Protokoll der Sitzung vom 30.05.2018

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich möchte nicht beides gegeneinander ausspielen, aber ich bin doch positiv überrascht, dass so etwas möglich ist, weil es zeigt, dass die Dinge nicht immer so kompliziert sind, wie sie scheinen. Letztlich ist es eine Frage des politischen Willens.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Dass es einen Weg gibt, haben wir auch gehört. Das machen andere Bundesländer vor. Es liegt also in Ihrer Hand, den Landesaktionsplan entweder weiter als Feigenblatt zu verwenden oder ihn mit Leben zu erfüllen, nämlich mit den Lebenslagen der Menschen, für die er geschrieben wurde, unter anderem Rebecca, Jens und Claudia.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das ist offenbar nicht der Fall. Frau Staatsministerin? – Frau Köpping, ich erteile Ihnen hiermit das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Worum geht es denn in dem Antrag? – Die Staatsregierung soll begleitend zur Umsetzung des Landesaktionsplanes zur Akzeptanz von Vielfalt zu Lebensentwürfen in Sachsen eine Studie zur Verbesserung der Daten und Kenntnislage über die Lebenssituation von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, transsexuellen und intergeschlechtlichen und queeren Menschen im Freistaat Sachsen erstellen lassen.

Meine Damen und Herren! Einmal abgesehen davon, dass die Umsetzung einer derartigen Studie – und das ist heute schon mehrfach gesagt worden – mit der erheblichen vorgeschlagenen Tiefe durchaus auch finanziell eine Belastung für meinen kleinen schmalen Haushalt ist, wirft eine derartige Studie besondere Probleme auf, die wiederum in der Natur des Gegenstandes selbst liegen. Fakt ist: Zu den genannten Punkten gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine offiziellen Statistiken. Da sind wir uns völlig einig. Tiefergehende Daten könnten also lediglich durch repräsentative Studien gewonnen werden. Diese aber sind methodisch sehr aufwendig. Die Schwierigkeit zeigt sich schon bei der Erhebung soziodemografischer Daten. Es ist keine klar abgrenzbare gesellschaftliche Gruppe, vielmehr fluktuierend und in sich selbst vielfältig.

Befragungen zur Häufigkeit von Homosexualität beispielsweise hängen entscheidend davon ab, was die einzelnen Befragten subjektiv unter Homosexualität verstehen. Wenn das eine Mal die sexuelle Erfahrung mit Gleichgeschlechtlichen, ein anderes Mal eine rein emotionale Neigung zu Gleichgeschlechtlichen und ein weiteres Mal die bewusste Selbstdefinition als lesbisch oder schwul mit Homosexualität gleichgesetzt wird, dann

relativiert sich die Aussagekraft entsprechend der Befragung. Zudem begünstigt ein von sozialer Stigmatisierung geprägtes Umfeld die Tendenz zum Verschweigen – auch das ist schon angesprochen worden –, während wiederum ein Klima von Akzeptanz zu entsprechend höheren Beteiligungszahlen beitragen würde.

Weiterhin ist zu bedenken, dass sich die sexuelle Orientierung, das sexuelle Verhalten im Laufe eines Lebens durchaus verändern können. Schwierigkeiten wie diese ergeben sich mehr oder weniger bei allen Punkten des Antrages. Sie erfordern aufwendige methodische Designs, und sie machen Untersuchungen auf diesem Gebiet ehrlich gesagt recht kostspielig. Die Frage der Kosten fällt angesichts der enzyklopädischen Fülle der laut Antrag zu erfassenden Schwerpunkte umso mehr ins Gewicht.

Der Befund, dass für Sachsen kaum valide Daten zur Lebenssituation zur Verfügung stehen, ist nicht zu bestreiten. Es ist aber ein Irrtum zu glauben, dass Politik erst dann handlungsfähig ist, wenn sie zu allen Problemlagen eine lückenlose empirische Datenlage besitzt. Wir wissen sehr wohl um die schwierige Situation dieser Community in ländlichen Räumen und haben darauf mit der Förderung effektiver Beratungsstrukturen reagiert. Deshalb, glaube ich, ist es wirklich nicht korrekt und nicht fair, wenn man davon spricht, dass der Plan zwar auf dem Tisch liegt, aber nicht gehandelt wird.

