Protokoll der Sitzung vom 06.09.2018

Daher ist es uns wichtig, sich bei der Fahrtzeitbetrachtung nicht nur die Straßenverbindung anzuschauen, wie Herr Böhme sagte, sondern auch die Reisemöglichkeiten mit dem ÖPNV. All das fehlt in Ihrem Antrag. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht, zu dem ich später noch etwas ausführen werde.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Frau Dr. Petry hat ihre Wortmeldung zurückgezogen. Damit ist die erste Runde beendet. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde? – Jawohl. Für die CDUFraktion Herr Abg. Dr. Meyer. Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, es ist unstrittig, dass Strukturwandel viele Bereiche umfasst, nicht nur die Infrastruktur im Verkehrsbereich, sondern natürlich sind Bildung und Innovation ganz zentrale Themen, genauso wie die Aktivierung der Bürgergesellschaft und das Thema ÖPNV, Schiene usw.

Wir haben in diesem Antrag aber bewusst einen Bereich herausgegriffen, weil wir eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben möchten. Diese kann sich selbstverständlich nicht auf alles erstrecken, das wird keiner leisten können, sondern sie muss sich auf einen Bereich fokussieren. Deshalb ist dieser Antrag vor allem auf die NordSüd-Verbindung im Landkreis Görlitz in der Lausitz bezogen. Das möchte ich vorausschicken. Daher sind manche Äußerungen, die hier getätigt wurden, etwas müßig, und ich vermisse Ihr parlamentarisches Engagement, Ihre Vorschläge auf den Tisch zu bringen und nicht die Kritik an der Koalition.

Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass es sehr wohl eine Initiative aus dem parlamentarischen Raum ist und kein Über-Bande-Spiel mit der Staatsregierung an der Seite. Wir haben in der Lausitz schon lange das Thema der Nord-Süd-Verbindung; ehrlich gesagt, schon seit 1990 im Zuge der B 178.

Wir haben jetzt mit unserer Allianz für den Ausbau der A 4 noch einmal den Fokus darauf gelegt. Ich will ein paar Zahlen nennen, was den Verkehr auf der Autobahn A 4 angeht: Wir hatten im Jahr 2005 in Görlitz noch 10 000 Fahrzeuge und im Jahr 2017 an derselben Stelle täglich 26 000 Fahrzeuge. Im Schwerlastbereich hat sich die Zahl sogar vervierfacht. Wir sind der festen Überzeugung, dass dank dieser positiven Entwicklung, die wir in

Südosteuropa feststellen können, die Verkehrsbelastung künftig zunehmen wird. Diesbezüglich wird auch diese Nord-Süd-Verbindung zu einer Entlastung beitragen. Das alles muss man in diesem Zusammenhang mit sehen.

Wenn wir jetzt über einen Strukturwandel sprechen, dann ist aus unserer Sicht eine angebotsorientierte Verkehrsplanung ganz entscheidend, weil das diese Henne-EiDiskussion ist. Wir brauchen eine Infrastruktur, und wir brauchen neue Möglichkeiten in diesem Strukturwandelgebiet und das, bevor man aus irgendwelchen Kohleszenarien aussteigt. Wir brauchen die Perspektive vorher. Dazu dient eine Infrastruktur im Sinne von Straßen, im Sinne von Gewerbe- und Technologiegebieten, aber letztlich auch die Beschleunigung von Verfahren.

Es ist uns natürlich klar, dass diese Straße bisher kein Bestandteil im Bundesverkehrswegeplan ist, aber wir wollen im Zuge des Strukturwandels das Thema mit unterbringen. Wir brauchen dahin gehend eine Beschleunigung von Verfahren. Wir brauchen neben dem Bundesverkehrswegeplan die Möglichkeit, auch solche Projekte umzusetzen, und darum geht es mit unserem Antrag.

Wir sollten mit einer Stimme sprechen. Deswegen hat es mich schon sehr gewundert, Frau Grimm, dass Ihre Fraktion den Antrag ablehnt. Wir werden das entsprechend kommunizieren, dass Sie diese Nord-Süd-Verbindung in Richtung Ballungszentren nicht für nötig halten und hier im Klein-Klein verharren. Wenn wir ehrlich sind – ich bin auch sehr kritisch, was die Begleitung der B 178 angeht –, dann ist das keine Parteipolitik, die hier stattfindet, sondern das ist einfach der Rechtsstaat, der an der Stelle richtig ist.

