Protokoll der Sitzung vom 28.06.2018

Bei der Netzwerkarbeit wird es nicht nur um die Zusammenführung der Profis gehen, also derjenigen, die sich bezahlt oder staatlich gefördert um die Opfer kümmern. Dringend erscheint mir die Einbindung des Ehrenamtes, das gerade beim Opferschutz über ein einzigartiges Hilfsspektrum verfügt. Das Ehrenamt hat, besonders in der Phase zwei, rund um das eigentliche Tatgeschehen Zeit für das Opfer, Zeit für Gespräche und für die Aufarbeitung des Geschehens, woran es sonst meistens in den Dienststellen fehlt. Denn oft schließt sich die Tür nach der Vernehmung und das Opfer bleibt allein.

Regelmäßige Treffen auf lokaler Ebene nach Revierbereichen mit der Polizei, dem Jugendamt und allen örtlichen Opferschutzorganisationen sind bereits vielfach Realität. Die Opferschutzbeauftragten werden hier auf Verstetigung zu drängen haben, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Dazu gehören auch die Kommunalpräventiven Räte, die im Freistaat Sachsen noch viel zu wenig genutzt werden. Es ist ein wunderbares Instrumentarium, das dort brachliegt. Ich freue mich sehr darüber, dass das Innenministerium, dass unser Staatsminister Wöller, hierzu vor Kurzem eine Förderrichtlinie aufgelegt hat, die zwar vom Umfang her klein ist, aber das richtige Signal, dass solche Dinge notwendig sind und den Opfern helfen können, setzt.

Für die Phase drei – die Aufarbeitung der Straftat vor dem Gericht und der Staatsanwaltschaft – stellt der Antrag zu Recht auf die Notwendigkeit ab, dem Opfer eine weitere Retraumatisierung zu ersparen. Was soll das Opfer als Zeuge in einem Strafverfahren zur Wahrheitsfindung beitragen und aussagen, wenn es vielleicht unmittelbar vorher dem Täter auf dem Gerichtsflur begegnen muss, sich vielleicht eines hämischen Grinsens oder gar einer Bedrohung zu erwehren hat? Sensibilität in den sächsischen Gerichten ist gefragt. Die im Antrag geforderten Zeugenschutzzimmer und eine professionelle Gerichtsbegleitung sind ein guter und erprobter Weg zur Verbesserung des Opferschutzes.

Auch für die Phase vier – die Vermeidung posttraumatischer Belastungs- und Spätschäden, die Rückführung in ein „normales“ Leben – bietet der Antrag den künftigen hauptamtlichen Opferschutzbeauftragten ein breites

Betätigungsvollfeld. Daneben fordert er hierfür zu Recht den Ausbau der verfahrensunabhängigen Beweissicherung. Besonders bei Sexualstraftaten aus dem sozialen Nahraum scheut sich das Opfer nicht selten, das normale Prozedere einer Strafanzeige in Gang zu setzen. Wenn der

Täter im Familienkreis zu finden ist, sind die Hemmschwellen zur Strafanzeige bei manchen Opfern zunächst zu hoch.

Oft aber ändert sich diese Haltung später, etwa nach Wiederholungstaten oder nach Veränderungen in den familiären Beziehungen. Für eine Strafanzeige ist es dann aber oft zu spät, weil in der Zwischenzeit Beweise verloren gegangen oder nicht verwertbar sind. Dem soll sinnvollerweise die verfahrensunabhängige Beweissicherung entgegenwirken.

Die letzte Phase – die Folgenbeseitigung mit juristischen Mitteln der Beratung und gegebenenfalls Rechtsdurchsetzung von Schadensersatz- und anderen Ansprüchen – rundet das Bild eines wirksamen Opferschutzes ab. Der Antrag setzt somit die Hilfestellung für Opfer auf der Grundlage der neuen EU-Opferschutzrichtlinie fort. Die Regierungskoalition hat sich in der aktuellen Legislaturperiode bereits mehrfach für die Opfer von Straftaten eingesetzt. Ich erinnere nur an die Verbesserungen im Bereich der psychosozialen Prozessbegleitung.

