Protokoll der Sitzung vom 07.11.2018

Die Aufgabe, die aus diesen Befunden folgt, ist eigentlich recht klar: Die Weltgemeinschaft muss dafür sorgen, dass niemand unfreiwillig den eigenen Lebensstandort verlassen muss. Auf der anderen Seite gilt es, mehr Möglichkeiten zu schaffen, freiwillige Migration zu ermöglichen, irreguläre Migration also zu legalisieren. Wir sind dabei klar auf der Seite der UN. Die unsichere Migration, die Menschenleben gefährdet, muss verhindert werden, allerdings nicht durch restriktive Mittel wie Grenzzäune oder bewaffnete Einheiten. Migration muss als ganz normales Phänomen anerkannt und sichere, legale Wege müssen geschaffen werden.

(Beifall bei den LINKEN)

Es ist völlig klar, dass dies – das wurde hier auch schon ausgeführt – nur im Rahmen einer internationalen Übereinkunft wie in anderen Bereichen, sei es das Weltklima, sei es das Postwesen, und nicht mittels Kleinstaaterei möglich ist. Der Dreiklang muss aus Sicht der LINKEN lauten: Fluchtursachen bekämpfen, globale Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit ermöglichen und soziale und demokratische Rechte für jede Einzelne und jeden Einzelnen dort garantieren, wo sie oder er lebt.

Seit Juli dieses Jahres liegt nun das Ergebnis eines zweijährigen Prozesses vor, in den die Bundesregierung involviert war, zu einem Global Compact for Migration. An diesem Prozess haben 192 von 193 UN-Mitgliedsstaaten mitgewirkt. Sowohl die Bekämpfung der Gründe, aus denen Menschen unfreiwillig ihre Herkunftsländer verlassen müssen, als auch die Erleichterung von Einwanderung etwa durch eine liberalere Visafreigabe und

nicht sozial- und rechtsstaatliche Garantien für Migrantinnen und Migranten befinden sich unter den 23 vereinbarten Punkten, die im Dezember in Marrakesch offiziell unterzeichnet werden sollen.

Aber – und das ist kein Geheimnis – so gut und umfassend aus unserer Sicht die Zielmarken definiert sind, so unverbindlich kommt der Pakt daher. Das, was Sie kritisieren, kritisieren wir aus einer anderen Perspektive. Was jetzt von den Regierungsparteien auf Bundesebene und von zahlreichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in den Medien eilig gegen die AfD ins Feld geführt wird – nationalstaatliche Souveränitätsrechte werden nicht eingeschränkt, es gibt keine Sanktionsmöglichkeiten in Bezug auf die Punkte des Paktes, alle im Pakt enthaltenen Regelungen bekräftigen bereits bestehende menschenrechtliche Garantien –, ist zwar alles richtig, markiert aber ganz klar die Grenze dieses Paktes.

Was die AfD Hand in Hand mit den rechten Regierungen – das verbindet sie, weil die Frage gestellt wurde, warum so viele Länder nicht unterzeichnen – von Österreich, Ungarn, Australien und allen voran der USA unter Donald Trump hier macht, ist nichts anderes als viel Lärm um eigentlich recht wenig. Schlimmer ist: Die rechten Kampagnen gegen den Migrationspakt basieren auf Fake News. Hier wird faktisch das neonazistische Irrbild des „großen Austausches“ an die Wand geworfen, wo es doch eigentlich nur um den ersten kleinen Schritt und das Anerkennen geht, dass Migration ein globales und vielfältiges Phänomen ist.

(Carsten Hütter, AfD: Erster Schritt! Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden?)

Es ist vollkommen absurd und weltfremd, was Sie uns hier erzählen.

(Beifall bei den LINKEN)

Wenn es die Weltgemeinschaft mit ihrer Zielbestimmung ernst meinen würde, Maßnahmen für eine gesicherte, geordnete und legale Migration auf den Weg zu bringen, muss die Form über eine eher symbolische Übereinkunft hinausgehen. Vor allem aber müssen die Ursachen der unfreiwilligen Migrationsbewegungen in den Blick genommen werden. Diese wurzeln unverkennbar in der Kolonialisierung und der neoliberalen Ausbeutung der Länder des globalen Südens durch den globalen Norden. Das müssen wir ab und zu bedenken.

(Jörg Urban, AfD: Das ist falsch!)

Sie basieren auf der Zerstörung der Umwelt und auf der Kriegspolitik des Westens und seiner Verbündeten. Schauen wir nach Afghanistan und in den Irak. Daran können Sie das gut sehen.

Lange ließe sich noch über die fehlgeleitete Entwicklungshilfepolitik sprechen, darüber, dass die Bundesrepublik auf dem Weg ist, mit diktatorischen Regimen, vor allem in Afrika, Pakte abzuschließen, die vorwiegend der Migrationsabwehr dienen sollen. Genau diese Ansätze,

die aus der westlichen Welt kommen, verschärfen das Problem eher, als eine Lösung zu bieten.

Noch ein Wort zur CDU. Was Ihre Partei jetzt auf Bundesebene, aber auch in Persona des sächsischen Ministerpräsidenten macht, kommt – ich habe das schon am Anfang gesagt – einem Einknicken vor der AfD gleich. Eine Debatte über den Pakt in Politik und Gesellschaft ist wichtig und richtig. Warum fällt Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, und vor allem dem Ministerpräsidenten, der seinerzeit im Bundestag war, als der Auftrag erteilt wurde,

(Beifall des Abg. Jörg Urban, AfD)

das erst jetzt ein? Ihre Partei hätte sich in Regierungsverantwortung auf Bundesebene, aber auch hier dieses Themas annehmen und die Diskussion anstoßen können. Warum haben Sie das nicht früher gemacht?

