Warum fliehen Menschen aus dem südlichen Teil der Erde, vom Kontinent Afrika? Sie fliehen vor Militärdiktaturen, vor Folter, vor wirtschaftlicher Ausbeutung und vor klimatischen Verwerfungen. Was kann man aktuell beobachten? Vor allem durch die Bundesrepublik Deutschland vorangetrieben, werden Pakte mit Diktaturen abgeschlossen, um Migrationsab
wehr zu betreiben. Die Handelspolitik wird nicht verändert, damit sich die Staaten dort selbst regenerieren können.
Nein, das wird nicht gemacht. Es wird militarisiert. Es wird Geld reingepumpt. Die libysche Küstenwache ist so ein Beispiel. Das ist der falsche Weg. Das ist keine Fluchtursachenbekämpfung.
Ich wollte im zweiten Redebeitrag fokussieren, welche Verantwortung Deutschland mitträgt. Mare Nostrum ist hier schon mehrfach angesprochen worden. Mit Mare Nostrum konnten innerhalb eines Jahres 150 000 Menschenleben gerettet werden, eine immense Zahl, die private Seenotrettungsorganisationen so wahrscheinlich nicht erreichen. Warum hat Italien dieses Programm eingestellt? Weil es europäische Staaten nicht mitfinanzieren wollten. Das Programm war milliardenschwer, und die Staatengemeinschaft, darunter Deutschland als größter Player in der EU, hat sich verweigert, dieses Seenotrettungsprogramm mitzufinanzieren. Erste Schuld.
Zweite Sache. Blicken wir zurück zum Juni auf das Drama mit der Mission Lifeline. Wer hat die Bedingungen gestellt, dass das Schiff festgesetzt wird, und wer hat sich verweigert, auch nur eine Person der 234 eine Woche auf dem Mittelmeer herumirrenden bzw. eingesperrten Menschen aufzunehmen? Das war Deutschland. Das war Ihr Bundesinnenminister, der sich dem verweigert hat. Das ist ein Drama. Das ist eine Katastrophe.
Die dritte Sache. Wir waren letztes Jahr mit dem Innenausschuss in Italien. Vielleicht erinnern sich manche Akteure daran. Was haben wir in jeder Gesprächsrunde gehört? Das Dublin-Abkommen ist das Problem und muss abgeschafft werden. Das waren die klaren Statements der italienischen Verantwortlichen, egal, ob Zivilgesellschaft oder staatliche Akteure. Genau das muss angepackt werden. Schauen wir uns die Verhandlungen auf EUEbene an. Wer genau behindert eine Lösung für die Verteilung von Geflüchteten und einen fairen finanziellen Ausgleich?
Das ist vor allem Deutschland. Deutschland ist der Player in der Europäischen Union und versperrt sich tatsächlichen Lösungen für die Aufnahme und für die Verteilung Geflüchteter.
Um das Sterben auf dem Mittelmeer zu stoppen, braucht es sichere Fluchtwege, zum Beispiel durch die Aufnahme
von bestimmten Kontingenten von Geflüchteten. Dabei kann sich Deutschland auch selbst verantworten. Das Aufenthaltsgesetz gibt es her. Oder es bedarf eines staatlichen Fährdienstes nach Europa, und das ist keine Idee von mir. Das ist eine Idee von Klaus Bader, einem renommierten Migrationsforscher, und genau solche Ideen unterstützen wir als LINKE ausdrücklich.
(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Jörg Urban, AfD – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Herr Urban, bleiben Sie ruhig!)
Meine Damen und Herren! Herr Wippel, Sie haben eben versucht, unterschiedliche Zahlen von Toten gegeneinander aufzurechnen, wenn ich das richtig verstanden habe. Also sei es besser, wenn nur 500 Menschen als 3 500 Menschen sterben? Vielleicht darf ich Sie darauf hinweisen, dass es nicht nur ein christlicher und humanistischer Anspruch ist, der das verbietet, sondern es gibt eine Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die genau sagt, dass sich eine solche Aufrechnerei verbietet und unsere Rechtsordnung das nicht duldet.
Meine Damen und Herren! Es ist richtig, wir brauchen auf der europäischen Ebene eine Fortentwicklung des Migrationsrechts. Wir werden im nächsten Jahr in Deutschland über die Zuwanderung diskutieren. Wir müssen sehen, welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden. Ich denke, wir werden auch darüber streiten, weil unter anderem Zuwanderung auch bedeuten wird, dass man diejenigen hereinlassen will, die man braucht, und möglicherweise die anderen nicht. Diese Diskussion werden wir führen müssen. Die SPD-Fraktion ist der Auffassung, dass wir auch Leute hereinlassen müssen, die hierher wollen, und nicht nur diejenigen, die uns nützlich sind. Aber wir benötigen andere Wege als über das Mittelmeer, um mit dieser Problematik umzugehen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich persönlich und im Namen meiner Fraktion herzlich bei denjenigen bedanken, die es auf sich nehmen, als Ärztinnen und Ärzte, als Helferinnen und als Seenotretter tätig zu werden, Menschen zu retten, und sich deshalb aus unserer Gesellschaft auch noch Anfeindungen anhören müssen. Wir bewundern diese Menschen, die handeln und durch ihre Tätigkeit viel Gutes bewirken, während andere dabei stehen bleiben, Spekulationen anzustellen und Ängste zu schüren, ob von den Geretteten wohl eine Gefahr ausgeht. Wir danken den Helferinnen und Helfern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Ich bin ja vorhin in der ersten Runde nicht ganz fertig geworden. Wir haben gesagt, die Lösung soll restriktiv ausfallen. Es soll kein Mensch im Mittelmeer ertrinken. Das ist richtig. Aber es ist nur zu schaffen und dieser Teufelskreis ist nur zu durchbrechen, wenn das Ziel, das die Menschen und die Schlepper haben, nicht erfüllt wird. Die Lösung muss heißen: Das Ende der Fahrt ist der Ort, wo der Anfang der Fahrt ist, nämlich an der nordafrikanischen Küste. Dann haben wir Menschenleben gerettet und dann können wir auch wieder aus diesem Teufelskreis ausbrechen, der, je mehr ich rette, umso mehr Menschenleben kostet.
