Protokoll der Sitzung vom 16.11.2017

Alles andere ist Proporz und ein Befeiern, das an dieser Stelle wirklich völlig unnötig ist, denn das trifft einfach nicht zu. Fragen Sie einmal die Oma auf dem Land. Heute früh sprachen wir über Geburtenstationen. Geburten kann man nun einmal nicht in jedem Fall planen. Dann wäre es schon schön, wenn man bei einer Sectio oder bei einem Blasensprung nicht eine halbe Stunde lang fahren müsste.

Bitte kommen Sie zum Ende.

Entschuldigung. – Prost!

(Die Abgeordnete leert ihr Wasserglas. – Zurufe von der CDU: Prost! Zum Wohl! – Heiterkeit – Beifall bei den LINKEN)

Wer möchte noch zum Änderungsantrag sprechen? – Herr Wendt, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten von der Linksfraktion! Was Ihren Änderungsantrag angeht, haben Sie im Grunde recht: Wir brauchen eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung der medizinischen Versorgung. Gerade in ländlichen Regionen bedarf es eines effizienteren Ressourceneinsatzes.

Die wenigen Ärzte, die noch da sind, müssen zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung und zur Steigerung der Behandlungsqualität besser eingesetzt werden, der Einsatz muss aufeinander abgestimmt werden. So, wie Sie das jedoch wollen, funktioniert Es leider nicht.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Woher wollen Sie das wissen?)

Es reicht nicht, die integrierte Versorgungsplanung mit der Krankenhausplanung durchzuführen. Wir müssen die Bedarfsplanung der Vertragsärzte mit dem Krankenhausplan zusammenführen.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das ist mit „sektorenübergreifend“ doch gemeint!)

Das liegt in der Tat nicht allein im Ermessen der Staatsregierung. Da sitzen natürlich auch der Bund und die Selbstverwaltung mit im Boot. Deshalb werden wir Ihren Antrag, der methodisch in die falsche Richtung zeigt, ablehnen.

(Beifall des Abg. Jörg Urban, AfD – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE)

Möchte noch jemand zum Änderungsantrag sprechen? – Wenn das nicht der Fall ist, lasse ich jetzt über diesen abstimmen. Wer gibt dem Antrag seine Zustimmung? – Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei Stimmen dafür wurde der Änderungsantrag dennoch mehrheitlich abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Ursprungsantrag Drucksache 6/11124. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen und ohne Gegenstimmen hat der Antrag eine Mehrheit gefunden.

Meine Damen und Herren, damit ist Tagesordnungspunkt 7 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Gesetzliche Krankenversicherung für Beamte,

Selbstständige und Freiberufler – eine Kasse für alle!

Drucksache 6/8129, Antrag der Fraktion DIE LINKE,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir kommen zu den Stellungnahmen der Fraktionen. Es beginnt die einreichende Fraktion DIE LINKE mit Frau Abg. Schaper. Danach folgen CDU, SPD, AfD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Frau Schaper, Sie haben das Wort.

Ich bin es schon wieder. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprachen vorhin schon über wichtige Aufträge an die Staatsregierung, was Gesundheitspolitik angeht. Hier kommt ein weiterer wichtiger, bislang unerfüllter Auftrag hinzu, dem hoffentlich auch GRÜNE und SPD zustimmen werden, da sie zumindest in Wahlzeiten nicht müde werden, zu versprechen.

Die Sächsische Staatsregierung muss sich endlich wieder auf Bundesebene dafür starkmachen, dass es eine solidarische gesetzliche Krankenversicherung für alle gibt. In einem ersten Schritt sollen Beamte, Selbstständige und Freiberufler in die gesetzliche Krankenversicherung

wechseln. Wir wissen doch alle, es ist kein Wunder, dass die Verbände der privaten Krankenversicherungen mit allen möglichen und unmöglichen Argumenten gegen solche Pläne Sturm laufen; denn schließlich bedroht eine gesetzliche Krankenversicherung ihr Finanzgeschäftsmodell, und nur darum geht es.

