Vielen Dank, Herr Präsident! An dieser Stelle kann man ein paar Dinge nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen, die hier von der AfD vorgetragen wurden. Ich möchte deutlich widersprechen; denn ich finde, es ist die Aufgabe von Politikerinnen und Politikern und insbesondere von Ministerinnen und Ministern, da zu sein, wenn es irgendwo Probleme gibt, und sich nicht zu drücken.
Das Zweite ist: Das Ziel der AfD in dieser Debatte ist es, die Verantwortung für die Situation bei Siemens nicht mit dem Unternehmen zu klären, sondern dafür der Politik – also „denen da oben“ – die Schuld zuzuschieben. An dieser Stelle haben Sie die Brücke gewählt zu behaupten,
Dazu muss man klar und deutlich feststellen – das hat der Abg. Baum auch getan und deshalb haben Sie das wider besseres Wissen hier behauptet –, dass der Export von Gasturbinen durch die Russland-Sanktionen eben nicht verboten ist. An dieser Stelle wird noch einmal klar, wie Sie versuchen, mit Unwahrheiten – man könnte es auch Lügen nennen – diese Debatte zu vergiften. Ich denke, das wird der schwierigen Situation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Görlitz und in Leipzig nicht gerecht.
Ich habe nichts dagegen, dass wir als Politiker da sind und den Leuten unsere Solidarität und Sympathie bekunden, wenn sie in einer schwierigen Situation sind. Sie aber versuchen die Verantwortung, die Sie für die Arbeitsplätze im Land haben, bei den Unternehmen abzuliefern. Unternehmen erwirtschaften Gewinn, und wenn sie gut sind, dann entstehen dabei auch Arbeitsplätze. Sie, Ihre SPDFraktion, und auch die CDU vertreiben die Unternehmen aus Sachsen.
(Christian Piwarz, CDU: Haben Sie eigene Vorschläge? Das ist ein großer Haufen Nichts! – Weitere Zurufe von der CDU)
Ich möchte noch etwas klarstellen. Sie müssen es auch schaffen, über den sächsischen Tellerrand hinaus zu schauen. Sie wissen, dass Görlitz nicht alleine ist.
Görlitz gehört zu einem großen Konzern, und Sie wissen, dass die Kraftwerkssparte sowohl unter den Exportbeschränkungen nach Russland leidet als auch unter dem eingebrochenen europäischen Kraftwerksmarkt. Denken Sie bitte nicht nur im Klein-Klein, sondern es ist ein großer Konzern. Sie wissen, es soll nach Mülheim verlagert werden, und das ist der Hintergrund, warum wir diese Arbeitsplatzverluste in Görlitz haben werden.
Also, bitte, denken Sie groß. Wir sind nicht nur in Sachsen. Die Welt ist groß und vernetzt, und das wissen Sie.
(Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Das müssen Sie mal bedenken, dass die Welt groß ist! – Weitere Zurufe von den LINKEN)
Bevor wir in der Rederunde fortfahren, sehe ich eine weitere Kurzintervention von Octavian Ursu, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Kollege.
Sie verstehen auch nicht – das wurde hier mehrmals gesagt –: In Görlitz werden keine Großturbinen produziert. Es werden kleine bis mittelgroße Turbinen für ganz spezielle Industriezweige produziert. Das hat mit dem Thema, das Sie hier die ganze Zeit ansprechen, nichts zu tun. Aber Sie wollen es nicht verstehen. Sie tun so, als würden Sie es nicht verstehen, und vielleicht verstehen Sie es auch nicht.
Vielen Dank, Herr Präsident! Herr Ursu, ich sage es auch für Sie noch einmal – ich weiß nicht, ob Sie gerade zugehört haben –: Wir alle wissen, dass es in Görlitz darum geht, dass die Produktion aus Görlitz eventuell nach Mülheim verlagert wird. Der Grund dafür ist, dass die Kraftwerkssparte bei Siemens unter Druck steht. Ich bitte Sie noch einmal als kleiner Regionalpolitiker: Versuchen Sie nicht klüger zu sein als ein Unternehmen.
Siemens wirtschaftet sehr gut. Wir haben es gehört. Siemens hat einen Rekordgewinn eingefahren. Sie müssen nicht die Siemens-Manager belehren. Sie sind ein kleiner Regionalpolitiker.
