Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Gestern hatte er nach klarer Aussage aus der Koalition, dass man den Klimaschutz-Gesetzentwurf deshalb ablehne, weil die gesetzlich vorgesehenen Klimaschutzziele viel zu weit gingen und man viel weniger – am besten gar nichts – zu tun gedenke, die Einbringerin dafür kritisiert, dass die Ziele im Entwurf noch viel zu gering gewesen seien. So etwas, Herr Staatsminister, ist aus unserer Sicht keine ernsthafte Diskussion konstruktiver Vorschläge aus der Opposition. Wir sehen das als eine pure Verhöhnung in diesem Haus an. So darf man nicht miteinander umgehen. Das fällt Ihnen und der SPD auf die Füße.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass Sie sich im weiteren Prozess der Diskussion um das Vergaberecht auf die Ebene einer inhaltlichen Debatte begeben werden, wie es dem Thema angemessen ist. Die Diskussion um ein modernes Vergaberecht wird nämlich dahin gehend noch viel schwieriger werden, dass auf beiden Seiten des Tisches ausschließlich Menschen

mit sehr unterschiedlichen Interessen sitzen. Beim Klimaschutz ist das etwas anders, auch wenn Sie das noch nicht begreifen wollen: Dort sitzt auf der einen Seite die Natur mit null Verhandlungsbereitschaft, und Sie können sich auf der anderen Seite des Tisches drehen und wenden, wie Sie wollen – genau genommen gibt es keine andere Seite des Tisches, dort ist einfach die Wand.

Näher betrachtet allerdings ist das bei den Regeln zur Vergabe öffentlicher Aufträge auch wieder nicht so grundsätzlich anders; denn mit öffentlichem Geld öffentlichem Interesse zu dienen bedeutet ganz klar, sich an Gemeinwohlinteressen auszurichten und Nachhaltigkeitsgrundsätze in ganz verallgemeinerter Form immer und überall mitzudenken: soziale, ökologische, finanzielle Nachhaltigkeitsgrundsätze; denn die Wand – in der Wissenschaft auch „planetare Grenzen“ genannt – steht am Ende auch hier immer. Die Rolle der öffentlichen Hand ist in diesem Zusammenhang eine doppelte: zum Ersten als Auftraggeber, der im Zuge der Beschaffung langfristig gedachte Interessen des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge zu verfolgen hat – ich nenne das einmal mit einem alten Sprichwort die „Wer billig kauft, kauft zweimal“-Rolle ,–

(Ronald Pohle, CDU: Siehe Berliner Flughafen!)

und zum Zweiten als umsatzmächtiger Einkäufer, der ganz erhebliche Möglichkeiten hat, mit seinem Einkaufsverhalten Nachhaltigkeitskriterien in Wirtschaft und Gesellschaft Gewicht zu verleihen. Auch für diese Rolle gibt es ein altes Sprichwort: Wer zahlt, der bestellt auch die Musik.

Damit sind wir mitten in der Grundsatzdebatte, die sich um das Vergaberecht abspielt. Dabei geht es um das Prinzip, das an der Position des Sächsischen Städte- und Gemeindetages deutlich wird, die da lautet – ich zitiere –: „Die Aufnahme von vergabefremden Kriterien in die Regelungen des Sächsischen Vergabegesetzes ist abzulehnen.“ Ich zitiere weiter: „Die dem Wettbewerb sowie einer sparsamen Haushaltsführung unterliegenden vergaberechtlichen Bestimmungen werden ansonsten umfunktioniert, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen. Das Vergaberecht eignet sich jedoch nicht, gesellschaftspolitische Entwicklungen zu korrigieren; es hat nur eine transparente Auftragsvergabe und einen möglichst unbeschränkten Wettbewerb zu gewährleisten.“ An dieser Stelle sind wir ganz klar anderer politischer Meinung.

(Zuruf des Abg. Ronald Pohle, CDU)

Wir meinen, dass es gerade Aufgabe der Politik ist, immer das große Bild im Auge zu behalten. Die Austarierung vieler mikroökonomischer Interessen ist noch lange keine sinnvolle makroökonomische Strategie, und wer volkswirtschaftliche Gesamtkosten und Gesamteffekte aus dem Auge verliert, wird sich am Ende wundern, warum er vor einer zutiefst unzufriedenen Gesellschaft mit einer Menge angesammelter struktureller Probleme steht, obwohl er doch immer versucht hat, es allen recht zu machen.

