Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Eine zweite Säule betrifft die Infrastruktur. Für den Straßenbereich haben wir das jetzt von Ihnen bekommen. Das betrifft aber auch alle anderen Mobilitätsarten.

Eine dritte Säule ist die Wirtschaft mit Sonderfördertöpfen und Arbeitsfinanzierungsmaßnahmen in den unzähligen Bereichen, in denen dringend Menschen gebraucht werden, beispielsweise im Umweltschutz, in den Schulen, in Sozialdiensten usw.

Die vierte Säule ist eigentlich die wichtigste und wird immer bei den Strukturwandeldiskussionen vergessen. Das ist die Zivilgesellschaft, die ein Anker für die Men

schen in der Region ist. Es geht um Kunst und Kultur, aber nicht nur um Hochkultur, sondern auch um die vielen Menschen, die sich dort engagieren, um die freie Szene und um andere Initiativen, die sich in der Region einsetzen. Diese brauchen Unterstützung.

All das wäre mit dem Thema Strukturwandel in Verbindung zu bringen. Aber mit einem einfachen Antrag, den Sie hier niederschreiben, gelingt das nicht. Dafür brauchen wir ein Gesetz. Am Anfang der Legislatur hatten wir übrigens ein solches Gesetz vorgelegt. Das wurde von Ihnen abgelehnt. Deswegen können wir uns bei diesem doch sehr dünnen Antrag, in dem es um einzelne Straßenbauprojekte geht, was Sie als Strukturwandel bezeichnen, leider nur enthalten.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Für die AfD-Fraktion Frau Abg. Grimm. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche nun zum Antrag „Neue Nord-Süd-Achse für die Lausitz entwickeln“.

Mit dem vorliegenden Antrag möchte die Regierungskoalition eine Nord-Süd-Achse für die Lausitz entwickeln, indem die B 178n von Weißenberg bis nach Norden an die A 15 bei Cottbus erweitert werden soll.

Grundsätzlich liegen bessere Verkehrsanbindungen aus der Lausitz in die Ballungszentren auch der AfD am Herzen. Aber in diesem Antrag spiegelt sich der blauäugige Herzenswunsch des SPD-Abgeordneten Baum wider. Seine Visionen zur Lausitzmagistrale, der Verlängerung der B 178n nach Norden zur A 15, konnten wir schon im vergangenen Juli in einem Artikel der „SZ“ lesen.

(Thomas Baum, SPD: Genau!)

Herrn Baum ist es seiner Meinung nach gelungen, das wichtigste Planungshindernis bei der Erweiterung der B 178n nach Norden hin zu beseitigen, sodass die Bundesstraße künftig nicht mehr durch das Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft führen wird und es nur 80 Kilometer neu gebauter Straße dafür benötigt.

Mitte der Neunzigerjahre begann der Bau der B 178n in Richtung Süden mit einer Streckenlänge von 41,6 Kilometer, Herr Baum.

(Thomas Baum, SPD: Das weiß ich!)

Versprochen wurde die Fertigstellung übrigens seitdem vor jeder Wahl von der CDU. Heute, 20 Jahre später, fehlen immer noch 11 Kilometer. Aber Sie denken jetzt ernsthaft über 80 weitere Kilometer nach?

Ein Hauptnutzen der Verlängerung der B 178n soll die Infrastrukturentwicklung der Lausitz sein. Als Regierungskoalition sollten Sie sich diesbezüglich bemühen, endlich die noch fehlenden 11 Kilometer der B 178n in Richtung Süden zügig fertigzustellen, weil das Stück von

Weißenberg bis Zittau mit seinen zwei Unterbrechungen eine Zumutung für alle Kraftfahrer darstellt und dieser Bau eigentlich schon 2008 abgeschlossen sein sollte.

Vor der Regierungsbeteiligung der SPD hier im Hohen Haus im Jahr 2014 standen wir kurz vor einem Planfeststellungsbeschluss, und nur weil der SPD der Mut zum Risiko fehlte, wurde die gesamte Planung von vorn begonnen. Heute sind wir bei keinem der Abschnitte so weit wie 2014, Herr Dulig.

(Staatsminister Martin Dulig: Das ist eine Lüge! Sagen Sie doch die Wahrheit! – Thomas Baum, SPD: Kein Planfeststellungsbeschluss!)

Er lag aber beschlussfertig da.

(Staatsminister Martin Dulig: Wer hat ihn zurückgenommen?)

