Weiteren Strafanzeigen gegen Verantwortliche des Vereins wurde ebenfalls keine Folge gegeben, weil – soweit bislang bekannt – das Schiff „Lifeline“ immer mit Zustimmung bzw. auf ausdrückliche Anweisung der dafür zuständigen ausländischen Behörden die aufgenommenen Personen an andere Schiffe übergeben oder an Land gebracht hat. Damit fehlt es schon an Erkenntnissen, dass das Handeln der Verantwortlichen des Vereins nach dem örtlichen Recht strafbar ist. Aber genau das wäre Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Die Einleitung entsprechender Verfahren durch die italienischen oder maltesischen Behörden ist bisher nicht bekannt.
Es ist auch unsere Aufgabe, das Eintreten solcher Notlagen zu verhindern – Kollege Günther hat es gesagt –, sicher durch das Bekämpfen der Fluchtursachen, aber auch, indem wir Schleuserkriminalität entgegentreten; denn die Schleuser sind es, die um ihres Profits willen den Tod von Menschen im Mittelmeer und auf anderen Fluchtrouten in Kauf nehmen.
Ich möchte an dieser Stelle ein persönliches Erlebnis anführen: Damals auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskri
se, als viele Menschen auf den griechischen Inseln angekommen sind, haben wir bei uns in Leipzig Medikamente, Kleidung für Kinder und Schwangere gesammelt. Mein Mitarbeiter ist damals auf die Insel gefahren. Er hat gesehen, wie diese Schleuser vorgehen, dass diese Menschen in Boote gesetzt werden, die nur so viel Benzin hatten, dass sie gerade so das andere Ufer erreichen konnten. Die Schleuser haben sich nicht mit in die Boote gesetzt. Sie haben nicht dafür gesorgt, dass es zu einer sicheren Überfahrt kam. Sie haben schlichtweg die Menschen einfach fahren lassen. Das ist gewissenlos. Das müssen wir genauso konsequent bekämpfen wie letztlich die Fluchtursachen.
In Sachsen wird in vielen solcher Fälle ermittelt, in Fällen, die die Schleuserkriminalität betreffen. Die Ermittlungen werden zum Teil in Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden geführt. Zahlreiche Beschuldigte konnten bisher ermittelt und überführt werden. Auch das ist ein Ansatz, den wir hier in Sachsen verfolgen müssen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Seenotrettung muss auf Basis des geltenden Rechts stattfinden. Sie ist eine menschliche Pflicht.
Für die Staatsregierung berichtet zunächst der Staatsminister und Chef der Staatskanzlei, Herr Oliver Schenk, zum Thema „Mehrjähriger Finanzrahmen und Strukturfondsförderung nach 2020 – Bewertung der bisherigen Vorschläge aus sächsischer Sicht“. Es stehen Ihnen 10 Minuten Zeit zur Verfügung. Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, dem Staatsminister Fragen zu stellen.
Als weiteren Themenkomplex hat die Fraktion AfD das Thema „Demografische Entwicklung und Migrationspolitik“ benannt. Es gilt wieder die Festlegung, dass in der ersten Runde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden. In den weiteren Runden können die Fragen sowohl dieses Thema als auch den von der Fraktion AfD benannten Themenkomplex betreffen.
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir hatten gestern, wie ich finde, eine gute Debatte zur Europapolitik. Bei allen Unterschieden im Detail eint uns die Auffassung, dass ein starkes Europa zentral ist, auch für uns hier im Freistaat.
In Europa – auch das hat die Debatte gezeigt – gehören Finanzfragen mit auf die Tagesordnung. Wir tun es ganz besonders in diesen Monaten, in denen über den neuen mittelfristigen Finanzrahmen diskutiert wird. Weil ich das Thema Kohäsionspolitik gestern nicht weiter vertiefen konnte, will ich es jetzt etwas ausführlicher darstellen und im Detail darauf eingehen, wie wir die Vorschläge bewerten, die auf dem Tisch liegen. Mein Fokus wird dabei auf den Vorschlägen für die Zukunft der Kohäsionspolitik liegen. Dabei ist mir wichtig, Ihnen darzulegen, wie sich die Staatsregierung bislang in die Diskussion eingebracht
Am Anfang der Diskussion steht natürlich das, was uns im ersten Halbjahr von Herrn Günther Oettinger vorgelegt worden ist. Ich glaube, dass der Vorschlag, den die Kommission präsentiert hat, eine brauchbare Ausgangsgrundlage für die anstehenden, sicherlich sehr schwierigen Verhandlungen ist, in denen es aus unserer Sicht noch viel zu besprechen gibt.
