Hierzu liegen mir die rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor. Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, DIE LINKE 25 Minuten,
SPD 18 Minuten, AfD 12 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, fraktionslose MdL je 1,5 Minuten, Staatsregierung zwei Mal 10 Minuten, wenn gewünscht.
Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen CDU und SPD das Wort. Für die einbringende CDUFraktion ergreift jetzt Herr Kollege Bienst das Wort.
und Herausforderungen, die wir momentan im sächsischen Bildungssystem haben, lohnt es sich, in dieser Aktuellen Debatte über ganztägiges Lernen – eine Erfolgsgeschichte im sächsischen Bildungssystem – zu reden, und das aus drei Gründen:
Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung ist Sachsen beim Thema GTA wieder einmal Klassenbester im Ländervergleich geworden. Sachsen hat den höchsten Anteil an Schulen mit GTA-Angeboten. Über drei Viertel aller Schüler nehmen diese Angebote wahr. Aber darauf komme ich später noch einmal zu sprechen.
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat der Freistaat mit 97,4 % bundesweit den höchsten Anteil von Schulen mit Ganztagsangeboten im Schuljahr 2015/2016 aufzubieten. Das ist Quantität, die ebenso einhergeht mit einer hohen Qualität.
Ohne Moos nichts los. Dank dem Haushaltsgesetzgeber, das ist dieses Hohe Haus, haben wir seit 2003 Mittel bereitgestellt, die genau diese Angebote ermöglichen. Sachsen fördert derzeit die Ganztagsangebote mit 26,399 Millionen Euro. Sachsen hat bereits zu Beginn des Jahres 2003 zum Start des GTA-Investitionsvorhabens „Zukunft, Bildung und Betreuung“ des Bundes anteilig die meisten Schüler im GTA und ist seitdem in der Spitzengruppe der deutschen Bundesländer vertreten.
Wir haben einen Spitzenplatz bei Ganztagsangeboten, aber es gilt, auch weiter die Qualität auszubauen. Nicht nur bei der Bereitstellung der Ganztagsangebote, nein, auch bei der Nachfrage belegt Sachsen einen Spitzenplatz. So nehmen laut Studie 77,5 % aller Schüler das GTA wahr. Hier liegt der Bundesdurchschnitt bei 39,3 % und da können wir uns als Sachsen durchaus sehen lassen.
Ein kleiner Rückblick vielleicht einmal. Im Jahr 2005 haben 172 Schulen GTA-Mittel beantragt, im gerade beginnenden Schuljahr sind es 1 278 von insgesamt 1 497 allgemeinbildenden Schulen. Dabei variiert natürlich die Nachfrage bezüglich der Schularten. Grundschulen, Oberschulen bzw. Förderschulen sind dort mehr im GTAAngebot eingebunden. Ja, Ganztagsangebote gehören in Sachsen inzwischen zum Schulalltag, und dem großen Engagement von Schulleiterinnen und Schulleitern, Lehrerinnen und Lehrern und vor allem den Kooperationspartnern ist es zu verdanken, dass genau diese Angebote weniger als etwas Zusätzliches wahrgenommen werden, sondern sie haben im Alltag einen festen Platz. Dafür gebührt diesem Personenkreis unser besonderer Dank.
Die Ganztagsangebote werden als freiwillige, unterrichtsergänzende Bildungs-, Unterstützungs- und Betreuungsangebote angenommen und erweitern das Spektrum an Möglichkeiten, den Erziehungs- und Bildungsauftrag der Schule ganzheitlich umzusetzen. Man kann mit Recht sagen, dass diese Angebote zu mehr Chancengleichheit und Leistungsorientierung sowie zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Eine ganztägige individuelle Förderung leistet einen wichtigen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler. Sie unterstützt den Ausbau von Stärken und hilft Defizite, die der eine oder andere Schüler hat, abzubauen. Sie tragen dazu bei, Beeinträchtigungen und Benachteiligungen auszugleichen und Übergänge zu weiterführenden Schulen zu gestalten. Und ganz wichtig: Schüler erhalten
Gelegenheit, Interessen, Talente und Neigungen zu entdecken und zu entwickeln, aber auch ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten.
