Ich gehe mal davon aus, dass der Kollege später ohnehin noch einmal ans Mikrofon geht. Dann würde ich darauf reagieren.
Wir haben im Moment die Situation, dass die nationalen Banken die größten Abnehmer der nationalen Staatsanleihen sind. Das heißt, wir haben in fast allen EU-Staaten eine fatale Abhängigkeit zwischen den öffentlichen Haushalten und der Liquidität der nationalen Banken. Das ist – allgemein anerkannt – einer der Hauptgründe dafür, dass die Krisen vom Finanzsektor auf die Staatsfinanzen und die Realwirtschaften übergreifen und umgekehrt.
An einem ganz konkreten Beispiel, das uns auch hier in Europa ein Stück weit droht, nämlich Italien, würde ich das in einer zweiten Runde gern weiter ausführen und versuchen, Ihnen zu erklären – vielleicht verstehen Sie es ja –, was die SBBS ändern würden.
Das war Herr Kollege Brünler, er sprach für die Fraktion DIE LINKE. Nun wird sich eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Barth anschließen; bitte.
Auf den Redebeitrag von Herrn Brünler selbstverständlich. Herr Brünler führte wortwörtlich aus, dass durch die SBBS als solche und den Regelungsvorschlag der Europäischen Union sowie des Europäischen Rates keine gemeinsame Verschuldung der EUStaaten entstehe und jeder selbst hafte.
Herr Brünler, ich empfehle Ihnen: Lesen Sie einfach einmal Fachliteratur zu diesem Thema. Neun von zehn Experten gehen davon aus, dass die Vermarktung über eine gemeinsame Finanzagentur funktionieren muss und die sichere Bonität dieser Wertpapiere nur gewährleistet werden kann, wenn dahinter Garantiegeber stehen. Griechenland und Spanien sind dabei keine geeigneten Garantiegeber, sondern es ist zu befürchten, dass die Anleiheninhaber, also jene, die ihre Staatsanleihen in die Anleihen
einspeisen, mit ihren Versprechen letztendlich die Bonität dieser Staatsanleihen gewähren müssen. Damit sind wir dann in einer gemeinsamen Haftung.
Das war die Kurzintervention. Ich sehe keine Reaktion. Damit können wir in der Rednerliste fortfahren. Für die SPD-Fraktion ergreift nun Kollege Panter das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde gern kurz darauf eingehen, worum es eigentlich geht; denn ich denke, dass man sich auch fachlich auf die ganze Geschichte einlassen sollte und nicht nur auf Mutmaßungen. Denn das, was Herr Barth eben vorgetragen hat, war ja nur eine Mutmaßung, dass es zu einer Vergemeinschaftung von Schulden kommen könnte.
Im Leben ist vieles möglich, aber bei diesem neuen Finanzinstrument SBBS geht es darum, dass Staatsanleihen gebündelt werden sollen und es zu einer Verbriefung dieser kommen soll. Nach dem „Gewicht“ der jeweiligen Länder bzw. nach deren Wirtschaftskraft soll dies dann in den SBBS abgebildet werden. Das Ziel der ganzen Übung ist – es ist bereits angesprochen worden –, die Liquidität vor allem für kleinere Marktteilnehmer zu erhöhen bzw. die Abhängigkeit einzelner Staaten bzw. deren Banken von den Staatsanleihen der eigenen Länder zu verringern. Das ist das Ziel, das dahintersteckt. So viel steht auch im Papier, so viel ist von der EU-Kommission herausgegeben worden.
Nun gibt es dabei ein Problem, das heißt Rating. Die ganze Übung macht nur dann Sinn, wenn ein solches SBBS auch ein gutes Rating hat – sprich: Rating und Zinsen sind zwei Seiten der gleichen Medaille –, wenn also die Zinsen für ein solches Finanzinstrument nicht so hoch sind. Deshalb soll es dort verschiedene Tranchen geben: eine Seniortranche, die sicher ein sehr gutes Rating und damit auch einen niedrigen Zins bekommen würde. Außerdem soll es noch eine oder zwei weitere Tranchen – Mezzanine und/oder eine Juniortranche – geben, die sicherlich ein schlechteres Rating hätte, es sei denn, irgendjemand übernimmt dafür eine Haftung. Dann kann auch dafür ein sehr gutes Rating gegeben werden.
