Protokoll der Sitzung vom 13.12.2017

So müssen Unterschriften im Fall eines sogenannten kassatorischen Bürgerbegehrens, also eines Bürgerbegehrens, das sich gegen einen Ratsbeschluss richtet, innerhalb von drei Monaten gesammelt werden.

Für die Stadt Leipzig bedeutet das beispielsweise, dass in einem solchen Fall bei einem derzeit gültigen Quorum von 5 % mehr als 22 000 Unterschriften binnen drei Monaten gesammelt werden müssen, und zwar ausnahmslos sowohl in den kalten Wintermonaten, wenn es stürmt und schneit, als auch während der Sommerferien, wenn die Menschen im Urlaub sind.

(Staatsminister Markus Ulbig: Demokratie ist keine Schönwetterveranstaltung!)

Das ist für eine durchschnittliche Bürgerinitiative regelmäßig kaum zu schaffen. Es stellt die Menschen, die sich in Bürgerinitiativen organisieren, vor erhebliche Schwierigkeiten in der Praxis.

Es wird Ihnen aufgefallen sein: Ich habe eben die Stadt Leipzig als Beispiel herangezogen. Ich will jetzt auf ein Beispiel aus der Landeshauptstadt zu sprechen kommen. Es hat hier vor nicht allzu langer Zeit ein Bürgerbegehren für mehr Sonntagsshopping gegeben. Das wurde damals von CDU, FDP und mehreren Einzelhandelskonzernen angezettelt. Es standen also sowohl Parteiapparate als auch einiges an Geld zur Verfügung. Das Bürgerbegehren, das unter ganz maßgeblicher Führung des ehrenwerten Kollegen Hartmann betrieben wurde, blieb gleichwohl erfolglos. Es war ihm also nicht gelungen, innerhalb von drei Monaten die nötige Zahl von 22 000 Unterschriften zu sammeln.

Ich neige nun zu folgender Einschätzung, meine Damen und Herren: Die durchschnittliche Bürgerinitiative dürfte sowohl organisatorisch als auch personell und finanziell weniger gut ausgestattet sein als CDU & Co. und deshalb noch viel stärker mit den gegenwärtigen Hürden zu kämpfen haben.

Dieses kleine Beispiel, bei dem es nicht einmal unserer großartigen Staatspartei gelungen ist, die in Sachsen

geltenden Hürden für Bürgerbegehren zu überwinden, könnte doch Anlass dafür sein, einmal darüber nachzudenken, ob hier nicht eventuell doch Änderungsbedarf besteht, selbstverständlich natürlich nur dann, wenn man mehr Demokratie will. Sonst sollte man alles so lassen, wie es ist.

Ein weiterer Vorschlag der Fraktion DIE LINKE besteht darin, die Fraktionen in den Gemeinderäten und Kreistagen zu stärken, indem Minderheitenrechte, die bisher einem Fünftel der Ratsmitglieder vorbehalten waren, nunmehr auch für jede Fraktion gelten sollen. Sachsen folgte damit entsprechenden Regelungen in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Aufzählung dieser vielen Bundesländer macht doch deutlich, dass man darüber durchaus nachdenken könnte.

Zudem wollen wir eine verbindliche Regelung zur Finanzierung der Fraktionen in den Gemeinden und Kreistagen einführen und diese damit gegenüber den Verwaltungsapparaten, Bürgermeistern und Landräten stärken; denn Folgendes ist doch ein großes Problem: Die Gemeindeapparate verfügen zum Teil über Hunderte, über Tausende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über enorme Fachkompetenz; die Hauptorgane der Gemeinden sind aber die Gemeinderäte, die Hauptorgane der Kreise sind die Kreistage. Dementsprechend muss man sie natürlich auch ausstatten.

Diese Ausstattungen sind vielfach sehr stiefmütterlich. Wenn man daran etwas ändern will, damit sie ihrer Rolle als Hauptorgan, als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger gerecht werden, dann müssen wir dort etwas machen. Es gibt in der Praxis auch zahlreiche Beispiele, wo das hochumstritten ist und man sich auch vor Gericht wiedertrifft und dort tatsächlich um die Fraktionsfinanzierung ringt. Deshalb sagen wir, es muss eine verbindliche Regelung zur Mindestfraktionsausstattung her, und dies schlagen wir Ihnen vor.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Über die Stärkung der Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung durch die Anwendung der Ortschaftsverfassung haben wir bereits im vorhergehenden Tagesordnungspunkt ausführlich diskutiert, weshalb ich mir an dieser Stelle erlaube, auf unnötige Wiederholungen zu verzichten.

Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE ist wahrlich ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie. Deshalb rufe ich Sie auf: Stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun die CDUFraktion; Herr Hartmann, bitte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Präsidentin! Ich bin mir jetzt nicht

sicher, ob Sie gerade das lebendige Beispiel dafür geben, wer hier eigentlich wen hinter die Fichte führen will; aber gut.

Der Titel Ihres Gesetzentwurfs „Gesetz der Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und der Mitwirkungsmöglichkeiten der ehrenamtlichen Gemeinde- und Kreisräte sowie zur Erleichterung der Verfahren zur Beteiligung von Einwohnerinnen und Einwohnern an den lokalen Entscheidungen im Freistaat Sachsen“ ist zumindest erst einmal irreführend. Oder anders gesagt: Sie werben mit Versprechen, die Sie letztlich auch mit diesem Gesetzentwurf nicht halten können. Statt zu stärken und zu erleichtern, erreichen Sie mit den Vorschlägen in Ihrem Gesetzentwurf nicht selten das Gegenteil davon, und es ist wahrlich eher ein Beitrag zur Problematisierung und Bürokratisierung als zu mehr Demokratie.

Der CDU-Fraktion geht es in allen kommunalrechtlichen Fragen immer um die Wahrung eines Gleichgewichts. Da erinnere ich an die Ausführungen, die ich zum Ende meiner ersten Rede zum letzten Tagesordnungspunkt vorgetragen habe. Wir brauchen starke, handlungsfähige Kommunen mit starken Räten und Fraktionen, die den Gedanken der kommunalen Selbstverwaltung bei ihrer Arbeit umsetzen können. Gleichzeitig war es uns ein Anliegen, die Mitwirkungsrechte zu verbessern. Ich verweise gleichwohl auch auf die Zuständigkeiten der Gemeindeverwaltung und des Bürgermeisters und vielleicht auch in diesem Kontext auf die Bürgerinnen und Bürger und die Einwohner einer Gemeinde.

Mit dem Beschluss des Zweiten Gesetzes zur Fortentwicklung des Kommunalrechts ist das, was aus unserer Überzeugung heraus Zielsetzung ist, durchaus Realität. Schon aus diesem Grund ist der Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE nicht vonnöten. Lassen Sie mich trotzdem auf ein paar inhaltliche Punkte des Gesetzentwurfes eingehen, um zu verdeutlichen, was Inhalt dieser Mogelpackung ist.

Da geht es los mit § 24, Bürgerentscheid, Frage oder Entscheidungsvorschlag: Derzeit dreht sich ein Bürgerentscheid immer um eine konkrete Frage, die mit Ja oder Nein durch die Bürgerschaft zu entscheiden ist. Das Ganze auf einen Entscheidungsvorschlag zu erweitern, würde dem Ansinnen eines Bürgerentscheides widersprechen, eine klare Entscheidungsgrundlage über einen konkreten Sachverhalt zu erhalten, da ein Entscheidungsvorschlag im Begriff und im Inhalt schon impliziert, über einen konkreten Sachverhalt zu entscheiden, und zusätzliche Aspekte in den Entscheidungssachverhalt einbringt, die sicherlich nicht in jedem Einzelfall mit Ja oder Nein zu beantworten wären.

Im Übrigen verweise ich an dieser Stelle darauf, dass es originäre Sache des Gemeinderates ist, genau diese Abwägung und Entscheidung vorzunehmen, und nur in den Fragen der bürgerlichen Beteiligung, bei denen es darum geht, bereit zu sein, Themen, Prozesse oder Entscheidungen in die eine oder in die andere Richtung zu wollen.

§ 25, Bürgerbegehren, Absenkung der Quoren: Nun ist das mit den Quoren eine Diskussion, die so alt ist wie die Debatte um die Gemeindeordnung im Freistaat selbst. Im Übrigen haben wir die Quoren mit Inkrafttreten der letzten Novelle zur Gemeindeordnung zum 1. Januar 2014 bereits einmal abgesenkt, nämlich auf die jetzt entsprechend bekannten 5 %.

