Protokoll der Sitzung vom 25.04.2018

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Zustandsbeschreibung, Herr Günther, ist sicherlich richtig, wenn auch zur Anhörung im Umweltausschuss deutlich herausgearbeitet wurde, dass die Krefelder Studie kein gutes Beispiel ist, obwohl der Trend sicherlich in diese Richtung geht. Die Methoden und Messergebnisse aber so zu verallgemeinern ist nicht klug.

Lassen Sie mich mit etwas Grundsätzlichem anfangen. Seit sich aus einem Haufen Sternenstaub diese Erde gebildet hat, gibt es Evolution mit dem Ziel, sich an Lebensräume und Nahrungsquellen anzupassen. Ausgelöst oder beschleunigt wurde die Evolution durch die Veränderung von Lebensbedingungen, zum Beispiel durch den Klimawandel, der übrigens schon immer stattgefunden hat,

(André Barth, AfD: Klimawandelleugner!)

egal, wie viele Menschen es gab.

Gelegentlich hatten Individuen die Chance, sich anzupassen. Es sind neue Arten entstanden, andere sind verschwunden. Ich will gar nicht die fünf großen Ereignisse benennen, die zum plötzlichen Aussterben von ganzen Spezies geführt haben. Ich möchte aber eine Spezies benennen, die sich nicht nur an vorhandene Lebensbedingungen angepasst und vielleicht etwas gesammelt hat, um schlechte Zeiten zu überstehen, sondern die sich so entwickelt hat, dass sie ihren Lebensraum aktiv verändern kann, um die Umwelt auf ihre Bedürfnisse anzupassen: Es ist in dem Fall der Mensch. Der ist das Problem an der ganzen Geschichte.

Er hat sich von wenigen Hunderttausend zu 7,5 Milliarden Menschen entwickelt. Er passt die Umwelt seinen Bedürfnissen an, was natürlich auf Kosten anderer Individuen geht.

Sie kennen vielleicht die Geschichte: Treffen sich zwei Planeten. Da sagt der eine: „Du siehst aber schlecht aus.“ Da erwidert der andere: „Ja, ich habe Mensch.“ Da sagt der andere wieder: „Das hatte ich auch mal. Aber das geht vorbei.“ – Wir wollen hoffen, dass es nicht vorbeigeht, sondern dass die Menschheit in der Lage ist, die Kurve so zu bekommen, dass sie nicht selbst die Grundlage ihres Lebens vernichtet.

Es ist so, dass mit Beibehaltung unseres Lebensstils diese Entwicklung nicht aufzuhalten sein wird. Ich kann im Moment nicht erkennen, dass Leute bereit sein werden – dabei ist es egal, ob das CDU oder Staatsregierung wünschen oder beeinflussen möchten –, ihren Lebensstil grundlegend zu ändern.

Man könnte mit kleinen Dingen anfangen, zum Beispiel mit dem Verbot des Verkaufs von Insektenfallen. Das dürfte niemandem weh tun und keine großen Opfer verlangen. Man könnte auch das Rasenmähen so regeln, dass nur noch die Hälfte des Gartengrundstückes gemäht werden darf, um auf der anderen Hälfte das Blühen der Blumen als Nahrungsgrundlage zu erleichtern. Das wird aber nicht durchsetzbar sein. Wir werden mit vielen Debatten die Leute vielleicht dazu bringen, dass sie das von selbst so machen.

Ihren Vorwurf aber, dass die Sächsische Staatsregierung nichts tue, möchte ich an dieser Stelle zurückweisen. Ich werde in meinem zweiten Beitrag aufzeigen, was in der Zwischenzeit passiert ist, welche Ergebnisse es gibt und wie wir uns anstrengen, wohl wissend, dass das eine schwierige Aufgabe ist.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das war Herr Kollege Heinz. Als Nächste ergreift jetzt Frau Kollegin Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte voranstellen, dass ich die Aktuelle Debatte für notwendig halte und dass aus linker Perspektive die Basis allen Lebens natürlich der Naturhaushalt ist. Nur, wenn die Natur gesund ist und wir ausreichend gesunde Nahrung finden, können wir uns um das soziale Umfeld und gesellschaftliche Fragen kümmern.

Wir beobachten im Moment in der gesellschaftlichen Entwicklung, dass Großkonzerne der Allgemeinheit und der Politik einzureden vermögen, dass Wirtschaft nur im Gleichklang mit Umwelt oder Sozialpolitik funktionieren würde. Das Nachhaltigkeitsdreieck wird meistens dazu bemüht und weil Wirtschaft eben so dominant ist, kommen Umweltfragen – das beobachten wir – oft zu kurz.

