Protokoll der Sitzung vom 14.12.2017

Wenn Schulsozialarbeit ausgebaut werden soll, brauche ich vor allem ausgebildete Sozialarbeiter. Für inklusive Bildung brauche ich ausgebildete Förderschullehrer. Für mehr Schulen und Kitas brauche ich mehr Lehrer, mehr Erzieher. Die kann man aber nicht kaufen.

Wenn es also um die Aufhebung des Kooperationsverbotes geht, muss in allererster Linie über Inhalte gesprochen werden. Es muss um eine Qualitätsoffensive gehen. Es muss um die Angleichung von Bildungsstandards gehen,

und es muss um die Förderung von Leistungspotenzialen gehen. All das ist nötig, wenn Deutschland nicht den Anschluss an die internationale Bildungsspitze verlieren will. All das ist nötig, wenn die Menschen, die Familien in unserem Land den Forderungen nach Flexibilität und Mobilität gerecht werden sollen.

Hier müssen sich die Länder zunächst einmal einig werden, wohin die Reise gehen soll. Das Kooperationsverbot aufzuheben – –

Frau Kollegin, die Redezeit ist zu Ende.

Noch zwei Sätze?

Bitte.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Nein!)

Das Kooperationsverbot aufzuheben kann nur in Verbindung mit einer inhaltlichen Diskussion zur Entwicklung der Bildungsqualität erfolgen.

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Das dürfen wir auch nicht!)

Nur den Bund zu verpflichten, die Rechnung zu bezahlen, begründet nicht die Aufhebung des Kooperationsverbotes. Von daher lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Das war Frau Kollegin Kersten. Jetzt könnten wir eine zweite Runde eröffnen. Das Wort wird für die CDU Herr Prof. Schneider ergreifen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit ihrem Antrag will die Fraktion DIE LINKE, dass die Bundesregierung mit den Ländern in Gespräche zur Änderung des Grundgesetzes eintritt. Weil es um eine Grundgesetzänderung geht, auf die Sie zielen, ist der Antrag unter Heranziehung der verfassungspolitischen Seite zu bewerten. Das will ich tun und deutlich machen, warum wir den Antrag aus diesem Grund ablehnen.

In der Ausgangslage, meine Damen und Herren, ordnet das Grundgesetz, Frau Falken, kein ausdrückliches Verbot einer Kooperation zwischen Bund und Ländern im Bildungsbereich an. Das Grundgesetz enthält in dem Kontext, den Sie eben nannten – das war der Artikel 104 b Grundgesetz – eine Verteilung von Aufgaben und Lasten im Staatsgefüge zwischen Bund und Ländern. Es gilt der Grundsatz, dass die Kostentragung, also die Finanzlast, der Aufgabenwahrnehmung folgt. Der hier im maßgeblichen Zusammenhang stehende Artikel 104 a Abs. 1 Grundgesetz bestimmt, dass der Bund und die Länder die Aufgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, selbst tragen. Weil die Länder in Kultusangelegenheiten bekanntlich allein zuständig sind – das ist der wahre Grund für Ihren Antrag, das steht dahinter –,

obliegt den Ländern damit nach Artikel 104 Abs. 1 Grundgesetz auch die Kostentragung.

Zu Artikel 104 b noch ein Wort, Frau Falken: Der Bund kann nach dieser Regelung, soweit das Grundgesetz ihm Gesetzgebungsbefugnisse verleiht, den Ländern Finanzhilfen unter den dort näher genannten Voraussetzungen geben. Es geht also nicht um eine Verbotsregelung, wie Sie meinen. Das, meine Damen und Herren, ist die Ausgangslage. Dass die Bundesländer danach für ihre jeweiligen Schulsysteme allein verantwortlich sind, ist gut so.

Vor diesem Hintergrund ist der hauptsächliche Grund für die Ablehnung Ihres Antrags aus unserer Sicht, dass Verhandlungen, die eine andere Verteilung von Aufgaben und Lasten zwischen Bund und Ländern zum Gegenstand haben sollen, vor Kurzem tatsächlich zum Abschluss gekommen sind, und zwar gerade auch für den Schul- und Bildungsbereich.

Im Anschluss an den Bundestag hat der Bundesrat am 02.06.2017, also vor gut einem halben Jahr, ein Paket von insgesamt 13 Grundgesetzänderungen zur Neuordnung des Bund-Länder-Gefüges beschlossen. Die Neuregelung hat den bestehenden Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern abgeschlossen und damit wohl das größte Reformpaket der vergangenen Legislaturperiode zum Abschluss gebracht. Im Vorfeld der Beschlussfassung vom 02.06.2017 ging es neben anderen Maßnahmen bereits auch um eine Neuregelung der Aufgabenverteilung im Bildungsbereich.

