Frau Kollegin Dietzschold und auch andere Rednerinnen und Redner können danach ohne Weiteres noch das Wort ergreifen. – Bitte, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Hartmann, ich freue mich, dass ich zur allgemeinen Erheiterung beitragen kann. Nichtsdestotrotz würde ich zu genau dieser Petition aber gern ein paar wesentliche Worte verlieren wollen.
Zuerst möchte ich sagen, dass es mich freut, wenn sich Menschen für Mitmenschlichkeit und gegen Fremdenfeindlichkeit engagieren. Ein Ergebnis dessen ist die Petition, die wir heute besprechen möchten, und zwar mit Ihnen gemeinsam. Da hat ein Bürger das Mittel der Petition genutzt, weil er es nicht einfach durchgehen lassen wollte, dass sich ein Universitätsprofessor im braunen Sumpf sielt.
Nichts anderes ist es, wenn sich jemand ein „weißes Europa“ zum Ziel setzt und wenn die zuständige Universität und das zuständige Ministerium erklären, keine Möglichkeiten zu haben, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen.
Nun ist es einerseits schade, dass wir einem rechten Spießbürger so viel Aufmerksamkeit schenken, das stimmt. Aber wir müssen das meiner Meinung nach tun. Wir müssen widersprechen, wenn sich rechtes Gedankengut im Netz verbreitet, und hellhörig werden, wenn es sich der Autorität von Akademikerinnen und Akademikern, von Intellektuellen, von Professorinnen und Professoren versichert. Denn damit wird eines befördert: dass es
normal erscheint, wenn Leute erfundene Behauptungen hinausposaunen und Frau Doktor oder Herr Doktor das unterschreiben.
Ich spreche hier ebenso wie schon vorhin in meiner Rede beispielsweise von der „Gemeinsamen Erklärung 2018“, in der behauptet wird, Deutschland werde durch illegale Masseneinwanderung beschädigt. Es fehlt jeder Hinweis darauf, worin diese Beschädigung bestehen soll. Hier wird einfach nur Angst geschürt. Ein Argument: Fehlanzeige. Es fehlt für diese Behauptung jeder Beleg. Schauen wir uns unser Land doch an und vergleichen es mit so vielen konfliktbeladenen Staaten. Die einzige Katastrophe, die Deutschland in diesem Jahr vermutlich ereilen könnte, ist, dass die Fußballherrennationalmannschaft nicht Weltmeister wird.
Durch welche Brille muss man schauen, um Deutschland in solcher Gefahr zu wähnen? Es ist die fremdenfeindliche Brille. Behauptungen werden laut, deren sich bis zu einer gewissen Zeit nur die NPD oder die Republikaner bedient haben.
Heute spricht man so bis in gewisse Regierungskreise hinein. Der rechte Diskurs hat sich verbreitet und normalisiert. Auch der akademische Betrieb ist dagegen nicht gefeit. Damit komme ich wieder zu besagtem Professor; sein Verhalten ist mittlerweile eben auch Ausdruck dieser Normalität. Er lässt sich vom MDR interviewen und sagt dabei, dass „Hunderttausende sich auf den Weg machen, um aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Europa zu kommen und hier in die Sozialsysteme zu immigrieren“. So weit, so falsch.
Doch der gesellschaftliche Diskurs hat sich sehr schnell von dem richtigen Punkt verabschiedet, dass Flucht zuerst von etwas wegführt. Insofern befindet sich der Professor aus Leipzig im allgemeinen Meinungsstrom. Er bezeichnet sich als konservativ und nennt das Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartner eine „Förderung einer die Familie pervertierenden Lebensform auf Kosten anderer Steuerzahler“. Stockreaktionär nenne ich das.
Doch Stein des Anstoßes dieser Petition ist sein Kommentar, den er auf Twitter abgesetzt hat. Unter dem Bild einer Demonstration polnischer Neonazis nennt er „ein weißes Europa“ ein „wunderbares Ziel“.
Bei der Bewertung dieses Spruchs und der Entscheidung über Sanktionen ergaben sich mindestens zwei Streitpunkte. Zum einen ging es darum, ob diese Äußerung privat oder öffentlich getätigt worden sei, zum anderen ging es um die Meinungsfreiheit.
