Protokoll der Sitzung vom 29.01.2015

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Kollege Hartmann für die CDU-Fraktion. Gibt es aus den Fraktionen heraus in dieser dritten Runde weitere Wünsche, das Wort zu ergreifen? – Das sehe ich jetzt nicht. Damit kommt die Staatsregierung zum Zug. Das Wort erhält Staatsminister Ulbig, der Minister des Inneren.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Ich bin dankbar, dass wir nach dem gestrigen Tag heute diese Debatte zu diesem Thema haben. Wie kann der Dialog in dieser Gesellschaft gelingen? Ich denke, das Thema steht buchstäblich auf der Straße, und wir sind alle gefordert.

Im Kern geht es für uns darum, die Werte der friedlichen Revolution, das, was wir vor 25 Jahren erreicht haben, heute weiter zu verteidigen und dafür zu sorgen, dass es einen ehrlichen Dialog gibt und wir miteinander intensiv ins Gespräch kommen. Deshalb geht mein Dank an alle, die sich bisher auf den unterschiedlichen Ebenen intensiv bemühen, diesen Dialog tatsächlich zu führen.

Es ist hier schon eine ganze Menge angesprochen worden, die Landeszentrale für politische Bildung, die politischen Stiftungen. Ich sehe auch viele andere, die im Land derzeit dabei sind, dieses Thema, welches vielleicht hier in Dresden und in Leipzig auf der Straße diskutiert wird, regional weiter zu diskutieren. Ich denke, das ist wichtig.

Die Kernaussage muss sein: Wenn uns dieser Dialog ernsthaft gelingen soll, dann darf es kein Strohfeuer sein, sondern wir müssen dieses Thema langfristig begleiten.

Ein Zweites hat mir die Debatte deutlich gezeigt. Ich glaube, wir haben unterschiedliche Maßstäbe angelegt, wie mit diesem Thema umgegangen werden soll. Ich will an die gestrige Aussprache zur Regierungserklärung erinnern, in der wir über Meinungs- und Demonstrationsfreiheit gesprochen haben. Wir waren uns einig, dass es ein sehr hohes und wichtiges Gut für uns in der Gesellschaft ist. Die Gesellschaft muss es aushalten, dass Menschen anderer Meinung sind, und das in Form von Demonstrationen kundtun. Aber, meine sehr verehrten

Damen und Herren – da will ich wiederholen, was ich gestern gesagt habe –, so ein Meinungsprozess kann natürlich auf der Straße angestoßen, aber dort nicht vollendet werden. Vor diesem Hintergrund ist der Dialog notwendig und wichtig.

Es geht nicht darum, die Menschen, die auf der Straße stehen, auszugrenzen und ihnen von vornherein zu unterstellen, dass das, was sie äußern, per se falsch ist, dass das, was sie artikulieren, von vornherein rechts ist, weil sie bei Pegida dabei sind. Uns muss es gelingen, die sehr vielen unterschiedlichen Themen aufzugreifen und in eine vernünftige Dialogform zu überführen. Natürlich ist für uns und die Staatsregierung dabei klar, dass es, wenn es um Extremismus, Ausländerhass, Verleumdung, Verunglimpfung von Menschen anderer Hautfarbe oder religiöser Zugehörigkeit geht, eine Grenze gibt. Aber von vornherein Menschen pauschal zu verurteilen, das funktioniert nicht.

Aus der Perspektive der Staatsregierung gibt es bereits viele Angebote. Ich erinnere an den Bürgerkompass in den Jahren 2012 und 2013, der jetzt die Basis für das Dialogformat darstellt. Mit diesem Bürgerdialog, mit diesem Bürgerkompass haben wir wirklich gute Erfahrungen gemacht. Deshalb hat sich die Staatsregierung jetzt entschieden, diesen Bürgerdialog fortzuführen. Es gilt, wirklich miteinander zu reden. Die Menschen werden eingeladen und können über ihre Themen sprechen.

Wir sind dabei offenkundig auf dem richtigen Wege und brauchen nicht mehr Pegida oder irgend jemand anderes, sondern haben Angebote. Es gibt eine erste Auswertung, ein erstes Feedback der Veranstaltung am 21. Januar im Congress Center.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dabei gab es eine Rücklaufquote von 80 %. 80 % derjenigen, die dort teilnahmen, haben sich geäußert und gesagt, wie sie die Veranstaltung einschätzen. 94 % von ihnen haben gesagt, sie sind sehr zufrieden, zufrieden oder teils zufrieden. Das bedeutet, nur 6 % sind unzufrieden oder sehr unzufrieden. Das waren die Kategorien, die dort vorgegeben wurden. Noch schöner ist, dass fast alle wiederkommen wollen, weil sie weiter an diesem Dialog interessiert sind. Interessant ist auch, dass sogar ein Teil von den wenigen, die unzufrieden waren, gesagt hat: Wir wollen wieder eingeladen werden, wir wollen trotz der eigenen Wertung an diesem Dialogprozess weiter teilnehmen. Das ist für mich ein gutes, ein deutliches Zeichen.

