Protokoll der Sitzung vom 31.01.2018

Frau Dr. Muster bitte noch.

Frau Präsidentin! Herr Ministerpräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nun zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Was?)

Die Qualität des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss grundsätzlich besser werden. Die jüngsten Entgleisungen im Kinderkanal haben uns erneut vor Augen geführt: So kann es auf keinen Fall weitergehen. Selbstbewusst fordert der neue ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm zusätzliche 3 Milliarden Euro jährlich ab 2020. Die Sendeanstalten bekommen aber heute schon unglaubliche 8 Milliarden Euro pro Jahr. Wie viele Milliarden braucht dieser Rundfunk denn noch?

In der Schweiz findet im März ein Bürgerentscheid über die Abschaffung des Gebührenrundfunks statt. Wie würde denn ein solcher Entscheid in Deutschland ausgehen? Nach meiner festen Überzeugung wäre danach der öffentlich-rechtliche Rundfunk Geschichte. Der Rundfunkbeitrag wird abgeschafft. Damit wäre der Weg frei für einen echten Bürgerrundfunk, der sich – erstens – auf sein Kerngeschäft, nämlich Informationen, Nachrichten und Kultur, beschränkt und – zweitens – vom Bürger nur dann bezahlt wird, wenn dieser das Programm auch tatsächlich nutzt. Das wäre fair und gerecht. Gerecht, Herr Dulig, ist doch der zweite Vorname der SPD.

(Staatsminister Martin Dulig: Und so gewährleisten wir objektive Nachrichten!)

Das wichtige Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk wurde von beiden Regierungserklärungen leider überhaupt nicht angesprochen.

Nun zur Kultur, Herr Dulig. Das Kulturraumgesetz als vollen Erfolg zu verkaufen finde ich schon ziemlich sportlich. Die von der Wissenschaftsministerin Stange durchgeführte Evaluation verdient diesen Namen jedenfalls nicht. Herr Prof. Vogt, der Vater des Kulturraumgesetzes, hat darauf in der Anhörung mehr als deutlich hingewiesen. Auf wirklich inhaltliche Baustellen, wie die Bezahlung der Orchester sowie der Staats- und Landesbühnen – echte SPD-Herzensangelegenheiten –, sind Sie nicht einmal angegangen.

Herr Kretschmer, Sie sparen den Bereich Kunst und Kultur in Ihrer Regierungserklärung vollständig aus. Artikel 1 unserer Sächsischen Verfassung fordert Sie auf, auch darüber vertieft nachzudenken.

Noch ein Gedanke zur Hochschulpolitik. Im Koalitionsvertrag von 2014 heißt es – ich zitiere –: „Wir wollen nicht nur, dass viele junge Menschen bei uns studieren, sondern auch, dass sie dauerhaft eine berufliche Perspektive in Sachsen finden.“ Ich stelle fest: Noch heute fehlen

besonders im ländlichen Raum weiterhin Lehrer, Ärzte und Fachkräfte. Die niedrigen Löhne in Sachsen führen zur Abwanderung unserer Kinder, die gerne in ihrer Heimat bleiben würden. Sachsen darf kein Niedriglohnland bleiben. Die Abgeordneten der blauen Partei werden Sie, Herr Kretschmer, –

Bitte zum Ende kommen.

– deshalb daran messen, ob es Ihnen gelingt, ein Ministerpräsident für alle Sachsen zu sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren, wir gehen nun in die zweite Runde. Ich frage die Linksfraktion: Gibt es noch Redebedarf? – Die CDUFraktion? – Herr Abg.Hartmann, bitte.

(André Barth, AfD: Jetzt kommt die innere Sicherheit!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar für die heutige Regierungserklärung.

(André Barth, AfD: Ja, ist klar!)