Nun muss man aber auch einmal einen Zusammenhang zwischen einem Quorum für ein Begehren und den entsprechenden Quoren für einen Entscheid herstellen. Da will ich schon einmal Folgendes sagen: Man muss natürlich mit einem Bürgerentscheid schon irgendwann die Messlatte haben, ob man eine Mehrheit der Bürger hinter dem Ofen hervorholt und die Zustimmung für das Anliegen erreicht. Herr Schollbach, wir bleiben einmal beim Dresdner Beispiel. Zum Ende mussten wir mit der Diskussion über die Fragestellung verkaufsoffener Sonntage in der Landeshauptstadt Dresden zur Kenntnis nehmen, dass es nicht die Mehrheit und noch nicht einmal die für das Quorum Erreichbaren hinter dem Ofen hervorgeholt hat. Das ist dann zu respektieren.

Eine weitere Fragestellung ist, wie ein Gemeinderat mit einem solchen Nichterreichen eines Quorums umgeht. Ob man dann sagt, man macht ein Ratsbegehren daraus oder nicht, das ist Ermessen des Gemeinderates. Aber ich halte es durchaus für richtig, dass nicht jede Sau durch das Dorf, durch die Gemeinde getrieben wird, sondern dass man auch bei einem Quorum zumindest eine gewisse Angemessenheit unterstellen kann und soll.

Wenn ich jetzt einfach einmal sage, dass nach aktueller Statistik Leipzig wohl Pi mal Daumen 580 000 Einwohner hat, dann muss man, wenn man keine 20 000 hinter dem Ofen hervorholen kann, sich für ein Thema zu interessieren, auch irgendwann einmal über die Ernsthaftigkeit des Themas diskutieren. Ansonsten beschäftigen wir nämlich Verwaltungsstrukturen mit irrelevanten Themen. Da muss man sich ein bisschen an die Demokratie erinnern: Demokratie ist im Zweifel immer noch die Mehrheitsentscheidung und das Entscheidungsbewusstsein der Mehrheit unter Schutz der Minderheitenrechte und nicht die Implementierung der Minderheitenrechte über die Diskussion der Mehrheit.

(Beifall bei der CDU)

Zu § 35 a und b, Fraktionen, Mindestgröße von Fraktionen, Finanzierung der Fraktionen: Ich wiederhole mich an dieser Stelle, aber bei Ihnen zumindest hat sich als bewährtes Mittel erwiesen, ständig zu wiederholen, auch wenn die Erfolgsbilanz noch nicht sehr hoch war; aber ich wiederhole auch an der Stelle gerne.

Zur Fraktionsfinanzierung: Schon jetzt sagt die Sächsische Gemeindeordnung: Es ist Sache des Gemeinderates; denn er hat die Finanzhoheit.

Der Gemeinderat als Hauptorgan entscheidet über die Haushaltsansätze der Gemeinde und damit auch über die Fragestellung von Entschädigungssatzung, Fraktionsfinanzierung und Mitarbeiterbereitstellung. Es ist eine

durchaus legitime Diskussion – und da wiederhole ich mich –, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit Minderheitenstrukturen an der einen oder anderen Stelle ernsthafte Berücksichtigung finden. Da sehe ich schon eine Steuerungsverantwortung und eine entsprechende Hinweis gebende Verantwortung bei den rechtsaufsichtlichen Strukturen. Gleichwohl reden wir über einen Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung, die Entscheidungskompetenz des Hauptorgans.

Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie auf der einen Seite die kommunale Selbstverwaltung als Schwerpunkt der Diskussion nehmen oder ob Sie das Ganze über einen steuerungspolitischen Ansatz betreiben. Sie können nicht über alles hin- und herspringen – Sie können es schon –, aber dann müssen Sie sich auch mit der Situation auseinandersetzen, dass wir Sie an der einen oder anderen Stelle stellen.

Auch die Frage der vermeintlichen Beteiligung der Fraktionen kann man durchaus so sehen. Wir sind der Überzeugung, der Gemeinderat ist ein Hauptorgan. Dieses Organ entscheidet in der Mehrheit seiner Organschaft. Wir reden also auch über Rechte des Organs und nicht über Individualrechte des einzelnen Stadtrates.

