicht. Ich habe auch im Sächsischen Städte- und Gemeindetag nachgefragt – dort sind ja auch viele Vertreter aus den ländlichen Kommunen. Es bringt uns nichts, wieder eine weitere Kommission zu bilden, sondern wir sollten jetzt lieber anpacken. Unser Ziel ist es, bereits mit dem nächsten Doppelhaushalt Zeichen zu setzen, und da hat die Kommission noch nicht einmal richtig angefangen.
Sehr geehrte Damen und Herren, erlauben Sie mir zum Schluss noch eine Bitte auszusprechen: Reden Sie bitte den ländlichen Raum nicht schlechter, als er ist. Bei allen Herausforderungen, die wir als Politik lösen müssen und können, sind es am Ende immer die handelnden Personen vor Ort, die sich in großer Zahl engagieren und eine Mitverantwortung für den Freistaat Sachsen tragen; die wir motivieren, anstatt mit solchen Anträgen frustrieren sollten.
Aus den genannten Gründen bitte ich, auch weil in vielerlei Hinsicht bereits die vorgesehenen Handlungsempfehlungen und Projekte existieren, um Ablehnung dieses Antrags.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Staatsminister Dr. Jaeckel, Sie sehen, es ist Verlass auf Allgemein
plätze – Kollege Tiefensee hat eingangs seiner Rede dargestellt, wie man so etwas macht. Glückwunsch! Der ländliche Raum in seiner Vielfalt wunderschön dargestellt!
Lassen Sie mich zum Antrag kommen. Der Landtag hat sich auch in der vorangegangenen Legislatur sehr oft mit dem ländlichen Raum befasst, unter anderem bei der Beratung zum Landesentwicklungsplan. Dazu gab es auch von den Fraktionen unterschiedliche Vorstellungen zum Leitbild, zu einzelnen Punkten im Landesentwicklungsplan selbst, zur Aufgabenzuweisung des Zentrale-OrteKonzepts, zum ÖPNV, zu Erreichbarkeitszeiten, zum Schülerverkehr, zur Daseinsvorsorge, zur Nahversorgung etc. Die Problemlagen sind mehr oder weniger komplex, sie sind mehr oder weniger bekannt. Sie werden aber unterschiedlich interpretiert in Ursache und Wirkung.
Ja, das alles kann durchaus eine Enquete-Kommission rechtfertigen, ohne Zweifel. Ihre Versuche allerdings, Herr Urban, Ihren Antrag dadurch zu immunisieren, dass Sie im Grunde die stichhaltigen Argumente gegen ihn vorwegnehmen und schon ad absurdum zu führen suchen, greifen nicht; das greift nicht. § 27 Abs. 1 Satz 2 unserer Geschäftsordnung sieht unter anderem vor, dass auf Antrag eines Drittels des Hohen Hauses nicht nur nachzufragen ist, ob eine Enquete-Kommission beschlossen werden soll, sondern einzusetzen ist. Wenn Sie es also ernsthaft hätten betreiben wollen, dann hätten Sie sich bemühen können, dieses Drittel zusammenzubekommen.
Sie versuchen ja darzustellen, dass alles nicht möglich gewesen wäre, und das halte ich für Quatsch.
Jetzt kommt der Haken: In dem Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Demografischer Wandel“ finden Sie eine ausführliche Darstellung des ehemaligen Innenministers Heinz Eggert. Demnach haben von April 2005 bis Juli 2008 – das sind nach Adam Ries drei Jahre – sage und schreibe 22 Sitzungen stattgefunden. Wenn Sie mir jetzt erzählen wollen, dass Sie in knapp einem Jahr 22 Sitzungen durchführen wollen, um eine, wie Sie schreiben, entsprechende Analyse vorzunehmen, dann ist das kein ehrliches Angebot in diesem Haus. Auch Vertreter Ihrer Fraktion sitzen in der Enquete-Kommission „Pflege“. Sie wissen, wie komplex die Themen sind. Zudem walzen Sie in Ihrer Antragsbegründung gleich noch die Ursachen aus, indem Sie schreiben, Sie wüssten im Grunde schon, warum welche Entwicklung so gelaufen sei. Das halte ich für waghalsig in diesem Zusammenhang. Ihr Antrag ist, wie gesagt, kein ehrliches Angebot.
Sie verweisen darauf, dass ein Zwischenbericht vorgelegt werden könne. Ich frage Sie: Wie lange vorher wollen Sie denn anfangen, diesen zu erarbeiten? – Fragen Sie einmal Frau Grimm, wie die Arbeit in der Enquete-Kommission läuft. Sie hätte Ihnen sachdienliche Hinweise geben können. Herr Wendt, Sie wissen das im Prinzip auch.
Kurz und gut: Über den ländlichen Raum müssen wir miteinander sprechen. Was die Situation dort angeht, so würde ich nicht alles in Rosarot – Herr Kollege Tiefensee, für Sie dürfen es auch andere Farben sein – malen. Man muss darüber reden und genau die Komplexität erfassen. Dafür wäre eine Enquete-Kommission sinnvoll – aber bitte mit einem ehrlichen Angebot und einem sinnvollen Zeitplan, nicht auf diese Weise. Für solche durchschaubaren Manöver werden Sie unsere Zustimmung nicht bekommen.