Protokoll der Sitzung vom 05.09.2018

(Karin Wilke, AfD: So steht es im Gesetz!)

Dass die Qualität der Konfliktberatung und das Vertrauensverhältnis wirklich dem anspruchsvollen Thema Rechnung tragen, dafür sorgt schon das Bundesgesetz, das eine hohe Qualifikation der Beraterinnen voraussetzt. Jährlich berichten Beratungsstellen schriftlich über ihre Tätigkeit, über die Maßstäbe ihrer Beratung und ihre gesammelten Erfahrungen. Diese Berichte bilden die Grundlage einer Überprüfung durch die zuständigen Behörden. Ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, wie sonst kontrolliert werden sollte.

Damit auch wirklich Menschen mit diesem hohen fachlichen Anspruch beschäftigt werden können, brauchen die Beratungsstellen genügend Geld. Deswegen konnten wir im letzten Haushalt richtigerweise die Mittel deutlich erhöhen. Nun können die Beraterinnen wieder für ihre wichtige Aufgabe entsprechend bezahlt werden.

Die Arbeit in Sachsen läuft durchaus erfolgreich. Das konnten wir bereits der Stellungnahme unserer Staatsregierung entnehmen und den rückläufigen Abtreibungszahlen. Diese gingen in den 20 Jahren zwischen 1996 und 2016 – Frau Wilke, vielleicht schauen Sie mal in Ihre Unterlagen, ich habe andere Zahlen als Sie – nämlich bundesweit um 24 % zurück und in Sachsen sogar um knapp 38 %. Hier im Freistaat haben wir eine hohe Kindorientiertheit zu verzeichnen. Mit einer zusammenfassenden Geburtenziffer von 1,59 Kindern pro Frau steht Sachsen an der Spitze aller Bundesländer.

Meine bisherigen Ausführungen lassen nur einen Schluss zu: Wir lehnen den vorliegenden Antrag ab.

Ich möchte zum Schluss in diesem Zusammenhang aber noch auf einen weiterführenden Punkt eingehen. Ich bin der Meinung, dass ein aufgeklärter Umgang mit Sexuali

tät in unserer Gesellschaft vieles verbessern könnte. Dazu gehört eben auch, dass Kinder in der Schule beizeiten aufgeklärt werden, auch über Vielfalt.

(Einzelbeifall bei der SPD – Sebastian Wippel, AfD: Oder im Kindergarten!)

Wer dann panisch und falsch Frühsexualisierung schreit und sich dem Thema gänzlich verwehrt, der scheint nicht daran interessiert zu sein, dass unsere Kinder bestmöglich aufwachsen und frühe Schwangerschaften durch Unwissenheit vermieden werden. Diese Form der Aufklärung befördert echtes Verständnis und damit wertschätzenden Umgang zwischen den Geschlechtern ohne Abwertung oder gar sexualisierte Gewalt.

Es hilft oft schon, beispielsweise Geschlechtsorgane beim Namen nennen zu können, ohne Kichern oder rot zu werden. Dann bräuchte es keine herabwürdigende vulgäre Ausdrucksweise, die überholte und falsche Machtverhältnisse zementiert,

(Beifall der Abg. Franziska Schubert, GRÜNE)

im Grunde genommen aber Ausdruck immenser Verunsicherung ist. Altersgerechter Aufklärungsunterricht befähigt Kinder und Jugendliche zu selbstsicherem, verantwortungsvollem Umgang mit Sexualität und damit auch Empathie dem anderen Geschlecht gegenüber.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Ein souveräner Umgang mit Geschlechtlichkeit soll den Frauen künftig Erfahrungen ersparen, die sie heute noch tagtäglich machen – vom dummen Spruch bis hin zu Gewalt.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Frau Raether-Lordieck sprach für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht zu uns Frau Kollegin Meier für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal will uns die AfD erzählen, was sie für Menschenfreunde sind. Nein, sehr verehrte Damen und Herren, das sind Sie wahrlich nicht. Ihnen geht es hier weder um den Schutz der Frauen noch um deren Selbstbestimmung. Ich bin es wirklich so satt, hier immer Ihre Anträge ertragen zu müssen. Es ist immer wieder das Gleiche: Sie diffamieren Frauen.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der Staatsregierung – Dr. Frauke Petry, fraktionslos: Es geht um Kinder!)