Ich habe immer gesagt, dass wir bei der B 178 mit dem Anschluss an die Autobahn ein rechtssicheres Verfahren brauchen. Es bringt uns nichts, wenn irgendetwas geplant wird, was im nächsten Moment ein Gericht einkassiert. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Dazu brauchen Sie keine Parteischelte in irgendwelche Richtungen austeilen, sondern das ist etwas, was durchaus auch mit grüner Politik zusammenhängt. Wenn es durch die Beweislastumkehr mittlerweile so ist, dass der Staat nachweisen muss, dass bestimmte Tier- oder Pflanzenarten auf einer Trasse nicht zu finden sind, dann verzögert sich das Verfahren. Das ist auch der Hintergrund, warum wir beim Bau der Anschlussstelle an die Autobahn noch nicht weitergekommen sind. Das sollte der Ehrlichkeit halber dazu gesagt werden. Ich denke, der Staatsminister wird das noch einmal vertiefen. Aber es nicht fair, wenn Sie hier mit falschen Argumenten – mit Lügen quasi – operieren. Aber daran sieht man, was Sie im Schilde führen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich will nur noch einmal dafür werben: Dieser Antrag beinhaltet das, was für die Menschen in der Region Lausitz sehr wichtig ist. Wir brauchen dort die Unterstützung des Freistaates und des Bundes. Wir wissen dabei auch die Vertreter der Kommission für Strukturwandel, Wachstum und Beschäftigung mit dem sächsischen

Vorsitzenden Stanislaw Tillich an unserer Seite. Wir waren in der vergangenen Woche in dieser Region und haben dort auch mit Bürgermeistern über dieses Thema gesprochen. Wir sind also an der kommunalen Ebene dran.

Wir sind mit der Zukunftswerkstatt, also der Zivilgesellschaft, auch in Kontakt. Es braucht hier viele Unterstützer, und ich möchte dafür werben, dass Sie heute im Plenum diesen Antrag unterstützen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Und nun Herr Abg. Baum für die SPD-Fraktion. Bitte sehr, Herr Baum.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner Rede beginne, zwei Sätze: Frau Kollegin Meier, ich hatte es Ihnen schon einmal angeboten und sage es noch einmal: Ich stehe nach wie vor für bilaterale Gespräche zur Verfügung, um Ihnen zu erklären, wie ein solches Planungsprojekt angegangen wird, wie man so etwas plant, wie man so einen Querschnitt gestaltet und welche Chance ein solches Projekt besonders für den touristischen Verkehr und den Radverkehr hat. Das kann ich Ihnen gern erklären. Das ist nicht nur für Sie gemacht, sondern weil auch ich ab und zu Radfahrer bin, auch wenn Sie es nicht glauben.

Frau Grimm, zu Ihnen: Ich würde Sie bitten, ganz konkret zu belegen, welche Planfeststellungsbeschlüsse es für die beiden noch offenen Abschnitte gab, die Sie im Norden bei Weißenberg und im Süden nördlich Zittau zitiert haben. Es gibt keine Planfeststellungsbeschlüsse. Was Sie hier erzählt haben, war geschwindelt.

(Frank Heidan, CDU: Oder gelogen!)

Oder gelogen! – So, nun weiter im Thema. Die von mir in der ersten Runde genannten strukturpolitischen Fragen spielen bei einem solchen Projekt, um das es in diesem Antrag geht, eine genauso große Rolle wie die nüchterne Betrachtung der Fakten und Zahlen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde hier nicht stehen und mich mit aller Kraft für ein solches Projekt einsetzen, wenn ich persönlich nicht von dessen Richtigkeit und Notwendigkeit überzeugt wäre. Viele Menschen aus der Lausitz stehen dahinter, in Brandenburg wie im sächsischen Teil der Lausitz. Die Wirtschaft wartet darauf, die IHK unterstützt das Projekt genauso wie die Bürgermeister in der Region, die sich in großer Zahl, und zwar parteiübergreifend, zur sogenannten Lausitzrunde zusammengefunden haben.

Natürlich – das will ich nicht verhehlen – gibt es vereinzelt kritische Äußerungen in der Sache. Auf die Pressemitteilung der AfD im Juli will ich gar nicht eingehen, sie spottet jeder Beschreibung. Aber die Fragen und Bedenken – auch aus dem Landratsamt Görlitz – sind genau so

ausgeräumt worden wie die Fragen aus dem zuständigen Regionalen Planungsverband in Bautzen.

