Sie wünschen in Ihrem Antrag, dass im Landtag eine Istanalyse der politischen Bildung der Schulen des Landes vorgelegt wird. Nun kann ich leider nicht erkennen, welche Schularten Sie meinen. Vielleicht sind es alle. Oder meinen Sie politische Bildung nur in der Sek. I im oben genannten Fach, oder meinen Sie die Schülerbeteiligung in den verschiedensten Mitwirkungsgremien oder vielleicht auch Inhalte oder Ansätze politischer Bildung im GTA-Bereich?
In der Stellungnahme der Staatsregierung steht – ich zitiere –: „Unter politischer Bildung wird die Vermittlung der Prinzipien von Demokratie, Toleranz und Kritikfähigkeit sowie die Befähigung zu aktiver Partizipation am politischen Geschehen des eigenen Landes verstanden.“
Selbst der Hinweis in der Antwort der Staatsregierung auf Fächer mit Themen politischer Bildung reicht Ihnen nicht aus. Gehen Sie doch bitte einmal in beliebige aktuelle Lehrpläne und lesen Sie intensiv die Bildungs- und Erziehungsaufträge. Ich habe das einmal außerhalb eines Faches getan. Im Lehrplan des Faches Chemie am Gymnasiums steht zum Beispiel ganz dick darüber: „Die Entwicklung und Stärkung der Persönlichkeit sowie die Möglichkeit zur Gestaltung des eigenen Lebens in sozialer Verantwortung und die Befähigung zur Mitwirkung in der demokratischen Gesellschaft gehören zum Auftrag des Gymnasiums.“
Also auch dort ist der Lehrer, der Pädagoge, verpflichtet, zum Beispiel in diesem Fach Chemie politische Bildung zu vermitteln. Weiter heißt es: „Die Schüler entwickeln ihre individuellen Wert- und Normvorstellungen auf der Basis der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Achtung vor dem Leben, dem Menschen und vor zukünftigen Generationen. Unterschiedliche Positionen bzw. Werturteile können geäußert werden, und sie werden auf der Basis der demokratischen Grundordnung zur Diskussion gestellt.“ Ich betone es noch einmal: Es ist das Fach Chemie.
Gleiches trifft auf das Fach Mathematik in der Oberschule zu. Dort steht: „Somit trägt das Fach Mathematik dazu bei, Selbsterfahrung, Werteorientierung und Haltung auszuprägen, die für die berufliche Ausbildung und die persönliche Lebensgestaltung bedeutsam sind.“
Ein letztes kleines Beispiel noch aus der Berufsschule, die zum Beispiel Elektroniker für Automatisierungstechnik ausbildet. Dort steht in den Vorbemerkungen der Bezug zur Verfassung des Freistaates Sachsen: „Die Jugend ist zur Ehrfurcht vor allem Lebendigen, zur Nächstenliebe, zum Frieden und zur Erhaltung der Umwelt, zur Heimatliebe, zu sittlichem und politischem Verantwortungsbe
wusstsein, zu Gerechtigkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, zu beruflichem Können, zu sozialem Handeln und zu freiheitlicher demokratischen Haltung zu erziehen.“ Ich erkenne in allen Lehrplanauszügen, Handreichungen bzw. Aufforderungen diesen politischen Bildungsauftrag.
Ich komme zu Punkt 3 Ihres Antrags. Frau Kersten hat es schon angedeutet. Sicherlich ist es möglich, bei inhaltlichen Veränderungen oder Evaluierungen von Fachinhalten neue Fächertitel zu benennen oder zu kreieren; nur passt dann die Rechtserziehung unter dem Titel der politischen Bildung nicht so ganz. Oder sollten wir vielleicht in der Stundentafel noch ein weiteres Fach aufmachen? Ich bin der Meinung, dass wir da den Schüler gänzlich überfordern würden.
Das ist genau der Punkt 4 in Ihrem Antrag. Sie fordern, dieses Fach in der Stundentafel durchgehend als ein Zweistundenfach auszuweisen. Einmal davon abgesehen, dass politische Bildung in allen Alterststufen wichtig ist, haben Sie keinen Vorschlag dazu gemacht, welche Stunden, welche Fächer, gestrichen werden sollen.
(Cornelia Falken, DIE LINKE: Herr Bienst, dazu habe ich mich schon geäußert, falls Sie es nicht bemerkt haben!)
Nur zur Information für die anderen hier im Saal: Der Fünftklässler hat momentan 31 Stunden zu leisten plus eventuell zwei Stunden Förderunterricht bzw. zwei Stunden leistungsgebundenen Unterricht. Der Sechstklässler hat durch die zweite Fremdsprache weitere drei Stunden. Für die weiteren Klassen ließe sich das fortsetzen.
Ich bitte Sie um Ehrlichkeit und darum, nicht noch zusätzliche Belastungen für unsere Schüler zu organisieren.
