Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Der vorliegende Antrag ist inhaltlich sehr überschaubar. Wo bleibt aber der Schub für den sächsischen Nahverkehr? Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass im Dezember 2017 der Abschlussbericht der ÖPNV-Strategiekommission mit 178 Seiten veröffentlicht wurde, ist dieser Antrag überflüssig. Herr Baum, wozu brauchen Sie jetzt den Berichtsantrag als Regierungskoalition zum Thema Tarif und Vertrieb, wo Sie doch genau in dieser Arbeitsgruppe mitgearbeitet haben? Reden Sie nicht miteinander?

(Thomas Baum, SPD: Doch!)

Die Handlungsempfehlungen wurden sehr gut und verständlich herausgearbeitet. Es freut uns natürlich, dass Sie sich jetzt sofort an die Umsetzung machen wollen.

(Thomas Baum, SPD: Da haben Sie doch die Antwort!)

Vielleicht hilft auch ein Blick in die gründlich erarbeiteten Steckbriefe, die den Handlungsempfehlungen zugrunde liegen. Auch bei den Vorbereitungen zur Vereinheitlichung der Tarif- und Beförderungsbedingungen, welche die Grundvoraussetzung für einen einheitlichen Tarif sind, könnten Sie schon weiter sein; denn ich habe Sie bereits im Plenum am 28. September 2017 darüber informiert, dass im Juni 2017 eine Mitarbeiterinformation an die

Verkehrsunternehmen verteilt wurde, wonach ab 1. August 2017 diese Bedingungen als vereinheitlicht gelten. Das wurde allerdings kurzfristig von den Verkehrsverbünden zurückgezogen und auch beim großen Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2017 war nichts mehr davon zu hören.

(Andreas Nowak, CDU: Da müssen noch Durchtarifierungsverluste ausgehandelt werden!)

Unserer Meinung nach ist die erste Handlungsempfehlung, die umgesetzt werden muss, die Schaffung der empfohlenen Koordinierungsstelle. Denn ohne den Willen der kommunalen Ebene mit sachsenweit einheitlichen Zielen, die alle kommunalen Entscheidungsträger mittragen, können sie bei der heutigen ÖPNV-Struktur in Sachsen nichts ändern und auch nichts umsetzen. Herr Ministerpräsident Kretschmer sagte gestern, dass er bereits nächste Woche mit allen beteiligten Entscheidungsträgern für den Nahverkehr Gespräche führen wolle. Das ist ein guter Schritt und ein Anfang.

Aber Gespräche sind noch keine Ergebnisse. Für alle sachsenweiten Aufgaben, ob Digitalisierung, Vertrieb oder einheitliche Plus-Bus-Systeme, müssen sachsenweit das Land und die kommunale Ebene an einem Strang ziehen. Gerade Ergebnisse, die die Bereitschaft der kommunalen Ebene erfordern, etwas zu ändern, sind ganz wichtig für einen effektiven sächsischen Nahverkehr – mit den vorliegenden Handlungsempfehlungen: bessere Verknüpfung von Bus und Bahn, mehr Busverkehr im gesamten Jahr, auch für den ländlichen Raum, und Kapazitätserweiterung in den Ballungszentren.

Nun noch kurz zum Bildungsticket. Es war schön, gestern von Herrn Dulig zu hören, dass er es doch in dieser Legislatur umsetzen und ein Bildungsticket einführen will. Ist die Aussage tatsächlich wahr oder ist es nur ein frommer Wunsch seiner Fraktion? Oder wollen Sie diesen Punkt aus dem Koalitionsvertrag wirklich umsetzen?

(Thomas Baum, SPD: Natürlich!)

Bei der Arbeit der ÖPNV-Strategiekommission ist dieses Thema ziemlich weit nach hinten geschoben worden. Gründe waren extreme Kosten. Aber vielleicht redet heute Herr Dulig mit dem neuen Finanzminister und es wird doch noch ein Bildungsticket in Sachsen geben. Oder er hat vorige Woche unseren Flyer zum ländlichen Raum gelesen, wo wir in unserem 18-Punkte-Plan fordern, dass ein kostenloses Ticket für Schüler, Azubis und Senioren eingeführt werden soll.

(Die Abgeordnete hält einen Flyer nach oben.)

Oder will er jetzt auf diesen Zug aufspringen? Sei es drum. Die Antragsteller von CDU und SPD fordern im Jahr 2018, endlich Teile des Koalitionsvertrages von 2014 umzusetzen. Na super.

Wir werden uns enthalten, weil dieser Antrag nur beweisen soll, dass sich die Regierung in Sachsen jetzt um dieses Thema kümmert, bevor ihr die Opposition zuvorkommt. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Frau Abg. Grimm, ich möchte Sie darauf hinweisen, dass Sie Ihre Flugblätter hier nicht herumzeigen dürfen. Sie können gern in Ihrer Rede darauf verweisen. Ansonsten verweise ich auf unsere Hausordnung, wonach das nicht gestattet ist.

