Herr Kollege Günther, wissen Sie, wie viele Dieselfahrzeuge im Jahr 1918 auf der Straße gefahren sind?
Ich möchte darauf antworten. Frau Kollegin Springer, wenn Sie davon ausgehen, dass die Lebenserwartung einzig und allein von dem Parameter abhängig ist, wie viele Dieselfahrzeuge einen umgeben, dann könnten wir – – Nein, nicht in meiner Logik, sondern, das ist ein Parameter von vielen, und genau darauf versuche ich Sie ja hinzuweisen, dass wir sagen: Wir müssen insgesamt den Verkehr anders organisieren und da sind Stickoxide ein Thema, das wir ernsthaft angehen müssen. Das ist aber nicht unser einziges Thema. Weder die Diesel noch die Stickoxide, sondern die Verkehrspolitik müssen wir anders gestalten. Dabei bekommen wir den Feinstaub und noch ganz andere Sachen mit in den Griff. Vor allem kommen wir zu einer höheren Lebensqualität für die Menschen, wenn ein besseres Verkehrssystem vorhanden ist. Aber kommen wir zur nächsten Frage.
Herr Kollege, haben Sie sich schon einmal mit der Thematik beschäftigt, wie Kleinunternehmer, Handwerksbetriebe ihre Werkzeuge, ihre Waren mit dem öffentlichen Nahverkehr transportieren sollen und wie sie zum Kunden gelangen sollen? Wie stellen Sie sich das eigentlich vor?
Dort gibt es auch die Vorstellung: Dass die gesamte Wirtschaft davon abhängig ist, dass Dieselfahrzeuge unterwegs sind, die bestimmte Grenzwerte nicht einhalten können, halte ich für einen Mythos. Ich denke, den Verkehr kann man auch anders organisieren.
Es gibt auch andere Fahrzeuge. Wir haben vielleicht ein Problem in der Umstellung, Herr Kollege. Es kann sein: Bisher war das zulässig, und es war auf der Grundlage von Betrug zulässig, den die Industrie dort geleistet hat. Betrug, den auch unsere staatlichen Stellen, die die gesamten Zulassungen durchgeführt haben, leider nicht aufhalten konnten.
Jetzt kommt das Problem bei den einzelnen Handwerkern mit den Fahrzeugen an. Das ist völlig richtig. Das heißt aber nicht, dass wir deshalb das Problem der Stickoxide und der Verkehrsorganisation nicht angehen, sondern wir müssen nur schauen, wie wir jetzt diesen Übergangsprozess hinbekommen, damit dort keiner hinten herunter fällt. Jetzt ändern sich aber die Spielregeln, und die Systeme sind so organisiert, dass sie sich auch neuen Spielregeln anpassen können. Man sollte nicht von jetzt auf sofort alle Fahrzeuge stilllegen. Ich habe auch noch nie gehört, dass das jemals einer gefordert hätte. Ihr Einwand ist unsachlich.
Herr Kollege, bitte erklären Sie mir, wie Tausende von Handwerksbetrieben auch in Sachsen die Möglichkeit erhalten sollen, ihre Waren bis zum Endverbraucher zu transportieren, Punkt 1. Wieso sollen diese Handwerker, die teilweise nicht immer das Geld auf der hohen Kante haben, jetzt Fahrzeuge anschaffen, die erhebliche Kosten verursachen, Neuanschaffungen tätigen oder ihre Fahrzeuge für 2 000, 3 000, 4 000 Euro umrüsten, wenn das überhaupt möglich ist? Sie belasten doch wieder den Mittelstand, Sie belasten den Handwerker.
Ich kann Ihnen auch komplex darauf antworten. Das Erste ist relativ typisch. Sie behaupten ein Problem, was so überhaupt nicht vorhanden ist, um dann den Vorwurf zu adressieren, andere müssten dafür eine Lösung bringen. Erstens, kein Mensch spricht davon, dass flächendeckend in Sachsen die Dieselfahrzeuge, die die Handwerker derzeit benutzen, um zu ihren Auftraggebern zu kommen, abgeschafft werden müssten und diese nicht mehr benutzt werden
dürften. Das steht doch überhaupt nicht zur Debatte. Es geht einzig und allein darum, dass wir in Sachsen im Moment noch nicht diese Grenzwertüberschreitung haben und deshalb aktuell gar nicht gehandelt wird.
Wir wissen aber, dass es in den beiden Großstädten absehbar dazu kommen wird und dass dann in einzelnen Straßenabschnitten gegebenenfalls die Zufahrt untersagt wird. Das heißt aber nicht, dass sie flächendeckend nicht mehr fahren. Das Problem ist so nicht da, wie Sie das aufbauschen. Deshalb muss ich hierauf auch keine Antwort haben. Ich kann Ihnen sagen: Ja, die allermeisten Handwerker werden unverändert mit ihrem Fahrzeug wie heute und bisher dorthin fahren.
