Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

– Mitglied waren, hat das ebenfalls getan. Jetzt so zu tun – –

Frau Dr. Muster, bitte zum Ende kommen. Sie haben auch nur 3 Minuten.

Ich habe es angedeutet. Meine Zeit reicht nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Zweite Beratung des Entwurfs

Gesetz zur organisatorischen Verselbstständigung der

Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz

Drucksache 6/12504, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/14508, Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses

Das Wort wird zur allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die CDU, danach DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile nun der CDU-Fraktion das Wort. Herr Abg. Anton, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz, kurz LIT, ist der zentrale IT-Dienstleister im Bereich der sächsischen Justiz. Im Zuge der mit der Entwicklung von E

Justice in den vergangenen Jahren massiv gestiegenen Bedeutung der Informationstechnik im justiziellen Arbeitsalltag hat sich die LIT von einer reinen zentralen Datenverarbeitungsstelle, die die Arbeitsplatztechnik und die Registraturprogramme der Justiz betreut, zum ITDienstleister mit komplexen und stetig wachsenden Aufgabenbereichen gewandelt.

Gleichzeitig hat die Bedeutung der IT für die richterliche Arbeit und Entscheidungsfindung erheblich zugenommen, sodass auch Fragen der richterlichen Unabhängigkeit berührt sind. Eine Verselbstständigung der LIT, wie es der Gesetzentwurf der Staatsregierung vorsieht – und damit die Abkopplung vom sächsischen Staatsministerium der Justiz – ist zusammen mit der Einrichtung einer ITKontrollkommission unter Beteiligung der Richterschaft eine notwendige Maßnahme zur Sicherung der richterlichen Unabhängigkeit.

Zudem ist die Verselbstständigung der LIT mit Blick auf den speziellen Aufgabenbereich auch organisatorisch sinnvoll. So haben im Anhörungsverfahren beispielsweise der Verband der Sächsischen Rechtspfleger und der Sächsische Beamtenbund ebenfalls die Notwendigkeit der Verselbstständigung bejaht, und sie erwarten durch diese Maßnahmen in organisatorischer Hinsicht mehr Rechtssicherheit und Klarheit. Konkret soll die Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz als ihm unmittelbar nachgeordnete Behörde und damit als obere besondere Staatsbehörde errichtet werden.

Aus Sicht der CDU-Fraktion ist zudem ausdrücklich zu begrüßen, dass die gesetzlichen Regelungen im vorliegenden Entwurf auf ein Mindestmaß begrenzt wurden. Es wird keine neue Stammnorm geschaffen, sondern die notwendigen Regelungen sollen in das Sächsische Justizgesetz sowie in das Sächsische Verwaltungsorganisationsgesetz eingefügt werden.

Im Ergebnis hält meine Fraktion die Verselbstständigung der LIT mit dem Blick auf die Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit für geboten und, wie bereits gesagt, auch organisatorisch für sinnvoll. Wir werden dem Gesetzentwurf der Staatsregierung selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jörg Vieweg, SPD)

Für die Linksfraktion Herr Bartl.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was der Gesetzentwurf bezweckt, ist – sein Thema sagt es bereits und auch Herr Kollege Anton hat es angedeutet –, die Leitstelle für Informationstechnologie der sächsischen Justiz, die LIT, zu verselbstständigen. Im Vergleich zur jetzigen Situation soll künftig eine eigenständige zentrale Stelle die Gestaltung und Entwicklung der Digitalisierung im Bereich der Gerichte, Staatsanwaltschaften und hinsichtlich der

gesamten Rechtspflege in Sachsen organisieren. Dies hat beispielsweise auch Implikationen zu den Anwälten.