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Frau Abg. Meier. – Bitte sehr, Frau Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich immer wieder, wenn wir hier in diesem Hohen Hause ÖPNVThemen diskutieren. Es lässt ja auch ein bisschen die Hoffnung aufblitzen, dass dieses Thema doch einen höheren Stellenwert hat. Aber wenn ich dann auf die Regierungsbank sehe, muss ich feststellen, dass der Staatsminister für Verkehr auch heute wieder nicht zu diesem Thema da ist. Das ist nicht das erste Mal. Sicher wird Frau Stange heute auch zu diesem Thema sprechen – auch das nicht das erste Mal. Frau Stange, vielleicht sollten Sie einmal überlegen, ob Sie den Verkehrsbereich übernehmen. Ich bin mir sicher, da würden wir mit dem ÖPNV schneller vorankommen.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der CDU: Da wäre ich mir nicht so sicher!)

Aber zum Antrag. Die zentralen Forderungen in Ihrem Antrag stellen darauf ab, einen einheitlichen Sachsentarif schaffen zu wollen und die Beförderungsbestimmungen und die Tarifbestimmungen in den verschiedenen Zweckverbänden zu harmonisieren. Dabei dürfen Sie uns GRÜNE an Ihrer Seite wissen.

Ich darf Sie allerdings darauf hinweisen, dass wir bereits vor drei Jahren hier einen Antrag „Sachsenweiten ÖPNVTarif und landesweite Ticketangebote für Schülerinnen und Schüler, Studierende, Senioren und Seniorinnen einführen“ eingebracht haben. Diesen Antrag haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und SPD, seinerzeit abgelehnt, obwohl in der Anhörung, die wir durchgeführt haben, die Sachverständigen, darunter auch Ihre, ausgeführt haben, dass es endlich Zeit wird, die Fahrgastinteressen in den Mittelpunkt der ÖPNV-Politik zu stellen. Sie hatten damals auch klar dargestellt, dass die Einführung eines verständlichen und kundenfreundlichen ÖPNV-Tarifs zwingend notwendig ist und dass wirklich die Zeit für die Einführung eines solchen Tarifs gekommen sei. Aber Sie haben diesen Antrag seinerzeit abgelehnt, und zwar mit der Begründung, dass das durch die kommunalen Aufgabenträger organisiert sei und Sie das Konnexitätsprinzip nicht verletzen wollen. Die Lösung des Problems – so haben Sie es damals gesagt – wäre Angelegenheit der Aufgabenträger.

Drei Jahre später müssen wir feststellen, dass sich vor allem für die Menschen, die in den Übergangsgebieten

der Tarifzonen leben, nichts verbessert hat. In den Übergangsgebieten zwischen den Verkehrsverbünden in Sachsen herrscht immer noch ein riesiger Tarifwirrwarr. Das überfordert die Nutzerinnen und Nutzer massiv. Das betrifft aber auch die Touristinnen und Touristen, die nicht aus der Region kommen, die wir aber gern hier in unserem Land sehen wollen.

Die Fahrpreisgestaltung ist insbesondere an den aktuellen Verbundgrenzen absurd. Es ist für die Leute überhaupt nicht verständlich, warum sie, wenn sie nur eine kurze Station später aussteigen, gleich sehr viel mehr zahlen sollen. So finden Sie sicher keine neuen Kundinnen und Kunden für Bus und Bahn.

Es ist für Leute, die im Alltagsverkehr unterwegs sind und über mehrere Tarifgrenzen fahren, nicht einzusehen, dass sie vielleicht drei unterschiedliche Tickets lösen müssen. Auf den Teilstrecken – wir haben es heute schon gehört – gibt es unterschiedliche Tarife, was die Altersgrenzen bei den Kindern oder die Fahrradmitnahme betrifft.

Wenn Sie hier wirklich mehr Fahrgäste in Bus und Bahn haben wollen, muss ein einfacher und kundenfreundlicher Zugang zum ÖPNV ermöglicht werden. Dazu ist es zwingend notwendig, dafür zu sorgen, dass man das ÖPNV-Tarifsystem versteht.

Sie haben hier zum Leidwesen der Fahrgäste wirklich sehr viel Zeit verstreichen lassen. Wir haben, wie gesagt, hier schon vor drei Jahren den entsprechenden Antrag eingebracht.

Um ehrlich zu sein, glaube ich auch nicht, dass sich hier wirklich etwas ändern wird. Die Empfehlungen der ÖPNV-Strategiekommission tragen Sie jetzt ein bisschen wie eine Monstranz vor sich her. Das wird wahrscheinlich auch die nächsten Jahre das Alleinseligmachende sein, wobei die Vorschläge, die von der Kommission entwickelt wurden, eher vage und ungenau sind. Gerade die Vertreter in der ÖPNV-Strategiekommission, Herr Nowak und Herr Baum, hatten, glaube ich, nicht wirklich den Willen, die Organisationsstruktur als Ursache für diesen Tarifdschungel zu ändern.

In der Strategiekommission waren auch die Geschäftsführer der Verkehrsverbünde vertreten. Es ist klar, dass sich diese, wenn sie mit am Tisch sitzen, entschlossen gegen eine Zusammenlegung aussprechen.