Ich kann für die Staatsregierung erklären: Wir werden diesen Prozess weiterführen. Die nächsten beiden Termine sind schon in der Öffentlichkeit.

Ich kann Sie nur bitten und ermuntern, diesen Prozess zu begleiten, zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass die Diskussion langfristig ehrlich und ohne Ausgrenzung in den Regionen, in den Wahlkreisen weitergeführt wird. Wenn wir das machen, sind wir im echten Bürgerdialog. Dann ist mir auch um die Herausforderungen der Zukunft nicht bange.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Frau Kollegin Klepsch, Sie könnten jetzt eine Kurzintervention vortragen. Sie sind sicher wegen einer Kurzintervention ans Mikrofon getreten.

Nein, Herr Präsident, ich wollte gern dem Staatsminister eine Frage zu seinen Ausführungen stellen. Ich würde die Kurzintervention trotzdem nutzen, um die Frage in den Raum zu stellen.

Das wäre sehr klug.

Vielleicht kann Herr Staatsminister bei anderer Gelegenheit darauf reagieren.

Herr Ulbig, ich wollte Sie eigentlich fragen, ob es richtig ist, dass es beim Dialog letzte Woche im Congress Center nicht vorgesehen war, dass die Sorgen, Ängste, Meinungen der Teilnehmer verschriftlicht werden. Da frage ich Sie:

Sie dürfen nicht fragen. Sie sind in der Kurzintervention.

Es beschäftigt mich die Frage,

(Heiterkeit bei den LINKEN)

wie die Ergebnisse aus dem Dialog aufgearbeitet werden sollen, wenn es keine Aufzeichnungen aus dieser Veranstaltung gibt, sondern es dort nur ausgesprochen wird, am Ende im Raum stehen bleibt und alle nach Hause gehen.

Ich glaube, hier muss man methodisch überlegen, wie man diesen Dialog besser führt.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war eine Kurzintervention von Frau Kollegin Klepsch in Bezug auf die Strukturierung des Dialogs. Gibt es eine Reaktion durch Sie, Herr Innenminister?

Ich will, obwohl es eigentlich keine Frage war, sondern nur eine Kurzintervention, zumindest, damit es bei einem so wichtigen Thema nicht unausgesprochen – –

Sie können aber auf die Kurzintervention reagieren, Herr Staatsminister.

Genau das will ich.

Das tun Sie gerade.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das tue ich gerade. Ich möchte, damit es nicht unausgesprochen im Raum stehen bleibt, deutlich sagen, dass natürlich alle Themen – man hat ja nicht nur mit denjenigen am Tisch diskutiert, sondern auch untereinander – dokumentiert, ausgearbeitet und am Ende auch veröffentlicht werden, sodass die Öffentlichkeit Kenntnis davon bekommt.

(Beifall des Abg. Christian Hartmann, CDU)

Gut. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich sehe keinen Redebedarf mehr zu dieser 1. Aktuellen Debatte. Sie ist damit abgeschlossen und wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Welchen Stellenwert hat die Polizei in Sachsen?

Antrag der Fraktion AfD

Als Antragstellerin hat natürlich die einbringende Fraktion das Wort. Die weitere Reihenfolge trage ich Ihnen gleich vor: CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE; Staatsregierung, wenn gewünscht. Das Wort ergreift für die einbringende Fraktion Herr Kollege Wippel.

Herr Präsident! Liebe Kollegen Abgeordnete! „Welchen Stellenwert hat die Polizei in Sachsen?“ Welchen Stellenwert hat die Polizei aus der Sicht der Bevölkerung? Die Statistik sagt seit Jahren, dass vier von fünf Bürgern dem Schutzmann als Vertreter seiner Berufsgruppe vertrauen. Aber welche Erwartungen haben die Bürger?