Ich möchte gern zu der bereits angesprochenen Anhörung im Umweltausschuss des Landtags und den Problemen für Sachsen, bei denen es um das Insektensterben geht, etwas sagen. Meines Erachtens sind aus dieser Anhörung drei wichtige Ergebnisse zu registrieren. Erstens. Alle Sachverständigen haben ausgeführt, dass es einen Rückgang der Population und das Aussterben einiger Arten gibt. Diesbezüglich brauchen wir nicht mehr drum herumreden.

(Beifall der Abg. Wolfram Günther und Petra Zais, GRÜNE)

Zweitens. Die Artenvielfalt ist nicht nur ein Naturschutzthema irgendwelcher Schmetterlings- und Bienenfreunde, sondern sie ist eine Rückversicherung für unsere Gesellschaft, wenn es zum Beispiel – auch das wurde in der Anhörung deutlich – um Klimaveränderungen geht, die zu kompensieren sind und die die Schäden bei Nutzungs- und Funktionsfähigkeit des gesamten Haushaltes – und damit unmittelbar uns – betreffen.

Drittens. Diese Ursachen sind bereits seit Jahrzehnten bekannt. Herr Günther sprach es bereits an. Akademisch kann man diesbezüglich vielleicht noch etwas erforschen, aber viel mehr müssten wir uns um das Handeln, um Artenvielfalt kümmern.

Deshalb fange ich – anders als Herr Heinz bei diesen globalen Problemen – bei uns in Sachsen an; denn Sachsen hat es mit seinen 900 000 Hektar landwirtschaftlich bewirtschafteter Fläche zu circa 50 % in der Hand, um im Arten-, im Umwelt- und im Ressourcenschutz etwas zu tun, wenn es um die Flächen geht.

Daher möchte ich gern über Folgendes diskutieren: Was haben wir zum Beispiel bei der Vielfalt von Kulturpflanzen in den letzten Jahren gemacht, und was kann man dabei beobachten?

In Sachsen sind seit dem Jahr 1990 knapp 50 % der Fläche für den Gemüseanbau zurückgegangen. Heute werden auf dieser kleinen Gemüsefläche, die circa 0,6 % der Gesamtfläche betrifft, Frischerbsen, Pflückbohnen, Blumenkohl, Zwiebeln, Spinat und Spargel angepflanzt. Zum Vergleich: Im Jahr 1990 waren von diesen sechs Gemüsearten noch knapp 40 % der Freilandgemüseanbaufläche betroffen. Heute wird alles andere nur noch in Kleingärten oder im Ökolandbau angebaut.

Ein erheblicher Anteil beim Anbau von Wintergetreide, Mais und Raps wird in Sachsen betrieben. Circa 75 % der Ackerfläche nimmt dieser Anbau ein. Daneben haben wir noch etwas Grünland und Wald. Mehr werden Sie nicht sehen, wenn Sie durch den Freistaat fahren. Im Jahr 1990 nahm diese Kultur noch 62 % der Ackerfläche ein. Hinzu kommen jetzt beobachtete erhöhte Hektarerträge aufgrund des intensiv geführten Anbaus und vielleicht auch aufgrund von Züchtungserfolgen.

(Zuruf des Abg. Mario Pecher, SPD)

Das heißt: Landschaft und Landwirtschaft werden zunehmend monotoner und intensiver genutzt. Es ist also

kein Wunder, dass damit auch die Artenvielfalt bei den Insekten auf der Strecke bleibt.

Nun können wir uns einfach fragen: Was brauchen wir denn, und was können wir tun? Wir sagen immer: Agrarförderung wird von der Europäischen Union betrieben, und wir haben eine aufgestellte Förderperiode. Aber wir könnten schon noch in dieser kurzen Zeit, die uns bis zum Jahr 2020 verbleibt, neue Weichen stellen. Wir könnten es aber auch im Doppelhaushalt tun und endlich einmal sächsisches Geld in die Hand nehmen.

Ich möchte dazu die kleinteiligere Bewirtschaftung ansprechen, um Kulturarten zu korrigieren oder andere Fruchtfolgen anzureizen. Wir könnten die Häufigkeit von Mahd reduzieren, aber auch reduzierte Düngung könnten wir belohnen. Wir könnten dafür werben bzw. es besser entschädigen, wenn bienen- oder bestäuberfreundliche Praktiken angereizt würden. Wir könnten Straßenränder in Städten und Gemeinden im Blick haben. Wir könnten den Bioanbau unterstützen, und wir könnten uns auch mal wieder mit einem funktionierenden Biotopverbund in den Schutzgebieten befassen.