Genau deshalb setzen wir einen Vergabegesetzentwurf dagegen, der es gerade andersherum anpackt. Er spiegelt unsere Überzeugung wider, dass unser aller Steuergeld verantwortungsbewusst so eingesetzt werden muss, dass unseren Kindern und Enkeln eine lebenswerte Erde und ein stabiler Zusammenhalt in der Gesellschaft hinterlassen wird.

Jeder von uns macht es doch im persönlichen Bereich genauso: Wir schauen bei der Beauftragung von Dienstleistungen und beim Kauf von Gütern durchaus auf eine ganze Reihe von Kriterien neben dem Preis.

Zuverlässigkeit des Anbieters, Langlebigkeit, Lebenszykluskosten, Entsorgungsaufwand, Energieverbrauch –

darüber denkt heute jeder von uns bei größeren Anschaffungen nach. Dieses Mitdenken hat dazu geführt, dass die Anbieter auf diese Kriterien achten, dass sie ihre Produkte dahin gehend weiterentwickeln und dass sie Interesse an Gütesiegelsystemen haben, um ihre Vorteile klar und transparent darstellen zu können.

Die Lebenswirklichkeit zeigt, es funktioniert auf diese Weise, meine Damen und Herren. Eine evidenzbasierte Politik muss das zur Kenntnis nehmen und überall mit solchen hybriden Marktmechanismen zur Selbststeuerung arbeiten.

Der Gegenentwurf ist zwar ein völlig freies Spiel der Kräfte auf der Basis günstigster Angebote, andererseits aber ein Wust an Vorgaben, Regulierungen und Einschränkungen für die einzelnen Produkte und Dienstleistungen zur Verhinderung zerstörerischer Fehlentwicklungen oder Auswirkungen auf Gemeinwohlinteressen.

Wer sich einmal die Vorschriftenberge ansieht, mit denen sich heute zum Beispiel Handwerker auseinandersetzen müssen, der weiß, wovon ich spreche. Als Gesellschaft können wir es uns nicht weiter leisten, gegenüber einer volkswirtschaftlichen Gesamtbetrachtung bei der Preiswahrheit weitgehend blind zu bleiben. Das ist deshalb so, weil es uns und unseren Kindern am Ende teuer zu stehen kommt.

Unser Gesetzentwurf ist dem der LINKEN durchaus ähnlich. Auch wir wollen Sozialstandards verankern. Unser Gesetzentwurf legt sicherlich mehr den Schwerpunkt auf eine bestmögliche Umweltverträglichkeit, eine geringe Treibhausgasemission und einen guten Standard bei der Energieeffizienz.

Ich freue mich auf eine intensive fachliche Diskussion im Ausschuss. Mir ist klar, dass in der öffentlichen Anhörung – wir möchten im Wirtschaftsausschuss gemeinsam mit den LINKEN eine Anhörung über unsere beiden Entwürfe, wenn sie denn heute überwiesen werden – die verschiedenen Denkansätze beim Vergaberecht aufeinanderprallen werden. Das ist gut und richtig, und das gehört zum Wesen der Demokratie.

Abschließend eine Bemerkung dazu, warum wir parallel zu den LINKEN an einem eigenen Entwurf gearbeitet haben. Zum einen ist ein modernes Vergaberecht ein Herzensanliegen der GRÜNEN-Partei mit durchaus

anderer Gewichtung der Schwerpunkte, zum anderen ist es so: Sollten wir in die für Sachsens demokratische Entwicklung durchaus wünschenswerte Situation kommen, einmal gemeinsam mit den LINKEN in Sondierungsgesprächen zu sitzen, wird sich aus diesen zwei Gesetzentwürfen sehr schnell eine Schnittmenge bilden lassen.