Zusammenfassend lassen Sie mich, verehrte Kolleginnen und Kollegen, noch einmal auf die Würdigung des Ehrenamtes in der Opferhilfe verweisen. Ehrenamtliche Opferhelfer sehen die Dinge oft sehr lebensnah und gehen so vor, dass den individuellen Bedürfnissen der betroffenen Opfer Rechnung getragen wird. Sie kommen aus den verschiedensten Professionen und entlasten die behördlichen Einrichtungen durch ihre pragmatische Art der Hilfeleistung. Der Weiße Ring hat zudem durch seine Mitwirkung am europäischen Gemeinschaftsprojekt

„Infovictims“ mit der Etablierung des gleichnamigen Internetportals dazu beigetragen, dass ein weiterer großer Schritt in Richtung gut informierte Opfer gemacht werden konnte. Dieses wichtige Werkzeug sollte im Zuge der Verbesserung des Opferschutzes auch im Freistaat unbedingt genutzt werden.

Vieles, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wird sich finden im Vollzug der neuen Strukturen und der neuen Inhalte. Aber unabhängig davon und insgesamt wird der Antrag – davon bin ich überzeugt – den Freistaat sicherer machen, den Opfern signifikant helfen und damit das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken.

Jedes Teil dieser Ziele wäre erstrebenswert. In der Zusammenfassung, wie sie in diesem Antrag deutlich wird, kann ich nur für dringende Zustimmung zu diesem Antrag werben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion, Herr Abg. BaumannHasske. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute über eine Initiative zu debattieren, die für die Betroffenen, für die Opfer von Kriminalität und Gewalt, von großer Bedeu

tung ist. Sie ist ein sozialdemokratisches Herzensanliegen, und wir freuen uns, dass es gelungen ist, gemeinsam mit unserem Koalitionspartner eine Einigung zu finden, deren Umsetzung den Betroffenen tatsächlich helfen wird.

Was ist uns daran so wichtig? Viele Jahre stehen wir in Verbindung mit Personen, die Opfer von Kriminalität geworden sind, mit Vereinen und Verbänden, die für diese Opfer Ansprechpartner sind. Wer sich mit der Problematik auseinandersetzt, wird nachempfinden können, dass sich die Opfer oft alleingelassen fühlen. Wir haben jetzt einen Katalog aufgestellt, welche Aufgaben von den Opferbeauftragten in den Polizeidirektionen übernommen werden. Herr Mackenroth hat das eben sehr ausführlich dargestellt; deswegen würde ich jetzt – auch in unser aller Interesse – diesbezüglich meinen Beitrag etwas kürzen.

Sehr wichtig ist uns die Betreuung von Zeugen in einem Gerichtsprozess. Auch in der Vergangenheit wurde in vielen Gerichten darauf geachtet, dass Zeugen, die während des Prozesses aus Gründen ihrer Glaubwürdigkeit warten müssen und am Prozess vor ihrer Einvernahme nicht teilnehmen dürfen, dies in Zeugenschutzräumen tun können, die sie nicht mit anderen Zeugen oder gar mit dem Angeklagten konfrontieren.

Der Antrag will dies zur Regel machen. Voraussetzung ist, dass dafür die räumlichen Voraussetzungen bestehen, was bisher nicht in allen Gerichten der Fall ist, und dass natürlich die Gerichtspräsidien die Notwendigkeit erkennen. Der Antrag will die Schaffung dieser Voraussetzungen anstoßen und befördern.

Unter den Ziffern II ff. finden Sie in diesem Antrag die Vernetzung mit Sonderzuständigkeiten bei den Staatsanwaltschaften, den Gerichten und den psychosozialen Beratungsstellen. Im Bereich der Gewaltkriminalität besteht eine hohe Dunkelziffer. Insbesondere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – seien sie an Kindern oder an Erwachsenen begangen – kommen häufig nicht zur Strafanzeige und werden damit statistisch nicht erfasst; denn erfasst werden nur Straftaten, die angezeigt werden. Wenn keine Anzeige erfolgt, wird es auch statistisch nicht erfasst. Fachleute sprechen von einem Dunkelfeld von über 70 %, das bedeutet also: sieben von zehn Straftaten kommen in der Regel nicht zur Anzeige.

Wie kommt es, dass so viele Betroffene die Strafanzeige scheuen? Meine Damen und Herren, das liegt daran, dass die Taten häufig – Herr Mackenroth hat darauf auch schon hingewiesen – von Tätern begangen werden, die dem bekannten Umfeld des Opfers entstammen. Es handelt sich also um Täter aus dem Bekanntenkreis, es sind Kollegen, Freunde, Freunde von Freunden, Bekanntschaften auf Partys und Feiern und – nicht zu unterschätzen – Personen aus der eigenen engeren und weiteren Familie.