Zu Punkt 5 möchte ich keine Ausführungen machen, da für Fächer grundsätzlich ein Rahmenlehrplan mit entsprechenden Unterrichtsbausteinen erstellt wird,
auch für eventuell neue Fächer. Hier ist nun mein Vorschlag, wie wir mit Ihrem Antrag umgehen sollten: Diskutieren wir doch über das Ergebnis der Expertenkommission. Besser ist es, Werte als Handlungskonzept der demokratischen Schulentwicklung und politischen Bildung an sächsischen Schulen zu stärken. 22 der 32 Schwerpunkte hat das Ministerium für eine Umsetzung empfohlen. Die anderen sind nicht vom Tisch, diese werden ebenfalls zu diskutieren sein.
Interessant finde ich den Punkt 22 des Papiers. Da steht – hören Sie bitte gut zu –: „Lehrkräfte sollen unabhängig von ihrer Fächerkombination in Fortbildungen zu Ansätzen der Demokratieentwicklung in den sächsischen Lehrplänen und zu deren Umsetzung im Unterrichts- und Schulalltag geschult werden.“
Dort sehe ich kurzfristig umsetzbaren Raum für politische Bildung, denn wenn unsere Pädagogen aktuelle politische Themen in den Unterrichtsalltag bringen und offen mit den Schülern diskutieren, dann ist das für mich politische Bildung. Das funktioniert in den dafür vorgesehenen Fächern wie Gemeinschaftskunde oder Geschichte usw. Das funktioniert aber auch in den Fächern wie WTH, Mathematik oder Biologie oder in anderen Fächern, und zwar in allen Schularten.
Sicherlich sollten wir kritisch, aber auch konstruktiv darüber nachdenken, ob man über das Fach Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung zeitiger an den Schüler herantreten sollte. Das muss man aber erst einmal diskutieren. Vor allen Dingen muss man sich dort die Stundentafel genauer anschauen, um eventuell daraus Schlussfolgerungen zu ziehen.
Letzter Punkt. Eine Forderung nach mehr Stunden im System geht einher mit mehr pädagogischem Personal. Ich bin der festen Überzeugung, dass derzeit nicht allzu viel ausgebildetes Personal an den Türen der sächsischen Schulen steht. Auch aus diesem Grund ist Ihr Antrag nicht umsetzbar.
Ich fasse zusammen: Aus den oben genanten Gründen bedarf es Ihres Antrages nicht. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, wie wichtig dieses Thema in allen Fraktionen ist.
Ich will noch einmal ganz deutlich sagen: Es ist wichtig, dass an dieser Stelle alle Ideen und Vorschläge erst einmal willkommen sind. Ob das jetzt ein Positionspapier der LINKEN ist oder ob das ein Positionspapier der GRÜNEN ist – wir haben dazu im Juni etwas beschlossen. An dieser Stelle sind alle Ideen willkommen. Die Herausforderungen, die vor uns stehen – das habe ich hoffentlich vorhin in meinem ersten Redebeitrag deutlich zum Ausdruck bringen können –, sind sehr groß.
Ich könnte natürlich jetzt sagen: Mensch, es ist eigentlich alles gesagt und ich lehne mich einmal zurück, um zu schauen, wie der Kultusminister damit umgeht. Um mich zurückzulehnen ist mir aber das Thema zu wichtig. Das merkt man vielleicht auch. Deshalb will ich zwei, drei Dinge zur Klarstellung formulieren.
Erstens. Dieser Prozess, den wir hier erleben, ist das Ergebnis eines Konzeptes, das im Kabinett beschlossen wurde, und zwar nach den Zwischenfällen in Clausnitz. Die Vereinbarung war, dass das Kultusministerium zum Schuljahresbeginn 2016/2017 Veränderungen bei der politischen Bildung in den Schulen einführt. Jetzt haben
wir das Schuljahr 2017/2018, und ich kann Ihnen Folgendes sagen: Wir haben entweder die Möglichkeit zu sagen, es ist zu spät – das hilft aber nicht –, oder wir haben die Möglichkeit, jetzt diesen Ball aufzunehmen und auf der Basis dieses Handlungskonzeptes endlich Veränderungen durchzusetzen. Ich werbe für die konstruktive Variante, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Das Zweite ist: Ich finde es nicht redlich, weil es schlichtweg nicht stimmt, zu sagen, dass das noch nirgendwo diskutiert wurde. Ich wiederhole es deshalb noch einmal: Sie sagen, es sei nicht mit Eltern, Schülern und Lehrern diskutiert worden. Entschuldigung: Eltern, Lehrer und Schülervertreter haben dieses Konzept mit erarbeitet. Das ist eine viel bessere Form der Beteiligung, als es nur diskutiert zu haben.
An der Veranstaltung am 25. September – das war einen Tag nach der Bundestagswahl, vielleicht erinnern Sie sich so besser daran – hat es eine offizielle Präsentation und Diskussion gegeben, und ich möchte betonen – weil Sie behaupten, das wären nur Vorschläge im luftleeren Raum –: Auf dieser Veranstaltung hat die Kultusministerin erklärt, bei welchen Punkten sie jetzt schon zusagen kann, dass sie diese übernimmt. Ich bin noch nicht hundertprozentig damit einverstanden, weil ich mir mehr wünsche, aber ihr vorzuwerfen, es habe an dieser Stelle keine Zusage gegeben, ist schlichtweg falsch.