Wenn man sich einmal die Fakten betrachtet, wie ich es in der ersten Runde dargestellt habe, dann kommt mir das manchmal etwas wie die Anstiftung zum Suizid vor. Die ist zwar nicht strafbar, aber moralisch verwerflich. Sie sagen: Das andere Sachsen handelt. Ja, Sachsen ist gespalten. Das ist sehr deutlich. Damit haben wir das eine Sachsen, nämlich welche wie Sie, die Seenotrettung sagen, die Fluchthilfe denken, aber Unterstützung von Schlepperei betreiben. Die Kritiker dieser Politik werden aber dann als Rassisten und Nazis diffamiert. Es gibt aber auch das andere Sachsen, – –
Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Günther? Sonst ist Ihre Redezeit vorbei und ich kann es nicht mehr zulassen.
Sie sprachen soeben vom Diffamieren. Ich hatte ja vorhin schon im Rahmen der Kurzintervention darauf verwiesen, dass bei PegidaDemonstrationen im Sommer laut „Absaufen! Absaufen!“ gerufen worden ist. Wie würden Sie das bewerten? Darf man solche Leute bekämpfen? Darf man sagen, dass das unsäglich ist? Darf man solche Menschen diffamieren oder ist es aus Ihrer Sicht ungerecht?
Ja, Herr Bartl, ich bin nun gefragt. Wenn Sie in Ihrem Redebeitrag gefragt sind, können Sie ja antworten. Aber ich würde mir es einfach mal anmaßen, eine Antwort zu geben. Also, ich war an dem Tag – wie gesagt – nicht dabei. Ich kenne die Zusammenhänge nicht. Wenn man bei dieser Thematik eine Position einnimmt, die heißt, „Lassen wir sie alle absaufen“, dann ist das menschenunwürdig und menschenverachtend. Das teile ich nicht und diese Auffassung teilt auch meine Fraktion nicht. Solche
Aussagen verurteilen wir aufs Schärfste. Das ist völlig klar. Wir vertreten die Position. Hören Sie bitte zu! Die Position, die wir vertreten, ist ethisch und moralisch berechtigt.
Ich bin gleich fertig. Ich werde mich melden, wenn ich fertig bin. Also, Herr Günther, mein letzter Satz zur Beantwortung Ihrer Frage: Die Position, die wir vertreten, ist, dass wir Kriege verachten, dass wir Nationen respektieren, dass wir Menschen vor Ort helfen müssen, egal woher sie kommen, und dass wir die Realität und Fakten zur Kenntnis nehmen müssen. Das heißt für uns auch: Die beste Seenotrettung ist die, die gar nicht stattfinden muss. Deshalb lassen Sie mich mit zwei Worten schließen:
Gibt es noch Redebedarf von den Fraktionen, die noch Redezeit haben? – Ich sehe keine Reaktionen. Ich würde die Zeiten sonst auch bekanntgeben. Dann bitte ich die Staatsregierung, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Leben zu retten ist keine Option, sondern eine humanitäre und rechtliche Verpflichtung. Mit Blick auf die Flüchtlinge und Migranten im Mittelmeer, deren Boote oft desolat und völlig überladen sind oder aufgrund der Wetterlage in Seenot geraten, ist es richtig und menschliche Pflicht, durch schnelles Eingreifen Tragödien zu verhindern. Trotzdem unterliegt diese Hilfe auf See auch einer Überprüfung nach Recht und Gesetz, denn über die Aufnahme von Migranten und Flüchtlingen müssen die Zielländer entscheiden, aber nicht Schlepper und Schleuser durch ihre gewissenlose Geschäftstätigkeit.
Einige dieser Fragen müssen nicht nur in den MittelmeerAnrainerstaaten, sondern auch in Deutschland hier bei uns in Sachsen entschieden werden. Bei uns stand zum Beispiel – es ist bereits angesprochen worden – die Tätigkeit des in Sachsen ansässigen Vereins Mission Lifeline e. V. im öffentlichen Fokus. Gegen zwei der
Mitglieder des Vereins wurde aufgrund einer Strafanzeige ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Einschleusens von Ausländern geführt. Dieses Ermittlungsverfahren wurde aber eingestellt, weil der Verein zum damaligen Zeitpunkt noch kein Schiff erworben hatte und ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch noch nicht festgestellt werden konnte.
Weiteren Strafanzeigen gegen Verantwortliche des Vereins wurde ebenfalls keine Folge gegeben, weil – soweit bislang bekannt – das Schiff „Lifeline“ immer mit Zustimmung bzw. auf ausdrückliche Anweisung der dafür zuständigen ausländischen Behörden die aufgenommenen Personen an andere Schiffe übergeben oder an Land gebracht hat. Damit fehlt es schon an Erkenntnissen, dass das Handeln der Verantwortlichen des Vereins nach dem örtlichen Recht strafbar ist. Aber genau das wäre Voraussetzung für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Die Einleitung entsprechender Verfahren durch die italienischen oder maltesischen Behörden ist bisher nicht bekannt.