In jeder anderen denkbaren Konstellation demokratischer Parteien auf dem Boden der Verfassung ist es wichtig, dass immer ein modernes Vergaberechtskonzept mit auf dem Tisch liegt.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte um Überweisung in den federführenden Wirtschaftsausschuss zur weiteren Beratung.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, wie es jetzt auch vom Redner empfohlen wurde, den Entwurf Gesetz über die Ausschreibung und Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Vergabegesetz) an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu überweisen. Wer diesem Vorschlag seine Zustimmung geben möchte, zeigt das bitte an. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist die Überweisung einstimmig beschlossen. Meine Damen und Herren, wir werden dann so verfahren. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 6

Erste Beratung des Entwurfs

Gesetz zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen (Sächsisches Flächenverbrauchsbegrenzungsgesetz – SächsFläVBG)

Drucksache 6/14409, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Für die Fraktion spricht Herr Abg. Günther. Bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir bringen einen Gesetzentwurf zur Begrenzung des Flächenverbrauchs im Freistaat Sachsen ein. Es geht darum, dass eine verbindliche Regelung ins Landesplanungsgesetz eingefügt wird, die den Flächenfraß in Sachsen beendet.

Laut Angaben des sächsischen Umweltministeriums lag der Flächenverbrauch bis zum Jahr 2015 bei 9 Hektar pro Tag. Das entspricht 13 Fußballfeldern pro Tag. Das Leibniz-Institut, IÖR, in Sachsen spricht für das Jahr 2018 immerhin auch von 4,3 Hektar, also 43 000 Quadratmeter, täglich. Das ist eine Entwicklung, die so nicht weitergehen kann.

Im Freistaat Sachsen beträgt die Siedlungs- und Verkehrsfläche schon heute 245 000 Hektar, das sind 13 % der Landesfläche. Allein im Zeitraum von 2005 bis 2015 betrug die Zunahme 30 000 Hektar. Ich glaube, es ist jedem klar, dass diese Entwicklung in dieser Richtung nicht so weitergehen kann. Vor allen Dingen hat sich diese Entwicklung völlig entkoppelt von der Bevölkerungsentwicklung.

Im selben Zeitraum, nämlich von 2005 bis 2015, ist die Bevölkerung in Sachsen um 250 000 Einwohner zurückgegangen. Das sind über 5 %. Wenn wir uns den Zeitraum seit dem Jahr 1990 anschauen, stellen wir fest, dass das circa eine Million ist. Das entspricht einem Fünftel der Bevölkerung in diesem Freistaat. Es gibt also immer

weniger Menschen, aber immer mehr Fläche, die durch Siedlungs- und Verkehrsflächen aufgefressen wird. Die Folgen sind immens.

Natürlich hat es in erster Linie – Sie werden sich nicht darüber wundern, dass es für uns GRÜNE um die Natur geht – unmittelbare Auswirkungen auf den hier schon vielfach thematisierten Rückgang der Artenvielfalt und das Artensterben. Die Flächen sind unmittelbar verloren. Viele Arten werden dort nicht mehr leben können. Auch die Zerschneidung von Lebensräumen – auch das wissen alle Biologen – ist eine der Hauptursachen, warum einige Arten so stark zurückgehen.

Das hat aber auch Auswirkungen auf uns Menschen. Diesbezüglich ist viel an Erholungsfläche für uns verloren gegangen. Es sind Gebiete für Frischluftentstehung verloren gegangen. Diese versiegelten, gefressenen Flächen heizen sich auch auf. Das sind Dinge, die wir besonders in diesem Sommer haben erleben müssen. Jede Fläche hat zu dieser Erhitzung in Sachsen maßgeblich beigetragen. Die Botenfunktionen gehen in Größenordnungen verloren. Insbesondere hat das Auswirkungen auf den Bereich des Hochwasserschutzes, denn diese Flächen fehlen schlichtweg für den Rückhalt von Regen in der Fläche.

Das Wasser ist deswegen schneller in den Bächen und in den Flüssen. Daraus resultieren entsprechende Folgen. Denn das ist eine Ursache dafür, warum es hier mit den Hochwasserereignissen immer schlimmer wird. Wir werden irgendwann – spätestens dann, wenn das nächste Hochwasser da ist – die nächste Debatte dazu führen.

Auch die Landwirtschaft ist nicht zu vergessen. In den letzten 15 Jahren ist die Fläche der Landwirtschaft in

Sachsen um 3 % zurückgegangen. Wir können doch nicht hinnehmen, dass das so weitergeht. Die gesellschaftlichen Folgen sind immens, wie ich es bereits dargestellt habe. Auch die Folgekosten sind immens. Denken Sie nur an die Hochwasserereignisse und deren Probleme, die manche Landwirtschaftsbetriebe bekommen, die wir dann wieder unterstützen müssen.

