Ich bitte jetzt den Ausländerbeauftragten. Oder gibt es noch Redebedarf? – Es gibt noch eine Runde. Dann für die CDU Herr Abg. Kiesewetter, bitte.
Wir haben es bereits gehört: Das neue ZIK II ist da. Es hat etwas länger gedauert, aber es ist etwas sehr Gutes geworden. Es ist ja im Ergebnis der Fortschreibung sozusagen des alten ZIK I entstanden, im Rahmen eines umfassenden Beteiligungsverfahrens.
Grundlagen – auch das ist heute schon mehrfach angeklungen – sind die Empfehlungen des Sachverständigenrates Deutscher Stiftungen für Migration und Integration vom August 2014 sowie die Regelungen im Koalitionsvertrag.
Zwischen alter und neuer Fassung ist migrationspolitisch natürlich sehr viel passiert. Deshalb unterscheiden sich beide Varianten auch deutlich voneinander. Die Unterschiede sind inhaltlich entsprechend sichtbar.
Das neue ZIK umfasst einen bunten Strauß an Maßnahmen und Handlungsfeldern und ist auf verschiedenste Lebenslagen hin orientiert und ausgerichtet. Ich will im Folgenden kurz auf ausgewählte Schwerpunkte eingehen, die mir wichtig sind.
Das betrifft zum einen zuerst die inhaltliche Ausrichtung und die formulierten Grundsätze. Das ZIK kommt in seiner neuen Fassung mit einem breiten und kooperativen Ansatz daher. Es folgt dem Gedanken, dass Integration ein gesamtgesellschaftlicher Prozess ist, dessen Gelingen von der Mitwirkung aller in Sachsen lebenden Menschen abhängt und der auf persönlicher Interaktion beruht.
Integration in diesem Sinne erfordert auch ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen unterschiedlicher staatlicher und zivilgesellschaftlicher Akteure und setzt einen aktiven Beitrag jedes Einzelnen im Rahmen seiner jeweiligen Möglichkeiten voraus.
Die Maßnahmen, die im Bereich der Integration zu initiieren sind, sollten zur Teilhabe am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben befähigen. Zentral sind dabei die Teilhabe durch Erwerbstätigkeit, der Zugang zu und die Annahme von Bildungsangeboten, die Gleichstellung der Geschlechter und das rasche Erreichen der Selbsterhaltungsfähigkeit.
All diesen Gedanken folgt das neue ZIK. Es richtet sich an Ausländer und Deutsche gleichermaßen, staatliche und nicht staatliche Akteure, Hauptamtler und Ehrenamtler. Es vereint Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt und ist damit konsensfähige Arbeits- und Diskussionsgrundlage, und das ist auch gut so.
An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei all denjenigen bedanken, die am ZIK entsprechend mitgewirkt haben, die es erstellt und sich daran beteiligt haben.
Was ist mir weiterhin wichtig? – Das ist der Bereich strategisches Integrationsmanagement und -monitoring. Auch das ist heute schon mehrfach angeklungen. Ich freue mich, dass dieser Punkt im neuen ZIK eine ganz besondere Rolle spielt und aufgegriffen worden ist.
Das Konzept ist nicht statisch, sondern bedarf ständig der Fortschreibung. Es versteht sich – wie es Frau Staatsministerin Köpping bereits ausgeführt hat – als Diskussions- und Denkpapier. Im Bedarfsfall muss also auch entsprechend schnell und flexibel auf Veränderungen reagiert werden können, die letztlich von Faktoren abhängig sind, die uns von außen erreichen. Das können zum Beispiel europarechtliche Vorgaben sein, die neu sind, oder auch geänderte Rahmenbedingungen des Bundes.
Damit das funktioniert, ist auch immer wieder eine entsprechende Nachjustierung der Maßnahmen notwendig, die wir auf Landesebene initiieren. Die Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes bei der Schaffung von Landesintegrationsangeboten ist mir dabei besonders wichtig.
Monitoring und Evaluation leisten einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, zur Nachhaltigkeitssicherung, zur bedarfsgerechten Ausrichtung von Angeboten sowie zum effizienten Ressourceneinsatz.
So könnten beispielsweise komplementäre Sprachkurse noch mehr auf Bleiberecht und Arbeitsmarktintegration ausgerichtet werden.
Zudem müssen Landesintegrationsangebote zielgerichteter darauf ausgerichtet sein, migrationsspezifische Vermittlungshemmnisse auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden.
