Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

Auch Ihr Ministerium, Herr Minister Ulbig, hatte ein sogenanntes Mietgutachten beauftragt, das im April 2014 das Licht der Welt erblickte. Allerdings stammen die letzten – unkonkreten, groben – Erhebungen der Bestandsmieten darin aus dem Jahr 2010. Seitdem haben sich aber schon ein paar Preiserhöhungsspiralen gedreht. Guten Morgen, liebe Regierung! Der Mietmarkt hat das schon mehrfach überholt.

Dass es Ihnen vermutlich nur um ein Aussitzen des Themas geht und offenbar nicht um die Interessen der Mieter und Mieterinnen in den Großstädten, zeigt ein Satz aus Ihrer Stellungnahme – ich muss das jetzt einmal zitieren, liebe Kolleginnen und Kollegen –: „Die in der Begründung aufgeführten Mietpreissteigerungen bei

Bestandsmieten könnten auch mit einer Rechtsverordnung … nicht verhindert werden, da diese unterhalb der verordneten Begrenzung von 15 % … lägen. Eine Kappungsgrenze wäre damit ein nutzloses Verwaltungsinstrument.“

Ich hoffe, Sie erzählen uns das jetzt nicht auch, Herr Minister; denn das ist grober Unfug. Die von uns geforderte Kappungsgrenze greift im Einzelfall, im konkreten Vertrag, bei der konkreten Mieterhöhung, nicht aber im Durchschnitt. Wenn also ein Vermieter eine Miete erhöht, dann kann die Kappungsgrenze greifen – in der konkreten Situation, nicht im Durchschnitt! Uns geht es gerade um die Spitzenmietsteigerungen, die gedeckelt werden müssen, nicht um die Verhinderung von Mietsteigerungen generell. Das wäre mit dieser Rechtsverordnung auch gar nicht möglich.

Ihre Stellungnahme, Herr Staatsminister Ulbig, lässt mich leider heute nicht auf die Zustimmung der CDU hoffen – aber vielleicht ist heute alles anders –, obwohl Sie sich dadurch in Dresden vielleicht neue Sympathien schaffen würden.

Gespannt bin ich allerdings auf das heutige Abstimmungsverhalten der Kolleginnen und Kollegen der SPD. Als unsere Vorgängerfraktion im letzten Landtag sich dieses Themas annahm, stimmte die SPD-Fraktion dem GRÜNEN-Antrag zu. Kollegin Köpping sagte damals – das war 2013 –: „Für die SPD ist klar: Wohnen ist ein soziales Gut. Der Umgang mit Wohnen und Mieten ist daher eine politische Frage, die wir nicht allein dem Markt überlassen dürfen. Deshalb werden wir dem Antrag der GRÜNEN natürlich zustimmen.“ Sind Sie nun in der Lage, das auch in der Koalition zu befördern?

Die von uns vorgeschlagene Einführung der Mietpreisbremse für Bestandsmieten ist immerhin eine der wenigen verbliebenen wohnungspolitischen Stellschrauben auf Landesebene. Übrigens: Sie kostet den Freistaat kein Geld. Sie erspart uns vielleicht Zuschüsse im sozialen Bereich. Wir bitten Sie deshalb ganz herzlich um eine ergebnisoffene Diskussion und um Zustimmung zu unserem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Für die CDUFraktion Herr Fritzsche, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich will versuchen, die Empörung von Frau Jähnigen ein wenig einzuordnen. Vielleicht gelingt mir das schon mit dem ersten Satz: Die Sicherung bezahlbaren Wohnraums ist auch für die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD ein wichtiges Anliegen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Oh! Hört, hört!)

Ich empfehle dazu den Blick in den Koalitionsvertrag. Darin haben wir das klare Ziel formuliert, bezahlbares Wohnen langfristig zu sichern. Wir setzen dabei vor allem auf die Wohnungsgenossenschaften und auch auf die kommunalen Wohnungsgesellschaften als wichtige

Partner. Wir haben vielfältige Maßnahmen zur Wohnraumförderung, vor allem zur Unterstützung des Neubaus bezahlbaren Wohnraums, vereinbart.

Ein zentrales Thema – um nur eines herauszugreifen – ist, dass wir uns intensiver mit dem Ergreifen baukostensenkender Maßnahmen befassen. Es geht doch auch darum – das interpretiere ich jetzt einfach in Ihre Schilderung hinein –, das Angebot zu verbreitern. Mit allem, was Sie hier angeführt haben und was im Moment auf Bundesebene im Zusammenhang mit dem Thema Mietpreisbremse diskutiert wird, wird keine einzige Wohnung neu geschaffen. Das ist ein Grundproblem, dem man sich eher über das Thema „baukostensenkende Maßnahmen“ nähern sollte.

