Protokoll der Sitzung vom 14.03.2018

dass noch gut 4 500 DDR-Lehrkräfte tagtäglich Wissen und Kompetenzen an unseren Schulen vermitteln. Mit dem jetzt vorliegenden Paket schaffen wir ein unbürokratisches Anerkennungsverfahren und korrigieren damit Ungerechtigkeiten der letzten Jahrzehnte.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin davon überzeugt, dass Zeiten, in denen das Wort „Nichterfüller“ für Verbitterung und für ein Ungerechtigkeitsgefühl gesorgt hat, der Vergangenheit angehören werden. Von meiner Kollegin Sabine Friedel habe ich das Stichwort „Handauflegen“ in diesem Zusammenhang gelernt. Genau das werden wir tun. Statt langwierige und teilweise entwürdigende Hospitanzverfahren durchzuführen, erkennen wir 27 Jahre nach der friedlichen Revolution endlich Lehrerabschlüsse nach dem Recht der DDR an,

(Einzelbeifall bei der SPD)

einfach, transparent und unbürokratisch.

Dieser Prozess wird von einer Anerkennungskommission begleitet, um Leitlinien abzustimmen und Härtefälle zu klären. Selbstverständlich gehören die Arbeitnehmervertretungen einer solchen Anerkennungskommission an. Das hat auch der Kultusminister immer klargemacht. Das heißt, wir werden die sächsischen Lehrergewerkschaften an dieser Stelle einbinden. Unser gemeinsames Ziel ist es, so viele langjährig tätige Lehrerinnen und Lehrer wie möglich in die E 13 zu heben.

(Beifall bei der SPD, des Abg. Patrick Schreiber, CDU, und der Staatsregierung)

Ein dritter Bereich wird umfasst von den Stichworten Entlastung und Unterstützung von Lehrkräften. Dazu richten wir die Programme „Seniorlehrkräfte“ und „Schulassistenz“ ein. Wir erhöhen die Mittel für Ganztagsangebote und engagieren weitere Schulpsychologen. Wir haben bereits mit dem Lehrermaßnahmenpaket 2016 begonnen, Altersermäßigung umzubauen und eine Bindungszulage für Lehrkräfte zu ermöglichen. Damit sind über 800 Lehrerinnen und Lehrer gewonnen worden. Es ist ein erfolgreiches Programm. Diese Maßnahme wirkt also.

Wir haben aber auch gehört, dass sich nicht alle Lehrkräfte nach langjähriger Unterrichtstätigkeit in der Lage sehen, noch länger vor der Klasse zu bleiben. Gleichzeitig sind aber viele bereit, ihre Erfahrungen weiterzugeben, zum Beispiel an Seiteneinsteiger, Referendare und Praktikanten. Wir schaffen mit dem Programm „Seniorlehrkräfte“ eine Option, um über die eigentliche Tätigkeit als Lehrkraft im sächsischen Schulsystem hinaus in Teilzeit an sächsischen Schulen zu verbleiben und diese wichtige Mentorenaufgabe zu übernehmen. Künftig heißt es also in Sachsen, dass wir entweder die Möglichkeit geben, mit Bindungszulage weiterhin Schülerinnen und Schüler zu unterrichten oder alternativ als Seniorlehrkraft Lehramtsanwärter auszubilden. Das ist eine zusätzliche Möglich

keit, um das erfolgreiche Programm, das wir schon auf den Weg gebracht haben, zu ergänzen.

Mit dem Programm „Schulassistenz“ wollen wir ganz gezielt Schulen mit besonderen Herausforderungen unterstützen, sei es, dass es dort sonderpädagogische oder förderpädagogische Bedarfe gibt oder einen hohen Anteil an DaZ-Klassen. Stufenweise stellen wir dafür zusätzliches nicht pädagogisches Personal ein. Das beginnt mit 130 Schulen im Jahr 2019, um im Jahr 2022 bei einem Drittel aller sächsischen Schulen anzukommen. Das Programm „Schulassistenz“ wird uns auch die Möglichkeit geben, pädagogikaffine Fachkräfte, denen es bislang nicht möglich war, eine formale Qualifikation anerkennen zu lassen, an das System Schule heranzuführen.

