Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das gilt schon heute. Das hat der Verfassungsgerichtshof ja gerade so entschieden. Hier ist nichts mehr klarzustellen. Der Entwurf will außerdem, dass ein Verstoß gegen das Wahlrecht ausdrücklich festgestellt werden kann, auch wenn der Fehler, wie im Fall Samtleben, letztlich folgenlos bleibt. Auf der Bundesebene besteht diese Möglichkeit seit ein paar Jahren. Es wurde auch schon angesprochen. Trotzdem wurde eine solche Feststellung in den über 300 Wahlprüfungsverfahren seitdem noch kein einziges Mal getroffen.

Dass sie den Betroffenen Genugtuung verschafft und Rechtsfrieden herbeiführen würde, ist eher zweifelhaft. Heute ergibt sich aus der Begründung der gerichtlichen Entscheidung, ob ein Wahlfehler vorlag oder nicht. Die ausdrückliche Feststellung im Tenor der Entscheidung

gibt dem Betroffenen in der Sache nicht mehr, die Feststellung ist letzten Endes mehr symbolisch. Außerdem richtet sich die Norm natürlich an einen eingrenzbaren Anwenderkreis und eben nicht an alle Bürgerinnen und Bürger. Der Anwenderkreis, der mit dieser Norm umzugehen hat, wird wohl mit der Norm umzugehen wissen. Es sind Leute, die sich häufig mit der Materie beschäftigen und sich natürlich mit der entsprechenden Rechtsprechung vertraut machen.

Aus diesen Gründen kann die Staatsregierung die Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht empfehlen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zur Stärkung des subjektiven Rechtsschutzes und der innerparteilichen Demokratie bei Wahlen zum Sächsischen Landtag. Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE. Mir liegt dazu ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drucksache 6/14611 vor. Wird noch einmal Einbringung gewünscht? – Herr Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Ganz kurz nur, ich wollte eigentlich keine Extra-Redezeit in Anspruch nehmen.

Herr Hahlen, Parlamentarischer Staatssekretär a. D. im Bundesinnenministerium, als Kommentator und ein weiterer Professor haben in der Expertenanhörung zu diesem Entwurf genau das gesagt, was Sie auch sagen: Man muss es nicht. Es ist nicht verfassungsrechtlich geboten. Es ist im Grunde genommen nicht dem Homogenitätsprinzip geschuldet. Aber es ist sinnvoll.

Warum hat es denn der Bundesgesetzgeber 2012 gemacht? Weil es zu tun ist. Wenn es nicht drinsteht, können Fehler entstehen. Jetzt steht es nicht mehr drin. Da gibt es keine Beschwerden. Aber jetzt beschweren Sie sich darüber, dass es keine Beschwerden gibt. Das ist doch unsinnig. Ich kann doch nicht alle Strafen des Strafgesetzbuches abschaffen, die in den letzten zehn Jahren nicht einschlägig waren, weil ich meine, dass es keinen Bedarf dafür mehr gibt. Das ist doch Unsinn und kurzatmig diskutiert.

Über die Rechtsauffassung des Kollegen Lippmann kann man vortrefflich streiten. Wir sehen es wirklich anders. Wir beziehen das wirklich auf die Landesliste.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja!)

Wir wollen schon gern, dass dann, wenn sich eine Partei entscheidet, eine von der Vertreterversammlung gewählte Landesliste nicht nur im Einzelnen zu ändern, womit die ganze Liste geändert würde, sondern sie zurückzunehmen, dies wiederum das Gremium entscheidet und nicht etwa der Landesvorstand unter Vorsitz von Frau Petry.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Das ist eine ganz falsche Behauptung!)

Das ist doch jetzt mehr oder weniger nur …

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Das ist eine Falschbehauptung! – Zuruf des Abg. Uwe Wurlitzer, fraktionslos)

Ja, das haben Sie bisher noch nicht gemacht, dass Sie eine ganze Liste heruntergenommen haben. Sie haben nur die heruntergenommen, die Ihnen nicht gepasst haben.

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Das ist eine Falschbehauptung!)

Das war jetzt nur rhetorisch gemeint. Wenn Sie das nicht verstehen – sorry!

(Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Es war aber trotzdem falsch!)

