Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

Welchen Gestaltungsanspruch haben Sie, Frau Gesundheitsministerin Klepsch, im Bereich E-Health? Das bleibt auch in der Stellungnahme vage und wird nicht deutlich. Doch wer den ländlichen Raum stärken will, der muss eine praxistaugliche Vision entwickeln, wie die Telemedizin dazu beitragen soll, dass beispielsweise die medizinische Versorgung in schrumpfenden Regionen sichergestellt wird.

Der Breitbandausbau liegt um Längen hinter dem, was jahrelang von CDU, SPD, auch FDP angekündigt wurde. Jetzt hat Herr Ministerpräsident Kretschmer nach der Haushaltsklausur der CDU in dieser Woche noch einmal 120 Millionen Euro pro Jahr für die Digitalisierung versprochen. Aber ein Plan, wie das selbst gesteckte Ziel, flächendeckend 100 MBit bis zum Jahr 2025, erreicht werden soll, ist immer noch nicht erkennbar. Aber Telemedizin braucht dieses schnelle und stabile Internet. In vielen ländlichen Regionen Sachsens ist das bis auf Weiteres noch nicht gegeben. Ohne diese Grundvoraussetzungen laufen diese Pilotprojekte ins Leere. Es erscheinen Videosprechstunden wie eine Science-FictionVision, und auch elektronische Notarztabrechnungen bleiben eine Ewigkeit liegen.

Die Patientinnen und Patienten müssen bei diesem Prozess aktiv mitgenommen werden. Sie wissen ja am besten, wie die Digitalisierung in ihrem Sinne gestaltet werden kann und wie sie ihnen auch nützt. Die Mitbestimmungsrechte von Patientinnen und Patienten müssen gestärkt werden. Frau Klepsch, holen Sie die Patientenvertreter als ständige Mitglieder in den E-Health-Beirat. Wer für die Telemedizin wirbt, darf die davon betroffenen Patienten nicht außen vor lassen.

Die Digitalisierung stellt an die Politik große Aufgaben, was die Datenschutzstandards anbelangt. Der durchgehende Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten aller Versicherten muss oberste Priorität haben. Das betrifft alle Versorgungsbereiche, alle elektronischen Medizinprodukte und auch die elektronische Patientenakte. Die Versicherten müssen selbst entscheiden können, welche ihrer Gesundheitsdaten sie freigeben.

Zusammenfassend möchte ich sagen, dass der Antrag der Koalition ein wichtiges Thema aufgreift, ohne auf die zentralen Herausforderungen, Breitbandausbau, Datenschutz und Patientenorientierung näher einzugehen. Wir stimmen zu, aber es darf nicht bei diesen Berichts- und Prüfaufträgen bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Frau Abg. Kersten hat zu diesem Tagesordnungspunkt noch um das Wort gebeten. Frau Kersten, ich erteile Ihnen jetzt das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist im Vormarsch und sie wird diese in Zukunft in zunehmendem Maße prägen. Darauf weist nicht nur der vorliegende Antrag hin, sondern auch Herr Wehner von der CDU-Fraktion hat vorhin darauf hingewiesen.

Beim Lesen der Stellungnahme der Staatsregierung wäre ich allerdings davon ausgegangen, dass der Antrag erledigt ist. Diese liefert nämlich recht umfangreich Antworten, auf denen man im Sinne der Zielsetzung des Antrages aufbauen kann.

Bei der Umsetzung geht es letztlich darum, mit dem EHealth-Gesetz die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu beschleunigen, beispielsweise durch die Förderung von telemedizinischen Anwendungen. Dazu wurde eine Telematikinfrastruktur aufgebaut, an die nun Ärzte, Krankenhäuser, Psychotherapeuten, Apotheken etc.

angeschlossen werden sollen.

Teil dieser Struktur ist zum Beispiel die elektronische Gesundheitskarte.

Die Krux am ganzen Thema ist nun weder das Ziel des Gesetzes noch der Willen der Arztpraxen, Krankenhäuser oder Apotheken. Die Krux ist, dass die Voraussetzungen zur Umsetzung einer digitalen Kommunikation im Ge

sundheitswesen nicht oder nicht vollständig vorhanden sind. Von daher gestatten Sie mir, dass ich Sie auf einen kleinen Exkurs in eine Arztpraxis mitnehme; denn Arztpraxen sind im Gegenteil zu Patienten gezwungen, die Anwendungen der Telematikinfrastruktur in ihren Praxen fristgerecht vorzuhalten.