Wir wissen um die besondere Gefährdung in Gemeinschaftsunterkünften, und auch dazu haben wir in Sachsen mithilfe des CSD ein bundesweit einmaliges Netzwerk für queere Flüchtlinge aufgebaut. Wir wissen um die problematische Versorgungssituation transsexueller und intersexueller Menschen und werden gemeinsam mit der Sächsischen Ärztekammer und anderen Akteuren im Gesundheitssystem darauf Antworten finden. Wir wissen, dass diese Menschen im Alter häufig in Isolation geraten und wollen uns für ihre verbesserte gesellschaftliche Teilhabe wie auch für eine verbesserte Akzeptanz schwuler und lesbischer Lebensformen in der Pflege einsetzen.

Wir wissen um die Unzulänglichkeit der polizeilichen Statistik zur hassmotivierten Kriminalität gegen die Community und wollen in einem Fachgespräch zwischen Vertreterinnen und Vertretern der LSBTTIQ*-Community und der sächsischen Polizei Wege zur Erhöhung der Anzeigebereitschaft aufzeigen.

Diese Beispiele zeigen: Mit der Verabschiedung des Landesaktionsplanes hat die Staatsregierung längst begonnen, diese Thematik in ihrer Fachpolitik umzusetzen. Ich rate dringend dazu, diesen Aktionsplan, der umfangreich mit der Community diskutiert und erarbeitet wurde, nun auch umzusetzen, und will offen gestanden keine Mittel in eine Studie stecken, die wir als Gelder im Empowerment und für Präventionsprojekte dringend benötigen.

Ich möchte daher einen anderen Weg vorschlagen. Mein Haus wird in der Diskussion mit der LAG „Netzwerk queere Sachsen“ prüfen, ob begleitend zu konkreten Maßnahmen des Landesaktionsplanes repräsentative

Erhebungen sinnvoll sind und wie weit sie im laufenden Haushalt realisiert werden können. Die Umsetzung von Teilstudien, beispielsweise zur hassmotivierten Kriminalität oder zu Lebenslagen im Alter, sind auch in meinem Interesse und lassen sich mit geringerem Aufwand als die vorgeschlagene Gesamterfassung umsetzen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie vielleicht diesen Weg mit mir akzeptieren.

Eine letzte Bemerkung: Es haben weiß Gott noch nicht alle Bundesländer auch einen Landesaktionsplan.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Schlusswort. Das hat die Fraktion DIE LINKE und es spricht Frau Abg. Buddeberg.

Ja, zunächst, sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich doch noch einmal auf Frau Kuge eingehen, falls sie mir zuhört. Sie haben gesagt, es gibt wichtigere Themen. Aber ich muss mir die Frage stellen, welche das sein können. Ich könnte jetzt eine Vielzahl von Themen aufzählen.

(Daniela Kuge, CDU: Familien!)

Familien zum Beispiel. Pflege ist bestimmt auch ein wichtiges Thema. Arbeitslosigkeit ist sicher ein wichtiges Thema. Kinderarmut – –

(Daniela Kuge, CDU: Heterosexuelle!)

Heterosexuelle sind auch ein wichtiges Thema. Ich glaube, dieses Thema spielt eine sehr große Rolle in dieser Gesellschaft. Aber die Themen, die ich gerade genannt habe, sind Themen, die alle Leute, die lesbisch, schwul, bi, trans und inter sind, auch betreffen. Ja, die haben auch andere Probleme, aber die haben zusätzlich noch das Problem der Diskriminierung. Deshalb ist diese Aussage „Wir müssen uns um andere Probleme kümmern“ einfach zu kurz gegriffen.

(Beifall bei den LINKEN)

Sie haben auch noch relativ diffus auf Geflüchtete angespielt. Ich bin mir nicht ganz sicher, was Sie sagen wollten, vielleicht will ich es auch sicher gar nicht wissen, weil es sehr düster sein könnte. Frau Köpping hat es angesprochen. Auch da gibt es genau diese Schnittmenge. Es gibt in Sachsen inzwischen ein großes Netzwerk für queere Geflüchtete. Auch da gibt es Betroffene, wie es sie überall in der Welt und in allen Lebensbereichen gibt. Wahrscheinlich wissen Sie das nicht, weil viele nicht geoutet sind. Aber in allen Lebensbereichen gibt es LSBTTIQ*. Insofern klärt sich auch die Frage nach den Steuergeldern. Wer wirklich der Meinung ist, dass Nichtheterosexuelle keine Steuern zahlen, der ist wirklich – ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, ohne dass ich einen Ordnungsruf bekomme – jedenfalls stimmt es nicht.

