Protokoll der Sitzung vom 27.06.2018

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kollege Zschocke sprach für die Fraktion GRÜNE. Wir sind jetzt durch die erste Runde gekommen. Wollen wir eine weitere Rederunde eröffnen? – Das kann ich nicht feststellen, es gibt keinen Redebedarf mehr aus den Fraktionen. Deshalb erteile ich der Staatsregierung das Wort. Bitte, Frau Staatsministerin Klepsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ja, mit dem Bundesteilhabegesetz hat die Bundesregierung Ende 2016 eine der großen sozialpolitischen Reformen angestoßen. Meine Vorredner sind, gerade Herr Wehner, sehr ausführlich auf diesen Prozess eingegangen. Nun möchte ich das BTHG nicht noch einmal näher beleuchten.

Bereits in Kraft getreten sind neue Regelungen zum Budget für Arbeit, zum Gesamtplan und zur Bedarfsermittlung, die bis 2020 im SGB XII verortet bleiben. Der größte Teil der Änderungen tritt jedoch erst mit dem Teil 2 des SGB IX 2020 in Kraft. Dies ist auch der Teil, der die landesrechtlichen Änderungen jetzt zum Großteil bestimmt. Für den Freistaat Sachsen waren zwei Regelungsbereiche zu gestalten, die wir nun im vorliegenden Gesetzentwurf umsetzen: Zum einen werden die Träger der Eingliederungshilfe neu bestimmt, zum anderen wird die Arbeitsgruppe zum BTHG verstetigt.

Zunächst zur Bestimmung der Träger der Eingliederungshilfe. Der Träger der überörtlichen Eingliederungshilfe wird der KSV Sachsen sein – auch darauf wurde bereits hingewiesen. Seine Aufgaben werden im Gesetz klar geregelt. Der KSV wird zukünftig zuständig sein für alle Leistungen in der Tagesbetreuung und im Wohnheim für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Außerdem ist der KSV zuständig für alle Leistungen für erwachsene Menschen mit Behinderungen, wenn sie Leistungen des ambulant betreuten Wohnens erhalten. Alle anderen Leistungen übernehmen die Landkreise und kreisfreien Städte.

Bei diesen ersten beiden Punkten wird vor allem der Zuständigkeitsbruch bei den über 65-Jährigen abgeschafft. Ich glaube, das ist wichtig. Der KSV bleibt auch über diese Altersgrenze hinaus für die Eingliederungshilfe zuständig.

Weiterhin wird der KSV zuständig sein für die Leistungen zum Besuch einer Hochschule und für Leistungen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs sowie besonderer Bedienungseinrichtungen sowie für die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, für die Werkstatt für behinderte Menschen und das Budget für Arbeit. Aufgaben, die dann eben nicht unter diese Regelungen fallen, beispielsweise Leistungen für Kinder und Jugendliche, Unterstützungs- und Assistenzleistungen außerhalb des Bereiches Wohnen, übernehmen dann die örtlichen Träger der Eingliederungshilfe, und als örtliche Träger sind unsere Landkreise und kreisfreien Städte verantwortlich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nichts über uns, ohne uns. Ja, das sind die berechtigten Erwartungen von Menschen mit Behinderungen auch in der Eingliederungshilfe. Um dies sicherzustellen, soll mit dem vorliegenden Entwurf eine Clearingstelle eingerichtet werden. Auf das Thema Clearingstelle sind die Vorredner bereits ausführlich eingegangen und ich danke auch Hanka Kliese, dass sie dieses Thema hier noch einmal so engagiert mit eingebracht hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Haus hat frühzeitig Menschen mit Behinderungen und deren Interessenvertreter in das Verfahren eingebunden. Wir haben dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die den Prozess der landesrechtlichen Umsetzung des BTHG in regelmäßigen Sitzungen konsultativ begleitet. Diese soll aber nicht nur aktuell bei den Umsetzungsfragen tätig sein, sondern auch weiter Bestand haben, um die Strukturen der Eingliederungshilfe zu fördern und auch weiterzuentwickeln. Auch hier gilt für mich: Wir wollen weiter auf Augenhöhe mit den Beteiligten um die besten Lösungen ringen.

Zukünftig wird die Arbeitsgruppe mein Haus und die Träger der Eingliederungshilfe bei der Entwicklung und Anwendung von geeigneten Instrumenten zur Erbringung und Überprüfung der Wirksamkeit von Leistungen beraten. Um diese grundlegende Aufgabe der Arbeitsgemeinschaft zu unterstützen, richtet das Sozialministerium eine Geschäftsstelle ein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Änderungen des BTHG betreffen nicht nur die Träger der Eingliederungshilfe, sondern alle Rehabilitationsträger. Darüber hinaus möchte ich auch die Leistungserbringer und die freie Wirtschaft geradezu ermuntern, die neuen Leistungsformen, die der Gesetzgeber entwickelt hat, zum Beispiel das Budget für Arbeit, in der Praxis zu nutzen. Unser Ausführungsgesetz zeigt: Ja, wir gehen einen konsequenten Weg weiter zu einer inklusiven Gesellschaft. Lassen Sie uns daher gemeinsam, so wie unsere Kampagne gestartet ist, „Behindern verhindern“. Unser Ausführungsgesetz wird dafür ein weiterer Baustein sein und dafür werde ich mich auch weiter einsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung über das Gesetz zur Regelung von Zuständigkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und zur Zuständigkeit des Kommunalen Sozialverbands Sachsen. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration in der Drucksache 6/13703.

