Protokoll der Sitzung vom 01.02.2018

Bitte eine Frage stellen.

Ist Ihnen bekannt, dass Lebensschützer nach der Verfassungsrechtsprechung berechtigt sind, vor der Praxis eines Arztes zu demonstrieren und ihr Recht wahrzunehmen, das Recht auf Leben als wichtig zu dokumentieren? Ist Ihnen das bekannt?

(Unruhe bei den LINKEN)

Na freilich!

Es ist festgestellt. Warum müssen Sie dann die Lebensschützer so diskriminieren?

Der Begriff Lebensschützer ist meines Wissens von ihnen, den Abtreibungsgegnern, selbst.

(Dr. Kirsten Muster, fraktionslos: Der kam von Ihnen!)

Deshalb diffamiere ich mit dem Begriff, den sie selbst verwenden, schwerlich diese Personengruppe. Ich habe überhaupt nichts dagegen, dass der Disput über diese Frage in der Gesellschaft weitergeführt wird, aber doch nicht über den Staatsanwalt!

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das ist das Problem. Und nur um diese Frage geht es. Wir haben den Antrag eingebracht, die entsprechende Initiative von drei Bundesländern zu unterstützen. Wir meinen, es ist an der Zeit, darüber ernsthaft zu reden. Im Bundestag oder in anderen Ländern meint man es auch. Der Ansatz, wie es jetzt hier zugespitzt wird, dass wir gewissermaßen die Bejaher sind, Kinder vom Leben zum Tod zu bringen, ist diffamierend.

(Lebhafter Beifall bei den LINKEN – Beifall bei den GRÜNEN)

Nun die CDUFraktion. Wird das Wort noch gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die SPD-Fraktion. – Herr BaumannHasske, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich inhaltlich sehr weitgehend an das anschließen, was der Kollege Bartl gerade vorgetragen hat.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Sie haben die Position der SPD-Fraktion auch von Frau Kollegin Raether-Lordieck eben schon ausführlich gehört. Ich hatte eigentlich nicht erwartet, dass wir heute hier die Diskussion über § 218 Strafgesetzbuch noch einmal wiederholen. Ich hatte eigentlich gedacht, es ginge tatsächlich um § 219 a und nicht um § 218.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Und ich sage Ihnen auch – Herr Bartl hat das eben erläutert –: § 219 a führt ein Schattendasein. Er kommt im Grunde nicht zur Anwendung. Jetzt wird er neuerdings doch mal wieder angewendet. Wir haben einen in den Medien auch sehr prominent platzierten Fall. Deswegen gibt es jetzt eine Bundesratsinitiative. Das scheint ja wohl der Grund zu sein, warum wir heute darüber diskutieren. Lassen Sie uns doch sachlich bleiben.

Der § 219 a passt in die Systematik der §§ 218 ff. gar nicht hinein, denn er stellt etwas unter Strafe, was in § 218 a straffrei gestellt wird. Wie soll das, bitte sehr, zusammenpassen?

(Heiterkeit bei den LINKEN)

Wir haben für den gesamten Bereich, wenn es um Information, um Werbung und Ähnliches geht, in der Berufsordnung der Ärzte vernünftige Regeln. Ärzte dürfen nicht werben, vor allem auch nicht in wettbewerbswidriger Weise. Und ich glaube auch nicht, dass man ohne Weiteres mit Abtreibung werben kann. Deswegen halte ich auch den § 219 a, übrigens auch schon seit der Reform in den Siebzigerjahren, für überflüssig. Dass er überflüssig ist, konnten wir allein daran feststellen, dass er nicht zur Anwendung kam.

Wenn er jetzt wieder hochgespielt wird, wenn es jetzt Interessen gibt, die Diskussion über § 218 erneut hochzuziehen und sie am § 219 a festzumachen, dann müssen wir uns offensichtlich auch hier im Landtag damit befassen, und dann muss sich auch der Bundestag damit befassen. Aber bitte lassen Sie uns auch dann die Kontroverse auf das reduzieren, worum es geht. Wir brauchen doch bitte nicht eine erneute Debatte um die §§ 218 und 218 a StGB. Wollen wir die hier führen? Ich meine, das sollten wir nicht tun.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Die AfD-Fraktion hat das Wort. Frau Abg. Wilke, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Baumann-Hasske, jetzt noch einmal ganz speziell für Sie: Wir können den § 219 a nicht abschaffen – ich sagte es schon –, weil sich

folgerichtig die Frage stellt, warum etwas strafbar ist, für das ich straffrei öffentlich werben darf.

