Erstens. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass das Lehramt für Förderschulpädagogik durch das Lehramt für inklusive Pädagogik ersetzt wird. In der Begründung heißt es, dies sei nicht zuletzt ein signifikanter Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf brauchen aber hoch spezialisierte Lehrer, und sie brauchen speziell auf sie zugeschnittene Schulen. Es wird daher weiter erforderlich sein, Förderschullehrer auszubilden und die Förderschulen zu erhalten. In diesem Sinne wurde in der Anhörung zum Gesetzentwurf deutlich vor der Abschaffung des Lehramts für Förderschulpädagogik gewarnt. Ich zitiere die Sachverständige, Frau Prof. Langner, aus der öffentlichen Anhörung. Frau Prof. Langner sagte – bitte genau aufpassen: "Auch wenn wir keine Sonderschule mehr hätten, wäre die Sonderpädagogik als Pädagogik unbedingt notwendig."
Zum Zweiten wollen die GRÜNEN die Lehramtsausbildung von Schularten auf Schulstufen umstellen. Dies solle den schulartübergreifenden Einsatz von Lehrern ermöglichen. Dieser flexible Einsatz von Lehrern solle zudem ein Mittel zur Reduzierung des Lehrermangels sein. Was ein flexibler Einsatz von Lehrern bedeutet, sehen wir schon heute. Lehrer müssen schon heute an Schularten unterrichten, für die sie nicht ausgebildet sind, oder sie werden von einer Schule mit wenig Stundenausfall zu einer Schule mit mehr Stundenausfall geschickt. Das nennt man dann Abordnung. Die AfD nennt es einen Verschiebebahnhof. Eine schulstufenbezogene Ausbildung reduziert nicht den Lehrermangel. Mangel bedeutet, es fehlt etwas, was gebraucht wird. Um den Mangel zu beheben, brauchen wir mehr Lehrer und keine schulstufenbezogene Ausbildung.
Drittens. Am deutlichsten zeigt sich die Schwäche des Gesetzentwurfs in der geplanten Umstellung der Lehramtsausbildung vom Staatsexamen auf Bachelor und Master. Jeder wird sich daran erinnern: Ein solches Hin
und Her zwischen Staatsexamen und Bachelor/Master gab es im Freistaat schon einmal. Letztlich hat sich Sachsen aber aus gutem Grund dazu entschlossen, die Lehrerausbildung als Staatsexamen zu führen. Nahezu alle Sachverständigen haben sich in der Anhörung übrigens ausdrücklich gegen die Wiedereinführung des Bachelor/Master und damit eindeutig für das Staatsexamen ausgesprochen. Das Staatsexamen ist bewährt, es ist anerkannt, und es ist beliebt.
Ich halte fest: Der vorliegende Gesetzentwurf stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die aktuelle Lehrerausbildung und in die Struktur sächsischer Schulen dar. Dieser Eingriff ist durch nichts zu rechtfertigen. Die AfD wird den Gesetzentwurf daher ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Was derzeit mit dem Thema Lehrer zu tun hat, findet aktuell eine starke Medienpräsenz. Das ist natürlich verständlich. Wir wissen es alle: Lehrermangel, Unterrichtsausfall, Altersstruktur der Lehrkräfte, neuer Kultusminister, Verbeamtung usw. usf. All dies sind aktuelle Problemlagen im System Schule.
So hat auch der vorliegende Gesetzentwurf der GRÜNEN entsprechendes mediales Echo erhalten. Sowohl zum Zeitpunkt der Einbringung in den parlamentarischen Gang, später zur öffentlichen Anhörung und auch heute im Rahmen des Plenums wird darüber viel berichtet. Das Thema Lehrerausbildung gehört allerdings nicht wirklich zu den ganz aktuell zu bewältigenden Baustellen im Bereich Schule. Das ist grundsätzlich
nicht schlimm und auch kein Grund, sich mit dem Thema nicht zu befassen. Gerade jetzt aber in die Großbaustelle Schule/Lehrer noch eine zusätzliche, nicht unerhebliche Aufgabe zu implementieren, würde das System wohl vor zu große Herausforderungen stellen. Von daher war es natürlich ein richtiger Schritt der Fraktion der GRÜNEN, das ursprüngliche Inkrafttreten zum 1. Oktober 2018 mit dem Änderungsantrag auf 2020 zu verschieben. Alles andere wäre illusorisch gewesen. So bleibt den Hochschulen etwas mehr Zeit.