Sie wissen alle, dass die SPD-Fraktion davon überzeugt ist, im multiprofessionellen Team die beste Förderung für unsere Kinder zu erreichen. Mit dem Programm „Schulassistenz“ gehen wir dafür einen ganz wichtigen Schritt.

Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden wir auch ab August 2019 die Mittel für Ganztagsangebote nochmals um 13,5 Millionen Euro pro Jahr erhöhen; das ist von Kollegin Falken schon angesprochen worden. Wir haben ja bereits zusätzlich 6,2 Millionen Euro im Doppelhaushalt 2017/2018 eingestellt und damit jetzt einen Punkt erreicht, dass wir in dieser Legislaturperiode den Mittelansatz im Bereich Ganztagsangebote verdoppelt haben.

Das ist mitnichten Pillepalle – wir sind stolz darauf. Wenn wir dazu noch anerkennen, dass wir auch durch das Thema Schulsozialarbeit und die Erhöhung auf 61 Millionen Euro im Doppelhaushalt noch ein wichtiges zusätzliches Programm auf den Weg gebracht haben, das übrigens vor dieser Legislaturperiode mit 400 000 Euro ausgestattet war, dann sind das Mittel, die wir sehr, sehr gern ins sächsische Bildungssystem investieren – genauso wie die zusätzlichen Schulpsychologen, die wir jetzt anstellen werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall bei der Staatsregierung)

Dies alles trägt zur Entlastung und Unterstützung von Lehrkräften bei und das kann man nicht einfach wegdiskutieren. Es sind im Übrigen Forderungen, die auch von den LINKEN schon seit Jahren immer wieder angeregt wurden, das ist richtig. Aber ich kann Ihnen den Schmerz leider auch nicht nehmen; denn im Gegensatz zu Ihnen reden wir nicht nur darüber, sondern wir handeln auch, und wir setzen es um.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung – Zurufe von den LINKEN)

Entschuldigung, Herr Böhme, so lange sind Sie noch gar nicht dabei. Davon abgesehen würde ich Ihnen empfehlen, einmal die Plenarprotokolle zu lesen.

Frau Kollegin Friedel wird in der zweiten Runde auch noch auf die Notwendigkeit langfristiger Bildungsplanung

und auf die Absicherung der Lehrerbildung an unseren Hochschulen eingehen.

Ich möchte abschließend, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, noch einmal deutlich machen: Der Freistaat Sachsen steht für beste Bildung und ich bin sicher, dass dieser Anspruch uns alle eint. Den Auftrag haben wir heute wieder mit einem 1,7 Milliarden Euro schweren Handlungsprogramm unterlegt. Wir investieren in Köpfe, in Bildung, in die Zukunft unseres Freistaates. Das ist ein Impuls für unser Bildungsland Sachsen, den wir nicht schlechtreden dürfen, sondern den wir anerkennen müssen.

In den kommenden Monaten werden wir gemeinsam miteinander beraten, wie jede einzelne Maßnahme umgesetzt werden kann. Der Kultusminister hat angesprochen, dass es absolute Priorität hat, die Gesetze, die Verordnungen und die Verwaltungsabläufe auf den Weg zu bringen. Ich bin zuversichtlich, dass das auch gelingt, und ich biete an, dass wir als konstruktiver Begleiter an Ihrer Seite stehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wir hörten gerade Herrn Kollegen Panter, SPD-Fraktion. Jetzt folgt Frau Kollegin Wilke für die Fraktion AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! „Aufbruch in schwieriger Zeit – neue Impulse für das Bildungsland Sachsen“ – das ist der gehaltvolle Titel der Fachregierungserklärung.

Ich beginne mit dem „Aufbruch in schwieriger Zeit“. Nehmen wir hierfür 1994, da gab es zu wenige Schüler und zu viele Lehrer. Sparmaßnahmen waren angesagt, die Zwangsteilzeit wurde eingeführt. Neue Lehrer wurden kaum mehr eingestellt und die, die sich bewarben, wurden rigoros ausgesiebt und abgewiesen.