(Zuruf von der SPD)

Jetzt führe ich meine Argumentation weiter. Es gab im Jahr 2016 in Sachsen 8 006 Beratungsgespräche und 5 368 Abtreibungen. Das heißt, 67 % der Gespräche waren im Sinne des § 219, also der Ermutigung zur Fortsetzung der Schwangerschaft, nicht erfolgreich. Das ist eine moralische, aber auch eine nationale Bankrotterklärung.

(Heiterkeit und Zurufe von den LINKEN – Zurufe der Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE, und Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wie ernst gemeint ist die Warnung vor dem demografischen Wandel, wenn eine wesentliche Ursache dafür – Abtreibung – nun auch noch beworben würde? Wo bleiben hier die Rufe der LINKEN nach Fachkräften, die von Deutschland doch so dringend gebraucht werden? Aus Sicht der AfD zielt der Antrag in die völlig falsche Richtung. Nicht die Legitimierung und Legalisierung von Abtreibungen darf das Ziel sein, sondern das genaue Gegenteil.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir alle müssen alles dafür tun, dass junge Frauen sich für ihr Kind entscheiden, dass die Schwangere keine Sorge um ihre berufliche und finanzielle Zukunft hat, wenn sie das Kind austrägt, dass sie von allen – Arbeitgeber eingeschlossen – als Mutter respektiert, wertgeschätzt und unterstützt wird.

(Zuruf von der SPD)

Also: Statt Abtreibung zu fördern, brauchen wir eine ordentliche Familienpolitik, mehr Kinder, weniger Scheidungen, gesellschaftliche Akzeptanz und Förderung junger Familien auf allen denkbaren Ebenen.

(Zuruf von den LINKEN: Scheidungen? – Zurufe von der AfD – Zuruf der Abg. Susanne Schaper, DIE LINKE – Unruhe)

Meine Damen und Herren, bitte beruhigen Sie sich alle.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Als Nächstes fahren Sie Züge vor! Das ist unmöglich! – Jetzt wollen Sie per Partei die Scheidungen senken! – Unruhe)

Ich würde gern fortsetzen. – Ich frage die Fraktion GRÜNE: Wird das Wort noch gewünscht? Sie haben keine Redezeit mehr, Entschuldigung. – Dann bitte ich die Fraktion DIE LINKE, das Wort zu nehmen. Frau Buddeberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr

Baumann-Hasske, vielen Dank für Ihren sachlichen Beitrag. Aber Sie werden entschuldigen, ich muss noch ein paar grundsätzliche Dinge sagen. Natürlich sind wir als Fraktion DIE LINKE – das haben wir oft genug gesagt – für die Abschaffung der §§ 218 und 219 insgesamt.

(Beifall bei den LINKEN)

Das ist eine Forderung der Frauenbewegung, die nichts von ihrer Aktualität eingebüßt hat.

(Zuruf von der CDU: Das zum Thema „sachlich bleiben“, Herr Baumann-Hasske! – Zuruf der Abg. Daniela Kuge, CDU)

Ich möchte noch auf eine Sache eingehen. Frau Kuge, wenn Sie frauenpolitische Sprecherin sein wollen, dann nehmen Sie auch die Frauen in den Blick. Mein Eindruck ist: Es interessiert Sie überhaupt nicht. Sie sind gar nicht auf die Argumentation eingegangen, nicht auf Hetzkampagnen.

(Zuruf von der CDU – Zuruf der Abg. Daniela Kuge, CDU)

Sie könnten auch alternative Vorschläge zur Abschaffung des § 219 a bringen. Ich kann Ihnen einige vorschlagen. Das ist gar nicht meine Aufgabe, weil ich ja die Abschaffung will. Aber man könnte auch einfach die Worte „anbieten“ und „ankündigen“ stehen lassen und „anpreisen“ streichen. Dann wären Ihre Argumente schon ausgeräumt.

Es könnte auch eine staatliche Seite geben, die alle Informationen bündelt. Dann müssten es nicht die Ärztinnen und Ärzte machen. Auch das würde dazu führen, dass hier keine schlimme Werbung, wie Sie es skizziert haben, passiert. Aber darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken.

Was mich in dieser Debatte bei einigen Redebeiträgen wirklich ärgert, ist, dass die Verantwortung immer bei den Frauen allein liegt. Es gibt hier einen Zungenschlag, der heißt: Wer schwanger ist, ist selber schuld! Oder: Sex hat Konsequenzen! – Ach, Überraschung!

(Zurufe von der CDU und der AfD)

Die Zuständigkeit für die Verhütung liegt immer noch meistens bei der Frau. Die Frauen nehmen die Pille und sind dann einer Hormonbelastung ausgesetzt. Die Kosten für Verhütungsmittel müssen getragen werden.