Die Opfer dieser Taten offenbaren sich zwar in anonymen Umfragen, sind aber nicht bereit, durch eine Strafanzeige ihr soziales Umfeld zu sprengen, die Familie zu gefährden und Freundschaften – auch mit Dritten – aufs Spiel zu setzen.

Meine Damen und Herren! Wir wollen die Opfer und ihre Vertrauensperson ermutigen, die Verfolgung solcher Straftaten möglich zu machen. Weil sie ihr persönliches Umfeld nicht gefährden wollen, wollen wir ihnen die Gelegenheit geben, die Beweise der Gewalttat aufnehmen und sichern zu lassen, ohne dass es deshalb zunächst zur Anzeige kommen muss.

Somit können in der angstbesetzten Situation unmittelbar nach der traumatischen Erfahrung zunächst Beratung, Versorgung und Beweissicherung erfolgen. Wenn die Situation mit etwas zeitlichem Abstand in Ansätzen verarbeitet ist, kann immer noch Strafanzeige erstattet werden, aber es besteht keine Verpflichtung dazu.

Meine Damen und Herren! Es soll ein Netzwerk von dezentralen Stellen aufgebaut werden, bei denen speziell ausgebildetes Fachpersonal, geschulte Ärzte und Sachverständige, insbesondere für Opfer sexualisierter Gewalt, Beweise dieser Gewalttaten sicherstellen können.

Wie wir uns das genau vorstellen, möchte ich Ihnen gern in einer zweiten Runde vortragen.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Abg. Bartl. Bitte, Herr Bartl, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Zunächst einmal: Wir haben mit diesem Antrag überhaupt kein Problem. Dieser Antrag ist aus meiner rechts- und justizpolitischen Sicht ein durchaus löbliches Vorhaben. Das ist ein komplexes Vorhaben, und die Ansätze, die hier für die Weiterentwicklung des Opferschutzes im Freistaat Sachsen vorgesehen werden, können wir ohne jede Einschränkung begrüßen.

Für uns ist es etwas betrüblich, denn wir hatten für den Herbst eine größere Sache bezüglich des Opferschutzes vorgesehen. Jetzt kommen wir zu spät, aber das ist völlig schadlos, wenn wir heute im Interesse der Weiterentwicklung des Opferschutzes in Sachsen unter einen Hut kommen.

Ich konzentriere mich einmal auf die Phase drei bzw. diesen dritten Abschnitt. Man muss sagen: Gerade in der Bundesrepublik Deutschland haben die Rechte von Opfern aus Straftaten oder anderen Rechtsverletzungen lange Zeit eine ausgesprochen stiefmütterliche Rolle gespielt. Die Entwicklung des Strafprozessrechtes hat sich vor allem auf das Bemühen konzentriert, die prozessualen Beziehungen zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und den Beschuldigten zu sortieren und das sachgerecht zu gestalten. Die Aufmerksamkeit für die Opfer blieb meistens außen vor.

Mit der Einfügung der §§ 406 d bis 406 h im Opferschutzgesetz von 1986 und den dabei entwickelten Ver

fahrensgrundsätzen wurde der Verletzte überhaupt erst zum Prozessbeteiligten. Das ändert aber nicht viel daran, dass Opfer noch lange Zeit, teils bis heute, im Prozess der Strafverfolgung und nach dem Fokus der dieser tragenden Sicherheits- und Justizbehörden zuerst die Funktion als Zeugin oder als Zeuge erfüllen. Unter dem Aspekt, dass sie Zeugin oder Zeuge sind, sind sie interessant; braucht man das Opfer nicht als Zeuge, erfahren viele Verletzte bis heute manchmal gar nichts vom Ausgang des Verfahrens, in dem sie aber der Hauptbetroffene oder die Hauptbetroffene sind.

Nur wer sich selbst kümmert, sich einen Verletztenbeistand nimmt, die Nebenklage führt oder mit sonstigen Auskunftsverlangen der Polizei und der Justiz auf die Füße tritt, fand und findet teilweise noch heute über die Zeugenrolle hinaus im Prozess Beachtung.