Was ist mir sonst noch wichtig? – Wir haben es bereits gehört und es ist auch schon mehrfach hier angeklungen: Sachsen ist vom demografischen Wandel besonders betroffen. Die Engpässe, die sich bereits in einzelnen Berufsgruppen, Branchen und Regionen abzeichnen, werden sich in den kommenden Jahren auf alle Wirtschafts- und Sozialbereiche sowie auf den öffentlichen Dienst ausdehnen und betreffen nahezu alle Qualifikationsstufen.
Daher ist es besonders erfreulich, dass der Bereich gesteuerte Zuwanderung auch im neuen ZIK einen breiten Raum einnimmt. Wir wollen gute Bedingungen schaffen, damit auch gut qualifizierte Menschen mit Migrationshintergrund hier ihre Potenziale entfallen können. Sie sollen zum wirtschaftlichen Wohlstand in Sachsen beitragen, sei es als Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Unternehmensgründer. Das betrifft natürlich in erster Linie auch die Hochschulabsolventen, die hier das Studium beenden. Für mich macht es aber in diesem Zusammenhang gleichzeitig Sinn, zukünftig auch über gezielte Anwerbungen nachzudenken, welche dem Wirtschaftsstandort Sachsen dienen. Es bedarf dazu natürlich der Entwicklung einer Strategie. Dazu müssen kontinuierlich und zielgerichtet Bedarfe am Arbeitsmarkt, im Zusammenhang mit der Bundesagentur für Arbeit und sonstigen Akteuren, identifiziert und Steuerungsmaßnahmen aufgesetzt werden.
Ich kann mir vorstellen, in dieser Frage dem Sächsischen Ausländerbeauftragten oder dem zukünftigen Migrations- und Integrationsbeauftragten bei der Initiierung solcher innovativen Ansätze, möglicherweise auch über den
Lassen Sie mich abschließend noch eines erwähnen – das ist die Diskussion über ein mögliches Integrationsgesetz. Das ist von vielen Seiten heute hier schon angesprochen worden. In dieser Frage kann ich mich dem Sachverständigenrat Deutscher Stiftung für Integration und Migration anschließen, der sich im diesjährigen Jahresgutachten 2018 ausführlich der Frage widmet, was Integrationsgesetze leisten können. Lassen Sie mich ganz kurz daraus zitieren: „Der Staat kann Integration nicht verordnen; er kann aber die Rahmenbedingungen so gestalten, dass sie Integration fördern. Eine Option bilden Integrationskonzepte, die vor allem auf Länder- und kommunaler Ebene genutzt werden.“ Ob Integration auf Landesebene durch Konzept oder durch Gesetz gestaltet wird, ist dabei weniger entscheidend als eine konsequente Umsetzung und ein gutes Integrationsmonitoring.
Eine adäquate Ausgestaltung der allgemeinen Regelsysteme ist wirkungsvoller und auch systematisch überzeugender als Spezialgesetze, die sich nur auf eine Personengruppe mit Migrationshintergrund beziehen.
In diesem Sinne sind wir also mit dem neuen ZIK, wenn es um das Thema Zuwanderung und Integration geht, gut aufgestellt. Lassen Sie uns damit und daran gemeinsam arbeiten.
Gibt es vonseiten der Fraktionen noch Diskussionsbedarf? – Das ist nicht der Fall. Dann gebe ich das Wort dem Ausländerbeauftragten, Herrn Geert Mackenroth. Bitte schön.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird endlich gut. Ich begrüße das Zuwanderungs- und Integrationskonzept für unseren Freistaat Sachsen ausdrücklich. Ich finde auch die Fortschreibung gut, die spätestens nach den Ereignissen von 2015 und 2016 dringend erforderlich war. Ich freue mich, dass das Ergebnis dieser Fortschreibung wirklich richtig gut geworden ist. Dafür danke ich allen Beteiligten – Frau Staatsministerin Köpping und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den mitwirkenden Ministerien, Behörden, Gremien und Akteuren der Zivilgesellschaft.
Das Konzept beschreibt Zuwanderung in all ihren Facetten und bietet darüber hinaus Lösungsansätze und Handlungsoptionen. Es beleuchtet die Chancen von Zuwanderung und Integration ebenso wie die damit verbundenen möglichen Probleme und Risiken, und zwar für die Gesamtgesellschaft wie auch für die Zugewanderten. Vor allem aber ist es nicht ideologisch geprägt. Genau diese
pragmatische Ausgewogenheit, die unaufgeregte Besonnenheit brauchen wir in Zeiten der populistischen Panikmache und der moralischen Überhöhung. Deshalb freue ich mich ganz besonders, dass die Erfolgskontrolle – Neudeutsch: das Monitoring –, auf deren Notwendigkeit ich seit meinem Amtsantritt immer wieder gedrungen habe, in dem Konzept einen breiten Raum einnimmt. Wir schulden diese Ergebniskontrolle unserer zum Teil immer noch sehr kritischen Gesellschaft und auch dem Steuerzahler.
