Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Kommen wir zu den verschiedenen Ebenen des Sichehrlich-Machens: zu einer Bundesebene und einer sächsischen Ebene. Da prägten kürzlich in Berlin SPDSondierer den grandiosen Euphemismus, das Schleifen von Klimazielen in dieser Legislaturperiode wäre natür

lich keine Zielaufgabe, sondern man würde sich ehrlich machen. – Das schlägt wirklich dem Fass den Boden aus; denn das sagen die, die genau diese Ausgangslage durch eigenes fahrlässiges Verschleppen und Blockieren überhaupt erst herbeigeführt haben. Dies einzugestehen, das könnte man „sich ehrlich machen“ nennen, wenn es denn Einsicht als erster Schritt zur Besserung wäre.

Doch Sie haben weder einen ersten Schritt noch irgendwelche weiteren Schritte im Sinn. Vielmehr setzen Sie weiter auf dieselbe Strategie: einfach neue Ziele setzen, Ziele, die die konkrete Regierungsrechenschaft für die Zielerreichung ein ganzes weiteres Jahrzehnt in die Zukunft schieben. „Wie elegant“, könnte man sagen: Ziele setzen, an deren Einhaltung man sich selbst nicht messen lassen muss, Ziele für eine Regierung einer übernächsten Wahlperiode, eine Verpflichtung zulasten Dritter, aufgeschrieben, ohne zu wissen, wer dann regiert und was diese Regierung von Ihren Langfristversprechen hält.

Wie weit dieses Denken gerade bei der SPD inzwischen Fuß gefasst hat, durften wir bei der Reaktion des Kollegen Vieweg auf unseren Klimaschutzantrag drei Tage nach der letzten Bundestagswahl erleben, als er geradezu hämisch meinte, jetzt könnten wir GRÜNEN das mit dem Klimaschutz ja mal im Bund zeigen –

(Jörg Vieweg, SPD: Das haben Sie vergeigt!)

zeigen, wie wir das klimapolitische Fiasko ausräumen, das Ihr Wirtschaftsminister dort gegen Ihre Umweltministerin angerichtet hat und das Sie uns nur zu gern vor die Füße gekippt hätten.

Ich sage Ihnen: Wir sind fest entschlossen und auch in der Lage, das aufzuräumen; denn was uns unterscheidet, ist, dass wir auf einem Sofortprogramm bestehen, also auf dem berühmten ersten Schritt, mit dem jeder Weg zu jedem Ziel beginnen muss, während Sie sich mit dem Reden über ferne Ziele zufriedengeben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ganz aktueller Anlass für diese Debatte sind nämlich sowohl in Sachsen als auch im Bund drohende Zielverfehlungen, und damit meine ich noch nicht einmal diesen verlogenen Umgang mit dem nationalen Minus-40-%Reduktionsziel bis 2020. Nein, ich meine zunächst einmal die Tatsache, dass auch die bisher als gesetzt geltenden 2020-Ziele eben nicht im ETS-Bereich – also etwa in Verkehr, Wärme und Landwirtschaft – verfehlt werden. 2005 hatte Deutschland 14 % bis 2020 zu schaffen, 2016 waren 6 % geschafft und 2017 haben die Emissionen offenbar zu- und nicht abgenommen.

Zu den Konsequenzen und zur sächsischen Ebene des Sich-ehrlich-Machens komme ich in der nächsten Runde.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun die CDU-Fraktion, Herr Abg. Hippold. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, man staunt ja schon, wenn man solche Debattentitel liest. Ich würde sagen, sie sind literarisch fast wertvoll. Aber ein klein wenig enttäuscht war ich schon; denn ich hatte erwartet, dass sich der zweite Teil ebenfalls noch reimt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Wir bemühen uns!)

An dieser Stelle ein nicht ganz ernst gemeinter Hinweis: Ich denke, Sie sollten ihren Debattentitelerfinder – wir haben ja schon mehrere erlebt – gut bezahlen, damit er Ihnen nicht abgeworben wird.

(Zuruf des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Was man allerdings aus dem Debattentitel nicht so richtig erkennen kann – Sie sind zwar schon auf einige Punkte eingegangen –, ist, worauf er sich tatsächlich bezieht. Zu dem Zeitpunkt, als ich ihn das erste Mal las, dachte ich: Na ja, es könnte sein, dass er sich auf die derzeitigen Sondierungsgespräche auf Bundesebene zwischen Union und SPD bezieht. Dort war zwischenzeitlich, muss man sagen, auf den Aspekt abgestellt worden, dass die Klimaziele für 2020 kurzfristig infrage zu stellen sind. Ich denke, der eine oder andere kann sich sicherlich noch an die Schlagzeile erinnern. Diese hat in der ersten Januarwoche die Medien sehr stark beherrscht.