Um diesem Anliegen vom ganztägigen Lernen gerecht zu werden, sollen sich Schulen weiter öffnen und mit außerschulischen Partnern zusammenarbeiten. Bewährt hat sich dabei in Sachsen vor allen Dingen, dass die Schulen die Art und den Umfang ihrer GTA eigenständig und mit Partnern vor Ort, wie zum Beispiel Verbänden, Kultur-, Sport- und Jugendvereinen, bedarfsgerecht und schülerorientiert umsetzen können. Dazu wird meine Kollegin Firmenich im zweiten Teil dieser Debatte einige Ausführungen machen.
Übrigens fordert die Bertelsmann Stiftung in ihrer Studie eine gute Ganztagsschule für alle, eine neue Offensive – –
– im Bereich der Ganztagsschulen in Deutschland. Wir sind da schon weiter. Wir haben die Zahlen, die die Bertelsmann Stiftung abverlangt, fast erreicht.
Die einbringende Fraktion CDU hat gesprochen, Kollege Bienst. Jetzt spricht Frau Kollegin Friedel für die einbringende SPDFraktion.
Vielen Dank. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben es gerade gehört, Sachsen ist Klassenbester, wieder einmal. Trotzdem sind wir als Klassenbester gut beraten uns zu überlegen, wie wir a) so gut bleiben und b) noch besser werden können. Die Studie, die mein Kollege angesprochen hat, und zahlreiche andere Studien legen uns nahe, dass das Vorhandensein von Ganztagsangeboten etwas ganz Wichtiges ist. Da haben wir in Sachsen flächendeckend viel, aber die zweite Frage ist: Wie sind diese Ganztagsangebote gestaltet, um wirklich ihr volles Potenzial entfalten zu können?
Ein guter Ganztag, so sagen uns die Schulen, schafft drei Dinge, die ganz wichtig sind. Ein guter Ganztag schafft, die Schülerinnen und Schüler individuell zu fördern, sie wirklich bei ihren Stärken voranzubringen und sie bei ihren Schwächen so zu unterstützen, dass sie auch hier gute Leistungen bringen. Ein guter Ganztag schafft außerdem ein soziales Miteinander an den Schulen, was viel stärker als an unseren normalen durchgetakteten Schulen zur Entfaltung kommen kann, weil im guten Ganztag nicht 45 Minuten Unterricht, 10 Minuten Pause und wieder 45 Minuten Unterricht passiert. Guter Ganztag lebt von Rhythmisierung, von Methodenvielfalt, davon, dass man Phasen des Erarbeitens von neuem Stoff lehrerzentriert im guten Frontalunterricht hat, genauso aber den erworbenen Stoff in Selbstlerngruppen, in der Werkstatt, in der Wochenplanarbeit wiederholt, einübt, vertieft und
nicht zuletzt, dass man gemeinsam Freizeit verbringt, dass man Spielzeiten hat und Mahlzeiten einnimmt.
Kann das unser Ganztag an allen sächsischen Schulen schon? Nein, das kann er noch nicht. Wir können dabei helfen, dass das in den nächsten Jahren immer besser möglich sein wird. Das Erste sind die finanziellen Mittel. Hier macht der Freistaat Sachsen schon sehr viel, aber es ist für die Schulen von besonderem Wert, wenn Verlässlichkeit da ist. Wir haben versucht, das in den letzten Jahren kontinuierlich hinzubekommen. Dennoch stellt sich am Ende eines jeden Doppelhaushalts und am Anfang jedes neuen die Frage, wie groß das Ganztagsbudget wird. Für die Schulen ist es viel angenehmer, wenn sie ein verlässliches Budget haben, mit dem sie heute, in drei Jahren und auch noch in zehn Jahren rechnen können. In diese Richtung müssen wir es bekommen.