Mit diesem Gesetz stellen wir Weichen für die Zukunft, die auch inhaltlich Entscheidungsgrundlagen der Justiz betreffen. Ursprünglich, also bisher, war die LIT als reiner Dienstleister gedacht, konzipiert zur Betreuung und für den Erhalt der IT-Infrastruktur der sächsischen Justiz. Die eigentliche Informationsverarbeitung für die juristische Entscheidungsfindung erfolgte im Wesentlichen sinnlich durch die beteiligten menschlichen Akteure: die Richterin, den Richter, die Staatsanwältin, den Staatsanwalt, die Rechtspflegerin, den Rechtspfleger etc. Sie waren hierbei trotz Computer unabhängig und eigenständig in der Verarbeitung von Informationen, die sie für ihre Entscheidungsfindung brauchten.

Mit Big Data und KI, also künstlicher Intelligenz, verschieben sich die Anforderungen an die Anwender in der Justiz zwangsläufig, da eine rein analog sinnliche Verarbeitung nicht mehr möglich ist. Auch die technologischen Herausforderungen sind anderer Natur.

Rechtfertigt dies aber, dem bisher technischen Dienstleister ohne signifikanten Einfluss auf inhaltliche Entscheidungsprozesse der Justiz nunmehr Kompetenzen und Eigenständigkeiten bei der Entscheidung über Entwicklungsfragen der Digitalisierung in der Justiz zu übertragen, die vorbestimmt sind, und gegebenenfalls sogar, ob Daten und Informationen, die relevant für demokratischrechtsstaatlich legitimierte justizielle Entscheider sind, zur Verfügung gestellt werden und wie sie von den Entscheidern verarbeitet werden können? Dies entscheidet in Zukunft mit.

Nach unserer Überzeugung und Auffassung von der Reichweite der Unabhängigkeit der Justiz respektive der Rechtsprechung müssen aber die Entscheidungskompetenzen der Justiz vollumfänglich erhalten bleiben und alle an der Rechtsprechung beteiligten demokratischen Entscheidungsträger unabhängig – also wesentlich ohne äußere Abhängigkeiten – und eigenständig – also mit den eigenen Mitteln und Methoden – ihre Entscheidungen zugrunde legen können – vom Beginn der Erfassung der Daten, die verarbeitet bzw. im Verfahren benötigt werden, bis zum Ende.

Die an der Rechtspflege Beteiligten – namentlich die Richterinnen und Richter sowie die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – müssen in einer demokratisch legitimierten, rechtsstaatlichen Justiz vom Beginn bis zum Ende die alleinigen Bestimmer im Verfahren sein. Es geht nicht an, dass sie erst in einem Stadium in die Fallbearbeitung einbezogen werden, in dem bereits outgesourcte Informationsverarbeiter einen bestimmten Bestand an gesammelten Daten von außen vorgeben und für die am Rechtspflegeprozess Beteiligten letztlich nicht mehr beeinflussbar machen. Diese Vorgabe ist dann nicht mehr mit den unmittelbar Handelnden im Prozess vereinbar. Ich stoße dann als Anwalt, als Verteidiger auf einen bestimmten Grunddatenbestand, der in der Akte erhoben worden

ist und den ich nicht nachvollziehen kann – was ich bisher jedoch konnte.

In diesem Sinne fehlt uns in diesem Gesetzentwurf das klar und eindeutig und nicht nur formell geregelte Primat der Auftraggeberseite, sondern uns fehlt, dass die LIT eine ebenso eindeutig alleinige Dienstleistungsfunktion zugewiesen und inhaltlich ausgestaltet bekommt, die sichert, dass Kompetenzverschiebungen mit negativen Auswirkungen auf die Unabhängigkeit der justiziellen Entscheidung ausgeschlossen werden.

Zum Dritten fehlt uns im Gesetzentwurf auch, dass die Auftraggeber – sprich: die Verantwortungsträger der unabhängigen Rechtspflege – tatsächlich die „Herrschaft“ über die Vernetzung der LIT mit anderen Systemen – das e-Justice-System der Europäischen Union sei genannt – sowie die zweckbestimmte Verzahnung von LITAußenstellen mit IT-Kontrollinstanzen, mit Datenschutz etc. erhalten.