Mit der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils aus dem Jahr 1993 – Frau Buddeberg hat es ausgeführt – fordern Sie hier etwas, was 1995 mit dem Schwanger

schaftskonfliktgesetz bereits umgesetzt wurde. Sie legen hier die Zahlen der in Sachsen durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche so zurecht, wie es in Ihr Bild passt. Sie nehmen den sinkenden Anteil der letzten 20 Jahre überhaupt nicht zur Kenntnis. Sie picken sich lediglich das Jahr 2016 heraus, in dem im Vergleich zum Vorjahr 285 Schwangerschaftsabbrüche mehr durchgeführt

wurden. Dabei ist es aber angesichts der ebenfalls in diesem Zeitraum angestiegenen Geburtenzahlen pure statistische Häufigkeitsverteilung, dass eben auch mehr Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden.

Schließlich beziffern Sie die Kosten, die durch die Beratung und die Schwangerschaftsabbrüche entstehen, ohne sie in jegliches Verhältnis zu den Einnahmen und Ausgaben des Freistaates zu setzen. Aber aufgerundet 10 Millionen Euro hören sich natürlich gut an. Sie verkennen dabei völlig, dass die Schwangerschaftskonfliktberatung eben nur einen Aspekt zum Beispiel bei Pro Familia ausmacht. Der Großteil sucht dort Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen während und nach einer Schwangerschaft oder lässt sich über Sexualität und Verhütung beraten, was ebenfalls im Schwangerschaftskonfliktgesetz ausdrücklich vorgesehen ist.

(Karin Wilke, AfD, steht am Mikrofon.)

Mit ihrem Antrag offenbart die AfD wieder einmal, worum es ihr hier wirklich geht: Es geht um den Kampf gegen die Selbstbestimmung der Frau.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Es geht Ihnen um Machtausübung gegenüber Menschen, die einen Uterus haben und erforderlich sind für den Fortbestand des deutschen Volkes, wie es Ihre Welt, Ihre Logik und Ihre Ideologie hier vorgeben.

(Lachen bei der AfD – Carsten Hütter, AfD: Ganz toll!)

Frauen sind in den Augen der AfD Gebärmaschinen als Mittel zum Zweck.

Deswegen, meine Damen und Herren, wenn Sie sich Ihren Antragstext einmal anschauen: Es taucht nicht ein einziges Mal das Wort „Frau“ auf. Sie greifen, indem Sie die Schwangerschaftskonfliktberatung infrage stellen, einen Grundwert unserer freiheitlichen Gesellschaft an, nämlich die persönliche Freiheit eines Menschen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es hier: um die Möglichkeit als Frau frei zu entscheiden, ob sie eine Schwangerschaft austrägt oder nicht. Mit einer Schwangerschaftskonfliktberatung à la AfD soll hier auch gleich noch praktisch das Element des Schnüffelstaates mit installiert werden.

Die AfD will alles wissen, egal, ob es für die körperlichen Eingriffe des Schwangerschaftsabbruchs erheblich ist oder nicht. Das ist nicht nur datenschutzrechtlich ein Problem, sondern es ist auch schlicht diffamierend.

Während Sie die heutige Debatte wieder dazu genutzt haben, Ihre Mär von dem Untergang des deutschen Volkes

(Lachen bei der AfD – Carsten Hütter, AfD: Mensch, ist Ihre Rede peinlich! Einfach nur peinlich!)

und dem Beitrag, den die sogenannten Altparteien dazu leisten, in die Welt hinauszuschreien – sicherlich auch gleich in die sozialen Netzwerke –, arbeiten wir GRÜNEN hier an konkreten Lösungen für Frauen, die ungewollt schwanger geworden sind, und ihre Familien.