Ich halte die Annahme für bedenklich, dass der betreffende Professor ausschließlich privat agiert habe. Bei einem Abend am Stammtisch oder einer Hasstirade auf dem heimischen Sofa mag das noch anzunehmen sein, aber bei einem Twitter-Account mit über 1 300 Followern und der Möglichkeit, dass die Äußerung fast unendlich oft geteilt, also getwittert und zitiert werden kann, lässt sich die These der Privatsphäre nicht aufrechterhalten. Hier zeigt
Na klar, wir sprechen bei diesem Professor selbstverständlich über Wissenschaftsfreiheit. Dieser Professor ist aber eben auch Beamter. Da gibt es ein sogenanntes Zurückhaltungsgebot. Zurückhaltung ist das, was dieser Mann auf Twitter getan hat, eben nicht.
Damit kommen wir zur Meinungsfreiheit. Die aufgeheizte gesellschaftliche Atmosphäre scheint einem rationalen Diskurs entgegenzustehen. Das Mittel des Streits wird gerne genutzt. Es wird behauptet, öffentliche Kritik an einer öffentlich geäußerten Meinung sei bereits die Einschränkung der Meinungsfreiheit oder eine Stigmatisierung.
Wenn aber ein durchaus bekannter Autor eine frei erfundene, falsche Zahl in die Welt setzt und man ihm widerspricht, dann wird er nicht stigmatisiert, sondern dafür kritisiert, eine erfundene, falsche und übrigens stigmatisierende Zahl in die Welt gesetzt zu haben. Wenn er sich, sich jetzt stigmatisiert fühlend, beleidigt zurückzieht, hat das den Vorteil, dass er sich der Debatte um die Sache selbst nicht mehr stellen muss. Dafür kann er weiterhin vom Kontrollverlust albträumen.
So kommt auch der Leipziger Professor daher. Er sieht sich in seiner Meinungsfreiheit bedroht und glaubt, man wolle ihm den Mund verbieten. Doch das hat niemand getan. Widerspruch ist kein Mundverbieten. Äußerungen können gleichwohl Konsequenzen haben, denn Äußerungen schweben nicht im leeren Raum. Sie stehen zum Beispiel in Beziehung zur gesellschaftlichen Stellung, zum Amt oder Mandat der sich Äußernden. Ein Bürgermeister etwa, der die Wiedereinführung der Todesstrafe fordert, wird möglicherweise nicht mehr lange Bürgermeister sein – zu Recht. Eine Geschichtslehrerin, die vor der Klasse ein Deutschland in den Grenzen von 1938 als Ziel ausgibt, würde suspendiert, oder etwa nicht?
Hinter dem Geschrei, die Meinungsfreiheit sei bedroht, verschwindet das, was eigentlich gesagt bzw. getwittert wurde, nämlich „ein weißes Europa“ als „wunderbares Ziel“. Das hätte doch Konsequenzen. Das Recht, in Europa zu leben, würde aufgeteilt: Es gälte für die einen, nicht aber für die anderen. Das Kriterium ist die Hautfarbe. Wie soll dieses Ziel denn erreicht werden? Wenn dieses Ziel so „wunderbar“ ist, soll es doch wohl auch einen Weg dorthin geben.
Spüren Sie, Kolleginnen und Kollegen, wie hier die Grundfesten der Demokratie geschleift werden? Wie soll es denn geschehen, dass die Nichtweißen nicht mehr da sind? Zwangsumsiedlung? Wohin? Wer ein solches Ziel anpeilt, nimmt Vertreibung und Gewalt in Kauf. Dem zu widersprechen ist nicht Unterdrückung von Meinung, sondern Widerstand gegen rassistische Vorurteile und
Hetze. Ein „weißes Europa“ wirft alle Vorstellungen von Bürger-, Menschen- und Völkerrechten über den Haufen.
Nun haben wir es mit dem Problem zu tun, dass der Herr Professor aus Leipzig nicht etwa Professor für Lebensmittelchemie ist. Nichts gegen Lebensmittelchemiker, verstehen Sie mich nicht falsch. Aber dieser Mann lehrt Recht. Das ist schlecht vereinbar. Universitätsöffentlich Recht lehren, aber twitteröffentlich grundlegendes bestehendes Recht ablehnen – das kann doch nicht wahr sein, Kolleginnen und Kollegen.
Ich kann nicht anders, aber ich und wir als Fraktion sehen hier Handlungsbedarf. Deshalb findet die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses, die darauf drängt, dass sich das Wissenschaftsministerium und die Universität dieses Falls noch einmal annehmen, unsere vollste Zustimmung.
Ich verrate Ihnen an dieser Stelle ein kleines Geheimnis aus unserer Fraktionsversammlung. Als bekannt wurde, wer im Ausschuss der Berichterstatter zu dieser Petition ist, gab es viele positiv überraschte Kommentare – von wem, bleibt dann aber mein Geheimnis.
