Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Frau Zais, bitte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einmal zusammengezählt: Allein der Umstand, dass sich neun von 13 Punkten des Feststel

lungsteils im Entschließungsantrag der AfD mit dem Thema Frauenförderung, Geschlechterquote und sexueller Orientierung befassen, zeigt, wie ausgeprägt und zentral der Abwehrreflex der AfD gegenüber jeglicher Art von Liberalität und Vielfalt tatsächlich ist, gleich, ob kultureller oder gesellschaftlicher Art. Sie, Vertreterinnen und Vertreter der Fraktion der AfD, sind das Gegenteil von allem, was eine moderne Gesellschaft heute ausmacht.

Aber wir leben im 21. Jahrhundert. Wer sich diesen Entschließungsantrag anschaut, sieht, wie wichtig es ist, dass wir dieses Roll back in der Gleichstellungspolitik nicht zulassen dürfen, gleich, mit welcher politischen Ausrichtung wir als Demokraten in diesem Landtag sitzen.

Ja, jetzt können Sie ruhig einmal klatschen; das fände ich ganz in Ordnung.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Den Herren von der AfD kann ich nur raten: Machen Sie sich locker und werfen Sie Ihre Verkrampftheit über Bord. Es tut tatsächlich nicht weh, eine Frau als Chefin zu haben.

(Lachen bei der CDU – Christian Piwarz, CDU: Das haben die hinter sich, Frau Zais!)

Frau Petry ist als Stichwort gekommen.

Ich fange noch einmal an. Es tut tatsächlich nicht weh, eine Frau als Chefin zu haben. Es tangiert Sie nicht, wenn ihre Gartennachbarin mit einer Frau verheiratet ist, und es ist zum Beispiel spannend, mit indischen Kollegen zu fachsimpeln. Alles nicht schlimm. Ich sage Ihnen: wirklich nicht schlimm. Aber natürlich ist das für Sie kompliziert und schwierig. Das drückt sich in Ihrem Entschließungsantrag aus, den meine Fraktion natürlich und selbstverständlich ablehnen wird.

Für Herrn Spangenberg habe ich noch den guten Rat, wenn er denn in Berlin aufschlägt,

(Zuruf von der CDU: Einschlägt!)

tatsächlich in die Fraktion hineinzutragen, dass die erste große Bundestagsinitiative der AfD das hier angekündigte Zuwanderungsgesetz ist. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg dabei.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN, der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Alle Fraktionen haben gesprochen. Ich würde jetzt gern zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der AfD kommen. Wer gibt die Zustimmung? –

(Christian Piwarz, CDU: Alle vier!)

Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei wenigen Stimmenthaltungen, wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt. Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Erasmus+ für Sachsen verstärkt nutzen

Drucksache 6/11381, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Die Fraktionen können zu dem Antrag Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, Herr Abg. Schiemann von der CDU. Danach folgen SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Angemeldet ist zusätzlich Frau Kersten. – Herr Schiemann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! 30 Jahre Erasmus-Programm sind 30 Jahre Bildung als Brücke zwischen den freien Nationen Europas. Was 1987 als bescheidenes Austauschprogramm begann, hat sich zu einem bedeutenden Programm für die Jugend Europas entwickelt. Hatten es anfangs 3 000 Studenten genutzt, so werden bis zum Jahr 2020 3 Millionen Menschen unterstützt. Dabei werden besonders junge Menschen in der Zeit ihrer Ausbildung finanziell bei Auslandsaufenthalten unterstützt.

Es besteht zum Beispiel die Möglichkeit, im Ausland zur Schule zu gehen, zu studieren oder eine Aus- oder Fortbildung zu absolvieren. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit, Arbeitserfahrungen in anderen Ländern zu sammeln oder sich in der Freiwilligenarbeit zu engagieren. Dabei wird das Erlernen von Sprachen unterstützt.

Neben den 28 EU-Mitgliedsstaaten nehmen Norwegen, Island, Mazedonien, die Türkei und Liechtenstein an dem Programm teil. Das aktuelle Erasmus-Programm verfügt in seiner Laufzeit von 2014 bis 2020 über Mittel in Höhe von 14,8 Milliarden Euro.