Damit wurde zwar einer der Gründe, warum die Abgeordneten der blauen Gruppe diesen Gesetzentwurf ablehnen, beseitigt, doch dies war nicht der einzige Grund.
Ein weiterer Grund ist die im Gesetzentwurf angedachte Rückkehr zum Bachelor-Master-System. Wir haben es schon von Vorrednern gehört. Diesen Versuch gab es 2007, Jahre später wurde er mit der Rückkehr zum Staatsexamen wieder eingestampft. Und jetzt soll ein drittes
Mal eine solche strukturelle Änderung vollzogen werden? Das ist nicht nur sportlich, das ist auch unsinnig.
Darüber hinaus kann ein Absolvent mit einem Bachelorabschluss im Lehramt absolut nichts anfangen. Der Abschluss ist nicht berufsqualifizierend. Diesbezüglich gab es auch Einigkeit in der Anhörung. Hier wurde von den Sachverständigen eine Rückkehr zum Bachelor und Master größtenteils abgelehnt. Es ist schade, dass der Änderungsantrag der GRÜNEN das nicht aufgegriffen hat.
Ansonsten herrschte allerdings wenig Konsens in der Sachverständigenanhörung. Auch das ist ein Grund für unsere Ablehnung. Zwar waren die Sachverständigen der Meinung, dass das Thema wichtig sei. Daneben gab es aber verschiedenste Kritikpunkte am Gesetzentwurf, unter anderem an den Ausführungen zu den Praxissemestern oder dazu, dass die im Gesetzentwurf aufgezeigte Lehrerausbildung nicht zur derzeitigen Schulstruktur passe und daher kaum umsetzbar sei.
Positiv gesehen wurde die Absicht, die Lehramtsausbildung in ein Gesetz zu fassen. Die Diskussion darüber, worin letztlich aber die Vorteile und gegebenenfalls die Nachteile liegen, kam aus meiner Sicht viel zu kurz. Auch der Begründung zum Gesetzentwurf ist dazu nichts zu entnehmen.
Natürlich ist die Absicherung des Bildungsauftrages Staatsaufgabe. Aber das betrifft doch nicht nur diesen Auftrag. Würde dies möglicherweise bedeuten, dass auch alle anderen für den Staat wesentlichen Ausbildungen demnächst gesetzlich geregelt werden müssten? Hier wird aus unserer Sicht eine Tür aufgemacht, von der wir noch nicht wissen, was sich alles dahinter verbergen kann.
Ja, ein Gesetz gibt einem Thema eine gewisse Priorität und legt die Entscheidung darüber in die Hände der Legislative. Aber sie nimmt diesem Thema auch die Flexibilität, die eine Verordnung hat. Der Begründung des Gesetzentwurfes ist nicht zu entnehmen, was an der Regelung in einer Rechtsverordnung bisher so problematisch war.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ausbildungsinhalte ändern sich und müssen an neue Anforderungen und Regularien angepasst werden. Das ist ganz klar. Das gilt insbesondere für die Lehramtsausbildung. Deshalb wird es nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sich das Hohe Haus mit dieser Thematik befasst.
Als zentralen Aspekt in der weiteren Debatte hinsichtlich einer Anpassung bzw. Neustrukturierung der Lehramtsausbildung sehen wir allerdings das Thema Studienabbrüche. Hier bedarf es fundierter und aussagekräftiger Daten, warum nach wie vor so viele Studenten ihr Studium abbrechen. Erst wenn hier Klarheit herrscht – und die Hoffnung ist berechtigt, dass das mit dem novellierten Schulstatistikgesetz möglich wird –, macht es wirklich Sinn, Reformen zu beginnen.
Dann sollte auch das Thema Eignungstest auf den Diskussionstisch gelegt werden. Der Lehrerberuf ist ein wunder
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Das Thema ist mir wichtig, deshalb muss ich es noch etwas verlängern.
Wir haben bisher nur die Hochschulpolitiker der Fraktionen gehört. Das ist nachvollziehbar, weil Lehrer an Universitäten ausgebildet werden. Aber Lehrer werden für Schulen ausgebildet. Deshalb ist es eine ganz wichtige schulpolitische Frage, welche Zukunft unsere Lehramtsausbildung hat.