Herr Nowak, Sie haben sich groß in der Presse geäußert, dass Sie sich für eine Zusammenlegung der Zweckverbände starkmachen wollen. Aber am Ende ist leider davon nichts übrig geblieben.

Was diesem Antrag wirklich völlig fehlt – darauf hat Herr Böhme hingewiesen –, sind konkrete Aussagen, mit welchen Instrumenten und Maßnahmen Sie einen Landestarif einführen und wie Sie die Tarif- und Beförderungsbestimmungen harmonisieren wollen. Sie haben das dann in Ihrer Rede ausgeführt, und auch der Blick in den Bericht der Strategiekommission gibt die Antwort: Eine Koordinierungsstelle soll es richten.

Aber es ist völlig unklar – das ist auch in der Diskussion der Strategiekommission zum Ausdruck gekommen –, wie diese Koordinierungsstelle diese Mammutaufgabe umsetzen soll, wenn sie keinerlei realen Einfluss und keine Durchsetzungskraft haben wird. Eigentlich ist das Ganze zum Scheitern verurteilt.

Wenn Sie wirklich gewollt hätten, dass hier etwas passiert und wir hier vorankommen, dann hätten Sie so eine Art Taskforce im Ministerium eingesetzt, die sich genau diesen Punkten widmet.

(Staatsministerin Eva-Maria Stange: Und dann?)

Da unsere Hoffnung als GRÜNE darin besteht, dass der stete Tropfen unserer Hinweise wirklich den dicken Stein des Beharrungsvermögens dieser Koalition aushöhlt, werden wir natürlich trotzdem Ihrem Antrag zustimmen.

Ich hoffe, dass ich an der Stelle Unrecht behalte und wir wirklich vorankommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt Redebedarf für eine zweite Runde. Zunächst frage ich die CDU-Fraktion. – Sie hat keinen Bedarf. Die SPD? – Herr Abg. Homann. Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! ÖPNV ist ein zentrales Thema. Das sehen wir daran, dass es in dieser Legislaturperiode in diesem Haus sehr häufig diskutiert wird, und zwar mit Recht. Mobilität ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage.

Es geht darum, wie wir Angebote für Menschen schaffen, die sich kein Auto leisten können, kein Auto haben wollen, noch keinen Führerschein haben oder schlichtweg so ehrlich sind zu sagen, dass sie nicht mehr selbst fahren sollten. Die gibt es ja auch.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sprechen in der Politik von der Daseinsvorsorge. Was bedeutet denn Daseinsvorsorge? Warum ist die Mobilität Teil der Daseinsvorsorge? Hier geht es genau darum, dass wir als Politiker sagen, dass wir die Frage von ÖPNV und SPNV nicht allein einem freien Markt überlassen wollen. Wir sehen bei der Frage der Mobilität aufgrund der überragenden sozialen Bedeutung für diese Gesellschaft den Staat in der Verantwortung, sich in diesem Bereich zu engagieren. Das ist ein Anspruch an die Politik. Diese Politik verfolgt diese Koalition, und das ist gut so, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wenn es von so großer Bedeutung ist, dann ist es auch richtig, dass wir nicht in die üblichen Rituale verfallen. Ich fand, es war heute eine sehr sachliche Debatte.

Ich möchte aber, Frau Meier, eine ganz kurze Anmerkung machen, die Ihre Kritik an Minister Dulig betrifft. Ich

möchte an dieser Stelle sagen, dass Martin Dulig heute für die SPD an den Koalitionsverhandlungen in Berlin teilnimmt. Ich weise darauf hin, dass man – ich meine nicht Sie persönlich, aber die GRÜNEN – sich nicht auf der einen Seite darüber beklagen kann, dass er heute nicht hier ist, um sich an der nächsten Stelle darüber zu beschweren, dass man in Berlin nicht fertig wird. Das passt nicht zusammen. Deshalb möchte ich an dieser Stelle deutlich sagen, wo Herr Dulig heute unterwegs ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es gut, dass wir heute keine Debatte haben, in der die Opposition sagt, dass das alles schlecht ist, während die Koalition alles gut findet, sondern in der wir genau beschreiben, auf welchem Weg wir uns befinden. Dabei möchte ich einmal betonen, woher wir kommen.

Im Jahr 2014 hat diese Koalition das Geschäft von einer Vorgängerregierung übernommen, in der das zuständige Ministerium nur auf das Auto gesetzt hat, in dem im ÖPNV gekürzt wurde, in dem es keine Planungssicherheit gab und in dem es im ganzen Bereich öffentlicher Personennahverkehr keinerlei politischen Gestaltungsanspruch in diesem Land gab. Das war die Ausgangssituation 2014.

Wir haben uns dieser Sache gemeinsam angenommen. Wir haben die Kürzungspolitik beendet. Wir haben die Mittel für den ÖPNV deutlich aufgestockt. Wir haben es geschafft, Planungssicherheit bis zum Jahr 2027 zu organisieren. Hier zeigt sich ein Politikwechsel in diesem Bereich.