Alles das haben wir in der Hand. Von daher – ich werde später noch ein paar operationelle Dinge ansprechen – danke ich erst einmal für die aktuelle Debattenthematik.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Auf Frau Dr. Pinka folgt jetzt für die SPD-Fraktion Herr Kollege Volkmar Winkler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Günther, das Artensterben und die Biodiversität waren schon öfter Thema in diesem Hohen Haus.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Wir haben darüber gesprochen, dass wir uns in den nächsten Wochen mit dem Insektensterben auseinandersetzen werden. Dazu komme ich dann noch. Ich bin aber auch der Auffassung, dass wir eher handeln sollten, als darüber zu reden. Diesbezüglich stimme ich Ihnen, Herr Kollege Günther, uneingeschränkt zu.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Es geht bei dieser Frage um den Erhalt unserer Lebensgrundlage. Sie haben es eindrucksvoll dargelegt, und auch Frau Dr. Pinka hat das getan. Der Erhalt der Biodiversität und das Artensterben sind nicht nur unter Wissenschaftlern im Gespräch, sondern diese Themen sind in aller Munde. Die Öffentlichkeit nimmt es schon wahr, dass die Insekten weniger werden und dass gewisse Vogelarten ausbleiben.

Sehr aufschlussreich – das ist auch schon genannt worden – und anschaulich war die öffentliche Anhörung vor wenigen Wochen im Landtag zu der Thematik Insektensterben. Ich möchte Herrn Sachverständigen Dr. Christian Wirth zitieren, der sich dazu geäußert hat. Er hat gesagt, dass sich diese Anhörung durch eine hohe Themenvielfalt

und inhaltliche Substanz der Beiträge ausgezeichnet habe. Damit hatte er vollkommen recht.

Für mich persönlich war diese Anhörung eine interessante, wenn nicht sogar die interessanteste, die ich in meinen dreieinhalb Jahren als Landtagsabgeordneter im Landtag gehört habe.

Auf die Auswertung freue ich mich, natürlich mit dem nötigen Respekt und dem gebotenen Ernst, und darauf, dieses Thema hier zu besprechen. Der Titel der heutigen Debatte unterstellt jedoch der Staatsregierung und dem zuständigen Ministerium Handlungsstillstand oder gar Handlungsverweigerung. Dagegen erhebe ich Widerspruch.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Dass dies nicht so ist, werden unser Staatsminister und mein Kollege Heinz in seiner zweiten Runde darlegen. Sicherlich gibt es Dinge, die wir im Freistaat intensiver und besser machen können. Es ist sicherlich auch wünschenswert, noch mehr Landesmittel in den Artenschutz zu stecken. Aber ich wehre mich dagegen, dass – vor allen Dingen in Veröffentlichungen durch Sie, Herr Kollege Günther – immer wieder die Landwirte als Hauptverursacher des Problems ausgemacht werden.

(Beifall der Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch und Sebastian Fischer, CDU)

Das ist die schon allgemein bekannte Schwarz-WeißMalerei, die wir immer wieder erleben. Wir können ohne Landwirtschaft nicht leben, genauso wenig wie ohne Insekten. Auch mit kleinteiliger Landwirtschaft können wir nicht überleben und die Landwirte im Übrigen auch nicht.

Die Landwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag, und zwar nicht nur für die Ernährung der Bevölkerung, sondern auch für das Klima, die Umwelt und den Naturschutz. Auch die sächsischen Landwirte tun etwas, zum Beispiel in Form von Agrarumweltmaßnahmen durch Feldlerchen-gerechte Bewirtschaftung, das Anlegen von Blühstreifen und Greening-Maßnahmen. Wir fördern ökologischen Landbau und wir unterstützen den minimalen, integrierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln usw.

Schauen Sie, lieber Herr Günther, auf Ihren Parteikollegen in Baden-Württemberg, den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Wenn Sie mit der Forderung, sofort zu handeln, das meinen, was er in BadenWürttemberg angeschoben hat, dann haben Sie meine volle Unterstützung. Er bleibt auf dem Boden der Realität mit seiner Landesstrategie – so nennt er das: Verstärkung der biologischen Vielfalt. Diese Strategie sieht folgende Maßnahmen vor: mehr Aufklärung der Bauern, Anreize zur naturnahen Wirtschaftsweise, Brachenbegrünung mit Blühmischungen, Förderung von Streuobstwiesen, die besonders artenreich sind, Bewirtschaftungsverzicht in Wäldern und Naturparks, Monitoring auf Landesebene, Biotopverbünde verbessern, Zustand der Naturschutzgebiete verbessern und Straßenbegleitgrün ökologisch

aufwerten. Das zu den Maßnahmen, die ausschließlich sind.

Einige dieser Maßnahmen kommen uns durchaus bekannt vor und werden auch von uns schon gefördert. Revolutionäre Strukturveränderungen in der Landwirtschaft sind darin aber nicht vorgesehen.

Zu Verboten oder drastischen Reduzierungen von Pflanzenschutzmitteln oder in Bezug auf Glyphosat, Insektizide, Pestizide wartet man – so steht es in dieser Strategie – den wissenschaftlichen Streit ab.

Lassen Sie uns vernünftig an das Problem herangehen, so wie das unsere Kollegen in Baden-Württemberg tun.