(Staatsminister Martin Dulig: Überlegen Sie doch mal, wo die Sozialpläne billiger sind! – Zurufe von den LINKEN – Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)
(Christian Piwarz, CDU:Was sind Ihre Vorschläge, Herr Urban?! – Weitere Zurufe von der CDU und der SPD)
Dann sollten Sie sich am Kopf kratzen und fragen, was Sie als Politiker, die für dieses Land verantwortlich sind, falsch gemacht haben.
Jetzt sehe ich keine weiteren Kurzinterventionen, und wir müssen auch nicht weiter reagieren. Es geht weiter in der Rederunde. Herr Dr. Lippold, Sie haben für die Fraktion GRÜNE das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute ist er 201. Geburtstag des Werner von Siemens, eines Mannes, der nicht nur Technikpionier war, sondern für ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Unternehmertum stand.
Siemensstadt und andere Werkssiedlungen, soziale Einrichtungen und Instrumente sind Beleg dafür, dass man vor 100 Jahren im Siemens-Management sehr wohl wusste, dass man das eigene sozioökonomische Umfeld im besonderen Maße pflegen muss, um den größten Schatz, eine loyale, qualifizierte und engagierte Belegschaft, für das Unternehmen zu bewahren. Das Unternehmen kümmerte sich mit viel Geld um sein soziales Umfeld, und das zu einer Zeit, als Wettbewerber nicht im Traum daran dachten, dafür Gewinne zu schmälern.
Man könnte meinen, das Unternehmen hätte sich damit einen Wettbewerbsnachteil auferlegt. Doch das Gegenteil ist der Fall. Genau das entwickelte sich zu einem Wettbewerbsvorteil und wurde zu einer Voraussetzung für die Entwicklung zu einem weltweit führenden Unternehmen.
Das hat Spuren hinterlassen. Corporate Citizenship – gesellschaftliches Engagement – bezeichnet Siemens heute als integralen Bestandteil seiner Unternehmensstrategie.
Nachhaltigkeit bedeutet für das Unternehmen, verantwortungsvoll zu sein im Umgang mit den Mitarbeitern, dem sozialen Umfeld und den natürlichen Ressourcen; im Sinne zukünftiger Generationen verantwortungsvoll zu handeln und bei Zielkonflikten den Anspruch zu erheben, diese transparent zu machen und die bestmöglichen Lösungen zu finden.
Nun denn, meine Damen und Herren im SiemensManagement, messen Sie Ihr Tun auch in Görlitz und Leipzig an diesen selbst gesetzten Maßstäben!
In einer Aktiengesellschaft wie Siemens muss der Vorstand im Interesse der Aktionäre handeln; das ist ganz klar. Aktionäre interessieren oft nur Zahlen mit Währungseinheiten hintendran. Doch auch dann ist es möglich, die Verantwortung für das Umfeld mit einzupreisen, wenn man den Betrachtungshorizont erweitert.
Politische, soziale Stabilität ist das Substrat am Heimatstandort, auf dem Unternehmen wachsen und global erfolgreich werden können. Auch in Deutschland ist diese Grundlage nicht automatisch gegeben. Der gesellschaftliche Grundkonsens, die stabile Basis bedarf täglicher, ständiger Erneuerung. In der Demokratie, meine Damen und Herren, können nämlich andere, wesentlich unfreundlichere wirtschaftliche Rahmenbedingungen durch Mehrheitsentscheidung herbeigeführt werden. Das ist nicht nur Theorie. Der Schock, der nach der Brexit-Abstimmung durch die britische und weltweite Unternehmenslandschaft ging, sollte doch heilsam gewesen sein.
Dass die wichtigsten US-Unternehmen unisono und eindringlich vor Protektionismus und Beschränkungen im
Waren- und Personenverkehr gewarnt haben und ein per Wahlentscheidung an die Macht gekommener Präsident dies dennoch zu ignorieren gedenkt, ist eine weitere Erkenntnis.
Und bei uns? Wenn auch nur ein Bruchteil der Vorstellungen, die auch hier im Hause unter dem Etikett einer Alternative für Deutschland vertreten werden, zur Umsetzung käme, so wäre das ein Nackenschlag sondergleichen für global agierende europäische Unternehmen.
Dass so etwas nicht undenkbar ist, hat soeben die noch stärkste Kraft in diesem Parlament, die sich auch als Wirtschaftspartei sieht, zu spüren bekommen. Das hat sie nämlich den Wahlkreis Görlitz gekostet – –