Sie formuliert mit dem Blick auf die nächsten Wochen und Monate wesentliche Punkte aus der Sicht der Staatsregierung, an deren Umsetzung sie nun herangehen wird. Ein wesentlicher Punkt ist neben der Bildung und den ländlichen Regionen das Thema Innere Sicherheit. Darauf möchte ich jetzt noch einmal kurz zu sprechen kommen, da ich glaube, dass dieses Thema von einigen Fraktionen außer mit populistischer Schwarzmalerei und Ängsteschürerei nicht in der erforderlichen Breite aufgenommen worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gebhardt, ich möchte Ihnen als Erstes sagen: Verwechseln Sie Freizügigkeit nicht mit Regellosigkeit. Ein staatliches Gemeinwesen bedarf immer noch entsprechender Regeln. Im Übrigen: Der Zwilling des Rechtsextremismus scheint mir zunächst einmal der Linksextremismus zu sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD und der AfD – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Erlauben Sie mir, zum Thema Innere Sicherheit einige Punkte anzumerken. Jawohl – das haben wir in den letzten Monaten immer wieder deutlich gemacht –, bestimmte Entscheidungen der Vergangenheit waren, mit dem Blick von heute betrachtet, nicht richtig.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das waren Ihre Entscheidungen!)

Die Frage eines Personalabbaues im Jahr 2006 mit dem Blick auf Kriminalitätsbelastung und Infrastruktursituationen sowie Prognosen der Bevölkerungsentwicklung war aus heutiger Sicht eine falsche. Aber die im Jahr 2006 unter den damaligen Annahmen getroffene und aus dieser Sicht nachvollziehbare Entscheidung ist keine rein sächsische, sondern eine, die wir deutschlandweit in allen Bundesländern sowie in vielen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union betrachten konnten.

Mit dem Blick auf die aktuelle Entwicklung ist es nicht nur die Frage einer erfreulicherweise stärkeren Entwicklung der Bevölkerungszahl nach oben, sondern auch eine Frage verschiedener neuer Schwerpunktsetzungen in der Kriminalität. Es ist nicht nur die Grenzkriminalität, sondern auch die Internetkriminalität sowie die Frage zunehmender Gewalt und Aggression innerhalb der Gesellschaft, von den Rändern, von links und rechts in die Mitte der Gesellschaft, die die Polizei vor neue Belastungsproben stellt. Nicht umsonst führen wir heute eine Diskussion über die Frage von Stärkung und Schutz auch derer, die uns schützen.

Aber noch einmal: Ja, die Personalentwicklung der Vergangenheit hat sich aus heutiger Sicht als nachbesserungswürdig herausgestellt, und es ist eben nicht so, wie Sie, Herr Gebhardt, es hinstellen: dass da überhaupt nichts passiert ist und wir uns in Ankündigungen verloren haben, sondern ich will daran erinnern, dass wir im Jahr 2014 300 Auszubildende im Bereich der sächsischen Polizei hatten und diese Zahl mittlerweile mit Stand 2018 auf 700 erhöht haben, und zwar in jedem Jahr um weitere 100.

(Beifall des Abg. Robert Clemen, CDU)

Wir sprechen hierbei nicht nur über ein Strohfeuer, wie uns einige hier glauben machen wollen, sondern davon, dass wir eine nachhaltige Stärkung der Ausbildungsstrukturen geschaffen haben. Deshalb ist es auch völlig unerheblich, ob wir heute darüber sprechen, ob es in der mittelfristigen Entwicklung 1 000 Stellen sind oder mehr. Wir haben jetzt einen Ausbildungskorridor von 700 geschaffen, der in den nächsten Jahren zur Verfügung steht.

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Er gibt uns die Möglichkeit, auf aktuelle Entwicklungen mit dem Einstellungskorridor zu reagieren und auch über diese 1 000 Stellen hinaus bei Bedarf entsprechende Einstellungen zu ermöglichen. Es geht eben genau darum, die sächsische Polizei personell zu stärken, und darum, den Übergang vernünftig zu gestalten. Tun Sie doch nicht so, als ob die Wachpolizei ein völlig verzweifelter, hilfloser Akt wäre!

(Carsten Hütter, AfD: Was ist es denn anderes? Das ist es doch, Herr Hartmann! – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Es ist genau das Überbrückungsmoment, um die Polizei in einem bestimmten Bereich mit verschiedenen Aufgaben zu entlasten,

(Beifall bei der CDU)

weil wir sonst den Polizeibeamten vor die Einrichtung stellen, um Objektsicherungsaufgaben zu übernehmen, und ihn für Überwachungsaufgaben abstellen. Diese Entlastung dient einem beschränkten Übergang. Es geht also um einen personellen Aufbau der sächsischen Polizei. Dem werden wir uns in der Koalition stellen.

(Carsten Hütter, AfD: Sie haben das Versprechen gegeben! Das ist doch gefordert!)