In dem nun vorliegenden Ergebnispapier sind die Formulierungen deutlich weniger konsequent. Dort ist der umstrittene Satz – diesen hätte ich diesem Titel auch zugeordnet – „Das kurzfristige Ziel für 2020 wird aus heutiger Sicht nicht erreicht.“ gestrichen. Auch der Satz, dass man dieses Ziel Anfang der 2020er-Jahre erreichen wolle, ist entfallen. Stattdessen wurde aufgenommen, dass die Handlungslücke zur Erreichung des Klimaziels 2020 so schnell wie möglich geschlossen werden soll.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Aber wie?)

Darüber hinaus – diesbezüglich wird es ein wenig konkreter – steht drin, dass ein konkreter Plan zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung erarbeitet werden soll, und zwar einschließlich der sozialen Begleitmaßnahmen für die betroffenen Kohleregionen im Ruhrgebiet und in der Lausitz. Des Weiteren werden Vorschläge eingefordert unter Einbeziehung von Politik, Wirtschaft, Umweltverbänden, Gewerkschaften und der betroffenen Regionen.

Grundsätzlich sollte man darüber nachdenken, die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen abzuwarten, denn weder fachlich noch sachlich ist es geboten – man sieht, wie viel Bewegung in diesem Thema ist –, über Dinge zu diskutieren, die noch auszuhandeln sind bzw. deren Inhalt noch gar nicht feststeht.

Entgegen der Auffassung der GRÜNEN, wie man diesem Titel entnehmen kann, steht aber im Sondierungspapier zum Thema Klimaschutz noch sehr viel mehr drin – das finde ich zumindest. Es wird unter anderem benannt, dass Deutschland weiterhin seiner Vorreiterrolle im Klima

schutz gerecht werden soll. Die Klimaziele von Paris sind benannt und sollen weiterhin gültig sein. Es wird angekündigt, intensive Klimaanstrengungen im Bau- und im Verkehrssektor zu unternehmen.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Darüber hinaus – damit komme ich zum Thema „Erneuerbare Energien“ – ist bis zum Jahr 2030 der Prozentsatz in Höhe von 65 % am Strombedarf, sozusagen die Steigerung der erneuerbaren Energien, aufgenommen worden. Es ist eine finanzielle Absicherung für den notwendigen Strukturwandel in den betroffenen Kohleregionen – darauf können wir als Sachsen besonders stolz sein – in Form eines Fonds aus Mitteln des Bundes dargestellt und last, but not least wurden die stärkere Förderung alternativer Antriebstechnologien sowie das Thema ÖPNV in den Fokus genommen.

Im Übrigen steht der Freistaat Sachsen – es kommt mir bei Ihnen immer ein wenig zu kurz, dass der Klimaschutz eben nicht nur aus Energiepolitik besteht – unabhängig von diesen Geschehnissen zu seiner Umwelt- und Naturschutzpolitik. Das betrifft unter anderem den Schutz der biologischen Vielfalt im Land, den Schutz der Wassergüte und der Gewässer und natürlich den Ausbau der Windenergie und der nachhaltigen Mobilität.

Einen sofortigen Braunkohleausstieg, wie von den GRÜNEN gefordert, wird es mit uns nicht geben. Diesen Punkt möchte ich aber nur anreißen, weil mein Kollege Lars Rohwer in der zweiten Runde hierzu sprechen wird.

Es ist wichtig, Klimaschutz nicht ohne Rücksicht auf Verluste an Menschen durchzuführen, und ich bin davon überzeugt, dass wir das nur mit den vier Prämissen erreichen werden: Wir müssen die Menschen vor Ort mitnehmen, beispielsweise beim Ausbau der Windkraft, und wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie auch zukünftig gewährleisten. Die Mobilität im Freistaat Sachsen – ich habe sie im letzten Monat selbst ausprobiert – muss bezahlbar und auch realistisch bleiben. Wir müssen uns ferner sehr intensiv über infrastrukturelle Anpassungsstrategien Gedanken machen.