Das wird in anderen Mitgliedsstaaten durchaus anders gesehen. Insbesondere bei den großen Verlierern der Kohäsionspolitik ist es nicht fernliegend, dass sie den Vorschlag der EU-Kommission als Verhandlungsgrundlage letztlich ablehnen. Was die Folgen daraus sind, darauf will ich gern später noch ein wenig eingehen.
Wir bedauern und kritisieren viele Punkte, zum Beispiel dass es bei der Kohäsionspolitik insgesamt, aber auch bei der gemeinsamen Agrarpolitik deutliche Kürzungen geben soll. Laut den Zahlen, die derzeit vorliegen, zählt Deutschland sogar mit rund 21 % zu den größten Verlierern. Daraus kann man aber noch keine Schlussfolgerung ziehen, was das für uns bedeutet, denn die regionale Verteilung hat noch nicht stattgefunden. In diesem Stadium sind auch die Diskussionsprozesse in der Kommission noch nicht angekommen.
Mit welchen Instrumenten könnten wir erreichen, dass die Verluste möglichst begrenzt sind? Denkbar wäre etwa ein regionales Sicherheitsnetz, mit dem entsprechende Verluste begrenzt werden. Erfreulich aus unserer Sicht ist – das haben wir gestern auch miteinander diskutiert –, dass alle Regionen weiterhin förderfähig bleiben. Ich möchte mit Blick auf das europäische Durchschnitts-BIP daran erinnern, dass wir vor zehn Jahren flächendeckend unter 75 % waren. Mittlerweile sind alle Regionen in Sachsen deutlich darüber. Wir haben die Chemnitzer Region bei 89 %, die Dresdner bei 96 % und Leipzig bei 101 %.
Durch das Anheben der Schwelle für die sogenannten Übergangsregionen von 90 auf 100 % wäre auch die Dresdner Region in Zukunft als Region im Bereich der Übergangsregionen förderbar. Diese vorgeschlagene
Anpassung der Übergangskategorie ist für den Freistaat, der sich im Osten bis an die polnische Grenze erstreckt, und insbesondere für die Region Dresden grundsätzlich positiv.
Sie bedeutet aber auch, dass die Zahl der Übergangsregionen insgesamt in Europa steigen wird. Entsprechend sollten auch die Mittel, die für diese Kategorien vorgesehen sind, seitens der Kommission erhöht werden und eine ausreichende Dotierung stattfinden. Kommissar Günther Oettinger hat uns zugesagt, dass er dies im Blick hat und ihm bewusst ist, dass hier eine offene Frage seitens der Bundesrepublik, insbesondere des Freistaates, besteht.
Der Anteil der Mittel für Übergangsregionen im Verteilungsvorschlag hat sich lediglich um vier Prozentpunkte erhöht – von 10 auf 14. Dafür kommen aber allein in Frankreich zehn Regionen von stärker entwickelten
Regionen in diese Übergangskategorie zurück. Zusätzlich kommen zahlreiche von unten aufgewachsene Regionen aus Osteuropa, aus osteuropäischen Regionen, die aufgrund ihrer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung in diese Kategorie hineingewachsen sind. Deshalb fordern wir eine Anhebung der Mittel für die Übergangsregionen. Wir glauben, dass diese Regionen ganz spezielle Förderbedarfe haben, die mit entsprechenden Mitteln hinterlegt sein sollten.