Dabei stützt man sich auf Studien, die man selbst in Auftrag gegeben hat. Für uns als politische Entscheiderinnen und Entscheider sollte aber nicht das erfolgreiche Geschäftsmodell privater Versicherungsgesellschaften, sondern das Wohl, die Gesundheit und eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung für alle Menschen im Vordergrund stehen und jede Form der Zwei- bzw. schon fast Vier-Klassen-Medizin der Vergangenheit angehören.

Bei Geschäftsmodellen wie denen der privaten Krankenversicherung, die sich als Geschäft mit dem Risiko Gesundheit rechnen sollen und müssen, gerät das ganz schnell ins Hintertreffen. Wäre die private Krankenversi

cherung ein defizitäres oder unattraktives Geschäftsfeld, wäre es längt vom Markt verschwunden. Die Beibehaltung der PKV nützt dabei nicht nur den sie tragenden Versicherungsgesellschaften, sondern – wie die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme treffend feststellt – sogar dem sächsischen Finanzminister. Der befürchtet, dass er mehr Beiträge in die gesetzliche Krankenversicherung zahlen müsste, wenn sie sich dort versichern müssten. Auch das ist allerdings ein weiteres Antiszenario ohne plausible Grundlage; denn mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung für alle Beamten würden die öffentlichen Haushalte im Bereich der derzeit zusätzlich zu leistenden Beihilfen für privat versicherte Beamte enorm entlastet.

Zu diesem Ergebnis kommt auch die Bertelsmann Stiftung in ihrer Studie, und die ist ganz sicher nicht verdächtig, linke Modelle zu präferieren. Nach der aktuellen Studie zu diesem Thema lassen sich problemlos neun von zehn Beamten gesetzlich versichern. Wenn dadurch mehr Geld in den Versicherungstopf kommt, nützt das allen, da dann geringere Beiträge anfallen, also den Beamten wie auch den übrig gesetzlich Versicherten, die alle mit Beitragssenkungen rechnen könnten.

Vor 134 Jahren wurde die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland eingeführt. Sie hat zwei scheußliche Weltkriege und viele Wirtschaftskrisen überstanden, weil sie durch das Prinzip der solidarischen Umlagefinanzierung nicht den Risiken der Finanzmärkte ausgesetzt war und ist.

(Sebastian Fischer, CDU: Das wissen wir!)

Vor 134 Jahren ging es vor allem darum, eine solidarische Absicherung für Arbeiter im Krankheitsfall zu schaffen. Bis heute sind die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung beispielsweise dazu verpflichtet, auch chronisch kranke Versicherte aufzunehmen. Das ist Solidarität.

Das System der PKV als Finanzgeschäftsmodell ist höchst unsolidarisch. Dort regiert die finanzgesteuerte Rosinenpickerei. Unattraktive Gesundheitsrisiken können von der Versicherung ausgeschlossen werden, und mit zunehmendem Alter steigen die Beiträge. Selbst Leute mit guten Bezügen im Alter geraten in Not.

Für das Modell einer Krankenversicherung für alle sprechen nicht nur die geringen Verwaltungskosten, die direkt den Versicherten bzw. den Patientinnen und Patienten zugutekommen. Auch aus anderen Gründen sprechen sich immer mehr Experten für die Bürgerversicherung aus; denn der letztendlich auf dem Rücken der Patienten ausgetragene Systemwettbewerb zwischen gesetzlichen und privaten Kassen ist ebenso ineffizient wie inhuman. Zudem werden die Schwächen im Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen immer deutlicher. Seit 2012 steigen immer mehr Versicherte aus als hinzukommen. Die Tendenz ist steigend. Das Geschäftsmodell der privaten Krankenversicherungen funktioniert aber nur, wenn langfristig genug neue, gesunde Vollversicherte hinzukommen.

Ein Zusatzproblem haben die Privaten aufgrund der schon erwähnten Abhängigkeiten vom Finanzmarkt. Derzeit gibt es so gut wie keine Zinsen auf das Anlagekapital. In der Zeitschrift „Gesundheits- und Sozialpolitik“, Ausgabe 4/2017, war Alarmierendes zu lesen. Wenn die Zinsen nur um einen Prozentpunkt sinken, müssten die Prämien bei der privaten Krankenversicherung um rund 10 % erhöht werden. Auch heute noch müssen privat Versicherte abgesichert sein und bleiben.