Ab 2008 stiegen die Schülerzahlen; eine umgehende politische Reaktion der regierenden CDU blieb aber aus. Mehr Lehrer wurden nicht eingestellt. Erst 2014, als der Unterricht für jeden bereits sichtbar nicht mehr abgesichert werden konnte, wurde verkündet, jetzt könne man neue Lehrer einstellen. Nun gibt es aber nicht mehr genug, um den enormen Bedarf für Sachsen zu decken. Das Mantra vom leer gefegten Arbeitsmarkt wird verbreitet und der Weg geebnet für eine Rekrutierung von Seiteneinsteigern bisher ungeahnten Ausmaßes.

Sie mit Ihrer planlosen Politik sind daran schuld, liebe Staatsregierung!

Kommen wir zu den neuen Impulsen. Die CDU wird über fünf Jahre 1,7 Milliarden Euro ausgeben, 340 Millionen Euro pro Jahr. Die Zeche zahlt natürlich der sächsische Steuerzahler. Damit ist das Handlungsprogramm genauso wenig ein Geschenk des Himmels, wie der

Lehrermangel ein unvorhergesehener Schicksalsschlag war. Das einzig Erfreuliche ist, dass die Forderung der AfD-Fraktion nach Eingruppierung der Grundschullehrer in die Entgeltgruppe E 13 endlich umgesetzt wird.

(Beifall bei der AfD – Petra Zais, GRÜNE: Die gab es schon, da gab es Sie noch gar nicht!)

Nächster Impuls: die Verbeamtung. Lehrer jünger als 42 Jahre können jetzt verbeamtet werden. Aufgrund der Altersstruktur profitieren davon aber nur 6 000 Bestandslehrer.

Das heißt, 80 % der Lehrer sind von der Verbeamtung ausgeschlossen. Damit bleibt der Vorschlag deutlich hinter den Möglichkeiten, die das Sächsische Beamtengesetz bietet, zurück. Hiernach könnte verbeamtet werden, wer jünger als 47 Jahre ist – 2 000 Lehrer mehr.

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU – Zuruf von der AfD: Hört, hört!)

In Ausnahmefällen kann man sogar noch bis 51 Jahre Beamter werden. Warum aber werden diese Grenzen nicht ausgeschöpft? Ganz einfach: Hier wollen Sie, lieber Herr Kultusminister Piwarz, nun wieder Geld einsparen. Demnächst wird dann die Altersgrenze von 42 Jahren für alle Beamten gelten. Was haben Sie sich aber für die 25 000 Lehrer gedacht, die nicht verbeamtet werden? Warum sind für diese nur 20 % Beförderungsstellen geplant, die eine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe E 14 ermöglichen? Lediglich 2 000 Lehrer an den weiterführenden Schulen können davon profitieren. Damit bleiben immer noch rund 23 000 Lehrer, die leer ausgehen und zu unveränderten Konditionen weiterarbeiten müssen.

(Patrick Schreiber, CDU: Sie müssen die Grundschullehrer mal abziehen!)

Ist das Ihre Art, Danke zu sagen – ausgerechnet den Lehrern, ohne deren Engagement Ihr ganzes Konzept wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde? Wie kommt man eigentlich auf die Idee, die Verbeamtung auf fünf Jahre zu begrenzen? In allen anderen Bundesländern wird stetig, also ohne Laufzeitbegrenzung, verbeamtet. Welche Anreize bestehen für Bewerber nach den fünf Jahren, sich in Sachsen zu bewerben? Die Lücke zu anderen Bundesländern wird nur auf Zeit geschlossen, danach klafft sie wieder auseinander.

Mit der Verbeamtung spalten Sie die Lehrerschaft in eine Dreiklassengesellschaft: Oberschicht – das sind die verbeamteten Lehrer, auf Lebenszeit unkündbar, eine schöne Besoldung und eine üppige Pension; Mittelschicht – keine Beamten, aber in der glücklichen Position, eine der 20 % ausgebrachten E-14-Stellen ergattert zu haben; Unterschicht – weder Beamte noch mehr Geld. Das betrifft die 23 000 Lehrer, die nun sehen müssen, wo sie bleiben.

(Patrick Schreiber, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

Das ist CDU-/SPD-Bildungspolitik und bedeutet noch unzufriedenere Lehrer, die noch öfter krank sind.