Eine weitere Forderung unsererseits ist eine Anpassung und ein Verhalten gegenüber der sogenannten BerlinFormel, über welche die Mittelverteilung innerhalb der Regionenkategorien erfolgt, und dass diese noch weiter verfeinert wird.
Zu begrüßen ist zunächst einmal, dass das BIP weiterhin das entscheidende Kriterium bleibt. Darüber hinaus hat die Kommission jedoch vier neue Indikatoren aufgenommen. Dazu zählen die Fragen der Integration von Flüchtlingen, das Bildungsniveau, der Fortschritt bei der Dekarbonisierung sowie das Thema Jugendarbeitslosigkeit.
Kritisch sieht Sachsen unter den neuen Indikatoren die Kriterien Bildungsniveau und Jugendarbeitslosigkeit, da diese indirekt bereits über andere Kriterien berücksichtigt sind. Die Arbeitslosigkeit ist überdies mittelbar im BIP pro Kopf verankert. Aus diesem Grund hält Sachsen diese Indikatoren für ungeeignet. Sie führen im Grunde zu einer Doppelberücksichtigung zugunsten der von diesen Problemen besonders betroffenen Regionen.
Die Staatsregierung hat darüber hinaus als ein weiteres Kriterium die Überalterung und die Altersstruktur der Erwerbsbevölkerung angeregt. Die absehbare starke Überalterung der Erwerbsbevölkerung stellt mittel- und langfristig das Innovationspotenzial unserer Volkswirtschaft infrage.
Ganz besonders kritisch sehen wir die Absenkung der EUKofinanzierungssätze auf 55 % bei den Übergangsregionen und sogar 40 % bei den stärker entwickelten Regionen. Die Fallhöhe für uns wäre enorm. Wir kommen von 80 % und würden hier deutliche Verluste hinnehmen müssen. Diese Absenkung hätte zudem eine deutliche Mehrbelastung des Landeshaushalts zur Folge. Die höhere Eigenbeteiligung wiederum würde dazu führen, dass weniger Geld für Landesprogramme übrig bliebe. Der Gestaltungsspielrahmen des Haushaltsgesetzgebers, meine Damen und Herren, würde durch deutlich höhere Vorbindungen im Haushalt sinken. Das Thema Kofinanzierung wird daher im Mittelpunkt unserer weiteren Positionierung stehen.
Eine Mehrbelastung für den Haushalt resultiert auch daraus, dass die Vorfinanzierung durch die EU von aktuell 1 auf 0,5 % abgesenkt werden soll. Auch hierdurch würden mehr Landesmittel gebunden. Hier fordern wir zumindest für die ersten beiden Jahre mindestens eine Beibehaltung des aktuell geltenden 1 %.
Kritisch sehen wir darüber hinaus den Vorschlag der Kommission, die Programmplanung zunächst nur für die
ersten fünf Jahre aufzustellen. Die Mittelzuweisungen für die Jahre 2026 und 2027 sollen erst auf der Grundlage einer substanziellen und eingehenden Halbzeitüberprüfung erfolgen, die gegebenenfalls zu einer Neuausrichtung der Programme führen würde. Die Regelung eines Förderzeitraumes fünf plus zwei würde nicht nur administrativ aufwendig und zeitintensiv werden, sondern sie würde auch Vereinfachungsbestrebungen widersprechen, die wir alle miteinander beabsichtigen.
Meine Damen und Herren! Dies sind die wichtigsten unserer Forderungen und Anmerkungen zu den Vorschlägen für die Kohäsionspolitik. Selbstverständlich gibt es darüber hinaus im Detail zahlreiche weitere Punkte, die insbesondere den Vollzug der Förderung betreffen. Auch die Aufwertung des Europäischen Semesters und seine Verknüpfung mit der Programmierung und Evaluierung der Programme sehen einige meiner Kollegen durchaus kritisch. Die betroffenen Ressorts stimmen sich im Hinblick auf die anstehenden Positionierungen insbesondere im Rahmen des Bundesratsverfahrens intensiv ab.