Das Problem ist schon lange erkannt. Schon im Jahr 2002 hat die Bundesregierung die Nationale Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Darin hat man festgelegt, dass man plant, bis zum Jahr 2020 bundesweit nur noch auf 30 Hektar pro Tag Flächenfraß runterzugehen. Auch das ist immer noch eine irre Zahl, und der Anteil von Sachsen, wenn man das dann runterbricht, beträgt ungefähr 1,5 Hektar. Sie sehen schon, dass wir dabei mit den 9 Hektar weit davon entfernt sind.

Die Landesregierung hat entsprechende Beschlüsse gefasst. Im Jahre 2009 wurde festgelegt: Wir wollen bis zum Jahr 2020 2 Hektar pro Tag schaffen. Das ist schon mehr als der Anteil nach nationaler Strategie, aber immerhin ein Ziel. Aber auch daran sehen Sie, dass wir davon meilenweit entfernt sind. Diese Zahl ist auch noch aktuell. Auch im Landesentwicklungsbericht 2015 finden sich diese 2 Hektar pro Tag.

Es gibt auch Aktivitäten im Freistaat, auch das muss man anerkennen. Im Landesentwicklungsplan hat man diesbezüglich etwas hineingeschrieben. Es gibt auch Förderprogramme, die für die Entsiedlung zu nutzen sind. Aber wir sehen, dass es nicht wirklich in der Intensität zu fruchten scheint, wie wir es brauchen. Das liegt einfach daran, dass es keine verbindliche Mengensteuerung gibt. Das ist genau die Stelle, in die wir jetzt reinstoßen.

Wir brauchen eine verbindliche Mengensteuerung. Deswegen unser Vorschlag hierzu. Wir sehen auch, dass der Freistaat mit reichlich schlechtem Beispiel vorangeht; denn gerade beim Flächenfraß durch den Straßenbau liegt Sachsen laut Aussage der statistischen Landesämter mit Abstand bundesweit an erster Stelle. Im aktuellen Landesverkehrswegeplan sind Hunderte Kilometer Autobahn geplant, 130 Ortsumfahrungen, und das alles angesichts dieses dramatischen Rückgangs an Bevölkerung, also einer Entwicklung, die sich komplett voneinander entkoppelt hat.

Wir gehen verschwenderisch mit unserem Boden um. Immer weniger Leute brauchen immer mehr Fläche. Wir brauchen diesen Flächenfraß nicht mehr. Wir würden durch eine kluge Flächensteuerung auch ohne neuen Flächenfraß auskommen. Deshalb verfolgen wir mit unserem Gesetzesentwurf das Ziel, bis zum Jahr 2020 auf null Hektar pro Tag zu kommen.

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Das ist kein Entzug der kommunalen Planungshoheit; denn das Landesplanungsgesetz hat keinerlei Einfluss auf bestehende Baugebiete, die in den Gemeinden schon vorhanden sind. Auch in der Innenentwicklung sind sie weiterhin völlig frei, mit Planungen voranzugehen.

Einschränkungen gäbe es nur, wenn sich Kommunen weiter im Außenbereich entwickeln wollen, aber auch das würde nicht unmöglich, denn durch Ausgleich, durch Entwicklung an anderer Stelle kann man dort Flächen wählen. Das ist genau das, was wir erreichen wollen. Wir wollen eine kluge Steuerung haben. Zusätzlich, wenn das auf einem Gebiet nicht möglich ist, haben wir in unseren Gesetzesantrag hineingeschrieben, dass sachsenweit ein Handelssystem von Flächenzertifikaten installiert werden soll. Auch das – wir kennen das schon aus dem Energiebereich – ist durchaus möglich. Wir haben auch schon Flächensteuerung im Freistaat gebündelt, nämlich durch unser landeseigenes zentrales Flächenmanagement, die auch schon für die Ökoflächen die Agentur sind. Eine gewisse Grundstruktur ist schon da, und wie das funktionieren würde, wäre mit einer Rechtsverordnung festzulegen.

Das Problem, den Flächenfraß zu beenden, ist – das ist mehr als deutlich geworden – überfällig. Wir müssen handeln und können nicht sehenden Auges diese Entwicklung weiterlaufen lassen. Ich hoffe, dass wir im weiteren parlamentarischen Betrieb eine fruchtbringende Diskussion haben werden, insbesondere in den Ausschüssen. Deswegen beantragen wir Überweisung, und zwar an den Ausschuss für Umwelt und Landwirtschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)