Das ist aber nicht das Ziel von SBBS, Sovereign Bond Backed Securities. Ich habe das zumindest nirgendwo gelesen. Das ist in der Wahnvorstellung mancher die Gefahr, die droht: dass dort Haftung übernommen werden soll. Aber es ist ganz klar ausgeführt, dass mit SBBS
keine Vergemeinschaftung von Schulden vorgenommen werden soll, und ich bin der Meinung, das ist auch richtig so; denn ohne verstärkte Integration von Haushalts- und Finanzpolitik können wir Schulden nicht vergemeinschaften. Das wird nicht funktionieren. Um es ganz salopp zu sagen: Ich werde nicht die Schulden meines Nachbarn übernehmen, wenn ich keinerlei Kontrolle über seine Finanzführung habe. Das funktioniert nicht.
Aber ich komme noch einmal dazu – nur, damit daraus nicht das Falsche abgeleitet wird. Ich möchte nochmals deutlich machen, dass das übrigens auch die offizielle Position der Bundesregierung ist. Ich weiß überhaupt nicht, worin die Aufregung besteht. Ich frage mich: Was ist Ihr Problem?
Ich habe hier vorn gerade auch wieder gemerkt, dass es Ihnen um Angstmache geht. Es geht um Vermutungen, um Mutmaßungen.
Halt, halt, halt, halt, halt! Ich habe über Mutmaßungen gesprochen. Jetzt mal Vorsicht! Bleiben Sie doch auch ruhig.
Ja, von Angstmache und Mutmaßungen habe ich gesprochen, genau; denn entweder ist es böswillige Absicht – das will ich Ihnen aber gar nicht unbedingt unterstellen –, es kann aber auch Angst vor etwas sein, das man selbst nicht versteht. Das sind die beiden Möglichkeiten. Ich kann Ihnen nur sagen: Die Diskussion zu SBBS ist eine Fachdiskussion, die sachlich geführt werden muss. Dazu ist überhaupt noch nichts beschlossen. Nur immer wieder das Schreckgespenst EU an die Wand zu malen und mit Ihrem Titel – darauf ist ja schon hingewiesen worden – „Die EU bläst zum Sturm...“ zu versuchen – – Ganz ehrlich: Das befremdet mich zutiefst.
Deshalb möchte ich zum Abschluss meine klare Haltung zum Thema Europa deutlich machen. Ich habe gesagt: Ohne eine stärkere Integration kann es auch keine gemeinsame Haftung geben. Das ist ganz einfach.
Aber ich bin trotzdem ein klarer Verfechter von Europa; denn Europa ist für uns eine Erfolgsgeschichte, und das nicht nur – Sie heben immer nur auf die Finanzen ab – wegen der Finanzen, weil wir als Freistaat Sachsen in den letzten 20 Jahren über 20 Milliarden Euro bekommen haben. Allein in dieser Förderperiode erhalten wir in diesem Jahr über 400 Millionen Euro.
Europa ist aber auch ein Friedensprojekt. Wir sind ein Land, das in der Mitte Europas liegt. Wir haben neun
Nationalstaaten an unseren Außengrenzen. Wir können glücklich sein, dass wir seit über 70, fast 80 Jahren in Frieden mit diesen Nachbarländern leben und in Wohlstand uns entwickeln können.
Das heißt nicht, dass wir an einzelnen Stellen nicht genau draufschauen müssen – das habe ich auch deutlich gemacht –, aber immer wieder dieses Schreckgespenst EU heraufzubeschwören und in diesem Zusammenhang von der – ich zitiere eine Pressemitteilung von Herrn Barth, AfD – „Melkkuh Deutschland“ zu sprechen, wird dieser Situation nicht gerecht. Das ist unseriös. Dagegen verwahren wir uns auch.
Als Nächste in dieser Rederunde spricht jetzt Frau Kollegin Schubert für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht so richtig verstanden, warum die AfD-Fraktion dieses Thema zur Aktuellen Debatte benannt hat; denn der Titel ist genauso kryptisch wie bürgerfern.
Wenn Sie, Herr Barth, eine breite Diskussion zu europäischen Finanzinstrumenten hätten anstoßen wollen, hätte es zum einen vielleicht erstmals einen Titel gebraucht, den die Menschen verstehen können, und zum anderen wäre ein konkreter Vorschlag, zum Beispiel in Form eines Antrags, hilfreich gewesen, worauf Sachsen denn nun genau achten soll und was Sachsen tatsächlich machen soll.