Erheblich anders geworden ist das – das muss man durchaus konstatieren, und zum Glück ist das so – bei den Sexual- und anderen originären Gewaltdelikten. Hier haben solche Gesetzesänderungen, wie das Zeugenschutzgesetz aus dem Jahr 1998, das Gesetz über die strafrechtliche Verankerung des Täter-Opfer-Ausgleichs und vor allem die drei Opferrechtsreformgesetze von 2004, 2009 und 2015 wichtige Schritte übernommen, um diesen Schutzstandard wesentlich zu erhöhen.

Mit dem letztgenannten Gesetz kam dann die weitere Stärkung der Verfahrens- und Informationsrechte des verletzten Opfers in das Prozessrecht, die psychosoziale Prozessbegleitung – ein eminent wichtiges Instrument, das auch in Ziffer 4 des Antrages betont wird und weiterentwickelt werden soll.

Generell ist das, was der Antrag zu Ziffer 1 speziell für die Polizei und ab Ziffer 2 für die Staatsanwaltschaften und Gerichte einschließlich des medizinischen und therapeutischen Personals in den Blick nimmt, aus unserer Sicht völlig okay; so auch die Forderung, für Opfer sexueller oder sexualisierter Gewalt Sonderzuständigkeiten bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten zu stärken bzw. wieder einzuführen. Diese ist in den letzten Jahren im Prozess der flexiblen Personalverschiebung im Interesse der Quantität und der Verfahrenserledigung teilweise verloren gegangen. Der Prozess hat aber vor allem bei sexuellen Gewaltdelikten immer Eigenheiten auch aus Sicht der wirklich schonenden Behandlung der Opfer ohne Abstriche an verfassungsmäßig gestützten Verteidigungsrechten des Beschuldigten, die über spezielles Wissen und spezielle Erfahrungen bis hin zum psychologischen Ansatz reichen und Ermittlungs- und Behandlungsschritte erfordern.

Für diesen Prozess brauchen wir Staatsanwälte, brauchen wir Richter und auch Verteidiger, die einen Nerv für die Belange des Opfers haben. Diesen Nerv für die Belange des Opfers zu entwickeln und diese Problematik auch gesellschaftlich aufzurufen ist, glaube ich, auch Anliegen dieses Antrages. Das ist von unserer Seite völlig zu begrüßen.

Herausheben möchte ich noch grundsätzlich die auch von uns unterstützte Forderung, die besonderen Bedürfnisse des von sexualisierter und anderer originärer Gewalt betroffenen Personenkreises bis hin zur räumlichen Ausgestaltung in Gerichtsgebäuden. Es ist nicht länger hinnehmbar – es ist auch keine Ausnahme –, dass das Vergewaltigungs- oder das Opfer von Gewalt dem auf freiem Fuß befindlichen Täter oder dem zugeführten Gefangenen um 9 Uhr am Gerichtssaal begegnet und dort alle gemeinsam warten müssen, bis der Gerichtssaal aufgeschlossen wird. Das ist deshalb der Fall, weil zum überwiegenden Teil noch die entsprechenden Zimmer für die Zeugen und dergleichen mehr in unseren Gerichten fehlen. Das passiert gehäuft, ist nicht in Ordnung und so auch nicht hinzunehmen.

Zum Beispiel beim Landgericht Dresden sollte eine Zeugin als Betroffene eines in Verdacht stehenden Sexualdeliktes vernommen werden. Dort bestand die dringende Gefahr, dass es, wenn sie gewissermaßen Auge in Auge mit dem Angeklagten vernommen wird, für sie zu Retraumatisierungen und Ähnlichem mehr führt. Hier ist es wichtig, dass dann die audiovisuelle Vernehmung gewählt wird. Das ist eine Sache, die im Jahr 2013 ins Prozessrecht kam, um besonders solche Zeugen – aber auch andere Zeugen, bei denen es um Schutzrechte und dergleichen geht – schonend zu vernehmen. Momentan ist es aber so – das Landgerichtsgebäude ist ja nicht klein –, dass der Zeuge, der indirekt vernommen werden soll, damit das technisch funktioniert, im Oberlandesgericht platziert werden muss.

Wir sind also in dieser Frage auf bestimmte Prozesse noch nicht vollständig vorbereitet. Auch das ist ein Aspekt, den der Antrag damit verfolgt.

Nicht weniger wichtig aus unserer Sicht, um auch Missverständnisse zu vermeiden, sind die Vorschläge unter den Ziffern 6 bis 8, dieser Ausbau des landesweiten Netzwerkes zur Durchführung der verfahrensunabhängigen Beweissicherung bis hin zur Schaffung der zentralen Anlaufstelle, etwa in Form von Ombudsmanns/Ombudsfrau, für alle Opfer. Das ist für uns durchaus eine richtige Erwägung.