Im Ergebnis haben sich alle Beteiligten, und zwar zunächst der Koalitionsausschuss aus CDU/CSU und SPD, dann die Ministerpräsidentenkonferenz mit allen Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Kanzlerin – damit also mit der Bundesregierung – und schließlich Bundestag und Bundesrat einvernehmlich auf eine Neuregelung verständigt. Die verfassungsrechtliche

Antwort auf diesen Konsens, auf diese Beschlussfassung ist Artikel 104 c Satz 1 Grundgesetz, den Sie auch hätten zitieren sollen, wie ich meine.

Danach kann der Bund den Ländern Finanzhilfen für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden oder Gemeindeverbände im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur gewähren. Im Ergebnis dieser vor wenigen Monaten in Kraft getretenen Grundgesetzänderung werden den Ländern und damit auch dem Freistaat Sachsen im Bereich des Schulhausbaus zur Förderung von Investitionen solcher Kommunen insgesamt zusätzlich 3,5 Milliarden Euro aus Bundesmitteln zugutekommen. Sachsen wird hiervon im Umfang von nicht ganz 180 Millionen Euro profitieren. Ich finde, das ist ein großartiger Erfolg, über den man auch einmal positiv reden sollte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Mit dieser einvernehmlichen Klärung auch der Zusammenarbeit im Bildungssektor war die Debatte über eine weiterreichende Regelung abgeschlossen. Weiterreichen

de Forderungen im Bildungsbereich, wie die von Ihnen heute hier erhobenen, wurden fallengelassen. Das ist der Sachstand von vor wenigen Monaten.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es sind sieben Bundesländer, die die Forderung aufmachen, oder?)

Das bestreite ich nicht. Aber ich werde Ihnen, Herr Gebhardt, schon eine Antwort dazu geben. – Wenn nach alledem die Fraktion DIE LINKE mit einigen Bundesländern wenige Monate nach der gerade genannten Neuregelung erneut die Finanzfrage im Bildungsbereich thematisieren will, wären wir alle im Hause damit ausgesprochen schlecht beraten, und zwar aus folgenden beiden Gründen:

Erstens. Die vereinbarte Neuregelung der Bund-LänderBeziehungen ist einvernehmlich erfolgt und erst wenige Monate her. Es ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, die Verteilung von Aufgaben und Lasten wieder auf den Prüfstand zu stellen. Das nenne ich nicht verlässliche Politik. Ich halte das Verhalten eher für unseriös.

Zweitens. Bislang gilt der Grundsatz, dass die Aufgabenwahrnehmung auch die Finanztragung bedingt. Dieses Argument wiegt viel schwerer.

Mit dem vorgelegten Antrag wollen Sie nur den Bund bezahlen lassen. Stanislav Tillich hat als Ministerpräsident hierzu im Bundesrat ausgeführt. Ich zitiere: „Wer die Musik bezahlt, der bestimmt auch, was gespielt wird.“ So ist es. Glauben Sie denn allen Ernstes, Herr Gebhardt, der Bund würde weitere Finanzlasten im Bildungsbereich übernehmen, ohne sich Mitspracherechte einräumen zu lassen? Das beste Beispiel ist doch geradezu Artikel 104 c Grundgesetz, in dem der Bund finanziert und zugleich mitspricht.

Wer im Bildungsbereich andere die Musik bezahlen lassen will, der muss auch in Kauf nehmen, dass der Bund bestimmt, was gespielt wird. Das berücksichtigen Sie mit Ihrem Antrag nicht.

Aus diesen Gründen werden wir den Antrag der Fraktion DIE LINKE ablehnen. Der Antrag ist nicht sinnvoll. Es wäre sinnvoller gewesen, den Antrag zumindest jetzt nicht zu stellen. Im Bundesrat wird es voraussichtlich eine Vertagung dieses Antrags geben. Oder man hätte wenigstens den Abschluss der Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene abwarten sollen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Marco Böhme, DIE LINKE: Es gibt doch Mehrheiten!)

Das war Herr Prof. Schneider für die CDU-Fraktion. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Den kann ich nicht erkennen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Bitte, Herr Staatsminister Haubitz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und

Herren Abgeordneten! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE trägt den Titel: „Kooperationsverbot im Bildungsbereich aufheben“. Lassen Sie mich zunächst auf die Begrifflichkeit eingehen. Sucht man im Grundgesetz nach dem Begriff Kooperationsverbot, stellt man fest: Ein derartiges Verbot einer Kooperation im Bildungsbereich findet man explizit nicht formuliert. Der Begriff Kooperationsverbot hat sich in den letzten Jahren in den politischen Sprachgebrauch eingeschlichen und dies ohne wirkliche sachliche Basis. So stellt sich mir die Frage: Kann man etwas abschaffen, was es gar nicht gibt?

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Herr Haubitz!)