Mit Ihrer nahezu militärischen Ansage wie „Brüssel bläst zum Sturm“ kann man vermuten, dass der Fokus vielleicht auf einer anderen Zielgruppe liegt. Dazu können wir nur sagen: Sachsen, sei in der Tat wachsam, und zwar vor dem finanzpolitischen Geschwurbel der Sachsen-AfD.
Wir bewegen uns mit diesem Thema in der Zuständigkeit der Bundesebene und das, obwohl sich aktuelle Landesthemen, die in einer solchen Aktuellen Debatte angebracht wären, geradezu aufdrängen. Wir haben jetzt schon mehrfach gehört, wofür „SBBS“ steht: Sovereign Bond Backed Securities. Auf Deutsch sind das Wertpapiere, die durch Staatsanleihen besichert sind.
Die Finanzkrise von 2009 hat deutlich gezeigt, welche Folgen und Konsequenzen die Abhängigkeit von Banken und Staaten hat. Die Europäische Kommission hat nun mit diesen SBBS eine pragmatische Alternative zu den doch sehr umstrittenen Eurobonds vorgelegt. Sie hat einen Gesetzesrahmen dafür ausgearbeitet – er ist Ende Mai
dieses Jahres vorgestellt worden –, und der Vorschlag der EU-Kommission ist zumindest überdenkenswert.
Ziel ist es – das ist auch das, was die Europäische Kommission dazu bewegt hat –, Europa besser vor der nächsten Krise zu schützen. Eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Vorschlag ist unbedingt notwendig.
Ich möchte aber wiederholen: Vielleicht wäre ein Antrag im Fachausschuss mit konkreten Ansätzen, was die AfDFraktion mit diesem Thema in Sachsen erreichen will, angemessener als die Aktuelle Debatte. Ich frage mich: Wo ist denn das Konzept? Hätten Sie, Herr Barth, ernsthaft über finanzpolitische Instrumente diskutieren wollen, dann hätten Sie in die Materie des Financial Engineerings wenigstens ansatzweise einsteigen sollen. Dann könnten wir – wie das Kollege Panter ausgeführt hat – über Junior- und Senior-Tranchen sprechen oder – wie das der Kollege Patt ausgesprochen hat – über synthetische Wertpapiere.
Brunnermeier, ein deutscher Volkswirt, hat auf dem Höhepunkt der Eurokrise 2011 die Idee der sogenannten ESBies – die EU nennt sie jetzt SBBS – entwickelt. Dort wird die Auffassung vertreten, dass die Eurokrise hauptsächlich durch das Fehlen eines europäischen Safe Assets ausgelöst wurde. Es geht dabei nicht um einen allgemeinen Mangel an Safe Assets, sondern um das Fehlen eines einheitlich europäischen sicheren Wertpapiers. Solange es nämlich die jeweiligen Staatsanleihen der Mitgliedsstaaten als sichere Anlagen gibt, haben wir tatsächlich zwei Probleme: Das sind zum einen die Banken – ganz kurz –, die aufgrund der derzeitigen Bankenregulierung in erheblichem Umfang sichere Anlagen halten müssen und, wenn die Staatsanleihen an sich an Wert verlieren, sich Staaten und Banken gegenseitig in den Abgrund ziehen, wie wir das zur Eurokrise erlebt haben.
Zum anderen ist es der Herdentrieb, den wir immer wieder auf den Finanzmärkten erleben, im Zuge dessen zum Beispiel auch die Immobilienblase entstanden ist. Diese ist geplatzt durch nervöse Investoren und alles, was mit Wirtschaftseinbruch und Begleiterscheinungen, wie panikartiger Kapitalflucht oder Staatspleiten zu tun hat. All das, was wir da erlebt haben, kann man wirklich sagen, ist der Worst Case.
Die ESBies oder SBBS können diese Probleme in der Tat lösen. Ein ganz wichtiger Mechanismus – darüber haben wir heute noch gar nicht gesprochen – wäre das Großkreditlimit für jede Anlage von Banken. Sie dürfen nicht mehr als 25 % ihres Eigenkapitals in einen einzigen Schuldner investieren. Das wäre wirksam, ist aber zweifelsohne unpopulär. Da darf man skeptisch bleiben, das ist völlig legitim. Ob es das geeignete Instrument ist, dazu müsste man fachlich in die Tiefe steigen.