Frau Köpping, ich verstehe Sie ja auch, dass Sie dieses Problem haben, dass Sie kein Ministerium haben, sondern nur einen Geschäftsbereich, dass dieser Geschäftsbereich sich nicht nur mit Gleichstellung beschäftigt, sondern auch diesen großen Bereich der Integration hat. Heute Vormittag haben wir sehr lange darüber gesprochen, was für eine große Aufgabe das ist, und darüber, was Sie da auch geleistet haben, das haben wir ausdrücklich noch einmal herausgestellt und gewürdigt, dass das Thema Gleichstellung auch noch die Gleichstellung von Mann und Frau ist und dass LSBTTIQ* da nur noch so ein kleiner Teil ist. Am Ende ist es das dann eben.

Genau aus diesem Grund wäre es sinnvoll, das auszulagern, es nicht beim Ministerium zu belassen, sondern zu sagen: Für den nächsten Haushalt nehmen wir das Geld in die Hand, machen so eine Studie und wissen dann, welche Handlungsfelder bestehen und wo wir uns konkret um die Probleme kümmern müssen. Das ist auch das Einzige, was von der Staatsregierung als Antwort auf unseren Antrag kam, zu sagen: Für 2017/18 ist kein Geld einge

stellt. Aber dieses Problem ist gelöst. Wir reden über den nächsten Doppelhaushalt.

Insofern können wir diesen Antrag getrost beschließen, und ich bitte alle um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wer der Drucksache 6/8236 seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen, zahlreichen Stimmen dafür ist die Drucksache dennoch nicht beschlossen.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Wohnortnahe stationäre Gesundheitsversorgung sichern –

Krankenhäuser auskömmlich finanzieren

Drucksache 6/12896, Antrag der Fraktion AfD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen nehmen in folgender Reihenfolge Stellung: Zunächst die AfD-Fraktion, dann die Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfD-Fraktion Herr Abg. Wendt. – Herr Wendt, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Wir stehen zweifelsfrei mit dem deutschen Gesundheitssystem vor großen Herausforderungen.

Steigende Fallzahlen durch eine alternde Bevölkerung mit enormen Preissteigerungen bei den Leistungen sowie gedeckelten Budgets und dem Mangel an Ärzten und Pflegekräften. Schon heute gibt es insbesondere in ländlichen Regionen enorme Probleme, gerade bei den Ärzten. Die Wege zum Arzt werden immer länger, zeitnahe Termine bekommt man nur noch selten.

Etwas besser jedoch sieht es bei den sächsischen Krankenhäusern aus. Derzeit gibt es 78 Krankenhäuser, die vom Freistaat Sachsen gefördert werden. Wir als AfD möchten die Krankenhausstandorte in Sachsen erhalten und stärker in die ambulante Gesundheitsversorgung der Bevölkerung einbinden sowie Effizienzreserven durch die weitere Digitalisierung heben. Dies bietet gerade in ländlichen Regionen mit einer geringeren Facharztdichte vielversprechende Chancen zur Sicherung des Versorgungsbedarfs.

Hierzu müssen wir aber die Voraussetzungen schaffen. Jetzt im Rahmen der Aufstellung des neuen Krankenhausplanes und darauf aufbauend der Bereitstellung der finanziellen Mittel im nächsten Doppelhaushalt haben wir die Möglichkeiten dazu. Für die Einzel- und Pauschalförderung wurden in den beiden letzten Doppelhaushalten circa 120 Millionen Euro pro Jahr veranschlagt. Der tatsächliche Investitionsbedarf ist aber viel höher und liegt – Bezug nehmend auf die Zahlen der Krankenhausgesellschaft – bei etwa 240 Millionen Euro pro Jahr und ist damit etwa doppelt so hoch. So ist es nicht verwunderlich, dass ein Investitionsstau aufgelaufen ist, der auf circa 350 Millionen Euro beziffert wird.

Es bedarf daher zweier Maßnahmen.

Erstens. Der Verstetigung der sächsischen Mittel zur Krankenhausfinanzierung über die Festlegung einer gesetzlichen Mindestinvestitionsquote, um ein Abschmelzen der Fördermittel und eine Förderung nach Kassenlage auszuschließen.

Zweitens muss sich der Bund wieder dauerhaft an der Krankenhausfinanzierung beteiligen. Die Digitalisierungsvorhaben und auch das Vorantreiben der sektorenübergreifenden Versorgung sind schließlich Maßnahmen, die auf Bundesebene beschlossen worden sind.