Es liegen drei Änderungsanträge vor. Ich beginne mit dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 6/13844, und bitte um Einbringung; Herr Abg. Zschocke, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin schon versucht, wesentliche Teile einzubringen. Ich möchte die Zeit noch nutzen, um deutlich zu machen, warum die Clearingstelle, in der modifizierten Form, so wie sie jetzt formuliert ist, wirklich eine Kopfgeburt ist, wo sich erst in der Praxis zeigen muss, ob das tatsächlich so funktioniert.

Wir wollen mit unserem Änderungsantrag sicherstellen, dass die Clearingstelle wirklich neutral angesiedelt ist. Neutral heißt bei einer juristischen Person des Privatrechts. Sie darf in keiner Weise aus dem Kreis der Leistungserbringer und Leistungsberechtigten sein. Sie muss im Prinzip unabhängig sein und darf keine Entscheidungen treffen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Clearingstelle als Vermittlerin im Streit agieren kann.

Wir ergänzen mit unserem Änderungsantrag noch eine Aufgabe. Die Clearingstelle soll auch Beschwerden entgegennehmen können. Erst die Kombination aus Vermittlung und Beschwerdestelle ermöglicht tatsächlich einen Beitrag der Clearingstelle zur Qualitätssicherung. Das war die ursprüngliche Intention der Staatsregierung, zumindest gemäß der Überschrift des § 10 a. Einzelheiten zum Ablauf des Vermittlungsverfahrens sind im Entwurf auch nicht geregelt. Das wollen wir und haben es in unserem Änderungsantrag aufgeschrieben, durch eine Verfahrensordnung sicherstellen. In dieser wollen wir Regelungen zur barrierefreien Information und Kommunikation sicherstellen.

Der Erlass und die Änderung der Verfahrensordnung müssen die Zustimmung des Ministeriums haben. Bevor die Beteiligten in das Vermittlungsverfahren eintreten, und das ist recht und billig, müssen sie dieser Verfahrensordnung zustimmen. Wir glauben, dass die Clearingstelle mit dieser Änderung einen guten Beitrag bei der Vermittlung von Konflikten und auch zur Qualitätssicherung leisten kann. So wie es jetzt ist, und ich bin froh, dass es wenigstens den Entschließungsantrag der Koalition gibt, muss man sich das später anschauen, ob es tatsächlich funktioniert.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer möchte zum Antrag sprechen? – Ich sehe, es gibt keinen Bedarf. Dann lasse ich jetzt über den soeben eingebrachten Änderungsantrag abstimmen.

(Unruhe im Saal)

Meine Damen und Herren! Wir müssen noch ein bisschen durchhalten, auch wenn das Spiel schlecht war.

Wer dem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dennoch der Änderungsantrag mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der AfD-Fraktion auf, Drucksache 6/13852 und bitte um Einbringung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie weit derzeit schon Anspruch und Möglichkeit auseinanderklappen habe ich in meinem Redebeitrag zum Gesetzentwurf bereits deutlich gemacht. Deshalb möchten wir mit unserem Änderungsantrag den Gesetzentwurf noch weiter verbessern.

Ziele des Bundesteilhabegesetzes sind unter anderem die Personenzentrierung bei der Leistungsgewährung und damit die stärkere Berücksichtigung der persönlichen Bedürfnisse sowie die Berücksichtigung individueller Wünsche bezüglich Lebensführung und Wohnform. Dass das schon in der Vergangenheit nicht immer berücksichtigt und durch das Verwaltungshandeln in vielen Fällen ausgehebelt wurde, zeigte die Anhörung im Sozialausschuss sehr deutlich. Damit die genannten Leistungsverbesserungen auch in der Praxis umgesetzt werden, fordern wir, dass neben der Rechtsaufsicht auch die Fachaufsicht vom Staatsministerium für Soziales und Verbraucherschutz ausgeübt wird. Dies forderte übrigens auch der Beauftragte der Sächsischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen in seiner Stellungnahme.