Der Anschluss der Praxen an die digitale Infrastruktur soll bis Ende 2018 erfolgen. Das muss von den Praxen selbst organisiert werden. Nötig dazu ist die entsprechende Hard- und Software. Bereits jetzt gibt es Bedenken, dass die oben genannte Frist nicht eingehalten werden kann. Das belegen auch die derzeitigen Verhandlungen der kassenärztlichen Bundesvereinigung, die sich derzeit gegenüber Politik und Krankenkassen dafür stark macht, die gesetzte Frist zu verlängern.

Die von mir erwähnte Praxis hat nach ersten Gesprächen hinsichtlich der Installation der Technik mit einem Technikanbieter von diesem ein Schreiben erhalten, dass er gern die notwendige Infrastruktur in der Praxis einrichten würde, dies allerdings aufgrund von fehlenden Zertifizierungen und damit nicht vorhandener Zulassung bestimmter Technik derzeit nicht durchführen kann. Leider hätte sich an der Situation seit Ende 2017 nichts geändert. In dem Schreiben wird ausdrücklich davor gewarnt, unter Zeitdruck schon jetzt Verträge abzuschließen, da derzeit nicht davon ausgegangen wird, dass unter den gegebenen Voraussetzungen die Daten zur Teilnahmepflicht an der Telematikinfrastruktur eingehalten werden können und es erwartet wird – ich erwähnte es bereits –, dass die KBV nachbessert.

Das hoffen selbstverständlich auch die Ärzte, denn momentan sieht die derzeitige Gesetzeslage vor, dass Ärzte, die bis zum 01.01.2019 das Versichertenstammdatenmanagement nicht durchgeführt haben, mit einem Honorarabzug von 1 % sanktioniert werden.

Interessant fand ich in diesem Zusammenhang eine Werbung der Deutschen Telekom im Deutschen Ärzteblatt im März. Die Telekom hat dort mit dem Spruch geworben: Das Einzige, woran Sie jetzt nicht denken sollten, ist die Telematikinfrastruktur. Ja, was will uns die Telekom denn damit sagen? Vermutlich, dass die Breitbandinfrastruktur noch nicht für die Telematikinfrastruktur bereit ist. Dass dies vor allem in Sachsen so ist, ist nichts Neues. Sie gibt aber sehr deutlich vor, welche Aufgabe zuerst zu erledigen ist. Für E-Health braucht man flächendeckend Breitbandanbindung.

Dem Antrag kann man nun zustimmen, das schadet letztlich nichts. Im Hinblick auf die Akzeptanz der Inanspruchnahme einer digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen wird er uns aber auch nicht weiterbringen; denn Akzeptanz setzt erst einmal die Anwendung voraus, und davon sind wir momentan noch ein ganzes Stück entfernt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. – Nun hat die Staatsregierung das Wort. Frau Staatsministerin Klepsch, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, das Gesundheitswesen steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Die Digitalisierung und die Telemedizin sind ein ganz wichtiger Teil dieser Herausforderungen. Telemedizin ist schnell, sie ist präzise, sie ist sicher, und sie ist unabhängig von Zeit und Ort. In den ländlichen Gebieten kann Telemedizin helfen, unsere qualitativ hochwertige Versorgung zu erhalten. So können digitale Möglichkeiten wie Videosprechstunde und Telemonitoring beispielsweise den längeren Verbleib älterer Menschen in der eigenen Häuslichkeit unterstützen und Angehörige und Pflegepersonal entlasten. Auch bei der Erreichbarkeit kann die Telemedizin für viel Erleichterung sorgen, sei es durch die zeitliche Flexibilität oder das Ersparen langer Anfahrtswege und Wartezeiten.