Ich wiederhole es: Dieses Projekt ist vor allem ein strukturpolitisches, um den vorgesehenen Braunkohleausstieg durch eine wesentlich verbesserte Straßeninfrastruktur abzufedern, um Investoren anzuziehen, die gegenüber dem Istzustand einfach bessere Bedingungen bekommen müssen, damit die Menschen zukünftig neue Arbeit finden.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das ist, Frau Kollegin Meier, kein Widerspruch zum Schienenverkehr. Ich bin genauso ein Verfechter des Schienenverkehrs. Ich habe es Ihnen vorhin in meiner Rede in der ersten Runde gesagt: Wir fordern gleichsam, dass die beiden Bahnstrecken endlich ausgebaut und elektrifiziert werden. Es bleibt dabei. Aber das hat mit diesem Antrag nichts zu tun.

Im Übrigen wäre eine solche Nord-Süd-Verbindung vor allen Dingen aus europäischer Sicht sinnvoll. Das wird immer etwas abgetan. Die in Tschechien wachsende Industrieregion um Liberec bis Mlada Boleslav, wo die Skoda-Werke sind, hat inzwischen eine vierspurige Schnellstraße nach Prag realisiert, an die Zittau inzwischen direkt angebunden ist. Ein Lückenschluss nach Norden bei Cottbus zur A 15 und dann weiter in Richtung Berlin und noch weiter in Richtung Hamburg oder Ostseehäfen macht diese Nordverlängerung, von der wir hier reden, dadurch auch für unsere tschechischen Nachbarn attraktiv; was zwangsläufig am Ende zu einer Entlastung von A 4 und A 13 im Raum Dresden führt.

Die als Grundlage einer späteren Planung dienende Machbarkeitsstudie wird nun vom LAfSuV Bautzen und entsprechenden Dienstleistern vorbereitet. Dabei geht es nicht nur darum, die Linie nach Norden zu verlängern, sondern auch darum, die beste Variante zu finden, die gegebenenfalls auch gegenüber der Ortslage Weißenberg nach Osten oder nach Westen an der A 4 versetzt werden kann. Es geht also um eine Korridoruntersuchung zur Ermittlung der Raumwiderstände.

Natürlich gilt auch hierbei das Vermeidungsprinzip, und damit ist die Durchquerung des Biosphärenreservates Oberlausitzer Heide und Teichlandschaft de facto ausgeschlossen.

Wichtig in der Linie nach Norden sind vor allem die Anbindung nah an Niesky, nah an Weißwasser und nördlich davon ein sinnvoller Korridor im Raum SchleifeTrebendorf, der die jetzt in Vorbereitung befindlichen Umsiedlungsstandorte für Mühlrose berücksichtigt.

Um es noch einmal klar zu sagen: Wir reden hierbei nicht von einer Autobahn, sondern von einem hochleistungsfähigen dreispurigen Querschnitt, dem sogenannten Regelquerschnitt 15,5, mit jeweils wechselnden Überholfahrstreifen. Dazu kommen natürlich autobahnähnliche Verknüpfungen mit dem nachgeordneten Netz, also keine niveaugleichen Kreuzungen oder Ampelanlagen.

Ganz wichtig ist: Es sollte von Beginn der Planung an auch ein durchgängiger paralleler Wirtschafts- und Radweg mit betrachtet werden; ferner – auch das kann man für die Perspektive der Realisierung ansetzen – die technischen Voraussetzungen an der Trasse zum zukünftigen autonomen Fahren.

All dies in Summe sollte dazu führen, dass wir mit diesem Zukunfts- und Strukturwandelprojekt der Region eine Perspektive für die Zeit nach dem Kohleausstieg geben.

Wir alle kennen die derzeitigen Planungsfristen für solche Projekte in Deutschland. Aber auch da haben wir politischen Handlungsbedarf. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD-Fraktion werden an diesem Thema natürlich weiter dranbleiben, da ein Strukturwandel eben nicht nur Straßenbau oder Schienenprojekte bedeutet, sondern viel größer gedacht werden muss – Frau Meier, da stimme ich Ihnen absolut zu. Dazu hat sich aber auch meine Fraktion schon im vergangenen Jahr im Positionspapier „Unsere Oberlausitz für morgen“ Gedanken gemacht.