Deshalb ist unser Antrag genau richtig. Die Bürgerversicherung hätte nicht nur eine breitere Einnahmenbasis; mit ihr ließen sich auch weitere Maßnahmen umsetzen, die den Beitragssatz senken. So müsste die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze angehoben oder am besten aufgehoben werden, damit eine tatsächlich einkommensabhängige solidarische Finanzierung erfolgt. Auch müssen alle Einkommensarten, also auch Kapitaleinkünfte, herangezogen werden. Modellrechnungen zufolge ließe sich der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung dann um mindestens 3 % senken.

Wir hoffen heute auf eine breite Zustimmung zu unserem Modell, zu unserem Antrag, auch – ich habe es eingangs erwähnt – aus den Reihen der SPD, die zumindest auf den Parteitagen nicht müde wird, Konzepte zur Bürgerversicherung zu beschließen. Für die Bürgerversicherung sprechen nicht nur Verteilungsaspekte, sondern auch ökonomische Vernunft. Eine Kasse für alle.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Für die CDU Herr Abg. Wehner, bitte.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Kollegin Schaper! Ich traue mich nicht, Sie heute ein zweites Mal zu provozieren, aber der Antrag fordert das dann doch heraus.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Ich bin ganz überrascht!)

Die Überraschung ist Ihnen gewiss, ja. Aber der Antrag war ein wenig wie ein Trauerspiel aus: die böse private Krankenversicherung, der böse Finanzminister

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Das habe ich nicht gesagt!)

und am Horizont noch das Unwetter der Finanzkrise. Das kommt noch hinzu. Das war so ein Mix. Ich finde, Sie haben die gesetzliche Krankenversicherung völlig zu Unrecht hier schon fast schlechtgeredet, weil man die gegeneinander ausspielt. Das muss nicht sein. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Ihre Intention ist, aber es klang zumindest so.

Ich will trotzdem noch auf einige Dinge Ihres Antrags eingehen.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Sie müssen mal mit dem Herzen hören!)

Ich höre mit dem Herzen, ja. Aber manchmal ist es auch gut – zumindest in der Politik –, Argumente für sich sprechen zu lassen. Eines wäre zum Beispiel das Finanzielle. Ihr Antrag würde fordern, dass wir 200 bis 250 Millionen Euro allein Mehrkosten hätten, was beispielsweise durch Sozialversicherungspflicht die Umstellung in die gesetzliche Krankenversicherung bedeuten würde.

Aber wir können uns auch einmal anschauen, wie der Blickwinkel aus Sicht der Beamten und aus Sicht der Selbstständigen aussieht. Wenn man den Beamten sagt, sie sollen in die gesetzliche Krankenversicherung gehen, dann muss man ihnen erklären, warum das, was man früher vereinbart hat, nämlich eine Gesundheitsversorgung über den Dienstherrn, wegfällt. Das kommt einer Lohnkürzung oder mindestens einer Leistungskürzung gleich, und das müsste man dieser Berufsgruppe erklären. Eine weitere Frage ist: Was passiert mit dem soliden Pensionsfonds, der beispielsweise hier im Freistaat Sachsen angelegt ist? Wo geht der hin?

Die andere Frage ist: Was passiert mit den Selbstständigen? Die haben Sie angesprochen. Bis jetzt war es für die Selbstständigen oftmals überhaupt nicht attraktiv, in die gesetzliche Krankenkasse zu gehen, denn der Beitragssatz war vielfach zu hoch. Mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz verbessert sich natürlich diese Situation. Die Beitragspflicht wird also zukünftig nach dem Einkommenssteuerbescheid festgesetzt; hier ist beispielsweise eine echte Wahlfreiheit für den Selbstständigen schon möglich.

Damit sehe ich, dass Sie Ihren Antrag, die Bürgerversicherung, eher durch die Hintertür oder ganz plakativ durchbringen möchten.