Nun ist es an uns allen, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, diese Möglichkeiten zu nutzen und Potenziale weiter zu fördern. Das E-Health-Gesetz – Ende 2015 in Kraft getreten – wurde bereits erwähnt. Seit Ende 2017 sind alle erforderlichen Komponenten für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur durch die Gematik freigegeben. Ab 1. Januar 2019 sollen alle Praxen an die TI angeschlossen sein und die verbindliche Anwendung des Versichertenstammdatenmanagements durchgeführt

werden. Auf die Probleme, die damit noch im Zusammenhang stehen, sind meine Vorredner eingegangen. Voraussetzung ist ein zügiger Ausbau der erforderlichen Breitbandinfrastruktur. Es ist auch klar: Die Staatsregierung hat das als Thema Nummer eins im Zukunftspaket gesetzt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um die Prozesse der Digitalisierung des Gesundheitswesens im Freistaat Sachsen sektorenübergreifend zu unterstützen, hat das Sozialministerium den E-Health-Beirat etabliert. Es wurde bereits gesagt, im Januar 2018 fand die fünfte Sitzung des Gremiums statt. Es wurden unter anderem ausgewählte sächsische Telemedizinprojekte vorgestellt. Dieser E-Health-Beirat ist absolut transparent, wahrt aber die Interessen der jeweiligen Projektantragsteller, weil die schon einem Datenschutz unterliegen.

(Volkmar Zschocke, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gerne.

Herr Zschocke, bitte.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich habe das vorhin angesprochen und würde Sie jetzt gleich direkt fragen: Aus welchen Gründen sind die Patientenvertreterinnen und -vertreter nicht als ständige Mitglieder in diesen Beirat berufen?

Bisher hat man auf die anderen Partner verwiesen und diese ins Gremium aufgenommen. Aber die Anregung, die Patientenvertreter ebenfalls aufzunehmen, habe ich vorhin aus Ihren Worten aufgegriffen. Wir werden das noch einmal tiefer besprechen und einem Ergebnis zuführen.

Es sei noch einmal angeführt: 10 Millionen Euro stehen im Rahmen der E-Health-Richtlinie bereit. Der Landtag hat im letzten Doppelhaushalt die 10 Millionen Euro im Haushaltsgesetz verankert. Hier liegt der Fokus speziell auf Projekten, die versorgungsorientiert angelegt sind. Das ist bei der Auswahl und der Bewertung der Projekte ein wesentlicher Fokus. Neun Projektanträge sind seit Inkrafttreten der Richtlinie eingereicht und mit knapp 15 Millionen Euro Fördervolumen untersetzt. Im Zeitraum bis 2020 – auch das wurde bereits angesprochen – stehen insgesamt 28 Millionen Euro aus dem europäischen Fonds zur Verfügung. Hier ist der Inhalt, speziell Innovationen stärker in den Blick zu nehmen und besonders im Bereich der Gesundheits- und Pflegewirtschaft zu fördern. Aus dem Budget stehen noch 10 Millionen Euro zur Verfügung. Dazu sollte jeder Partner ansprechen, der weiß, dass hier möglicherweise weitere Projekte beantragt werden können.

Ich möchte noch auf ein konkretes Beispiel zu sprechen kommen, weil die Abg. Pfau gerade das Thema angesprochen hat, man sollte eher die großen Kliniken in den Blick nehmen. Ganz im Gegenteil. Unser Vogtland-Projekt ist für mich geradezu ein Paradebeispiel, wie es gelingt, aus der Region heraus mit verschiedenen Partnern – dort sitzt der Landkreis am Tisch – Projekte zu realiseren. Dort haben sich Ärzte in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, und das Klinikum im Vogtland spielt eine wesentliche Rolle. Dort hat man ein sehr innovatives Projekt zusammengestellt. Dieses Projekt wird durch uns unterstützt. Es sollen mindestens zwei ambulante Servicezentren in Gebieten aufgebaut werden, in denen die ärztliche Versorgung nicht oder eben nicht ausreichend abgesichert ist. Diese Servicezentren dienen als Anlauf-, Beratungs- und Behandlungsstelle für die Patienten. Sie sind mit mittlerem medizinischen Personal besetzt, das bei Bedarf einen Arzt aus einem Ärztepool ermittelt und für einen virtuellen Arztbesuch einen Termin vereinbart oder Hausbesuche bei dem Patienten vornimmt. Ja, auch das ist Telemedizin und – wie ich meine – ein sehr gutes praktisches Projekt aus dem Vogtland.