Der Gesetzentwurf versteht und gestaltet den natürlich unerlässlichen Digitalisierungsprozess der Justiz als vorwiegend technischen Prozess und hat nicht – aus unserer Sicht jedenfalls nicht ausreichend – im Auge, dass bei der Digitalisierung in jedem Falle vermieden werden muss, dass rechtsstaatliche Funktionen von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten, Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern und im Übrigen auch der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte nicht im Kern berührt und damit ausgehöhlt werden können. Die Anwälte zum Beispiel sind über das Gerichtsverwaltungspostfach, über das elektronische Anwaltspostfach etc. involviert.

Mit dem Gesetzentwurf, mit dem die zentralen Kompetenzen der Informationsverarbeitung an eine neue Struktur des E-Governments, zu der auch die LIT gehört, übertragen werden, Abhängigkeiten aufseiten der Richter, Staatsanwälte, Anwälte etc. entstehen und Informationsverarbeitung durch outgesourcte Dienstleister zum Inhalt haben, stehen nach unserer Überzeugung tragende Säulen des Rechtsstaates im Verfahren zur Disposition, vom Prinzip der Aktenvollständigkeit und Aktenwahrheit über die Waffengleichheit bezüglich der Erkenntnistätigkeit bis hin zu vorgeschalteten Supportbereichen.

Wir wollen keine Justiz senken und wollen auf keine Justiz vertrauen. Wir wollen nicht darauf vertrauen, dass die LIT schon das Richtige für den Auftraggeber tun wird. Wir wollen keine – um das noch einmal zu sagen – nicht nur mit organisatorischen, sondern auch inhaltlichen Entscheidungskompetenzen ausgestaltete selbstständige LIT.

Wir wollen, dass nicht zum System der Rechtspflege gehörende Dritte lediglich technische Hilfe leisten können, nicht aber direkt oder indirekt Mitsprache über Einflussmöglichkeiten auf Debatten um Richterentscheidungen haben. Wir wollen lediglich, dass nicht die LIT dem Justizminister der sächsischen Justiz allgemein sagt, wohin es mit der Digitalisierung gehen soll, sondern wir

wollen auch künftig, dass diese Grundentscheidung im Kern politischer und nicht technischer Natur ist.

Auf den Punkt gebracht hat es nach unserer Auffassung in der Expertenanhörung das Vorstandsmitglied der Neuen Richtervereinigung Ruben Franzen, ein Richter am Amtsgericht Eilenburg, der folgende rhetorische Fragen aufwarf: Ist es wirklich der richtige Weg, um die Justiz und ihr künftiges – sieht man einmal vom gesprochenen Wort ab – ausschließliches Medium, nämlich elektronische Algorithmen und Daten miteinander zu verknüpfen, auszulagern? Ist es richtig, das auszulagern? Folgen wir damit nicht einer Logik, die zwar als sachgerecht angesehen werden kann, wenn sie ihre Wirkungen unter den Bedingungen des freien Marktes entfalten kann, in Konstellationen, in denen es einen Kunden gibt und untereinander konkurrierende Dienstleister? Ist dieses Muster zur Erfüllung der existenziellen Funktionsfähigkeit der dritten Gewalt aber nicht ungeeignet? Was die Justiz meines Erachtens eher bräuchte, wäre ein originärer Zuwachs an eigener digitaler Kompetenz und nicht an Verselbstständigung des IT-Bereiches.

Richter Franzen ist im Übrigen auch in der Kritik recht zu geben, dass der Entwurf der LIT zudem eine viel zu weit gehende Ermächtigung einräumt, die Dienste Dritter zur Erfüllung ihre Aufgaben in Anspruch zu nehmen, da konkrete vertrauliche Justizdaten Dritte überhaupt nichts angehen.

Da der Gesetzentwurf selbst aus verfassungsrechtlicher Sicht durchaus diskutabel ist, werden wir dem Gesetzentwurf nicht zustimmen.