Ich habe nicht die Absicht, jetzt irgendwelche Kritik nachzuschieben. Aber aus unserer Sicht wäre es sinnvoll, noch einmal folgende Problemkreise im Auge zu behalten: Es wäre sicherlich nicht verkehrt gewesen, wenn wir in diesem Antrag auch die Verpflichtung aufgenommen hätten, dass die Staatsregierung dem Landtag in regelmäßigen Abständen – vielleicht zweimal in der Legislaturperiode oder alle zwei Jahre – einen Opferschutzbericht vorlegt. Es gibt eine ganze Reihe von Bundesländern, die das haben. Dieser Bericht veranlasst die Sicherheitsorgane, die Justizbehörden – auch bestimmte andere Gremien mit Unterstützung der ganzen ehrenamtlichen Kräfte – zu evaluieren, wie der Opferschutz in der Breite funktioniert. Der Landtag hat dann die Möglichkeit, sich davon ausgehend mit weiteren Entwicklungen und Ähnlichem mehr zu befassen. Ein Opferschutzbericht wäre sicherlich, da er

in einer ganzen Reihe von Ländern schon vorgesehen ist, nicht verkehrt gewesen.

Ferner hätte sicherlich auch der Täter-Opfer-Ausgleich Erwähnung finden können. Der Täter-Opfer-Ausgleich, wie er im § 115 a und 115 b StPO und in § 146 a StGB geregelt wird, ist ein Element zur Umgestaltung des Strafrechts, um auch die Opferperspektive einzubeziehen. Im modernen Strafrecht – im Strafprozessrecht eigentlich auch – gilt der Täter-Opfer-Ausgleich als ein Weg, der dazu dient, dem Opfer im Strafverfahren Genugtuung zuteil werden zu lassen.

Natürlich wird in allererster Linie erwartet, dass der Täter bestraft wird. Aber für die Genugtuung des Opfers, für die Frage, wie das Opfer letzten Endes Ruhe findet, wie das Opfer in gewisser Weise diesen Konflikt besser verarbeiten kann, ist der Täter-Opfer-Ausgleich von erheblicher Bedeutung. Ich sage das auch deshalb, weil wir nach unseren momentanen Erkenntnissen einen deutlichen Rückgang der tatsächlich realisierten Täter-Opfer

Ausgleiche haben.

Wenn man mit den ehrenamtlichen Kräften, die solchen Täter-Opfer-Ausgleich organisieren, spricht – ich denke dabei zum Beispiel an die Arbeiterwohlfahrt in Chemnitz und Umgebung, die das sehr intensiv mit einem eigenen Arbeitskreis machen –, dann sagen diese, dass sie in den letzten Jahren wesentlich weniger Überweisungen zur Durchführung des Täter-Opfer-Ausgleichs durch die Staatsanwaltschaft und durch das Gericht hatten, als das früher der Fall war. Wenn man die Zahlen einmal kurz bemüht: Nur in circa 1 800 Fällen wurde in Sachsen seit dem Jahr 2010 ein Täter-Opfer-Ausgleich angestrengt; bei allein 37 000 Neuzugängen an Strafsachen an den sächsischen Amtsgerichten pro Jahr. Das heißt, der Anteil, bei dem dieser Täter-Opfer-Ausgleich vollzogen wird, ist sehr gering.

Das hängt damit zusammen, dass sich teilweise in der Flut von arbeitsmäßigen Belastungen und sicherlich auch dem Aufwand, den sich Staatsanwaltschaft oder Gericht teilen, diese sich zu wenig mit dem Täter-Opfer-Ausgleich beschäftigen können. Das gilt in ähnlichem Maße auch für das Adhäsionsverfahren, sozusagen als die Möglichkeit, in dem der Beschuldigte nach § 403 Strafprozessordnung bereits im Strafprozess seine Schadenersatzansprüche oder seine Ansprüche auf Schmerzensgeld mit geltend machen kann. Die Prozessordnung sieht das vor. Adhäsionsanträge werden mitunter gestellt, aber meistens sieht man davon ab, weil man weiß, dass es nahezu aussichtslos ist, das im Strafverfahren durchzubekommen. Es braucht einfach Zeit.