Wenn wir uns mit unserer Verkehrspolitik durchsetzen, dann werden sie künftig noch andere Möglichkeiten haben und auch nicht mehr im Stau stehen, weil nämlich die, denen sie bisher hinterherfahren, ob das jetzt Schwerlastverkehr ist oder andere, die ihren Pkw nutzen müssen, weil sie keine Alternative dazu haben, auch anders unterwegs sein können. Das wird für sie also noch besser werden, wenn man Verkehrspolitik endlich mal ordentlich organisiert. Ihr Problem gibt es so nicht.
Herr Hütter, vielleicht bei der Gelegenheit, ist ja gut, wenn wir so eine belebte Debatte führen, aber der Redner muss sich a) verständlich machen können und b) ist ja gut, wenn wir das Instrumentarium der Zwischenfragen nutzen. Ich weise noch auf ein Weiteres hin, wenn einem das Herz voll ist und man das auch loswerden will. Das ist das Instrumentarium der parlamentarischen Kurzintervention, das unmittelbar an den Redebeitrag anzufügen wäre. Das sei noch einmal als Stütze gesagt. – Vielen Dank. Jetzt zu Ihrer Zwischenfrage. Ich denke, wir können nicht nur ein Frage-AntwortSpiel machen, Herr Kollege Hütter. Bitte, jetzt sind Sie am Zug.
Herr Kollege, wie wollen Sie denn die Bürger und Handwerker unterstützen, die gerade in dieser Situation sind, dass sie eventuell mit diesen Fahrzeugen in die Innenstadtbereiche nicht mehr hineinfahren können? Dieser riesengroße Wertverlust, der gerade entsteht, muss ja irgendwie ausgeglichen werden. Wie ist denn dafür Ihr Lösungsansatz?´
Sie hören nicht zu. Wenn ich Ihnen sage, dass im Moment überhaupt keiner dieser Handwerker ein Fahrverbot in
Sachsen bekommt, deswegen muss ich Ihnen auch nicht antworten, wie ich ihn dafür entschädigen sollte.
Es geht darum, dass wir schauen, wie wir in Zukunft den Verkehr organisieren, wie wir dahinkommen, dass diese Personen diese Probleme nicht haben. Das ist auch eine klare Forderung der GRÜNEN, wenn die Industrie betrogen hat, dann muss die Industrie auch in dem Maß, wo man umrüsten kann, genau das bezahlen.
Das muss durchgesetzt werden und darf nicht beim einzelnen Handwerker liegen. Sie können sich sicher sein, dass auch der Handwerker nicht in Zukunft genau dieses Fahrzeug, wie es jetzt ist, weiter fahren wird. Sie haben alle eine gewisse Abschreibungsdauer; das ist eine ganz normale Wirtschaft.
Wir wollten unsere Vorschläge bringen, wie man Verkehr anders organisieren muss. Dabei waren wir stehengeblieben. Neben dem öffentlichen Verkehr, zu dem wir schon einiges gesagt haben, gehört – sicherlich ganz wichtig – auch die Vernetzung der verschiedenen Verkehrsträger. Es gehört auch dazu, dass man integrale Taktfahrpläne hat. Das ist die Basis; denn jeder, der irgendwohin muss, rechnet immer, wie schnell komme ich von A nach B. Es ist ihm erst einmal relativ egal, mit welchen Verkehrsträgern.
Was wir in diesem Rahmen auch brauchen, sind preiswerte und vereinfachte Tickets. – Mehr dann in der zweiten Runde.
Das war Kollege Günther für die Fraktion GRÜNE. Jetzt kommen noch fraktionslose Abgeordnete zu Wort, zunächst Herr Kollege Wurlitzer und danach Herr Kollege Wild. Bitte, Herr Wurlitzer.
Werter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Günther! Sie haben natürlich recht, Stickoxide und Feinstaub sind nicht gesundheitsfördernd. Herr Böhme, Sie haben natürlich recht, der öffentliche Personennahverkehr muss ausgebaut werden. Und, Herr Heidan, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, wir müssen wirtschaftlich an die Geschichte herangehen und können nicht nur draufhauen.
Das Wichtigste ist meines Erachtens aber, dass wir über Grenzwerte und über die wissenschaftliche Erhebung reden; denn wir lassen uns momentan von der EU treiben und haben überhaupt keine wissenschaftliche Grundlage, auf der wir das alles aufbauen.
Es gibt keine wirklichen Fakten. Fakt ist, der Diesel hat einen Wirkungsgrad von 40 %, während ein Benziner einen Wirkungsgrad von 20 % hat. Fakt ist, bei 100 % Feinstaub sind nur 10 % durch Autos emittiert. Fakt ist, von 1990 bis 2015 sind die Emissionen von Stickoxiden um 59 % reduziert worden. Fakt ist, dass bei der Diskussion zum Feinstaub große Schiffe, Baufahrzeuge, dieselgetriebene Lokomotiven, Militärfahrzeuge, Lkws, Busse, Sonderfahrzeuge, dieselbetriebene Stromaggregate
Deshalb bitte ich darum, dass wir in dieser Diskussion zuerst einmal dahin zurückkommen, dass wir diese Diskussion auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen. Wenn wir dann Grenzwerte haben, die Sinn machen, können wir uns darüber unterhalten, wie wir das Ganze umsetzen und nicht nur blind einer Ideologie folgen.