Wir lehnen den hier vorliegenden Antrag aus tiefster Überzeugung ab. Er basiert auf einer national-chauvinistischen Grundhaltung, auf falschen Informationen und blendet nicht zuletzt aus, dass Migration historisch betrachtet nicht nur vollkommen normal ist, sondern dass insbesondere Europa und Deutschland davon profitiert haben und noch profitieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Jetzt spricht für die SPD-Fraktion Herr Kollege Baumann-Hasske.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Anton, ich habe mir sagen lassen, dass das Thema dieses Migrationspaktes im April 2018 bereits Gegenstand einer Debatte im Bundestag gewesen sei. Ich habe aber ehrlich gesagt nicht mehr die Zeit gefunden, das noch einmal genau zu überprüfen.

Ich habe den Eindruck, dass hier ein Thema auf den Tisch gespült wird, weil vor allen Dingen die AfD und vor ihr schon die österreichische Ratspräsidentschaft und andere davon profitieren wollen. Sie sind natürlich schon lange damit beschäftigt. Österreich war an all den Verhandlungen beteiligt, andere Staaten auch. Die USA sind am Tisch gewesen. Dass wir uns jetzt alle darüber aufregen, dass hier angeblich etwas verschwiegen worden sei, halte ich einfach für an den Haaren herbeigezogen.

(Beifall bei der SPD)

Tatsache ist doch, dass wir alle Gelegenheit gehabt hätten, uns mit dem Migrationspakt zu befassen.

(André Barth, AfD: Weil ja jeder Bundestagsdebatten anschaut!)

Wir haben es nicht getan. Ich habe es, bevor es jetzt skandalisiert wurde, auch nicht zur Kenntnis genommen. Das gebe ich offen zu. Das heißt aber nicht, dass ich es

nicht hätte wissen können, wenn ich mich darum gekümmert hätte.

(Zuruf des Abg. André Barth, AfD)

Müssen Sie sich alles vorlegen lassen, damit Sie darüber diskutieren können?

(Sebastian Wippel, AfD: Dann sollten Sie uns dankbar sein, dass Sie heute darüber sprechen dürfen!)

Meine Damen und Herren! Dieser Migrationspakt möchte etwas einfangen, was es bisher im Bereich der Migration weltweit nicht gibt, nämlich ein System von Recht und Ordnung zu schaffen. Wer diesen Migrationspakt ablehnt, der möchte ein System von Recht und Ordnung ablehnen,

(Beifall bei der SPD und der CDU – André Barth, AfD: Der möchte Ordnung in seinem Land haben, Herr Baumann-Hasske!)

um mal mit einigen Unterstellungen aufzuräumen.

Dieser Pakt ist ausdrücklich – das wird in ihm mehrfach wiederholt – unverbindlich und will es erklärtermaßen sein. Er will kein neues bindendes Völkerrecht schaffen.

(Jörg Urban, AfD: Dann kann man ihn weglassen!)

Er wird vom Bundesrat nicht ratifiziert und erlangt damit keine Gesetzeskraft, wie es sonst bei internationalen völkerrechtlichen Verträgen nach Artikel 59 Abs. 2 Grundgesetz der Fall wäre. Es besteht eine moralische, eine politische Verpflichtung, wenn er unterzeichnet wird, aber kein einklagbarer Anspruch. Ziffer 7 der Präambel stellt dies ausdrücklich klar.

Um es mit meinen Worten anders auszudrücken:

(André Barth, AfD: Mit Moral ohne Recht handelt Frau Merkel schon seit 2015!)

Durch diesen Pakt entstehen keine neuen Grundrechte für Migranten im Völkerrecht. Migranten erhalten ausdrücklich keinen Flüchtlingsstatus. Ziffer 4 der Präambel legt dies ausdrücklich dar. Flüchtlinge und Migranten sind verschiedene Gruppen, die separaten Rechtsrahmen unterliegen. Nur Flüchtlinge haben Ansprüche aus dem Flüchtlingsrecht. Andere Migranten haben diesen Anspruch nicht. Das sagt dieser Pakt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte eine Zwischenfrage.

Bitte, Herr Kollege Wippel.

Vielen Dank, Herr BaumannHasske. Ich freue mich, einen Juristen hier vorn zu haben. Da kann ich Sie direkt fragen.

Fragen Sie mich.

Sie sagten gerade, natürlich würde der Pakt direkt keine rechtliche Verpflichtung nach sich ziehen, wohl aber eine politische und moralische.

Wenn aufgrund dieser politischen und moralischen Verpflichtung der Bundestag als Gesetzgeber Gesetze erlässt, würden die denn dann eine rechtliche Verpflichtung nach sich ziehen?

Wenn der Gesetzgeber gesetzliche Ansprüche formuliert, dann wären das in der Tat solche. Aber das ist eine moralische und politische Verantwortung. Wenn es im Bundestag andere Mehrheiten gibt, wird es sie nicht geben. Ich hoffe, dass wir da nicht hinkommen, um es Ihnen klar zu sagen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)