Des Weiteren fordern wir, dass das SMS als fachaufsichtsführendes Ministerium einen Vertreter in die Clearingstelle entsendet, wenn diese schon nicht an das Ministerium angegliedert wird, wie wir es im Ausschuss angeregt hatten. Hinzufügend möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass beim Beauftragten für die Belange von Menschen mit Behinderungen in der Folge natürlich auch personell und finanziell nachgesteuert werden muss, damit die Clearingstelle ihrer Aufgabe gerecht werden kann. Dies beinhaltet auch die hauptamtliche Anstellung des Beauftragten, der derzeit noch im Ehrenamt arbeitet.

Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag zum Wohle der Betroffenen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wer möchte zum Antrag sprechen? – Es gibt keinen weiteren Bedarf. Dann stimmen wir ab über diesen soeben eingebrachten Änderungsantrag. Wer erteilt seine Zustimmung? – Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Es gibt drei Stimmenthaltungen und eine Reihe von Stimmen dafür; dennoch ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE, Drucksache 6/13866, auf. Wird Einbringung gewünscht?

(Horst Wehner, DIE LINKE: Das ist bereits geschehen!)

Das ist schon passiert. Wer möchte noch zum Antrag sprechen? – Ich sehe keinen Bedarf. Dann lasse ich jetzt

über den Antrag abstimmen: Wer erteilt seine Zustimmung? – Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen sowie Stimmen dafür ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Herr Kollege Wehner, wie möchten Sie jetzt verfahren – artikelweise Einzelabstimmung oder im Block verlesen?

(Horst Wehner, DIE LINKE: Bitte so praktisch wie möglich zusammenziehen!)

Ich beginne mit der Überschrift, Artikel 1 Änderung des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches, Artikel 2 Änderung des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Sozialgesetzbuches zum 1. Januar 2020, Artikel 3 Änderung des Gesetzes über den Kommunalen Sozialverband Sachsen, Artikel 4 Änderung des Landesjugendhilfegesetzes, Artikel 5 Änderung des Gesetzes zur Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes und weiterer sozialer Entschädigungsgesetze, Artikel 6 Bekanntmachungserlaubnis, Artikel 7 Inkrafttreten/Außerkrafttreten. Wer diesen Artikeln seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmen dagegen und einigen Stimmenthaltungen ist diesen Artikeln mehrheitlich zugestimmt worden.

Ich rufe damit zur Gesamtabstimmung auf: Wer diesen Artikeln seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Stimmen dagegen und einigen Stimmenthaltungen ist dem Gesetzentwurf als Gesetz ebenfalls mehrheitlich zugestimmt worden.

Auch hierzu liegt mir ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Damit kommen wir zum Entschließungsantrag in der Drucksache 6/13883. Wird hierzu Einbringung gewünscht? – Frau Abg. Kliese, bitte.

Meine Damen und Herren! Ihnen liegt unser Entschließungsantrag in einfacher Sprache vor. Das ist ein Unterschied zu leichter Sprache: Einfache Sprache ist eine Sprache, die wir als diejenigen, die den Antrag erstellt haben, um ihn der Gruppe von Menschen, für die dieser Antrag gemacht ist, zugänglich zu machen. Das machen wir nicht zum ersten Mal heute so; das war auch schon beim Schulgesetz so. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass nicht nur Menschen mit Handicap die Rückmeldung gegeben haben, dass sie es schön finden, dass wir einen solchen Antrag geschrieben haben. Es ist jedoch nicht immer so einfach gewesen. Wer von Ihnen schon einmal in die Tiefen der Sozialgesetzgebung hinabgestiegen ist, der weiß, dass es bei der einfachen

Sprache gewisse Barrieren gibt, die wir nach wie vor auch nicht umgehen konnten.

Was besagt der Antrag inhaltlich? Wir möchten mit diesem Entschließungsantrag eine regelmäßige Berichterstattung sichern. Das ist uns ganz wichtig, weil wir in dieser Art für die Gesetzgebung noch nie einen Gesetzentwurf hatten, weil er neu ist und weil es viele neue Themen sind, beispielsweise das neue Bedarfsfeststellungsverfahren und ähnliche Instrumente. Daher wäre es uns ganz wichtig zu wissen, ob diese den sehr hehren Anspruch erfüllen, den wir formuliert haben. Wir möchten regelmäßig überprüfen, ob diese neuen Maßnahmen dort helfen, wo sie auch helfen sollen.

Wichtig ist uns auch, den von der Ministerin bereits angesprochenen Anspruch „Nichts über uns – nichts ohne uns“ umzusetzen. Dieser gilt hier in dem Sinne, dass die Überprüfung von Menschen mit Behinderungen übernommen werden soll, die wir dazu befähigen wollen, dass sie dieses Gesetz mit einschätzen dürfen.

Zu guter Letzt ist eine Aufforderung darin enthalten, dass es die wichtigsten Informationen zu diesem Gesetz auch in leichter Sprache geben soll; denn das Gesetz muss vor allen Dingen von denen verstanden werden, die es nutzen sollen und für die es gemacht ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)