Zusammenfassend muss man sagen: Diese Pippi-Langstrumpf-Rhetorik „Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt“, welche auch im Titel der Aktuellen Debatte zum Ausdruck kommt, lässt leider an der Ernsthaftigkeit Ihrer Fraktion an einer inhaltlichen Auseinandersetzung zumindest zweifeln.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU – Dr. Gerd Lippold, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Dr. Lippold, Sie wünschen?

Ich habe eine Kurzintervention.

Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Kollege Hippold, wenn Sie meinen, der Titel dieser Aktuellen Debatte klänge, als nähme man das Thema in diesem Hohen Haus nicht ernst, so irren Sie sich nicht. Wer dieses Thema seit Jahren nicht ernst nimmt, das ist diese Koalition.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und darauf kann man nur noch mit Sarkasmus reagieren. Sie machen den Freistaat Sachsen damit auf nationaler Ebene zum Gespött, und diese Große Koalition macht Deutschland international zum Papiertiger; ein Land, das bisher dafür bekannt war, ordentlich zu planen, was es vorhat, und das, was es geplant hat, dann auch umzusetzen. Dieses Land machen Sie zum Papiertiger, und den Klimaschutz machen Sie zur BER-Baustelle dieses Landes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war eine Kurzintervention des Abg. Dr. Lippold. Herr Hippold, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall. Dann geht es in der Aussprache weiter. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Böhme. Bitte sehr. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Jahr 1986 titelte „DER SPIEGEL“ mit der Überschrift: „Die Klimakatastrophe“. Im Heft selbst waren die neuesten Erkenntnisse von internationalen Forschungseinrichtungen über das Entstehen des Klimawandels und deren Ursachen nachzulesen.

Ich selbst war im Jahr 1986 noch nicht geboren. Doch schon damals war klar, dass die Menschheit nicht nur Wohlstand und Fortschritt durch die industrielle Revolution bekommen hat, sondern eben auch enorme Mengen Treibhausgase produziert, die unser Klima bis heute verändern.

Heute ist das eigentlich allen Menschen klar; vielleicht abgesehen von der rechten Seite in diesem Haus und einzelnen CDU-Abgeordneten.

(Zuruf des Abg. Frank Kupfer, CDU)

Doch die Frage bleibt trotzdem: Was hat sich seitdem getan? Wie handeln wir heute anders? Wie haben wir Produktionsprozesse geändert, unser Mobilitätsverhalten geändert? Was ist diesbezüglich passiert? Ich denke, diesbezüglich ist nicht viel passiert. Das ist das Erschreckende daran.

Am 25.01.2018, also vor wenigen Tagen, veröffentlichte das Landesamt für Umwelt und Geologie zusammen mit dem deutschen Wetterdienst, dass das Jahr 2017 eines der wärmsten Jahre seit dem Jahr 1881 in Sachsen war. Damals begannen die Wetteraufzeichnungen.

Aber vielleicht haben es noch nicht alle gemerkt. Denn letztes Jahr war der Sommer stark verregnet bzw. gab es starke Stürme. Genau das ist die Folge von höheren

Temperaturen, wenn eben mehr Energie in der Atmosphäre ist. Die heutige Debatte gerade eben hat gezeigt, dass solche Stürme auch Schäden in Millionenhöhe anrichten können. Diese Stürme reihen sich in eine Reihe von Wetterextremen ein, die immer häufiger und immer intensiver im Freistaat Sachsen auftreten.

Was tun wir gegen diese Auswirkungen des Klimawandels im Bund und im Land? Diesbezüglich sehe ich keine hinreichenden Maßnahmen, auch wenn es vielleicht gleich wieder heißen wird, dass Sachsen allein nicht das Klima retten kann. Dazu sage ich Ihnen: Ja, das stimmt. Nur ist es auch nicht der Fall. Nahezu alle Länder dieser Erde haben das Pariser Klimaschutzabkommen unterzeichnet und bereiten weitreichende Schritte vor, um die Treibhausgasemissionen zu verhindern.

Dafür wurde letztes Jahr in Bonn eine bemerkenswerte Allianz gegründet, die die Kohleausstiegsstaaten präsentiert hat; leider ohne Deutschland.

Dabei kommt Sachsen und Deutschland aber eine besondere Rolle und Verantwortung zu, denn besonders in Sachsen sind enorme Mengen an Treibhausgasemissionen seit den letzten hundert Jahren entstanden, die auf unser Konto gehen und heute immer noch wirken. Deswegen sind wir in der Pflicht, weitreichende Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)