Protokoll der Sitzung vom 15.03.2018

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Natürlich bedanken wir uns zunächst auch ganz herzlich bei denjenigen, die sich ehrenamtlich bei den sächsischen Tafeln engagieren. Nicht zuletzt deshalb haben wir auch im aktuellen Doppelhaushalt 400 000 Euro pro Jahr verankert, um investive Maßnahmen bei den Tafeln möglich zu machen, weil wir dieses Engagement schätzen, weil wir es wichtig finden, dass Lebensmittel nicht vernichtet werden,

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

und weil wir es auch für notwendig halten und gut finden, dass diese Lebensmittel Menschen zur Verfügung gestellt werden, die bedürftig sind.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Herr Hütter, vielleicht können Sie an dieser Stelle noch etwas lernen. Ich glaube schon, dass wir im Freistaat sehr viel, gerade auch präventiv, gegen Armut tun.

Sie haben das Bildungswesen genannt. Sachsen hat das sozial gerechteste Bildungswesen in ganz Deutschland. Auch das ist präventive Armutsbekämpfung. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU – Carsten Hütter, AfD: Was sind denn das für Leute an den Tafeln! Die existieren für Sie nicht! Erzählen Sie doch nicht immer den gleichen Mist!)

Wir haben leistungsfähige Maßnahmen zur Familienbildung. Wir haben die Schulsozialarbeit deutlich ausgebaut. Wir haben Eltern-Kind-Zentren im Freistaat, die Eltern dabei unterstützen, möglicherweise auch etwas über gesunde Ernährung zu lernen.

Es hat mich schon gewundert, dass gerade die AfD, die Partei, die immer sagt, darum solle sich der Staat nicht kümmern, das müsse die Familie machen,

(Carsten Hütter, AfD: Aha!)

sagt, die Schule solle den Kindern am Ende noch Kochen beibringen. Also das, muss ich wirklich sagen, ist alles andere als konsistent. Sie können ja argumentieren, aber es sollte zumindest logisch sein.

(Beifall bei der CDU – Carsten Hütter, AfD: Es ist für Sie unlogisch, wenn Kinder kochen lernen! – Staatsministerin Dr. Eva Maria Stange: Hinhören!)

Ich weiß jetzt offen gestanden gar nicht, was ich noch alles in dieser ersten Rederunde sagen soll. Vielleicht einfach ein Appell zum Schluss.

Ich glaube, uns eint gemeinsam die Überzeugung, dass wir nie müde werden dürfen, gegen Armut zu kämpfen, und dass wir nie müde werden dürfen, Menschen Chancen zu ermöglichen und ihnen auch ein Leben in Würde zu ermöglichen.

Ich würde aber sehr darum bitten, dass wir diesen Sozialstaat nicht andauernd schlechtreden. In 99 % der Länder dieser Welt wären die Leute froh, wenn für jeden Gesundheitsversorgung gewährleistet wird, wenn ein Existenzminimum definiert ist, wenn es eben 416 Euro jeden Monat von der Solidargemeinschaft gibt.

Dass das nicht komfortabel ist – weil Sie darauf abgehoben haben –, das ist doch völlig klar. Es ist aber höchstrichterlich entschieden, dass es sich um das Existenzminimum in diesem Land handelt, um eine Leistung, die Menschen gewährleistet, in schwierigen Situationen zurechtzukommen, möglichst bald auch mithilfe der Gesellschaft wieder in den Arbeitsmarkt zu kommen und damit auch wieder zur Finanzierung dieses Sozialstaats beizutragen; denn am Ende muss er von uns gemeinsam finanziert werden. Er ist eben für Notlagen da.

Ganz herzlichen Dank. Das Weitere in der zweiten Runde.

(Beifall bei der CDU)

Das war Kollege Dierks für die CDU-Fraktion. Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Kollegin Pfau.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wollen wir es doch einfach einmal ganz genau sagen: Es ist traurig, dass in einem so reichen Land wie Deutschland horrende Summen für den Militäretat ausgegeben werden,

(Oh-Rufe von der CDU)

aber für Menschen, die nicht genug haben, um Lebensmittel zu kaufen, ist leider nicht genug da. Das sagt auch der jährlich erscheinende Armutsbericht.

Jahr für Jahr steigt die Zahl der Menschen, die betroffen sind, und jährlich appellieren auch die Sozialverbände, endlich etwas zur Armutsbekämpfung zu tun. Passiert ist leider nicht viel.

Um es ganz einfach anzusprechen: Wann gingen denn die Zahlen hoch in den Tafeln? – Das war mit der Einführung von Hartz IV, mit seinen unsäglichen Sanktionen, natürlich auch mit den Problemen der Bedarfsgemeinschaften, dass junge Menschen nicht ausziehen können, sondern in der Familie bleiben müssen und dementsprechend auch weniger Geld bekommen, und natürlich auch mit den Problemen, die wir in vielen Kommunen in Sachsen haben, der Kosten der Unterkunft.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Fischer an Mikrofon 6?

Bitte.

Als Schirmherr der Großenhainer Tafel möchte ich eine Frage an Sie stellen: Ist Ihnen bekannt, dass wir in Großenhain für 2,50 Euro Lebensmittel für eine vierköpfige Familie ausreichen, die eine ganze Woche reichen? Können Sie mir ein Land auf der Welt sagen, in dem es das noch gibt?