Aber darüber hinaus sind so manche Schwarzmalereien, die Sie hier vorbringen, aus unserer Sicht nicht richtig, wenn ich beispielsweise an die Bauinvestitionen im Bereich der sächsischen Polizei erinnere. Wenn wir einmal in den Haushaltsplan schauen, so haben wir in diesem Doppelhaushalt mittlerweile einschließlich der Verstärkungsmittel im Zukunftssicherungsfonds 130 Millionen Euro für polizeiliche Bauinvestitionen zur Verfügung gestellt.

Wir haben uns schon in der Vergangenheit mit den Fragen der IT-Infrastruktur der Polizei beschäftigt. Das heißt, in diesem Bereich laufen bereits verschiedene Maßnahmen, auch dank der Regierung von Stanislaw Tillich und Innenminister Markus Ulbig. Diese Maßnahmen werden in Zukunft konsequent fortgesetzt.

Stellen Sie sich doch nicht am ersten Tag der Regierungserklärung hin und versuchen, all das in Zweifel zu ziehen, sondern geben Sie auch dieser Regierung die Möglichkeit, das, was sie heute der Bevölkerung, was sie dem Parlament als Zielsetzung vorgibt, abrechnen zu können und mit entsprechenden Maßnahmen zu untersetzen.

(Zurufe der Abg. Rico Gebhardt und Sarah Buddeberg, DIE LINKE, sowie Sebastian Wippel, AfD)

Das betrifft ganz klar auch das Polizeigesetz. Es geht doch nicht darum, mit einem Polizeigesetz angeblich personelle Engpässe zu kompensieren, sondern es geht darum, mit offenem Blick durch das Land und an die anstehenden Herausforderungen zu gehen. Es geht doch nicht um eine pauschale Ermächtigung für die sächsische Polizei, um in einer Art Fantasie eines Orwell‘schen Überwachungs- und Fantasiestaates die Bevölkerung zu kontrollieren, sondern es geht um den chirurgischen Besteckkasten,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ha, ha!)

um mit Gefährdersituationen, mit Terrorismus und mit Amoksituationen verantwortungsvoll umgehen zu können.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine Frage von Freiheit versus Sicherheit. Die Eingriffsbefugnis muss auch einer richterlichen Überprüfung standhalten und nach dem Transparentgebot erfolgen. Aber das muss doch möglich sein!

Es kann doch bei einer Terror- oder Amokgefahr der Polizeibeamte mangels Ermächtigung zum Schluss nicht sagen: Da muss ich eben zuschauen! Deswegen ist die Stärkung des Sächsischen Polizeigesetzes eine wesentliche Maßnahme.

Ja, wir haben uns in der Koalition auf viele Maßnahmen geeinigt, die erforderlich sind, auch mit Blick auf die Anpassung an andere Bundesländer. Es ist nicht so, dass der Freistaat Sachsen ein Gesetz entwickeln würde, das völlig überraschend und konträr zur sonstigen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland läuft. Nein, wir haben uns auf viele Maßnahmen geeinigt.

(Carsten Hütter, AfD: Den kleinsten Nenner!)

Ich gebe es durchaus zu: Es gibt auch Maßnahmen, die aus Sicht der Sächsischen Union weitergehen würden. Dazu nenne ich nur Quellen-TKÜ oder Online-Durchsuchung. Diesbezüglich werden wir noch Diskussionen führen müssen. Trotzdem haben wir darüber hinaus klare Maßnahmen miteinander vereinbart.

Zum Zweiten noch ein Wort an die AfD und an die Redner, die vor mir gesprochen haben: Verwechseln Sie doch das Thema weltoffene Zuwanderung nicht mit der Frage der nationalen Identitäten. Es geht sowohl um das eine als auch um das andere. Vielleicht ist das auch so ein verbindendes Element in der Diskussion, wie ich es von der linken wie von der rechten Seite dieses Hauses an einer bestimmten Stelle gehört habe. Es geht nicht um unbegrenzte Zuwanderung in unser Land und auch nicht darum, dass jeder und jede hierher kommen kann. Es geht aber auch nicht darum, sich zu isolieren. Es geht um eine verantwortungsvolle Politik, die der Möglichkeit christlicher, weltoffener, liberaler Welten folgt, die besagt: Menschen in Not soll auch geholfen werden.