Wichtig und im Interesse Sachsens ist darüber hinaus ein weiterer Aspekt, den ich zum Schluss noch nennen will. Das ist die Frage, wann die Verhandlungen zu Ende geführt werden. Es gibt das Ziel der Kommission, die Verhandlungen nächstes Jahr am 9. Mai im rumänischen Sibio unter rumänischem Vorsitz möglichst abzuschließen. Ich glaube, wir alle können halbwegs einschätzen, wie ehrgeizig das ist, auch wie problematisch das vor dem Hintergrund zahlreicher Diskussionen ist, die an dieser Stelle noch zu führen sind.
Zum Beispiel dringt die italienische Regierung darauf, dass die Kommission noch vor der Europawahl Vorschläge für eine Reform der makroökonomischen Steuerung in der Eurozone und der EU auf den Weg bringt, die weit über eine Stärkung der Kohäsionspolitik hinausgeht. Die Verhandlungen über einen Haushalt könnten daher zum Opfer der italienischen Reformbestrebungen werden. Das würde aber bedeuten, dass ein reibungsloser Übergang in die neue Förderperiode und die Fortführung wichtiger Programme gefährdet werden.
Deshalb kann ich nur an alle appellieren, dazu beizutragen, dass der Zeitplan eingehalten wird. Das Ziel der Staatsregierung jedenfalls lautet, in zügigen Verhandlungen ein für den Freistaat Sachsen bestmögliches Ergebnis zu erzielen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Wir gehen in die erste Fragerunde, und es beginnt die CDU. Herr Abg. Schiemann, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Aus dem jetzt vorliegenden Mehrjährigen Finanzrahmen geht hervor, dass zu befürchten ist, dass die Bundesrepublik Deutschland weniger an Fi
nanzmitteln erhält. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können. Deshalb die Frage: Was wird die Staatsregierung unternehmen, besonders bei der Europäischen Union, aber auch bei der Bundesregierung, vorzutragen, dass unser Nachholbedarf nochmals bekräftigt wird, um diese drohenden Kürzungen abzuwenden?
Oliver Schenk, Staatsminister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Vielen Dank, Herr Schiemann. Ich glaube, wir müssen deutlich machen, wie wichtig diese – viele sprechen von der Sandwich-Position zwischen stark entwickelten westdeutschen, westeuropäischen Regionen und Osteuropa – Sandwich-Position ist, erst einmal mit Blick auf die Gesamtentwicklung Europas, Stichwort: Infrastrukturausbau. Wir sind als Region zwischen diesen beiden Teilen darauf angewiesen, sehr leistungsfähige Infrastrukturen bereitzustellen. Ich bin dankbar dafür, dass wir mit der A 14 und der A 17 beispielsweise zwei große Verkehrsachsen haben.
Wir haben heute Morgen über die neue Verkehrsverbindung von Berlin nach Osteuropa im Zusammenhang mit den Reformbemühungen im Bereich der Braunkohlesanierungsgebiete gesprochen. Wir haben über Dresden – Prag gesprochen. Das sind Argumente, die wir anbringen, dass wir hier infrastrukturell besser aufschließen.
Das andere ist, dass wir sehen, dass wirtschaftliche Nachholbedarfe bestehen, insbesondere was das Gründungsgeschehen, auch die Größe von Unternehmen, den Sitz von Konzernzentralen betrifft, dass auch das Argumente sind, die dafür sprechen, auch in Zukunft weiterhin Wirtschaftsförderung zu betreiben, damit die Unternehmen weiter wachsen, dass sie in Innovationen investieren können und die Möglichkeit haben, mit Unterstützung von außen, mit Stützung aus Brüssel weiteres Wachstumspotenzial hier im Inland zu generieren.
Es kommen neue Themen hinzu, von denen wir stärker als andere betroffen sind. Ich nenne die Themen Fachkräfte und demografischer Wandel. Auch hier gibt es Bedarfe, die wir glauben gut als Argumente dafür anbringen zu können, dass auch in Zukunft eine starke Unterstützung aus Brüssel für den Freistaat Sachsen, aber auch die meisten anderen ostdeutschen Länder notwendig und erforderlich ist.