Im Grundgesetz sind die wichtigen Zuständigkeiten der verschiedenen Ebenen klar geregelt. Die primäre Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeit der Länder in Bildung und Erziehung ist ein Kernstück dieser Kompetenzen. Die Grundgesetzverankerung der Kulturhoheit folgt historischen Erfahrungen in Deutschland; denn totalitäre oder autoritäre Staaten nutzten in der Vergangenheit zentrale Bildungssysteme, um die Vermittlung ihres Weltbildes zu schärfen. Mit der Föderalismusreform im Jahr 2006 hat der Gesetzgeber Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten geschärft und damit Handlungssicherheit auf den verschiedenen Ebenen geschaffen. Das, was die Antragsteller wollen, geht in die Zeit vor 2006 zurück und würde die damaligen Erkenntnisse ignorieren.

Erinnern Sie sich noch an den PISA-Schock? Die ernüchternden deutschen Ergebnisse bei PISA 2000 stammen aus der Phase der gemischten Zuständigkeit von Bund und Land in den Jahren 1969 bis 2006. Man kann ja nicht gerade behaupten, dass die damalige Mischzuständigkeit das Bildungssystem leistungsfähiger gemacht hätte.

Welche Interessen lassen sich hinter der Initiative vermuten? Wenn man die Begründung liest, fällt auf, dass die Argumente nicht inhaltlicher Art im Sinne der qualitativ besseren Lösung sind. Materielle, finanzielle Erwägungen sind vielmehr handlungsleitend. Es geht um den Bedarf an zusätzlichen Finanzmitteln, die man vom Bund bekommen möchte. Die Initiatoren betonen sehr klar, dass sie die inhaltliche Gestaltungskompetenz voll bei den Ländern lassen wollen und der Bund nur das Geld geben soll.

Aber, meine Damen und Herren, wie wahrscheinlich ist es, dass sich der Bund auf solch ein Gebepaket einlässt? Eine verfassungsrechtliche Neustrukturierung, bei der der Bund nur Geld in Größenordnungen ohne inhaltliche Mitbestimmung geben soll, erscheint mir politisch unrealistisch. Ist nicht vielmehr zu befürchten, dass dann wieder das eintritt, was im Jahr 2006 wesentlicher Anlass für die Entflechtung war? Mit dem sogenannten goldenen Zügel würde die Bundesregierung wieder inhaltlich Einfluss auf den Mitteleinsatz und damit auf die Bildungspolitik in Sachsen nehmen wollen.

Ohne Zweifel stehen Sachsen und alle Länder vor großen Herausforderungen im Bildungsbereich. Als Bereiche mit besonderem Handlungsbedarf nennen die antragstellenden

Länder insbesondere die frühkindliche Bildung, die Schulsozialarbeit, die digitale Bildung sowie den Schulhausbau. Das sind genau die Bereiche, in denen bereits nach der derzeitigen Verfassungslage Kooperationsmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern bestehen, die aktiv genutzt werden, etwa im Bereich der frühkindlichen Bildung sowie der Sozialarbeit, bei der digitalen Bildung, beim Bau und der Sanierung von Bildungseinrichtungen.

Ein weiteres aktuelles Beispiel für gelingende Zusammenarbeit im Rahmen der verfassungsrechtlichen Gegebenheiten ist die Bund-Länder-Initiative zur Förderung leistungsstarker Schülerinnen und Schüler, die im Januar 2018 offiziell starten wird. Diese auf zehn Jahre angelegte Initiative geht maßgeblich auf den KMK-Schwerpunkt „Förderstrategie für leistungsstarke Schüler“ während der sächsischen KMK-Präsidentschaft meiner Vorgängerin zurück.

Zum Themenfeld „Digitale Bildung in der Schule“ wurden in diesem Jahr zum Digitalpaktvorschlag von Bundesbildungsministerin Wanka gemeinsam von Vertretern des BMBF und der Länder unter aktiver Beteiligung Sachsens Eckpunkte formuliert, die eine entsprechende Bund-Länder-Vereinbarung für die neue Bundesregierung vorbereiteten.

Meine Damen und Herren! Wenn es ein Kooperationsverbot gäbe, wäre dies alles nicht möglich. Ein Weg zur Lösung möglicher Finanzierungsprobleme der Länder im Bildungsbereich wäre eine Neujustierung der Anteile von Bund und Ländern an der Umsatzsteuer. Das ist eine Länderforderung, welche schon beim Bildungsgipfel 2008 erhoben wurde.

Aus genannten inhaltlichen und politischen Gründen hat das SMK im Kulturausschuss des Bundesrates den Entschließungsantrag abgelehnt. Da im Rechtsausschuss der Antrag bis zum Widerruf vertagt wurde, ist eine Befassung im Bundesratsplenum derzeit nicht absehbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Staatsminister Haubitz für die Staatsregierung. Jetzt kommen wir zum Schlusswort der einbringenden Fraktion. Bitte, Frau Kollegin Falken.