Meine Damen und Herren, die gesetzlichen Grundlagen für die Bereiche der Aus-, Fort- und Weiterbildung des medizinischen Personals bilden die Bestimmungen der Heilberufe- und Kammergesetze. Die Kammern haben bereits erste Veranstaltungen in den Bereichen Gesund

heitstelematik und Telemedizin in ihre Angebotsstrukturen aufgenommen. Auch die Medizinischen Fakultäten in Dresden und in Leipzig bieten bereits Veranstaltungen zu medizinischer Informatik an. Nachfrage und Akzeptanz aufseiten der Leistungserbringer, aber auch der Leistungsempfänger sind für das Thema Telemedizin von essenzieller Bedeutung. Der Erfolgt hängt davon ab, wie Akzeptanz und Nachfrage erfolgen.

Wir arbeiten aktuell an öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, die die Akzeptanz digitaler und telemedizinischer Anwendungen weiter fördern sollen. Wir werden weiterhin im Mai ein Dialogforum „Digitale Gesundheitswirtschaft“ durchführen. Dieses digitale Gesundheitsforum soll speziell eine Fachveranstaltung sein und alle relevanten Akteure im Bereich der Gesundheitswirtschaft in den Fokus nehmen, und wir werden im Herbst dieses Jahres einen sächsischen Telemedizinkongress durchführen, der bundesweit Bezug haben wird. Auch das sind zwei Veranstaltungen, von denen ich meine, dass sie für die Förderung der Telemedizin im Freistaat Sachsen sehr wesentlich sind.

Beide Veranstaltungen werden in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung ausgerichtet. Sie unterstützen das Anliegen, den Freistaat Sachsen weiterhin als attraktiven und innovativen Standort für die Digitalisierung im Gesundheitswesen zu präsentieren. Ich glaube, anhand dessen, was ich aufgezeigt habe, wird deutlich, dass das Thema Telemedizin im Freistaat Sachsen im Jahr 2018 einen großen Stellenwert sowohl in meinem Haus als auch insgesamt im Bereich der Staatsregierung einnimmt. Wir sind hier – und davon bin ich überzeugt – auf einem guten Weg. Aber zu jeder Veranstaltung sage ich bewusst: Telemedizin wird immer nur unterstützend tätig werden. Sie wird nie den Arzt, das medizinische Personal, die Krankenschwester ersetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Das Schlusswort haben die Fraktionen CDU und SPD. Wer spricht? – Es soll keines gehalten werden. Dann kommen wir zur Abstimmung. Zunächst lasse ich über den bereits genannten Änderungsantrag, Drucksa

che 6/12713, abstimmen. Herr Wendt, Sie wollen dazu sprechen? – Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir möchten mit unserem Änderungsantrag erreichen, dass die Telemedizin in Sachsen ein Erfolgsmodell wird. Dazu bedarf es, wie zuvor schon ausgeführt, einer flächendeckenden Breitbandversorgung, die schnellstens vorangetrieben werden muss.

Es bedarf aber auch adäquater Möglichkeiten, um einen Arzt-Patienten-Kontakt auf elektronischem Weg und über eine räumliche Distanz zu gewährleisten. Dies ist insbe

sondere für den ländlichen Raum von immenser Bedeutung. Das habe ich bereits angesprochen.

Ein Patient könnte sich, wenn irgendwann alles funktioniert, von zu Hause aus zu jeder Zeit an einen Arzt wenden und bekommt sogar eine Diagnosestellung und eine Therapie oder Behandlung. Dies wird übrigens in der Schweiz schon seit Jahren so praktiziert und funktioniert ganz wunderbar.

Doch genau das ist derzeit leider in Deutschland nicht möglich. Das sogenannte Fernbehandlungsverbot behindert die Videokonsultationen. Eine ausschließlich ohne direkten Arzt-Patienten-Kontakt stattfindende Untersuchung, Diagnosestellung oder Behandlung bedarf derzeit noch einer persönlichen Erstvorstellung des Patienten beim jeweiligen Arzt. Wir möchten deshalb, dass zunächst im Rahmen von Modellprojekten die ausschließliche Fernbehandlung ermöglicht wird. Es sollen hierdurch Erkenntnisse für mögliche Grenzen für die zu schaffenden notwendigen Voraussetzungen einer ausschließlichen Fernbehandlung gewonnen werden. Dass dieser Schritt notwendig ist, hat auch der 120. Deutsche Ärztetag erkannt und Gleichlautendes beschlossen.

Jetzt der Appell an CDU und SPD: Ihr Antrag war recht dünn. Unser Antrag hat Ihren Antrag etwas aufpoliert. Haben Sie den Mut und stimmen Sie unserem Antrag zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)