Das zweite Thema ist die Rhythmisierung. Die muss man auch ermöglichen. Wir haben beim Schulgesetz lange darüber gestritten, an welchen Stellen wir den Schulen mehr Freiheit geben können, um beispielsweise von der Stundentafel abzuweichen. Das war nicht einfach, aber wir haben es hineingeschrieben. Wir haben die Binnendifferenzierung an den Oberschulen ermöglicht und den Zwang zur Trennung von Haupt- und Realschule aufgehoben. Man kann pauschalisiertes Lehrerarbeitsvermögen zur Verfügung gestellt bekommen und sich selbst überlegen, was für die eigene Schule am besten passt. Wir freuen uns sehr, dass wir nach den ersten zaghaften Schritten, die wir im Schulgesetz miteinander gemacht haben, nun wahrscheinlich mit einem besonderen Rückenwind vom Ministerium rechnen können.
Ein drittes Thema, das hier wichtig ist: Wir müssen an den Schulen auch die räumlichen Voraussetzungen dafür herstellen. Guter Ganztag lebt davon, dass nicht nur jede Klasse ein Klassenzimmer hat. Guter Ganztag kann nicht gelingen, wenn der Hort in Doppelnutzung an der Schule stattfindet. Guter Ganztag braucht mehr Räume, genauso wie Inklusion mehr Räume braucht, genauso wie multiprofessionelle Teams mehr Räume brauchen. Als Nächstes haben wir eine ganz praktische Aufgabe vor uns, nämlich die Schulhausbau-Förderrichtlinie so zu fassen, dass sie den modernen Anforderungen, die die Schule an ihre Räume stellt, entsprechen kann.
Wenn wir so weit sind, dass wir an den Schulen verlässliche Bedingungen für den Ganztag haben, dass wir die Kooperationen, die wir jetzt zwischen Grundschule und Hort schon ins Gesetz geschrieben haben, tatsächlich so mit Leben erfüllen können, dass beide Teile, vor- und nachmittags, am Kind arbeiten, wenn wir es schaffen, diese multiprofessionellen Teams mit Sozialpädagogen zu ergänzen, und wenn wir dann auch noch an dem Punkt sind, dass sie alle Platz in der Schule haben, dann haben wir viel dafür getan, Klassenbester zu bleiben und vielleicht noch ein Stück besser zu werden.
Wir haben die beiden einbringenden Fraktionen gehört. Zuletzt sprach für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Friedel. Jetzt kommt die Fraktion DIE LINKE zum Zuge. Das Wort ergreift Frau Kollegin Falken.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bienst, in dem Titel Ihrer Aktuellen Debatte steht Weiterentwicklung des ganztägigen Lernens an sächsischen Schulen. Die Weiterentwicklung habe ich in Ihrem Redebeitrag bislang gar nicht gehört.
(Lothar Bienst, CDU: Kommt noch! – Christian Piwarz, CDU: Immer ein bisschen gedulden! Das schaffen Sie!)
Kommt ja vielleicht noch. Ja, ist in Ordnung. Kommt ja vielleicht noch. Dann hätte ich aber wenigstens erwartet, Herr Bienst, dass Sie noch etwas zu den Anfängen der in Sachsen zu installierenden Ganztagsangebote gesagt hätten. Das lasse ich jetzt weg. Darüber können wir vielleicht später noch einmal diskutieren.
Eine Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten wäre für uns ganz klar eine Ganztagsschule. Meine Kollegin Friedel hat schon versucht, es in verschiedenen Punkten zu untersetzen. Das wäre ein richtiger, großer Schritt.
Die Ganztagsschule zeichnet sich durch den rhythmisierten Tagesablauf von Schülerinnen und Schülern aus, und zwar nach den Bedürfnissen von Schülerinnen und Schülern. Genau das gibt es im Freistaat Sachsen gar nicht. Insofern sind Statistiken immer ganz schwierig und problematisch.