(Carsten Hütter, AfD: Es ist schlimm, dass es das noch gibt!)

Also, wie viel, den genauen Wert, weiß ich natürlich nicht, wie es in Ihrer Tafel ist. Ich kenne es nur von „meinen“ Tafeln, die ich in meiner Umgebung habe. Natürlich ist es eine Möglichkeit, dass sich die Menschen in den Tafeln mit Lebensmitteln versorgen, und es ist auch gut. Ansonsten müssten sie hungern.

(Widerspruch von der CDU – Sebastian Fischer, CDU: Das ist völliger Unsinn!)

Doch. Ich werde später noch einmal darauf kommen. Es reicht nicht aus, um sich ausreichend gesund ernähren zu

können. Natürlich gibt es Länder, in denen es den Menschen schlechter geht. Das kann doch aber kein Maßstab sein für ein Land, das einen horrenden Militäretat hat.

(Beifall bei den LINKEN)

So. Ich hatte schon erwähnt, das Problem war die Einführung von Hartz IV.

Hinzu kommt ein anderes Problem, über das die Tafeln in den letzten Jahren ganz oft berichten: dass es immer mehr Menschen gibt, die nach langer, mühevoller Arbeit einfach nicht mehr von ihrer Rente leben können. Sie sind dann gezwungen, zu Tafeln zu gehen. Das ganz große Problem bei älteren Menschen ist, dass sie sich oftmals sogar schämen, zu den Tafeln zu gehen, und dann lieber weniger essen, als sich die Blöße zu geben, zu den Tafeln zu gehen.

Insgesamt haben wir 6,4 Millionen Menschen, die im Hartz-IV-System gefangen sind. Hinzu kommen 2,7 Millionen Menschen, die älter als 65 Jahre sind und die von Armut bedroht sind, und 1,7 Millionen Kinder wachsen in Deutschland in Armut auf.

Die Tafeln unterstützen täglich – das ist eine bundesweite Zahl – ca. 1,5 Millionen Personen. Davon sind 53 % Erwachsene im erwerbsfähigen Alter. Wir reden von ALG-II- Empfängern, Sozialgeldempfängern und anderen sozial benachteiligten Personen.

23 % der Menschen, die zu den Tafeln kommen, sind Rentnerinnen und Rentner, wobei ich schon angemerkt habe, dass die Zahlen steigen.

19 % sind alleinerziehend. Wir hatten schon in mehreren Debatten auf das Problem von alleinerziehenden Müttern und Vätern in Deutschland und in Sachsen hingewiesen.

Hinzu kommt, leider, die horrende Zahl von 23 % Kindern und Jugendlichen, die betroffen sind und sich bei den Tafeln ihr Essen holen müssen, natürlich meistens über die Eltern.

Oft – das wurde vorhin schon angemerkt – ist es nicht nur so, dass die Tafeln Lebensmittel weitergeben, sondern das Gute ist, dass auch die Möglichkeit besteht, dass die Menschen dort Kleidung bekommen, weil viele Tafeln eine Kleiderkammer haben. Sie versuchen auch, in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen tätig zu sein. Zum Beispiel bei der Arbeitsvermittlung oder bei der Integration in den Arbeitsmarkt machen die Tafeln sehr viel.

Vorhin wurde schon die Aussage gebracht, die der neue Gesundheitsminister getroffen hat, dass auch ohne die Tafeln jeder hierzulande leben könne und nicht hungern müsse. Versuchen Sie doch aber einmal, mit rund 3 Euro am Tag ein Kind zu ernähren – gesund und ausreichend.

Aus diesem Grund und weil es vorhin schon angesprochen wurde, wer hier Lösungen fordert: Wir hätten Lösungen. Wir sind schon die ganze Zeit, von Anfang an, dafür, Hartz IV abzuschaffen.

Wir fordern eine Grundsicherung für alle und zusätzlich – das haben wir in diesem Haus schon ganz oft gefordert – eine Grundsicherung für Kinder in Höhe von 564 Euro monatlich.

(Beifall bei den LINKEN)

Unser großes Ziel – das sollte eigentlich das Ziel von uns allen sein – ist es, dass Tafeln künftig einfach überflüssig sind, weil alle von ihrem Einkommen gut leben können.

(Christine Clauß, CDU: Kommen die Lebensmittel weg!)

Jetzt noch zur AfD. Bis jetzt hat Sie das Thema Tafeln anscheinend nicht wirklich interessiert. Auch unsere Anträge, die in den Bereich Armutsbekämpfung gingen, sei es für Kinder, sei es für Rentnerinnen und Rentner, haben Sie sehr stark kritisiert.

Es ist aber natürlich nicht unentdeckt geblieben, dass Ihre Kommunalpolitiker in letzter Zeit zufällig bei den Tafeln auftauchen und fragen, was es für Probleme gebe. Wissen Sie was, die fragen nicht, was die Probleme der Betroffenen vor Ort sind, sondern sie fragen: Haben Sie Probleme mit Ausländern? Ich weiß auch, wie die Antwort der meisten dort vor Ort ist oder eigentlich aller, bei denen Sie jetzt waren: Sie haben kein Problem. Unsere sächsischen Tafeln können gut alles abdecken.