Die SPD.

(Staatsminister Martin Dulig: Das ist gelogen! Sie lügen! – Jörg Urban, AfD: Getroffene Hunde bellen!)

Sie können das dann ausführen.

Meine Damen und Herren, Sie hatten 30 lange Jahre Zeit, um die Lausitz zu entwickeln, und haben es nicht ausreichend geschafft. Mit der Energiewende und dem damit verbundenen überstürzten Ausstieg aus der Kohleverstromung werden Sie der Lausitz wehtun; und nun wundern Sie sich, dass die Bürger Sie nicht mehr wählen wollen.

Die AfD-Fraktion plädiert in erster Linie für den Ausbau der vorhandenen Infrastruktur; das ist auf jeden Fall günstiger. Beispielsweise könnte man die B 115 und die B 156 nach dem Vorbild Brandenburgs ausbauen. Ortsumgehungen und die Einrichtung einer zweiten Fahrspur, wo es möglich ist, entlasten die Anwohner und beschleunigen den Verkehr. Die Bundesregierung plädiert ebenfalls für Ausbau vor Neubau, und auch Sie, Herr Staatsminister Dulig, betonen dies immer wieder.

(Staatsminister Martin Dulig: Ja!)

Weiterhin müssen Bauarbeiten endlich qualitativ hochwertiger durchgeführt werden und nicht so, wie zum Beispiel zwischen Oppach und Sohland, wo eine 187 000 Euro teure neue Straße wieder neu gebaut werden muss, um die Schulbushaltestelle in Sohland bedienen zu können. Das ist nur ein Beispiel aus der Lausitz, woran Ihr Staatsministerium bewertet wird.

(Staatsminister Martin Dulig: Mein Ministerium gehört nicht meiner Partei!)

Zukunftsvisionen kann man haben, aber als Staatsregierung muss man auch während einer Wahlperiode die Versprechen an die Bevölkerung umsetzen und Baumaßnahmen besser überwachen und koordinieren. Siehe auch das Verkehrschaos auf der A 4 in diesem Jahr und die recht späte Feststellung in Ihrem Antrag, dass der Bahnübergang in Uhyst wie jener in Hoyerswerda nach Öff

nung der elektrifizierten Strecke im Dezember 2018 aufgrund des hohen Güterverkehrs mehr geschlossen als geöffnet sein und zu einem weiteren Verkehrschaos führen wird.

Nächster Punkt: In Ihrem Antrag fordern Sie die Staatsregierung auf, eine Machbarkeitsstudie zur Verlängerung der B 178n zu beauftragen. Ist das Ihr Ernst? In einer Mitteilung des Medienservice Sachsen vom 19. Juni 2018 ist zu lesen, dass die Staatsregierung bereits das Landesamt für Straßenbau und Verkehr mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie zu einer möglichen Verlängerung der B 178n nach Norden beauftragt habe.

(Carsten Hütter, AfD: Hört, hört!)

Ihr Antrag ist doch keine Realpolitik und, Herr Dr. Meyer, auch nicht unser parlamentarischer Traum! Das ist Realsatire, was Sie machen, und das wird niemanden überzeugen. Aus diesem Grund wird die AfD-Fraktion diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Frank Heidan, CDU: Gut, dass Sie das machen! – Weitere Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, nun ist für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Meier an der Reihe. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich stelle mit Interesse fest, dass der Strukturwandel der Lausitz in den Köpfen der Koalition angekommen zu sein scheint. Zehntausende haben in der Braunkohle ihre Arbeit verloren, aber das schon zwischen 1990 und 1995. Die Lausitzerinnen und Lausitzer hätten schon lange die Unterstützung der Staatsregierung verdient, doch über Jahrzehnte gab es für die Weiterentwicklung vonseiten der Staatsregierung nicht wirklich Konzepte. Man hat die Menschen sprichwörtlich ziehen lassen, und jetzt, nach einem Vierteljahrhundert, ist nun offensichtlich im Jahr 2018 auch in Sachsen die Erkenntnis gereift, dass der längst eingeläutete Strukturwandel zwingend von staatlichem Handeln begleitet werden muss. Anstatt sich umfassend mit der notwendigen Verkehrsinfrastruktur zu befassen, beschränkt sich Ihr Antrag aber lediglich auf den Bau einer Straße. Ich glaube, das ist ein Konzept von vorgestern.