Das Problem ist, dass es unserer Ansicht nach nicht angehen kann, dass jemand anders als die Vertreterversammlung entscheidet, dass die Liste zurückgezogen werden soll. Wenn sie entscheiden muss, wenn Einzelne geändert werden, dann muss sie doch erst recht entscheiden, wenn die Partei ohne Landesliste ist.

Insofern ist der Antrag, den wir jetzt gebracht haben, nichts anderes, nichts Zusätzliches oder Aufgepfropftes. Das ist die Umsetzung des Urteilstenors ins Gesetz. Es ist letzten Endes die Übernahme des Urteilstenors ins Gesetz, nur mit dem Petitum, dass die Bürgerinnen und Bürger, dass die Anwender die Chance haben sollen, aus dem Gesetz zu erkennen, was unter Umständen eine Falle sein kann. Dieses Problem ist logisch, ist kein großer Hit und keine große Hürde.

Ich bitte, dem Änderungsantrag und dann dem Gesetz zuzustimmen.

(Beifall bei den LINKEN)

Wer möchte zum Änderungsantrag sprechen? – Herr Lippmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Den Änderungsantrag werden wir sogar ablehnen.

Herr Kollege Bartl, vielleicht noch einmal zur Verdeutlichung: Sie haben in Ihrem ursprünglichen Gesetzentwurf den Artikel 3 Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes. Da wollten Sie mit entsprechenden Änderungen vor allem in der Kaskade §§ 23 und 24 operieren. Es gab in der Sachverständigenanhörung eine zielführende Diskussion, ob es klug ist, in 23 die Regelungen für die Landesliste zu treffen, die eigentlich in 27 getroffen werden. Das haben sie aufgenommen. Das finde ich gut, und wir hätten es grundsätzlich unterstützen können.

Das Problem, das wir mit dem Änderungsantrag haben, ist, dass Sie jetzt den kompletten Artikel 3 Ihrer Ursprungsfassung durch eine Änderung des Artikel 27 überschreiben, dass die §§ 23 und 24 für die Landesliste

mit der Maßgabe gelten, dass eine Aufstellungsversammlung – von der Terminologie kann man sich, glaube ich, verabschieden – die Entscheidung treffen muss.

Jetzt haben Sie das Problem, dass insbesondere hier zu meiner Linken 59 Damen und Herren und bei Ihnen eine Dame sitzen, die ihr Mandat der Direktwahl über die Kreiswahlvorschläge verdanken. Durch Ihre Überschreibung der bisherigen Änderungen in § 23 machen Sie mit Ihrem Änderungsantrag Folgendes: Für die Direktwahlvorschläge können nach wie vor zwei Vertrauenspersonen diese durch gemeinsame Erklärung aus dem Rennen ziehen, obwohl sie in 60 Wahlkreisen mandatsgenerierend ist. Damit ist in dem Fall die Nichtteilnahme am politischen Wettbewerb bei Ihnen quasi weiterhin den beiden Vertrauenspersonen anheimgestellt. Bei der Landesliste sagen Sie stattdessen: Da dürfen sie das nicht. Auch der Vollrückzug wird bei Ihnen nicht über die Vertrauenspersonen ermöglicht. Das geht gar nicht mehr. Sie haben keine Rückzugsmöglichkeiten. Da braucht man die Aufstellungsversammlung.

Sie haben zwei mandatsgenerierende Säulen, die Direktwahl und die Listenwahl. Sie gehen jetzt hin und sagen, dass bei der einen zwei Personen reichen, die das entscheiden, während Sie bei der anderen eine Aufstellungsversammlung brauchen, um aus dem kompletten politischen Wettbewerb auszuscheiden. Das ist schlicht verfassungswidrig, weil Sie ins Vorfeld der Wahlgleichheit gehen und die Wahlgleichheit nicht mehr herstellen, weil Sie zwei unterschiedliche Systeme anwenden, wie zurückzuziehen ist. Deshalb funktioniert dieser Änderungsantrag nicht. Hätten Sie den § 23 so gelassen, wie er bisher war, und den § 27 umgebaut, dann hätte man darüber reden können – so nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Saalmikrofon.)

Herr Bartl, Sie haben die drei Minuten Redezeit schon aufgebraucht. Es tut mir leid, ich kann Sie jetzt nicht noch einmal ans Mikrofon lassen.