Doch nun wieder konkret zu Ihrem Antrag: Dieser zielt auf das am 1. Mai 2013 in Kraft getretene Mietrechtsänderungsgesetz ab. Dieses trägt übrigens den vollständigen Titel: „Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln“. Mit diesem Gesetz wurde eine Masse von Änderungen beschlossen; die von Ihnen erwähnte betrifft nur einen kleinen Bereich. In der Hauptsache ging es um den Ausschluss von Mietminderungen bei energetischer Modernisierung, die Ankündigungsfristen von Modernisierungsmaßnahmen, die Duldung dieser Maßnahmen, die Berücksichtigung der energetischen Beschaffenheit als Kriterium bei der Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete, aber auch um die Räumung von

Wohnraum. Das Stichwort „Berliner Räumung“ ist nur eines.

Es geht aber auch darum – ich erwähnte es schon; darauf zielt Punkt 1 Ihres Antrags ab –, dass dieses Gesetz die Möglichkeit der Einführung regionaler Kappungsgrenzen eröffnet. Dies wird in der Folge in § 558 BGB geregelt. Dieser – das ist an dieser Stelle ganz entscheidend – widmet sich dem Thema „Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete“. Sie haben also über allem noch das Thema „Vergleichsmiete“ stehen, was im Blick auf unsere Städte nicht ganz unwichtig ist. In Abs. 3 des genannten Paragrafen wurde folgender Satz eingefügt – ich möchte ihn zitieren; Sie haben zu den 15 % schon etwas ausgeführt, Frau Jähnigen –: „Der Prozentsatz … beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.“

Zur Erklärung: Mit dieser Einfügung werden die Landesregierungen ermächtigt, im Wege einer Rechtsverordnung Gemeinden oder Teile von Gemeinden zu bestimmen, in denen eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist.

Nur in diesen Gebieten soll die Kappungsgrenze bei der Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete 15 % in drei Jahren und nicht, wie ansonsten geregelt, 20 % betragen. Man kann also von einer Art Kann-Ermächtigung sprechen, die bei Bedarf, und nur, wenn dieser Bedarf vorliegt – um das zu betonen –, zur Anwendung kommen soll. Die Staatsregierung – ich habe auch die Antwort der Staatsregierung gelesen, möchte Sie aber noch einmal vorstellen – hat eine entsprechende Umfrage initiiert. Es ist festzustellen, dass bis heute keine Stadt konkreten Bedarf zum Erlass einer Rechtsverordnung zur Absenkung der Kappungsgrenzen angezeigt hat. Details dazu können zum einen der Antwort der Staatsregierung auf die von Ihnen hier vorliegende Drucksache 6/219 entnommen werden, aber auch – darauf möchte ich noch hinweisen – dem vorliegenden Antrag der LINKEN in Drucksache 6/431. Dort ist es noch einmal etwas umfänglicher ausgeführt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Ein guter Antrag!)

Habe ich nicht gesagt!

Frau Jähnigen, bitte.

Herr Kollege, können Sie mir und der Öffentlichkeit in den betroffenen Städten einmal

erklären, was Sie sich unter konkretem Bedarf noch vorstellen würden, wenn die Oberbürgermeister und Stadtratsbeschlüsse den Erlass so einer Verordnung für das Stadtgebiet erbitten?

Wenn Sie gestatten, komme ich im späteren Verlauf meiner Rede noch auf dieses Thema zu sprechen. Ich setze dort fort, denn ohne die konkrete Darstellung des Gefährdungspotenzials kann die Sächsische Staatsregierung keine Rechtsverordnung nach § 558 Abs. 3 BGB erlassen. Es wäre auch nicht sachgerecht, ohne den nachgewiesenen Bedarf auf der kommunalen Ebene vorauseilend tätig zu werden.

Die Ermittlung einer konkreten Gefährdung des Wohnungs- und Mietmarktes ist komplex und wird aus meiner Sicht auch für Dresden oder Leipzig schwierig, auch wenn es dort möglich ist. Aber – wie gesagt – der Impuls und auch der Nachweis müssten von der Stadt kommen. Von Dresden haben Sie ja auch der Ausführung entnommen, dass man bis Mitte des Jahres eine entsprechende, auch statistisch gestützte, teilräumlich gegliederte Aufnahme vorlegen wird. Dann wird die Staatsregierung – davon ist auszugehen – entsprechend entscheiden.

Aber ich möchte den Gedanken noch einmal aufnehmen. Um ein paar Anhaltspunkte zu finden, auf die man beim Thema Darstellung eines Gefährdungspotenzials eingehen müsste, kann man die zurzeit dem Deutschen Bundestag zugeleitete Mietrechtsnovellierung, landläufig unter dem Namen Mietpreisbremse bekannt, zur Hand nehmen. Dann wird deutlich, dass mit den dort formulierten Kriterien ein Nachweis der Gefährdungslage zumindest schwierig wird, so möchte ich es einmal formulieren. Diese Kriterien, die sich zukünftig in § 556 d finden lassen, sind in vier Anstrichen formuliert.

Erster Anstrich: Es muss deutlich werden, dass die Mieten stärker steigen als im bundesweiten Durchschnitt. Deshalb ist es wenig zielführend, wenn Sie in Ihrem Einleitungssatz gleich auf andere Bundesländer zeigen. Die Bayern waren schnell. Sie haben das für München auf den Weg gebracht, nur in München haben wir im Vergleich zu Dresden eine völlig andere Mietsituation. Das betrifft sogar den Punkt, welcher Anteil vom Haushaltseinkommen für die Miete aufgewendet wird.