(Staatsminister Martin Dulig: Nein! – Marko Schiemann, CDU: In Leipzig und Dresden werden Straßen gebaut!)

Dabei hatte sich der SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Panter noch Mitte August mit dem schönen Satz zitieren lassen, dass die Elektrifizierung der 15 Kilometer von Horka nach Görlitz doch zu schaffen sein sollte. In Ihrem Antrag ist aber weder von Güterverkehr noch von ÖPNV die Rede. Das ist ein absolutes Armutszeugnis, sehr verehrte Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Die Attraktivität einer Region kann doch aber nur durch einen Strauß von Maßnahmen erhöht werden, und statt lokalen Akteurinnen und Akteuren vorgefasste Infrastrukturentscheidungen vor die Nase zu setzen, sollten Sie sie in die Entwicklung eines Leitbildes für die Zukunft einbeziehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben heute von meinem Fraktionsvorsitzenden, als er das Gesetz eingebracht hat, gehört, dass Sachsen deutschlandweit unrühmlicher Spitzenreiter ist, was die Flächenversiegelung für den Straßenbau betrifft. Der Flächenfraß zerstört unsere Natur und unsere Kulturlandschaft, er zerschneidet natürliche Lebensräume und entzieht der Landwirtschaft fruchtbaren Boden. Neue Straßentrassen sind keine nachhaltige Politik, weder ökologisch noch ökonomisch. Ich erkenne an, dass Sie wahrscheinlich extra für mich etwas zum Radverkehr in die Begründung geschrieben haben;

(Carsten Hütter, AfD: Especially for you!)

aber wer glaubt denn ernsthaft, dass Radtourismus entlang einer Schnellstraße ohne Kreuzungen sinnvoll ist? Ich glaube, diejenigen, die das hineingeschrieben haben, haben noch nie mit dem Fahrrad Urlaub gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN – Staatsminister Martin Dulig: Wir wollen Radschnellwege!)

Ein letzter Punkt: Sie machen mit einer solchen Ideenskizze und Aufträgen für Projekte in der Region Versprechungen, die Sie aber in überschaubaren Zeiträumen nicht einhalten können; wir haben gerade schon von Zittau gehört und wie lange es dort dauert. Der Bundesverkehrswegeplan ist 2016 vom Bundestag beschlossen worden; das Projekt in Ihrem Antrag findet sich darin aber überhaupt nicht wieder. Die Umsetzung in näherer Zukunft ist also eher unrealistisch.

Ich bin davon überzeugt, dass die Erreichbarkeit der Lausitz und viele andere Dinge – außer Straßen – notwendig sind, die der Koalition vorschweben. Dazu gehört einerseits die Instandhaltung der vorhandenen Straßen, aber auch – ganz wichtig – ein attraktiver ÖPNV, Angebote von Bus und Bahn und der schon lange versprochene Breitbandausbau in Sachsen. Wir GRÜNEN haben uns schon sehr, sehr lange mit der Lausitz beschäftigt, allen voran Franziska Schubert und mein Kollege Dr. Gerd Lippold, und Konzepte erarbeitet, wie die Lausitz nachhaltig entwickelt und modernisiert werden kann.

Selbstverständlich haben wir uns auch den Verkehrsbereich angeschaut. Einen besonderen Schwerpunkt sehen wir in der Verknüpfung der Region – nicht nur in die Richtungen Cottbus und Berlin, Leipzig und Dresden, sondern auch in Richtung unserer europäischen Nachbarn Polen und Tschechien. Wir sehen den Schwerpunkt moderner Verkehrsinfrastruktur sowohl im Güterverkehr als auch im Personenverkehr auf der Schiene. Genau

deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, um den Blick zu weiten – vom Straßenverkehr hin zum ÖPNV und zum Schienengüterverkehr. Auch im ländlichen Raum muss der öffentliche Personennahverkehr gute Angebote machen, um Menschen jedes Alters die Mobilität zu ermöglichen: in den Nachbarort, zu Freundinnen und Freunden, zur nächsten Ärztin in der Stadt oder zum nächsten Bahnhof, um mit einem guten Anschluss an den Regional- und Fernverkehr in die Region zu kommen.

Daher ist es uns wichtig, sich bei der Fahrtzeitbetrachtung nicht nur die Straßenverbindung anzuschauen, wie Herr Böhme sagte, sondern auch die Reisemöglichkeiten mit dem ÖPNV. All das fehlt in Ihrem Antrag. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, zu dem ich später noch etwas ausführen werde.