Nunmehr haben wir die Hälfte des aktuellen Programms überschritten, sodass es dringend notwendig ist, die gesammelten Erfahrungen zu bewerten und klare Botschaften nach Berlin, aber auch in Richtung der Europäischen Union zu senden. Ein Ergebnis ist völlig klar: Künftig, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss das Erasmus-Programm wieder geändert werden. Die Zusammenlegung der Förderbereiche Hochschule, Schule, Erwachsenenbildung und Berufsbildung funktioniert in der Praxis nicht. Wohl hat der Bereich der Hochschulen und besonders die Nutzung des Auslandsstudiums eine gute Fördergrundlage. Für den Bereich der Schulen und der weiteren Zielgruppen ist jedoch in den letzten Jahren ein großer Schaden mit der Zusammenlegung eingetreten. Besonders im Schulbereich hat sich durch die veränderten Förderbedingungen mit der Zusammenlegung zu Erasmus+ ein dramatischer Einbruch bei der Nutzung des Programms ergeben.

Hier muss die Notbremse gezogen werden. Wir müssen wieder zurück zur Subsidiarität im Denken. Die EU

Verwaltung darf nicht zulasten der Jugend Europas ihren Aufwand reduzieren, aber gleichzeitig damit die guten Ziele verfehlen. Das können wir nicht akzeptieren.

Wir wollen, dass Erasmus allen Jugendlichen zugänglich bleibt, in der Schule besonders den Schwächsten in der jeweiligen Klasse. Wir müssen wieder dorthin zurückfinden, wo es im Bereich der Schulen mit den Programmen Comenius, Leonardo und Grundtvig begonnen hat. Wir verschließen uns keinesfalls notwendigen Änderungen. Diese müssen jedoch nutzbar sein. Ziel muss die Verbesserung der Chancen zur Nutzung der europäischen Erasmus-Förderung bleiben. Deshalb brauchen wir eine Stärkung der Jugendbegegnungen über Grenzen hinweg, dies aber nicht nur für die Eliten, sondern auch und gerade für die Schüler, die eine besondere Unterstützung brauchen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir brauchen eine Stärkung der Schulpartnerschaften. Hier würde ich mir mehr Aktivitäten mit Schulen in der Tschechischen Republik und der Republik Polen wünschen. Dies ist eine Grundlage für die Verständigung zwischen den Völkern Europas. Das fördert gleichsam die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Wenn Jugendliche die Sprache, die Kultur und die Besonderheiten der Nachbarländer erfahren, so werden sie auch als Erwachsene mehr für das Verständnis zwischen den Völkern beitragen. Kennenlernen, Austausch und Verständigung führen zu guter Nachbarschaft. Gute Nachbarschaft bleibt ein wichtiges Fundament für den Frieden in Europa.

Wenn Erasmus Erfolg haben soll, muss in den Schulen und in der Berufsausbildung ein Kurswechsel geschehen. Wir fordern deshalb die Vereinfachung der Antragsverfahren, die Erhöhung der Förderquote und die Reduzierung der Eigenmittel für Schulen und gesellschaftlich benachteiligte Gruppen, die Überprüfung der komplexen Abrechnungsverfahren, eine stärkere Förderung von Kleinprojekten, die personelle Stärkung durch Koordinatoren auch für Berufsschulen im Freistaat Sachsen und die Vereinfachung für Projekte mit grenzüberschreitender Schulpartnerschaft zu den Nachbarländern. Die Schulen müssen in der Lage sein, das Erasmus-Programm endlich wieder zu nutzen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich glaube, das ist ganz wichtig, weil wir dort durch diese Zusammenlegung sehr viele Verluste erlitten haben.

Das Erasmus-Programm ist eine wichtige Grundlage, um die Vielfalt Europas zu erleben und kennenzulernen.

Dabei muss Bildung an erster Stelle stehen, so wie es sich Johann Amos Comenius zum Leitwort gemacht hat: „nicht durch Pauken allein, sondern durch Vorbild“. Vorbild – das soll auch für die EU gelten, damit Erasmus für mehr Jugendliche in der Europäischen Union stärker erlebbar wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mehr als 750 000 Menschen in 1 900 Veranstaltungen und Projekten in 44 Ländern – das ist die Bilanz von Erasmus+ im ablaufenden Jahr. Erasmus+, das EU-Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport, fasst seit 2014 die bis dato bestehenden Programme zusammen, um grenzüberschreitende Bildung in der EU zu fördern. So haben seit der Einführung von Erasmus+ bereits 2 Millionen Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund die Gelegenheit ergriffen, im Ausland zu studieren, eine Ausbildung zu absolvieren, sich freiwillig zu engagieren und berufliche, aber auch private Erfahrungen zu sammeln.