Dass Sie nicht dort waren, ist ja das eine, aber sie hat am 25. September sogar eine Pressemitteilung dazu herausgegeben, in der drinsteht, welche Vorschläge sie übernimmt und welche nicht.
Ich habe die dringende Bitte: Dieses Thema ist einfach zu wichtig, um diese Debatte mit solchen Anträgen und Argumentationen eher zu behindern, als nach vorn zu bringen. Ich gelte nun nicht als LINKEN-Hasser, aber das muss doch an dieser Stelle auch einmal gesagt werden.
Ich will noch zwei Punkte erwähnen. Der erste ist: Ich finde es ganz wichtig, dass wir natürlich auch über Ihren Punkt diskutieren – Gemeinschaftskunde ab Klasse 5 ist etwas, wofür sich auch meine Fraktion ausgesprochen hat –; aber es funktioniert nur in einem Gesamtkonzept von politischer Bildung.
Der zweite Punkt ist: Einfach nur zu sagen, liebe Lehrer, jetzt macht bitte noch mehr politische Bildung, funktioniert nicht; sondern wir müssen auch die Rahmenbedingungen für die Stärkung von politischer Bildung zur Verfügung stellen, weil wir die Lehrerinnen und Lehrer mit dieser Aufgabe nicht alleinlassen können.
Deshalb glaube ich – und das wollte ich noch einmal in Richtung Frau Kersten erwähnen –, dass der Ansatz in der Schule richtig ist. Wenn man das Jugend-Redeforum als positives Beispiel für politische Bildung heranzieht, dann ist es richtig, dass es ein positives Beispiel ist, weil dort junge Menschen miteinander über Politik diskutieren.
Aber: Beim Jugend-Redeforum in Sachsen haben hier in diesem Plenarsaal ausschließlich Schülerinnen und Schüler von Gymnasien teilgenommen – ausschließlich von Gymnasien! Deshalb noch einmal: Das darf nicht das Ziel von politischer Bildung sein, sondern das Ziel von politischer Bildung muss sein, dass alle jungen Menschen ihre Beteiligungsmöglichkeiten in dieser Gesellschaft erkennen.
Deshalb lassen Sie uns diese Reform mutig angehen. Wir brauchen eine mutige Reform zur Stärkung der politischen Bildung und – an dieser Stelle hat Petra Zais recht – natürlich auch zur Stärkung unserer demokratischen Werte.
Wird von der AfD noch einmal das Wort gewünscht? – Das sieht nicht so aus. Von den GRÜNEN? – Auch nicht. Dann frage ich einfach in die Runde, wer überhaupt von den Fraktionen noch sprechen möchte?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Presse war heute zu lesen: Leipzig – so wird der Geschichtsunterricht richtig spannend. Der Schauspieler Thomas Darchinger, 54 Jahre, kommt an acht sächsische Schulen, um die Geschichte eines jüdischen Jugendlichen in Deutschland des Dritten Reiches vorzutragen.
Mit dem Ziel, die politische Bildung und Demokratieerziehung an Sachsens Schulen zu stärken, hatte meine Vorgängerin Frau Kurth im Januar 2017 ein Expertengremium beauftragt, ein Handlungskonzept zu entwickeln. Anlässe hierfür waren das im März 2016 von der Sächsischen Staatsregierung beschlossene Maßnahmenpaket „Für ein starkes Sachsen“ und die Veröffentlichungen des Sachsen-Monitors im November desselben Jahres. Mit Blick auf einige Ergebnisse des Sachsen-Monitors sollten sich die Experten keine Denkverbote bei der Erstellung des Handlungskonzepts auferlegen.
Als Resultat eines mehrmonatigen Prozesses, der hier schon oft erwähnt wurde, entstand das Konzept „W wie Werte“ als verbindlicher Handlungsrahmen für Schule mit 31 Handlungsempfehlungen. Fachleute des SMK, der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung und des Sächsischen Bildungsinstitutes prüften die unterbreiteten Vorschläge und sprachen Umsetzungsempfehlungen aus.
Am 25. September 2017 wurden diese Ergebnisse auf einem Fachtag in der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung vorgestellt. Demnach werden wir 21 Handlungsempfehlungen zeitnah in Umsetzung bringen.
Ich habe mich nach meinem Amtsantritt mit den noch offenen Vorschlägen befasst. Durch die Ereignisse der letzten Woche und die Diskussionsbeiträge der Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten vorgestern in der Dreikönigskirche – auf der jedes zweite Wort „Schule“ war – wurde ich in meiner Entscheidung für eine konkrete Empfehlung bestärkt: Ich lasse derzeit in meinem Haus die Anerkennung der Klassenleitertätigkeit prüfen. So möchte ich zukünftig dafür eine bezahlte Mehrarbeitsstunde ausreichen. Diese Maßnahme darf auf keinen Fall zulasten der Unterrichtsversorgung umgesetzt werden.