(Petra Zais, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Dann muss es legitim und richtig sein, dass es ein Quorum gibt, das nicht in der Beliebigkeit von Fraktionsgrößen definiert ist. Deshalb sagen wir, dass das jetzige Quorum an der Stelle richtig ist, zumal man sich überlegen muss, was im Zweifel eine Fraktionsbindung in der Kombination zweier Stadträte oder Gemeinderäte bedeutet. Das ist eine Sichtweise, Herr Schollbach, die man im Übrigen nur haben kann, wenn man die Stadtrats- und Gremienarbeit immer mit der Brille einer großen kreisfreien Stadt beurteilt und nicht auf die Sichtweise kleinerer Kommunen eingeht. Diese können – wir haben auch ehrenamtliche Bürgermeister unter uns – durchaus einen Beitrag erhellender Natur leisten, wie es mit der Fraktionsbildung in kleinen Kommunen aussieht und dass es dort oft ohne Fraktionsstatus um ein konstruktives Miteinander geht. Da gilt es auszugleichen und abzuwägen.

Deshalb: Die Quoren des Hauptorgans sind sinnvoll, und es bedarf dieser Form einer vermeintlichen Plazebobeteiligung nicht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, Herr Präsident.

Bitte, Frau Kollegin Zais.

Sie schaffen das ja, ohne Luft zu holen, Kollege Hartmann. – Danke, Herr Präsident.

Er hat eine gute Lunge.

Deshalb noch einmal ein ganzes Stück zurück, denn das war eben ein Kettensatz. Eine Frage zum Thema Fraktionsfinanzierung: Sie haben rhetorisch die Frage gestellt, ob es nicht notwendig wäre, vielleicht doch politisch zu steuern. Wie schätzen Sie das zum Beispiel mit dem Blick auf die Fraktionsfinanzierung ein, wenn man die großen kreisfreien Städte und die Kreistage vergleicht? Es gibt erhebliche Unterschiede, selbst zwischen den kreisfreien Städten, die durch nichts gerechtfertigt sind.

Doch, sie sind durch etwas gerechtfertigt.

(Petra Zais, GRÜNE: Ach so!)

Nämlich durch das tatsächliche Momentum der kommunalen Selbstverwaltung. Es ist eine erste Ermessensentscheidung der Stadt Leipzig, der Stadt Chemnitz, der Stadt Dresden, über ihre Hauptorgane Gemeinderäte darüber zu befinden, welcher Art der Fraktionsausstattung und Fraktionsfinanzierung sie sich öffnen. Wenn der Stadtrat zu Dresden eine Personalausstattung und eine Fraktionsfinanzierung definiert, dann ist das Kernbestand der kommunalen Selbstverwaltung. Wenn das in Leipzig und Chemnitz passiert, ist es das gleichermaßen. Das Hauptorgan entscheidet über Umfang und Tiefe. Ich kann mich nicht erinnern, dass es letzten Endes jemand anderes als der Stadtrat entscheidet, und wir haben in der Tat einen erheblichen Unterschied zwischen kreisfreien Städten und Landkreisen.

An dieser Stelle gilt es, Herrn Schollbach zuzurufen – er hat das vorhin im letzten Tagesordnungspunkt schon einmal pauschal gesagt –: Es gibt einen erheblichen Unterschied zwischen dem Landkreis und der kreisfreien Stadt. Die kreisfreie Stadt ist Landkreis und Gemeinde in einem. Der Landkreis hat an der Stelle nur die eine Teilfunktion. Deshalb sind in seinem Zuständigkeitsbereich auch kreisangehörige Kommunen angesiedelt. Dort überlagern sich zwei Zuständigkeitsebenen. Das macht es manchmal einfacher, manchmal komplizierter. Aber insoweit hat der Kreistag eine beschränktere Funktion, als der Gemeinderat in der kreisfreien Stadt. Insoweit bleibt es dabei, dass der Kreistag über Fraktionsausstattung, Fraktionsfinanzierung entscheidet, und das wird unterschiedlich genutzt.

Im Übrigen haben wir in der Koalition die Diskussion, dass es durchaus einen oder zwei Landkreise gibt, in denen die Betrachtungen relativ restriktiv sind. Deshalb haben wir uns darauf verständigt, dass es als Erstes eine Frage der Rechtsaufsicht und des Staatsministeriums des Innern ist, hier unterstützend und verfahrensleitend Hinweise zu geben.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)