Meine Kollegin Fiedler hat in ihrer Rede schon gesagt, dass es natürlich wichtig ist, eine gesicherte finanzielle Ausstattung der die Lehrer ausbildenden Hochschulen zu haben. Das hilft der Qualität der Lehrerausbildung. Natürlich – so hat sie gesagt – haben wir weiterhin Hausaufgaben zur Verbesserung der Lehramtsausbildung zu erledigen. Über diese Hausaufgaben will ich ganz kurz sprechen.
Es ist nicht neu, dass wir diese Hausaufgaben zu erledigen haben. Wir haben am 11. April 2017 mit dem neuen Schulgesetz gemeinsam einen Entschließungsantrag
beschlossen. In diesem haben wir gesagt, dass die Staatsregierung aufgefordert wird zu prüfen, inwieweit es einer Anpassung der Lehramtsprüfungsordnungen bedarf, um zu sichern, dass den Studierenden die zur Umsetzung des Erziehungs- und Bildungsauftrages erforderlichen Fachkenntnisse und die Kompetenzen in erziehungs- und bildungswissenschaftlichen sowie in psychologischen und sozialpädagogischen Fragen vermittelt werden. Diesen Beschluss haben wir nicht einfach so aus Spaß gefasst, sondern ihn ernst gemeint.
Die Schule verändert sich. Die Kinder verändern sich. Die Anforderungen an die Menschen von morgen verändern sich. Natürlich muss sich auch die Lehramtsausbildung verändern. Bei Herrn Jalaß war es am Anfang nur ein Tippfehler, und hier haben nur die Hochschulpolitiker geredet. Er hat aus Versehen gesagt, das SMWK sei zuständig. Nein, es ist das Kultusministerium, das dafür zuständig ist, die Inhalte der Lehramtsausbildung festzulegen. Es ist das Kultusministerium, das sich fragen muss: Ist unsere Lehramtsprüfungsordnung wirklich auf dem Stand, auf dem sie sein sollte? Ist es wirklich wichtig, dass Lehrer in der Ausbildung für Oberschule in Mathematik etwas über nicht-euklidische Geometrie lernen, ein Fachgebiet, das selbst im Abiturlehrplan nicht vorgesehen ist, aber nichts über sozialpädagogische Fragen lernen, wenig Ahnung über Inklusion und sonderpädagogischen Förderbedarf haben, nur kursorisch etwas über Psycholo
gie der Kindheit mitbekommen? Ist das wirklich klug, oder müssen wir unsere Lehrkräfte nicht anders ausbilden?
Das sind die Hausaufgaben, die vor uns stehen, die es seit dem 11. April zu erledigen gilt und von denen ich hoffe, dass sie bald erledigt werden. Wir werden unser Bestes dazu tun.
Ich will noch etwas zu Frau Wilke sagen: Frau Wilke, Sie sagen, dass die schulstufenbezogene Lehramtsausbildung den Lehrermangel nicht reduziere. Hier irren Sie. Sie wird den Lehrermangel langfristig reduzieren helfen.
Was ist das, was wir jetzt tun? Wir sehen zu, wie die Leute mit den Füßen abstimmen, und reagieren nicht. Wir haben an den Hochschulen fein nach Schularten getrennte Studiengänge. Man wird Grundschullehrer, Oberschullehrer oder Gymnasiallehrer. Wir stellen fest, dass es für die Studienplätze, die wir für das Lehramt Gymnasium haben, doppelt so viele Bewerber wie Plätze gibt. Die sind überzeichnet. Bei den Oberschulen haben wir allerdings ein Defizit, weil die Bewerber sagen, dass sie lieber Gymnasium als Oberschule studieren, weil sie als Gymnasiallehrer später flexibler einsetzbar sind. Sie können an die Oberschule gehen. Aber kein Oberschullehrer kann an einem Gymnasium unterrichten.