(Beifall bei der AfD)

Kommen wir zur Einsparung von Lehrern durch Kürzung der Stundentafeln. Die Schulleiter kürzen sie wegen des Lehrermangels ja schon lange, zum Beispiel die Zusammenlegung von Musik und Kunst zu MuKu, wie an einer Riesaer Schule. Wann kommt die Zusammenlegung von Chemie, Physik und Biologie zu NaWi? Nur bei der politischen Bildung wird nicht gekürzt, sondern aufgesattelt. Der Gemeinschaftskundeunterricht fängt jetzt schon in der 7. Klasse an. Schüler immer früher auf Linie zu bringen – die DDR lässt grüßen.

(Beifall bei der AfD – Zurufe von der CDU: Also jetzt …! – Valentin Lippmann, GRÜNE: Selbstverräterisch ist das, was Sie da machen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Nun zu den Seiteneinsteigern. Ein Zitat vom Kultusminister Piwarz vom 01.03.: „Sosehr ich die Expertise der Seiteneinsteiger schätze und dankbar bin, dass wir die neuen Kolleginnen und Kollegen an den Schulen haben – es muss aber unser Ziel sein, die freien Stellen mit denjenigen zu besetzen, die dafür ausgebildet wurden.

(Staatsminister Christian Piwarz: Das habe ich heute übrigens auch gesagt!)

Wir müssen Neulehrern dringend ein besseres Angebot unterbreiten und ältere Lehrkräfte mit finanziellen Anreizen und Entlastungen zusätzlich Motivation verschaffen. Es ist fünf nach zwölf.“ Das haben Sie gesagt. – So viel zum Wunsch.

Hier die Wirklichkeit: 62 % der neu eingestellten Lehrer sind Seiteneinsteiger. 62 % an Grundschulen, 80 % an Oberschulen, 69 % an berufsbildenden Schulen, 80 % am Standort Bautzen, 73 % am Standort Chemnitz, und Frau Falken sagte, manchmal sind es sogar 100 %. Das Eis wird dünn, auch für die Einstellung von Seiteneinsteigern. Die besten Bewerber sind schon längst abgeschöpft. Zum nächsten Schuljahr müssen nun 1 300 Stellen besetzt werden – lassen wir uns überraschen.

Welche tollen neuen Impulse haben wir noch? Das Hilfslehrerprogramm Teach First: 5,4 Millionen Euro für 60 überragende Hochschulabsolventen, die sich ohne jegliche pädagogische Ausbildung an Problemschulen um Problemkinder kümmern. Der Leiter des Programms teilte nebenbei mit, das Programm könne ebenfalls ein Teil der Problemlösung im Bereich des Lehrermangels sein. 15 % der Fellows würden sich für eine Tätigkeit als Lehrer entscheiden. 15 % von 60 wären satte neun neue Lehrer für Sachsen, neun Lehrer für nur 5,4 Millionen Euro. Da staunt der Laie, und der Experte wundert sich. Übrigens kommt das Programm aus Amerika – natürlich – und finanziert sich dort ausschließlich aus privaten und Unternehmensspenden. – Besser kann Geld nicht ver

schwendet werden. Das sollte sich der Rechnungshof unbedingt genau ansehen.

Meine Damen und Herren! Ob und wie wirksam das Handlungsprogramm sein wird, wird sich zeigen. Die Verbeamtung hat das Potenzial, die Lehrerschaft zu spalten, weil kein voller finanzieller Ausgleich gewährt wird – Neid, Missgunst und Ungerechtigkeiten für 23 000 Lehrer. Hauptcharakteristikum des Handlungsprogramms: mehr Geld. Sachsen begibt sich damit in einen gefährlichen Wettlauf im bundesweiten Kampf um Lehrer. Sollten anderen Bundesländern die Felle, besser gesagt die Lehrer wegschwimmen, werden sie mit noch mehr Geld und sonstigen vermögenswerten Vorteilen nachlegen. Der Freistaat zieht entweder nach und packt eine Schippe drauf oder steht am Ende wieder als Letzter da. Das ist ein Wettlauf, der nicht gewonnen werden kann. Warum werden keine Anstrengungen unternommen, einen Konsens zwischen den Bundesländern in Sachen Lehrermangel, Lehrergewinnung und Lehrerverteilung zu erreichen?