Jedes Programm „Weltoffene Hochschule“ wird doch zur Farce, wenn sich Hochschulmitglieder mit menschenfeindlichen Parolen darstellen können, ohne Gefahr zu laufen, dafür sanktioniert zu werden.
Na klar, auch die Hochschulen sind hier in der Pflicht. Es reicht eben nicht aus, eine Fahne mit dem Slogan „Weltoffene Hochschule“ aufzustellen. Es muss auch Konsequenzen für diejenigen geben, die sich offensichtlich dagegenstellen – auf allen Ebenen. Dem Juraprofessor aus Leipzig, der zu diesem Zeitpunkt auch noch ErasmusBeauftragter der Juristischen Fakultät war, muss man unterstellen, dass seine Haltung gegenüber Ausländern auch Einfluss auf seine Bewertung von Leistungen vor allem ausländischer Studierender hat.
Und das ist nicht der erste Fall, ganz im Gegenteil. Sie erinnern sich hoffentlich – der Hinweis sei mir an dieser Stelle gestattet –, dass wir als Fraktion DIE LINKE fordern, dass im Hochschulgesetz – das wäre zumindest eine Maßnahme, über die man diskutieren könnte – deutlich geregelt wird, dass es auch als zu sanktionierende Dienstpflichtverletzung anzusehen ist, wenn Beamte in der Öffentlichkeit herabwürdigende Äußerungen,
bezogen auf die ethnische Herkunft, das Geschlecht, die Religion, eine Behinderung, das Alter oder die sexuelle Identität von Menschen,. tätigen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich finde, wir sollten viel öfter über die eine oder andere Petition hier im Plenum sprechen und die ganz vorsichtige Selbstermutigung des Petitionsausschusses weiter fördern. Der Petitionsausschuss ermächtigt sich ein wenig selbst, gegenüber
Das wollen wir mit diesem Herauslösen hervorheben. Dann sollten wir als Petitionsausschuss aber auch dranbleiben. Jetzt können wir eben nicht wieder so eine – na ja – zwei Absätze lange Stellungnahme des Ministeriums abwarten, sondern jetzt muss konkret etwas gemacht werden.
Dass die Petition zur Berücksichtigung an die Staatsregierung überwiesen werden soll, ist ein scharfes Schwert, das schärfste, das der Petitionsausschuss hat. Deshalb erwarten wir und auch ich ganz persönlich von der Staatsregierung – in dem Fall von der Wissenschaftsministerin Frau Dr. Stange –: Bitte prüfen Sie noch einmal ganz genau den Vorgang und speisen Sie uns und damit den Petenten und auch die interessierte Öffentlichkeit an der Stelle nicht mit ein paar nichtssagenden Floskeln ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte in meinem Redebeitrag zur Petition 06/01961/7 das Verfahren noch einmal darstellen. Der Inhalt des Verfahrens ist: Der Petent beschwert sich über das Verhalten eines Beamten, welcher sich per Twitter kritisch über die Migrationspolitik geäußert hat, was keine Konsequenzen für den Beamten hatte. Der Petent hat das Anliegen, das Verhalten des Beamten unter dienstrechtlichen Aspekten prüfen zu lassen.
Zum Werdegang: Die Petition wurde bearbeitet. Die Stellungnahme der Staatsregierung liegt vor. Der Bearbeiter hat sich damit kritisch auseinandergesetzt, die rechtlichen Schritte aus der Stellungnahme des Ministeriums dargestellt und ist zu einer differenzierten Sichtweise in den einzelnen Punkten gekommen.
Bei der Befassung im Ausschuss gab es umfangreiche Diskussionen durch alle Fraktionen. Im Ergebnis wurde von keiner Fraktion eine Abstimmung verlangt, und die Beschlussempfehlung hat so Bestand. Im Gegenteil wurde darüber Einverständnis im Ausschuss erzielt, dass folgender Satz zusätzlich noch eingefügt wird: „Das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot differenziert nicht zwischen dienstlichen und außerdienstlichen Äußerungen.“
Wir haben uns dann im gesamten Petitionsausschuss einstimmig entschieden, der Staatsregierung unter diesem Gesichtspunkt die Petition zur Berücksichtigung zu überweisen. Es wurde schon gesagt, dass die Überweisung zur Berücksichtigung an die Staatsregierung unser schärfstes Schwert ist. Wir verlangen damit eine eingehende Prüfung zum Anliegen des Petenten durch die Staatsregierung.