Zweiter Anstrich: Die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte muss den bundesweiten Durchschnitt deutlich überschreiten. Das mag nicht unmöglich sein, wird aber schwierig. Wer soll diese Zahlen liefern? Ich denke, das muss von der kommunalen Ebene kommen.

Dritter Anstrich: Die Wohnbevölkerung wächst, ohne dass durch Neubautätigkeit der dafür erforderliche Wohnraum geschaffen wird.

Vierter Anstrich: Es besteht ein geringer Leerstand bei großer Nachfrage. Man kann einzelne Punkte für bestimmte Stadtgebiete in Dresden nachvollziehen, nur ist dann die Stadt Dresden konkret gefordert, dies entsprechend nachzuweisen.

Nun noch zum Punkt 2 Ihres Antrages. Dazu ist anzumerken – und auch da möchte ich der Antwort auf Ihren Antrag folgen –, dass das Mietgutachten Sachsen 2014 vorliegt, das auch im Internet verfügbar ist. Darauf baut das wohnungspolitische Konzept der Staatsregierung auf, welches nach wie vor seine Gültigkeit hat.

Ihren Antrag werden wir daher ablehnen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Ich rufe die Fraktion DIE LINKE auf; Herr Schollbach, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Während viele Regionen mit Leerstand und dem Schrumpfen der Bevölkerung zu kämpfen haben, stellt sich die Situation in Dresden, aber auch in Leipzig deutlich anders dar. Insbesondere in Dresden steigen die Mieten unaufhörlich, und das seit Jahren. Manche Menschen können sich inzwischen ihre Wohnung kaum noch leisten, und jene, die in den vergangenen Monaten auf Wohnungssuche waren oder noch sind, können ein Lied davon singen, wie es ist, wenn man mit einem Dutzend anderer Leute um dieselbe Wohnung konkurriert.

Im vergangenen Jahr lag die Durchschnittsmiete in Dresden erstmals seit der Wende über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Das ist eine Entwicklung, die zwar die Immobilienwirtschaft freuen dürfte, aber vielen Mieterinnen und Mietern die Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Dresden hat sich in den vergangenen Jahren von einem Mietermarkt in einen Vermietermarkt gewandelt. Die Leerstände sind deutlich gesunken. Im Jahr 2005 gab es 15 % Wohnungsleerstand. Inzwischen gibt es nur noch wenige freie Wohnungen. In einigen Bereichen herrscht in Dresden bereits ein Mangel.

Was sagt nun der dafür zuständige Innenminister Ulbig, der bekanntermaßen von seiner Partei dazu genötigt werden musste, für das Amt des Dresdner Oberbürgemeisters zu kandidieren. Herr Ulbig sagt zur Situation in Dresden: „Wir haben ausreichend preiswerten Wohnraum. Die Mieten bleiben auf absehbare Zeit bezahlbar. Wir sehen deshalb keinen Bedarf, Sozialwohnungen mit Mietbindung zu fördern. Auch eine Mietpreisbremse lehnen wir ab.“ Ich stelle die Frage, meine Damen und Herren: Wie abgehoben, wie lebensfremd muss man sein, um angesichts der Situation in Dresden derartige Aussagen zu treffen?

(Jörg Urban, AfD: Richtig!)

Ich kann nur sagen, Herr Ulbig, Sie kennen die Stadt Dresden schlecht.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich sage dazu: Wer ein dickes Ministergehalt kassiert,

(Demonstratives Stöhnen bei der CDU und der AfD)

der muss sich natürlich keine Gedanken machen, ob das Wohnen bezahlbar bleibt. Aber es gibt eine Menge Menschen in Dresden, die darüber in großer Sorge sind. Deshalb, meine Damen und Herren, muss hier endlich gehandelt werden. Da ist es doch eine Selbstverständlichkeit, dass wir von den Instrumentarien, die uns das Gesetz zur Verfügung stellt, Gebrauch machen.

Jetzt will ich noch etwas sagen. Uns ist gerade von meinem Vorredner erzählt worden, es liege an der Kommune, die die Daten bereitstellen müsse. Der Innenminister sagt, wir warten auf die Daten der Kommune, eher können wir nicht anfangen. Was ist denn in Dresden passiert? In Dresden hat am 10. Juli der Stadtrat, Rot-RotGrün regiert, die CDU-Oberbürgermeisterin beauftragt, diese Daten zu beschaffen und einen Antrag bei ihm zu stellen, dass wir endlich die Mietpreisbremse bekommen. Das wird ewig verzögert und verdaddelt, da passiert ewig nichts. Der Innenminister kann sich, da er ja keine Daten hat, darauf berufen, dass nichts vorangeht. So arbeiten CDU, Stadt und Land Hand in Hand zum Nachteil der Mieterinnen und Mieter.

(Patrick Schreiber, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Schreiber, Sie können sich wieder hinsetzen. Ich gestatte keine Zwischenfrage.

Darf ich das bitte entscheiden?