Ich möchte an dieser Stelle dazu einige willkürlich im Alltag befragte Sachsen – so viel zum Thema Bürgerdialog – zitieren. Eine Frau, Mitte 20, sagt: „Die Polizei soll für Sicherheit für mich, meine Kinder und mein Eigentum sorgen und für das meiner Nachbarn. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit, um auf meine Sachen aufzupassen. Ich will auch nicht, dass Typen vor der Schule stehen und Drogen verkaufen.“

Eine Frau, Mitte 50, sagt: „Es kann ja nicht sein, dass die Polizei nur noch kommt und die Sachen aufnimmt. Das sind doch keine Zustände mehr. Wissen Sie, was hier los ist? Da brauche ich sie auch gar nicht mehr. Schauen Sie sich doch mal an, wer häufig aus dem Streifenwagen aussteigt. Die laufen doch keinem mehr hinterher.“

Ein Mann, Mitte 50, sagt: „Polizei ist für mich wie Wasser aus dem Wasserhahn. Ich gehe davon aus, dass es funktioniert, und wenn ich sie brauche, muss sie auch da sein. Das heißt, sie muss auch präsent sein. Das ist sie mir aber zu wenig. Mein subjektives Sicherheitsgefühl ist leider im Keller.“

Das Volk hat das Gewaltmonopol in seiner Verfassung an den Staat abgegeben, und damit entstand für den Staat nicht nur die Befugnis, erforderlichenfalls in die Grundrechte seiner Bürger einzugreifen, sondern zuvorderst die Pflicht, die Bürger zu schützen. Also stellt sich die Frage: Welchen Stellenwert hat die Polizei für die Politik?

Als Institution hat sie die Aufgabe bekommen, für Sicherheit zu sorgen, und ich stelle infrage, dass sie dazu noch vollumfänglich in der Lage ist. Es soll weiterhin Personal

abgebaut werden – wenn jetzt auch langsamer –, und diese Entscheidung wurde nicht nach dem Lagebild getroffen, sondern unter dem Deckmantel der Modernität allein fiskalischen Gesichtspunkten unterworfen.

Unter dem Deckmantel der Qualitätssicherung wird die Tatortarbeit durch die Kriminaltechnik auf ein Minimum reduziert. Spurenträger bleiben unentdeckt und unausgewertet. Jüngst hat die Generalstaatsanwaltschaft Alarm geschlagen, dass Beweismittel durch die Kriminaltechnik nicht fristgerecht ausgewertet werden können und Strafverfahren daran scheitern. Der Ermittler fragt sich also, warum er Arbeit in einen Fall steckt. Dennoch werden die Kriminaldienste weiter ausgedünnt. Schon heute stapeln sich Aktenberge. Sachbearbeiter mit 40 offenen Vorgängen sind keine Ausnahme. Außer bei Kapitalverbrechen findet kaum ein Sachbearbeiter die Zeit, auch mal Zeugen zu befragen und in der Nachbarschaft zu ermitteln. Das, was wir im Fernsehen sehen, ist ein Theaterstück. In der Folge werden Täter nicht überführt, kriminelle Karrieren verstetigen sich, Bürger werden Opfer von Straftaten. Kurz und gut: Die gesamte Gesellschaft leidet unter den Langzeitkosten dieses Sparens an der falschen Stelle. Manchmal ist weniger mehr; aber ich bin der Meinung, an dieser Stelle wäre mehr einfach mehr.

Die Streifendienste erreichen ihre wirklichen Bedarfsstärken nicht. In der Folge unterbleiben Fortbildungsmaßnahmen. Es unterbleibt der vorgeschriebene Dienstsport. Die Polizeireviere sind ausgedünnt, sollen in der Fläche aber omnipräsent sein. Stellen Sie sich einmal vor, Sie haben drei Streifenwagen in einem ländlichen Revier, und was Sie damit machen sollen, erzähle ich Ihnen jetzt:

Sie sollen damit schnellste Reaktionszeit zum Asylheim leisten – zu Recht. Sie sollen Verkehrsüberwachung betreiben. Sie sollen den Tatort aufnehmen, Spurensuche durchführen, Zeugen vernehmen – schriftlich, damit man es gleich abgeben kann. Sie sollen zugleich nach dem Täter fahnden. Sie sollen die Drogenszene im Ort kontrollieren. Sie sollen Ruhestörungen beenden, Streitigkeiten im Trinkermilieu schlichten, weggelaufene Kinder und demente Greise finden und nach Hause bringen, und die Bürger in den Grenzregionen haben natürlich zu Recht den Anspruch, dass die Polizei, weil die Bundespolizei häufig auch nicht da ist, gelegentlich noch mal einen

Blick auf den Grenzübergang und das Umland wirft. Und zum Abschluss sollen formvollendete Vorgänge gefertigt werden. Ich frage: Wer soll das alles tun und den eingangs von den Bürgern genannten Ansprüchen gerecht werden?