Was wir bei allem berechtigten Lob nicht vergessen dürfen: Jedes noch so gute Konzept steht und fällt – Frau Kollegin Nagel hat darauf bereits hingewiesen – mit seiner praktischen Umsetzung. Einfache, abstrakt-generelle Lösungen gibt es auch in unserem Bereich nicht. Die Menschen sind unterschiedlich; jeder hat unterschiedliche Fertigkeiten, Fähigkeiten, Erfahrungen, Prägungen, eine eigene Lebensgeschichte. Deshalb brauchen wir eine intelligente Umsetzung mit individueller, flexibler, maßgeschneiderter Angebotspalette und mit entsprechenden Lösungen. Von nahezu jeder generellen Regelung müssen Ausnahmen möglich und vorgesehen sein.
Umso wichtiger – auch darauf ist schon hingewiesen worden – sind die Beratungsstellen und die Sozialarbeit mit ihrem individuellen, auf die jeweiligen Klienten zugeschnittenen Ansatz. Ich werbe deshalb nachdrücklich für eine weitere Stärkung und den flächendeckenden Ausbau der Migrationsberatungsstellen und der Jugendmigrationsdienste durch den Bund. Lassen Sie uns bitte erneut darüber nachdenken, die kommunalen Integrations- und anderen Koordinatoren flankierend auf Landesebene direkt in das operative Geschäft der Beratungsstellen und damit in die Regelstrukturen einzubinden. Das käme allen Beteiligten zugute und würde Parallelstrukturen vermeiden.
Lassen Sie mich zum Thema Zuwanderung und Integration noch zwei aktuelle Stichworte nennen, die mir wichtig sind. Das erste ist die Wertevermittlung – auch hier schon angesprochen. Wertevermittlung ist richtig und wichtig, und zwar für alle, die sie brauchen. Dabei sollten wir aber nicht den Eindruck erwecken, dass alle Ausländer Wertevermittlung brauchen, nur weil sie Ausländer sind.
Genauso falsch wäre es, so zu tun, als ob nur Ausländern Wertevermittlung guttun würde, nicht aber auch einer durchaus nennenswerten Anzahl von Personen aus der einheimischen Bevölkerung. Nicht alle Flüchtlinge brauchen Wertevermittlung, und nicht alle, die Wertevermittlung brauchen, sind Flüchtlinge.
Ich plädiere deshalb für ein Regelangebot für alle – in den Schulen und darüber hinaus in außerschulischen Maßnahmen –, die entsprechende Defizite aufweisen.
Ich frage mich, und das ist ein erneut ernst gemeinter Vorschlag: Warum kann nicht die sächsische Justiz, warum können nicht unsere Richter und Staatsanwälte bei diesem ihrem ureigenen Thema der Demokratievermittlung nach bayerisch-hessischem Vorbild dieses Angebot abdecken, dadurch ihren Beitrag leisten und ehrenamtlich unsere Werte vermitteln?
Zweites Stichwort: Ankerzentren. Die Grundintention hinter diesen Zentren teilen wir wohl alle. Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Kommunen liegen im Interesse aller Beteiligten, und die Sicherstellung des Vollzugs geltenden Rechts tut unserem Rechtsstaat gut.
Auch hier kommt es entscheidend nicht auf die verbale Ausprägung, sondern auf die Umsetzung der Intention an. Zentren, in denen eine große Anzahl von Menschen in Perspektivlosigkeit untergebracht ist, schaffen und vertiefen möglicherweise Problemlagen für die Betroffenen, für die in den Zentren Beschäftigten und für unsere gesamte Gesellschaft.
Daher könnten eher – die Staatsregierung denkt schon darüber nach – kleinere als ein großes Ankerzentrum die befürchteten Nebenwirkungen vermeiden. Dass Ankerzentren für die sogenannten UMAs nicht die Regelungen des KJHG aushebeln, dass Kindern eine adäquate Umgebung geboten werden muss, das versteht sich auch im Freistaat von selbst.
Aus diesem Grunde empfehle ich, vor einer Änderung des sächsischen Systems der Erstaufnahme genau zu prüfen, wie die erhoffte und sinnvolle Effizienzsteigerung unter Wahrung des humanitären Augenmaßes zu erreichen ist.