Danke.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

Die SPD-Fraktion; Herr Baumann-Hasske, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der uns vorliegende Gesetzentwurf beruht unter anderem darauf, dass es beim Hessischen Dienstgerichtshof eine Entscheidung gegeben hat. Dort ist eine ähnliche Verselbstständigung vor einigen Jahren durchgeführt worden.

Am 20. April 2010 hat der Hessische Dienstgerichtshof dazu eine Entscheidung getroffen, die im Wesentlichen festlegte, dass Administratoren des EDV-Netzes nur dann über technische Möglichkeiten verfügen dürfen, Einsicht in und Zugriff auf das EDV-Netz und eingestellte Dokumente zu nehmen, wenn verbindliche, konkrete Regeln über den Umgang mit richterlichen Dokumenten aufgestellt werden und wenn deren Einhaltung durch den Minister der Justiz im gleichberechtigten Zusammenwirken mit Richtern bzw. ihren gewählten Gremien überwacht werden können. Das sind die wesentlichen Kriterien, die der Hessische Dienstgerichtshof aufgestellt hat. Der BGH und schließlich auch das Bundesverfassungsgericht haben diese Entscheidungen bestätigt.

Der hiesige Gesetzentwurf orientiert sich an diesen Entscheidungen. Das ist auch Gegenstand der Anhörung gewesen. Herr Stadler vom Richterbund hat es bestätigt und sehr detailliert aufgeführt.

Herr Bartl, ich bestätige, dass Herr Franzen diesbezüglich erhebliche Bedenken hatte. Sie haben es soeben ausführlich zitiert. Man kann sich natürlich darüber Gedanken machen, ob die Verknüpfung von Algorithmen und richterlichen Dokumenten auf die Dauer noch beherrschbar ist und wie das alles in der Zukunft gehandhabt werden soll. Datensicherheit herzustellen ist aber eine technologische Aufgabe, die so oder so besteht. Wir werden uns auf die Dauer nicht leisten können zu sagen, Justiz solle mit elektronischer Datenverarbeitung nichts zu tun haben; denn das wäre die Konsequenz aus dem, was Herr Franzen gesagt hat. Herr Franzen ist – ich will es so sagen – ein wenig technikscheu. Ich kann die von ihm geäußerten Bedenken durchaus nachvollziehen.

Wenn wir die übrigen Teilnehmer dieser Anhörung heranziehen, dann ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Nur Herr Franzen hat sehr ernsthafte Bedenken geäußert. Herr Häfner, Präsident des OLG, wies darauf hin, dass es eigentlich keine Bedenken gegen eine verselbstständigte LIT gebe; denn es werde sich dadurch nichts Grundlegendes verändern, und die Kontrollgremien, die eingerichtet worden sind, werden den erforderlichen Datenschutzgesichtspunkten auf jeden Fall Rechnung tragen und die richterliche Unabhängigkeit gewährleisten.

Frau Richter, die Leiterin der hessischen IT-Stelle – sie war ausdrücklich eingeladen worden, weil ihre Stelle unter dem Eindruck der Rechtsprechung seinerzeit eingerichtet worden war –, lobte diesen Entwurf ausdrücklich. Sie sagte, dass die Kontrollkommission geeignet sei, die Einflussnahme durch die Exekutive oder durch Dritte zu unterbinden oder auszuschließen.

Schließlich hatten wir Herrn Stolpe vom Justizministerium von Brandenburg vor Ort. Brandenburg ist soeben denselben Weg gegangen und hat eine vergleichbare, unabhängige Stelle eingerichtet.

Herr Bartl, Ihre Einwendungen in allen Ehren, aber ich denke, im Ergebnis dieser Anhörung können wir sagen, dass die Einrichtung dieser verselbstständigten LIT gut vertretbar ist. Deshalb werden wir diesem Gesetzentwurf zustimmen.