Gibt es noch weitere Kommentare? – Nein.

Ich lasse jetzt über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen. Wer gibt die Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe zwei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür. Dennoch ist der Änderungsantrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Kann ich die Artikel gleich zusammenziehen, Herr Bartl, oder wollen Sie diese einzeln abstimmen? – Nein.

Ich beginne mit der Überschrift, danach folgen Artikel 1 Änderung des Wahlprüfungsgesetzes, Artikel 2 Änderung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofgesetzes, Artikel 3 Änderung des Sächsischen Wahlgesetzes und Artikel 4 Inkrafttreten. Wer möchte die Zustimmung geben? – Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Auch hier sehe ich einige Stimmenthaltungen und Stimmen dafür. Dennoch sind alle Artikel abgelehnt worden. Da alle

abgelehnt worden sind, erübrigt sich eigentlich eine Gesamtabstimmung. Oder wird sie doch gewünscht? – Nein.

Jetzt gibt es noch eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten; Frau Dr. Muster, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Mitglied des Wahlprüfungsausschusses möchte ich gern kurz mein Abstimmungsverhalten erklären.

Erstens. Ich habe den Gesetzentwurf der LINKEN abgelehnt.

Zweitens. Es ist keine Gesetzesänderung nötig. Die Auslegungshilfe des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes ist zukünftig bei der Anwendung unseres Wahlgesetzes zu beachten. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat keinesfalls eine Gesetzesänderung angemahnt; wenn es eine politische Mehrheit für Ihren Gesetzentwurf gäbe, könnten Sie diese jedoch einführen. Aber es fehlt Ihnen an dieser Mehrheit.

Drittens. Inhaltlich geht der Gesetzentwurf weit über die Vorgaben des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs

hinaus. Die LINKEN haben – ich sage einmal – dem ersten Entwurf in § 23 des Wahlgesetzes die Überschrift „Änderung und Rücknahme von Kreiswahlvorschlägen“ gegeben und inhaltlich über die vollständige und teilweise Rücknahme der Wahlvorschläge durch eine neue Aufstellungsversammlung gesprochen.

Die alte Überschrift “Rücknahme“ erscheint mir dagegen besser. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hat inhaltlich aber gesagt, dass die vollständige Rücknahme des Wahlvorschlags weiterhin von den Vertrauensleuten vorgenommen werden sollte. Das ist ein wesentlicher Punkt. Sie sind damit weit über das hinausgegangen, was der Sächsische Verfassungsgerichtshof gesagt hat. Das ist politisch völlig in Ordnung, aber es ist keine Realisierung dessen, was der Sächsische Verfassungsgerichtshof gesagt hat.

Viertens. Die subjektiven Rechte des Beschwerdeführers zu stärken lehne ich vollständig ab. Das ist das völlig

falsche Signal in die völlig falsche Richtung. Im Übrigen bin ich auf die Praxis nach der Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs gespannt. Wahrscheinlich wird es zu einer deutlich höheren Bestandskraft der Landeslisten kommen und die Fristen für die Einberufung zusätzlicher Wahlparteitage werden auf den Prüfstand kommen.

Nur noch ganz kurz etwas zu Herrn Bartl: Herr Bartl, der Hauptkommentator zum Bundeswahlgesetz, Herr Hahlen, hat in seinem Kommentar in der letzten Ausgabe ausdrücklich gesagt: „Hiermit ändere ich meine Auffassung“, und diese Änderung der Auffassung wurde in großen Teilen vom Sächsischen Verfassungsgerichtshof nachvollzogen. Dieser hat auch an anderen Stellen eine neue Auffassung vertreten. Das ist völlig legitim, dafür haben wir die Gewaltenteilung.

Man muss aber auch sagen, dass es keine Idee der AfD war, jetzt mal eben die Leute zu streichen, weil es verfassungswidrig ist, sondern es war ständige Rechtsprechung. Das fanden die Vertrauensleute gut. Die Landeswahlleiterin hat es für den Wahlausschuss vorgeschlagen. Das Innenministerium hat es bestätigt, und der Wahlprüfungsausschuss, in dem Sie –

Bitte zum Ende kommen.

– Mitglied waren, hat das ebenfalls getan. Jetzt so zu tun – –