Mein Kollege Jörg Vieweg hatte es bereits gestern richtig gesagt, denn es geht am Ende um die Befähigung einer Region; es geht darum, die Menschen auf dem Weg von Strukturwandel und Strukturentwicklung mitzunehmen – über die Energiewende hin zum notwendigen Klimaschutzbeitrag.

Natürlich werden wir darüber hinaus aufmerksam verfolgen, welche Ergebnisse die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung liefert, und nötigenfalls unsere Stimme für unsere betroffene Region klar zur Geltung bringen.

Im Sinne der nachhaltigen Strukturentwicklung soll mit der Planung und Realisierung dieser Nordtrasse auch eine Steigerung der touristischen Attraktivität der Region herbeigeführt werden. Auch Sachsens derzeit einziges UNESCO-Weltkulturerbe – das sage ich gern, der Muskauer Park, auch natürlich der Bärwalder See oder der UNESCO-Geopark Muskauer Faltenbogen – werden davon profitieren. So wäre zum Beispiel das Zittauer Gebirge von Berlin oder dem Land Brandenburg aus schneller und besser erreichbar.

Es gibt also sehr viele sachliche Gründe, um unserem Antrag zustimmen zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN – Beifall bei der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ich frage die Fraktion DIE LINKE, ob noch einmal das Wort gewünscht wird. – Das ist nicht der Fall. Die AfD-Fraktion? – Auch nicht. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN? – Auch nicht. Wünscht überhaupt noch jemand aus den Reihen der Fraktionen das Wort? – Das ist nicht der Fall. Herr Staatsminister, ich weiß, dass Sie reden wollen. Ich erteile Ihnen das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Strukturwandel war schon häufiger Thema im Sächsischen Landtag. Wir haben ihn aus unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet und behandelt; deshalb sind bestimmte Positionen, die wir haben, für Sie nicht neu. Schon allein die Feststellung, dass der Strukturwandel nicht irgendwann beginnt, oder die Aufforderung, man solle ihn beginnen, ist etwas zynisch, weil die Menschen mittendrin leben.

Wenn man es historisch sieht: Seit Jahrhunderten – aber im konkreten Fall ist es die Erfahrung der letzten 28 Jahre – wurde ein hoher Preis bezahlt durch Deindustrialisierung und Arbeitslosigkeit. Von daher ist immer die Frage, wie wir mit den Leuten reden und ihre Erfahrungen einbeziehen, statt so zu tun, als sei das etwas, was irgendwann mal kommt. Die Menschen haben eine hohe Sensibilität dafür, weil sie selbst Erfahrungsträger für Strukturwandel sind.

Deshalb ist es richtig, dass wir bei der Strukturentwicklung schauen, welche Potenziale es in den Regionen gibt. Es ist auch klar, dass wir Unterstützung brauchen, um diese Strukturentwicklung zu gestalten. Deshalb haben wir deutlich unsere Erwartung an den Bund adressiert. Nicht nur durch die Arbeit der jetzt eingesetzten Strukturwandelkommission, sondern schon vorher haben wir deutlich gemacht, dass es dabei um Fairness geht. Wenn zum Beispiel die Lausitz oder das mitteldeutsche Revier immer mit dem Ruhrgebiet verglichen werden, dann können wir auch die Fairness einfordern, dass der Strukturwandel, der dort mit Milliarden-Subventionen unterstützt wurde, genauso mit der großartigen Unterstützung des Bundes in den Regionen erfolgt.

(Beifall bei der SPD und des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ich glaube auch, dass das vielen verantwortlichen Politikerinnen und Politikern in Berlin durchaus bewusst ist. Nur zu sagen, wir geben Geld, reicht allerdings auch nicht aus, sondern man muss schon sagen, wofür. Deshalb wird die Diskussion, wie der Strukturwandel in den Regionen gestaltet wird, von unterschiedlichen Ansätzen geprägt sein.

Ein Baustein ist das Thema Infrastruktur. Ich sage das ganz bewusst, weil man in so manchen Debatten zum Thema Strukturwandel/Strukturentwicklung das Gefühl hatte, dass allein der Bau einer Straße Strukturwandel bedeute. Nein, es wird immer um eine Mischung unterschiedlicher Instrumente gehen. Es ist wohl allen klar, dass Infrastruktur eine wesentliche Voraussetzung dafür ist.