Ihr Antrag liefert weder Lösungen für die Frauen noch unterstützt er Frauen in schwierigen Lebenslagen. Genau deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN sowie vereinzelt bei der SPD)

Als Nächste hat Frau Dr. Petry das Wort.

Sehr geehrter Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Die AfD möchte die Schwangerenkonfliktberatung überprüfen. Schön! Das Gute an dem Antrag ist, dass die in der Tat nach wie vor zu hohe Zahl an Abtreibungen in Deutschland thematisiert wird. Das ist aber auch schon alles, was ich an Lob für diesen Antrag übrig habe.

Denn auch ohne die Staatsregierung zu bemühen, können wir alle feststellen: Die Zahl der ungeborenen Kinder, die nicht leben dürfen, ist mit bundesweit etwa 100 000 viel zu hoch. Anders als mancher meint, ist die Zahl der Teenie-Schwangerschaften in Deutschland dabei aber nicht das Problem; diese Zahl geht weiter zurück und liegt momentan bei circa 12 400 pro Jahr.

Was viele vielleicht nicht wissen: Bei uns verlieren überwiegend ungeborene Kinder ihr Leben, die schon größere Geschwister haben, weil Frauen Angst davor haben, das Leben mit einem weiteren Kind nicht zu meistern. Und da kommt die Gesellschaft ins Spiel.

Schätzungen besagen auch, dass circa die Hälfte der abtreibenden Frauen vom Partner, der Familie, dem Arbeitgeber oder dem sonstigen sozialen Umfeld unbewusst oder auch gezielt unter Druck gesetzt wird, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Das, meine Damen und Herren, geht uns alle an!

Als Mutter von fünf eigenen Kindern und weiteren vier als Teil einer Patchworkfamilie weiß ich sehr wohl um die Herausforderungen, die ein lebhaftes Familienleben mit sich bringt, in dem jeder sich selbst wiederfinden möchte. Ein Leben ohne diese Lebendigkeit kann ich mir trotzdem nicht vorstellen, weil die Glücksmomente und die mit Kindern verbundene Hoffnung durch nichts zu ersetzen sind.

Daher müssen wir als Politiker dicke Bretter bohren und gemeinsam alle schwangeren Frauen darin bestärken, das Kind leben zu lassen. Vor allem müssen wir die Lebensgrundlage von Familien in Deutschland verbessern,

sodass Kinder in unserem reichen Land nicht länger ein Armutsrisiko sind.

Frau Buddeberg, Sie und ich, wir sind beide Frauen. Dass Sie hier im Hohen Haus ernsthaft – ich nehme an, dass Sie es ernst meinen – über die Freiheit der Frau reden und darüber schweigen, dass die eigene Freiheit, also auch Ihre und meine, dort endet, wo die Freiheit des winzigen Menschleins im Körper der Mutter beginnt, das will mir einfach nicht in den Kopf.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Wenn Sie also die Würde des Menschen ernst nehmen, dann müssen Sie doch bitte zugeben, dass diese Würde auch für die ungeborenen Kinder gilt.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zustimmung des Abg. Steve Ittershagen, CDU)

Erteilen wir also als Politiker allen eine Absage – das geht ganz ohne Gesetz –, die Kinderlärm in Wohnungen und an vielen öffentlichen Orten zum Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten machen! Ja, ächten wir auch diejenigen, die Frauen zur Abtreibung nötigen oder ihnen weismachen, eine Abtreibung sei doch ein medizinischer Routineeingriff ohne Folgen und Ausdruck weiblicher Selbstbestimmung.

Meine Damen und Herren! Wer so etwas sagt, verführt die Frauen in einer ohnehin schwierigen Lage. Wir wissen doch, dass viele dieser Frauen sich ein Leben lang über diesen Schritt grämen und damit nicht klarkommen.