Es gehört für uns auch dazu – darüber ist in der Öffentlichkeit bereits diskutiert worden –, dass wir uns darüber Gedanken machen müssen, wie die Zusammenarbeit oder vielleicht auch das Zusammenschmelzen von Grundschule und Hort im Freistaat Sachsen künftig aussehen soll.
Kooperationsvereinbarungen allein reichen nicht aus, um wirklich eine Weiterentwicklung der Ganztagsschule insbesondere im Grundschulbereich zu etablieren. Unsere Auffassung, meine ganz persönliche Auffassung dazu ist, dass der Hort wieder an die Schulen zurückgeführt werden muss, auch in der Verwaltungsstruktur, auch bezogen auf das Personal. Das Kultusministerium betreut es sowieso schon. Insofern könnte man es wirklich dort entsprechend eingliedern. Natürlich sind noch viele Gespräche notwendig. Das will ich hier gar nicht in Abrede stellen.
Wir haben im Freistaat Sachsen unterrichtsergänzende Maßnahmen. Das ist etwas ganz anderes als eine Ganztagsschule. Unterrichtsunterstützende Maßnahmen im Grundschulbereich haben wir auch an Förderschulen, Oberschulen und Gymnasien. An Oberschulen und Gymnasien sind es allerdings vorrangig die unteren Klassen, die im Ganztagsbereich tätig sind. Das sollten
wir auf jeden Fall ausweiten. Die Förderrichtlinie wie auch die entsprechende Verordnung ermöglichen es bereits. Ich glaube, wir haben noch viel Potenzial nach oben, um entsprechend zu gestalten.
Sie haben von den Mitteln gesprochen, die in den Haushaltsplan eingestellt werden. Natürlich gehe ich auch auf das Geld ein; keine Frage. Gute Ganztagsarbeit bzw. Ganztagstätigkeit an den Schulen ist nur möglich, wenn auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stehen.
Ich habe mir von unseren Haushältern noch einmal die Zahlen heraussuchen lassen. Im Jahr 2010, als wir noch Lehrerinnen und Lehrer für Ganztagsunterricht hatten, hatten wir 30 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung. Das ist für die nächsten zwei Jahre auf 20,7 Millionen Euro abgeschmolzen worden. Dann ist es wieder ein kleines bisschen hochgegangen auf 22,4 Millionen Euro. Für dieses Schuljahr sind es 25,4 Millionen und im nächsten Jahr werden es 26,1 Millionen Euro sein. Das heißt, es gibt eine geringfügige Erhöhung der Mittel.
Wenn wir Ganztagsangebote weiterentwickeln wollen, wie zu Ganztagsschulen, dann, glaube ich, ist es notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen, und zwar nicht nur bezogen auf die entsprechende Haushaltslage, wie wir es von den Verhandlungen auf Bundesebene hören: Ganztagsangebote oder Ganztagsschulen werden unterstützt, wenn es die Kassenlage hergibt. Das ist keine Grundlage für stabile Bildung.
Wir müssen uns anschauen – das sind immer Aussagen von Frau Kurth zu Beginn des neuen Schuljahres –, wie viele zusätzliche Schüler wir im System haben. Ich will es Ihnen noch einmal sagen, weil ich glaube, es ist wichtig, dass wir das noch einmal hören: Im Schuljahr 2015/2016 waren es 6 700 zusätzliche Schüler. Im Schuljahr 2016/2017 waren es 10 000 zusätzliche Schüler. In diesem Schuljahr, 2017/2018, sind es nach Aussagen von Frau Kurth – damalige Kultusministerin – 5 000 zusätzliche Schüler. Das heißt, wir haben innerhalb von drei Jahren einen Zuwachs von 21 700 Schülerinnen und Schülern, worüber wir uns alle freuen, keine Frage, aber wir müssen damit natürlich auch für die Ganztagsangebote die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Ich glaube, spätestens für den nächsten Haushalt müssen wir darüber sehr intensiv reden.