Da müssen wir uns fragen: Können wir uns das wirklich noch so leisten, fein sortiert nach Schubladen auszubilden, oder ist es nicht klüger zu sagen, dass wir in die Stufenausbildung gehen und nicht mehr diesen Unterschied machen? Natürlich haben 14-jährige Gymnasialschüler und 14-jährige Oberschüler viel mehr gemeinsam als zehnjährige Gymnasialschüler mit 18-jährigen Gymnasialschülern. Die Vorstellung, dass die schulartbezogene Lehramtsausbildung etwas Kluges ist, hatte sicher einmal ihre Berechtigung. Sie ist jetzt aber überholt. Hätten wir in diesem Land vor zehn Jahren zur Schulstufenausbildung umgestellt, dann hätten wir den Lehrermangel heute so nicht, dann hätten wir nicht Tausende schulartfremde Einsätze, sondern Lehrkräfte, die an den Oberschulen und Gymnasien gleichermaßen unterrichten könnten und helfen würden, den Lehrermangel an der Oberschule zu stoppen.
Insofern ist – davon bin ich überzeugt – der Einstieg in die schulstufenbezogene Ausbildung eine ganz klare Stärkung der Schulart Oberschule. Wir haben immer gemeinsam beteuert, dass diese Schule das Rückgrat des sächsischen Bildungssystems ist. Ich denke, wir sollten dann so handeln und die Lehramtsausbildung so gestalten, dass die Oberschule wirklich gestärkt wird.
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das scheint nicht der Fall zu sein. Dann erteile ich jetzt Frau Staatsministerin das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es äußerst anerkennenswert, Frau Dr. Maicher, dass sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durch die Erarbeitung des Gesetzentwurfes so intensiv mit der Lehrerausbildung im Freistaat Sachsen auseinandergesetzt hat.
Ich hätte mir sogar an der einen oder anderen Stelle noch mehr Mut gewünscht. Warum bleiben Sie bei der ZweiPhasen-Ausbildung, nämlich hier Hochschule, dort Schule/Referendariat? Warum bleiben Sie bei den beiden Fächern und lassen nicht eine Ein-Fach-Lehrerausbildung, wie es in Europa üblich ist, zu? Warum machen Sie nicht eine dritte Phase, nämlich die Einstiegsphase, die wir seit Jahren bundesweit in der Lehramtsausbildung diskutieren? Vieles mehr fiele mir ein, denn die Diskussion um die Lehramtsausbildung ist fast so alt wie die Lehramtsausbildung selbst.
Wir haben es leider versäumt, 1990 diese Diskussion zu führen. Wir haben ein System der Lehramtsausbildung aus den westdeutschen Bundesländern übernommen, das uns heute vor große Probleme stellt und im Jahr 1990 schon 30 Jahre in der Bundesrepublik kritisiert worden ist.
Jetzt ist die Frage: Wie gehen wir mit dieser Lehramtsausbildung um? Wie gestalten wir sie weiter? So wichtig ein Lehrerbildungsgesetz auch für Sachsen wäre und so wichtig diese Diskussion um die Lehrerbildung ist, so wird es uns aktuell nicht dabei helfen, den Mangel an genügend Bewerbern für die freien Stellen an den sächsischen Schulen zu beseitigen. Es wird uns auch nicht dabei helfen, den Mangel an Bewerbern – Sabine Friedel hat es gerade gesagt – für ein Lehramtsstudium in bestimmten Fächern, zum Beispiel den Naturwissenschaften und Schularten der Oberschule oder – um sie auch einmal zu erwähnen – den Berufsschulen, lösen zu können. Das dramatische Problem besteht nämlich in den Metall- und Elektroberufen der Berufsschulen.
Dennoch war es wichtig, sich mit dem Entwurf eines Lehrerbildungsgesetzes sehr ausführlich zu beschäftigen und mit der Anhörung der Experten wichtige Hinweise für einen künftigen Gesetzentwurf zu erhalten.
Die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern hat eine Schlüsselstellung und sollte daher mehr Beachtung erhalten, als das bisher der Fall ist. Lehrerinnen und Lehrer legen den Grundstein für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, für die Kompetenzen der nächsten Generation, für die Wissenschaft sowie für die Unternehmen.
Daher wäre es mir wichtig, die Lehrerbildung statt mit einer ministeriellen Verordnung – nämlich der Lehramtsprüfungsordnung I und II – mit einem gesellschaftlich breit diskutierten und vom Parlament verabschiedeten Gesetz zu untersetzen, wie es in den meisten Bundesländern auch der Fall ist. Dazu bedarf es aber politischer Mehrheiten, weil – es ist auch angesprochen worden – das Kultusministerium eine gewichtige Rolle – das ist auch