Im 30. Jubiläumsjahr von Erasmus, das Ende November feierlich begangen wurde, konnte man deshalb auch eine andere positive Bilanz nachlesen: Es haben bisher nicht nur 9 Millionen Menschen am Programm teilgenommen, sondern nach groben Schätzungen gibt es bereits 1 Million Erasmus-Babys, Kinder also, denen der europäische und interkulturelle Austausch quasi in die Wiege gelegt wurde. Man sieht: Europa verbindet in vielerlei Hinsicht.

Zurück zu den intendierten Programmeffekten. In Zeiten der Globalisierung leistet das EU-Bildungsprogramm einen aktiven Beitrag durch die Vermittlung gegenseitigen Respekts, interkulturellen Verständnisses und eines friedlichen Miteinanders in Europa. Ein Aufenthalt im europäischen Ausland fördert Fremdsprachenkenntnisse und Kommunikation, weitet aber auch den Horizont junger und zunehmend auch älterer Menschen. In der Perspektive wird es hoffentlich einen kontinuierlichen Beitrag dazu leisten, weiteres Vertrauen für die Europäische Union und ihre Institutionen zu gewinnen. Mit dem Blick auf die jüngsten Daten des Sachsen-Monitors müssen wir gemeinsam für mehr Vertrauen und Akzeptanz werben. Dazu kann auch ein gut funktionierendes EU-Programm einen Beitrag leisten.

Die Kolleginnen und Kollegen des Europaausschusses werden sich vermutlich an die interessante Anhörung zu diesem Thema erinnern. Diese war für uns Anlass, den eingebrachten Antrag weiterzuentwickeln und heute diese Debatte im Hohen Haus zu führen.

Wir befinden uns gerade auf Bundes- und europäischer Ebene mitten in den Diskussionen zur Fortführung von

Erasmus+ und zur zukünftigen Ausgestaltung. Dazu wollen wir einen Impuls geben.

Kommissionspräsident Juncker fasste es im Juni dieses Jahres wie folgt zusammen: „Jeder Euro, den wir in Erasmus+ investieren, ist eine Investition in die Zukunft – in die Zukunft eines jungen Menschen und in die Zukunft unserer europäischen Idee. Ich kann mir nichts vorstellen, was investitionswürdiger wäre als diese für die Zukunft so wichtige Generation.“

Anfang November folgte auf dem EU-Sozialgipfel deshalb sein Vorstoß, die Anzahl der Menschen, die an diesem Programm teilnehmen, auf etwa 7,5 % zu verdoppeln, was in der neuen Förderperiode fast 30 Milliarden Euro erforderlich machen würde – ein Ziel, das sich die Staats- und Regierungschefs jedoch zu eigen gemacht haben. Sie sprachen sich für ein deutlich gestärktes, inklusives und erweitertes Erasmus+-Programm aus. Die Richtung stimmt also, und in der Folge gab es in den letzten Wochen erste positive Bewegungen. Ministerrat und EU-Parlament haben das Budget für 2018 um 23 Millionen Euro verstärkt. Künftig stehen 2,3 Milliarden Euro im Jahr zur Verfügung.

Die Forderung nach einem umfänglichen Programm und guter Finanzausstattung ist das eine. Das andere – und wohl der weitaus wichtigere Teil des Antrags – ist der Beitrag, den wir im Freistaat Sachsen selbst leisten können. Abseits der Unterstützung auf europapolitischem Parkett können wir also die Bereiche Beratung und Unterstützung hier vor Ort selbst stärken. Ich blicke in erster Linie auf den Kultusbereich; die Probleme wurden bereits von Kollegen Schiemann angesprochen. Die Anhörung hat deutlich gemacht, dass sowohl in den Schulen als auch bei den Trägern der Weiterbildung mehr Unterstützung sowohl beim Antragsverfahren als auch bei der Abwicklung benötigt wird. Deutlich wurde, dass die bestehenden Koordinatoren eine wichtige Stütze sind, die es zu stärken gilt. Wenn wir wollen, dass mehr Anträge erfolgreich sind, dann sollten wir hier ansetzen.

Die Hochschulen zeigen, dass über Beauftragte und Koordinatoren erfolgreich eine gezielte Beratung sowie Unterstützung im Antragsverfahren erfolgen kann. In Zeiten des Lehrermangels aber sollte diese Aufgabe in den Schulen deshalb nicht unbedingt von Lehrern erledigt werden. Wir brauchen also schulunterstützendes Verwaltungspersonal, und ich hoffe daher persönlich sehr, dass wir auch auf diese Initiative hin im kommenden Doppelhaushalt Aufwüchse vorfinden werden.